Leistung des ABC-Schutzfilters 74 gegen industrielle Schadstoffe

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Leistung des ABC-Schutzfilters 74 gegen industrielle Schadstoffe
Eidgenössisches Departement für Verteidigung,
                                                  Bevölkerungsschutz und Sport VBS
                                                  Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS
                                                  LABOR SPIEZ

Faktenblatt

11/1991

Leistung des ABC-Schutzfilters 74 gegen
industrielle Schadstoffe
Zusammenfassung

Der ABC-Schutzfilter 74 (und übrigens auch die Kollektivfilter in Schutzräumen mit BZS-
Zulassung) bietet Schutz gegen industrielle Schadstoffe. Ob er ausreicht, hängt von der
Situation ab. Substanzen mit hohem Siedepunkt sind problemlos, bei den flüchtigen Stoffen
sind Art und Konzentration entscheidend.

Publikation aus:
  •   Schweizerische Feuerwehr-Zeitung 11/91, W. Arnold, LABOR SPIEZ, 3700 Spiez
  •   Chimia, Volume 46, Number 3, 1992, pp. 79-83(5) Authors: Arnold, Werner; Lavanchy, André

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Faktenblatt - Leistung des ABC-Schutzfilters 74 gegen industrielle Schadstoffe

1.        Einleitung
Wie lange hält ein Atemfilter? — Diese Frage wird immer wieder an den Gasschutzchemiker
gestellt, und kaum jemals erhält der Fragesteller eine Antwort, die ihn sofort und restlos
befriedigt, denn die Abscheideleistung des Filters wird nicht durch filterspezifische
Parameter, sondern ebenso stark durch die Einsatzbedingungen bestimmt. Wichtigste
Einflussgrössen sind:

     •    Filter
               o    Menge Sorptionsmittel
               o    geometrische Anordnung der Sorptionsschicht
               o    Luftrate (Atemfrequenz)
     •    Sorptionsmittel
             o Art/Korngrösse/Imprägnierung
             o Oxidationszustand der Oberfläche/Alterung
             o Vorbeladung mit gleichen oder anderen Stoffen
     •    Schadstoff
             o Art(en): chemische, physikalisch-chemische und physikalische Eigenschaften
             o Anzahl gleichzeitig zu adsorbierender Substanzen
             o zeitlicher Konzentrationsverlauf vor dem Filter

Kombinationsfilter wie der ABC-SF 74 zur Schutzmaske der Schweizer Armee haben eine
Doppelfunktion. Sie müssen grobe bis feinst verteilte Staubkörner und/oder Tröpfchen
(Schwebestoffe — Aerosole) sowie gasförmige Schadstoffe aus der durchströmenden Luft
abscheiden. Dies geschieht nach zwei völlig verschiedenen Verfahren. Jeder ABC-SF hat
zwei Teile: einen Schwebestoffilter aus Glasfasermaterial und eine Aktivkohleschicht als
Gasfilter. Beide sind meist im gleichen Gehäuse kombiniert wie bei Schraubfiltern und bei
vielen Kollektivfiltern von Schutzräumen. Die Reihenfolge ist zwingend vorgegeben. Die Luft
durchströmt zuerst den Schwebstofffilterteil. Darin abgeschiedene Tröpfchen verdunsten
mehr oder weniger rasch in den Luftstrom. Die dann gasförmigen Luftfremdstoffe werden im
nachfolgenden Atkivkohleteil zurückgehalten.

         Abbildung 1: Schnittmodell ABC-SF 74 mit Schwebstofffilter (weiss) und Gasfilter (schwarz).

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Durch den Schwebstofffilterteil ist der ganze Bereich von Staub und Aerosolen bei zivilen C-
Ereignissen mit Sicherheit abgedeckt. Physikalische Adsorption sowie Chemisorption und
Katalyse sind die wesentlichen Vorgänge bei der Abscheidung gasförmiger Stoffe im
Aktivkohleteil. Nach der DIN 31811 ist der ABC-SF 74 ein A2B2E1-P3-Filter, also ein
Kombinationsfilter.

2.        Messungen und Resultate
Das LABOR SPIEZ verfügt über ein modernes Instrumentarium zur Messung von
Filterleistungen gegen industrielle Schadstoffe. Eine Datenbank mit Sorptionsdaten
und relevanten Stoffdaten wird laufend ausgebaut.

Die Resultate beziehen sich auf folgende Messbedingungen:

Volumenstrom Prüfluft: 2 m3/h
Temperatur:                      293 K (20 °C)
Druck (Eingang Filter): 93 kPa (930 mbar)
                                                     3
Filterkonditionierung:           Im Luftstrom von 2 m /h, 48 h, 20 °C, entsprechende Luftfeuchte

Wie oben erwähnt, entsprechen die ABC-SF 74 dem Norm-Typ (A2B2E1-P3), wie er gegen
Kohlenwasserstoffe und eher saure Gase empfohlen wird. Für den Einsatz eines
Schraubfilters (nach DIN also Filterklasse 2) gilt, dass die maximale Konzentration des
Schadstoffes 0,5 Vol-% nicht überschreiten soll. Als Faustregel für organische Substanzen
darf gelten, dass die Filter genügend Schutz bieten, wenn der Siedepunkt des Schadstoffes
nicht unter 65°C liegt. Zum Schutz vor diesen Subst anzen, den sog. «Niedrigsiedern» ist
nach der DIN 3181 der spezielle Filtertyp AX vorgesehen. Der ABC-SF 74 besitzt aber auch
gegen diese Substanzen eine Schutzwirkung, wie Tabelle 1 zeigt.

Der Schutz gegen saure Gase (z.B. Salzsäure, Schwefeldioxid, Schwefelwasserstoff, Chlor,
Brom usw.) ist relativ gut (vgl. Abb.2), jener gegen basische Gase wie Ammoniak eher
bescheidener. Schlecht schützt der ABC-SF 74 vor Stickstoffdioxid («Nitrose Gase»). Nach
DIN 3181 wird zum Schutz vor «Nitrosen Gasen» der Spezialfilter NO verwendet.
Spezialfilter sind nach DIN 3181 im Weiteren vorgeschrieben für Kohlenstoffmonoxid,
Quecksilber-Dampf und radioaktives lod.

1
    Heute DIN EN 14387
                                                                                                   3/6

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 Tab. 1 Sorptionsleistung des ABC-Filters 74 gegen Substanzen mit einem Siedepunkt kleiner
                                  als 65 °C («Niedrigsieder»).
                                 Eintrittskonzentration: 1000 ppm
                                     Relativ Luftfeuchte: 50%
                                 Filter entsprechend konditioniert.

                                                        Durchbruchs-            Durchbruchs-
              Substanz            Sdp. [°C¨]
                                                          konz. [ppm]            zeit [min]

Dimethylether                        -24.8                      10                   5

Methyliodid                          42.5                    2 (MAK)                34

2-Aminobutan                         63.0                    5 (MAK)                175

Diethylamin                           56.0                  10 (MAK)                150

Chloroform                            61.1                  10 (MAK)                60

Acrolein                              52.0                 0.1 (MAK)                87

1,1-Dichlorethen                     48.0                   10 (MAK)                58

Dichlormethan                         40.7                      100                 41

Acetaldehyd                           20.8                  50 (MAK)                12

Aceton                               56.2                       100                 74

Methylformiat                        31.5                       100                 28

Methanol                             64.7                       100                 32

Diethylether                          34.6                      100                 65

n-Pentan                              36.1                      100                 68

Dimethoxymethan                       45.5                      100                 65

Methylacetat                         56.9                       100                 82

Die oben erwähnten Einsatzbeschränkungen bedeuten, dass der Filter bei
realistischen lmmissionskonzentrationen seine Schutzfunktion erfüllt, keinesfalls aber
einen genügenden Schutz garantiert am Ort hoher und höchster Konzentrationen, wie
sie Einsatzkräfte (Feuerwehr, Chemiewehr) unmittelbar auf Schadenplätzen von C-
Katastrophen antreffen können! Ebenso selbstverständlich ist die Tatsache, dass der
Filter den fehlenden Sauerstoff in Brandobjekten, in Jauchegruben, Gärsilos usw.
nicht liefern kann!

Die immer wieder auftauchenden Fragen im Zusammenhang mit Überlegungen zu
möglichen Folgen von Atomkraftwerk-Unfällen lassen sich wie folgt beantworten: Der ABC-
Schutzfilter kann radioaktive Edelgase wie die Isotopen von Krypton und Xenon nicht
                                                                                               4/6

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genügend gut abscheiden; sie haben zu tiefe Siedepunkte (-152,3°C bzw. -107,1 °C) und
sind bezüglich Chemisorption inert. lod bleibt als Partikel im Aerosolfilter oder dann sicher in
der Aktivkohle hängen. Gegen radioaktives Methyliodid ist die Schutzleistung nicht
hervorragend bzw. sehr stark abhängig vom Wassergehalt der Luft und der Kohle (vgl.
Tab.2); den immissionsseitig zu erwartenden niedrigen Konzentrationen ist der Filter aber
gewachsen.

                         Tab. 2 Sorptionsleistung des ABC-SF 74 gegen Methyliodid
                                            Eintrittskonzentration: 1000 ppm
                                            Durchbruchskonzentration: 2 ppm

                           Prüfluftfeuchte           Filterkonditio-            Durchbruchs-
                                 [% R.F.]           nierung [% R.F.]               zeit [min]

                                    0                       0                             65

                                   50                frisch geöffnet                      43

                                   50                      50                             34

                                   70                      70
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3.        Schlussfolgerung
Der ABC-Schutzfilter 74 (und übrigens auch die Kollektivfilter in Schutzräumen mit
BZS-Zulassung) bietet Schutz gegen industrielle Schadstoffe. Ob er ausreicht, hängt
von der Situation ab. Substanzen mit hohem Siedepunkt sind problemlos, bei den
flüchtigen Stoffen sind Art und Konzentration entscheidend.

Für weitere Auskünfte:
Dr. Patrick Wick
Chef Persönlicher Schutz, ABC-Schutztechnologie, LABOR SPIEZ
+41 33 228 19 03; patrick.wick@babs.admin.ch

Weiterführende Informationen:
Links:
www.labor-spiez.ch

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