Linux-Migration in München: Der Pinguin wird zum Goldesel - eGovernment mit Open Source

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Linux-Migration in München:
Der Pinguin wird zum Goldesel
28.03.12 | Redakteur: Gerald Viola

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Münchner Rathaus: In zehn Jahren von Windows zu Open Source (Foto: LHM)

2003 hatte der Stadtrat in München die Abkehr von Microsoft und den Umstieg
auf Open Source Software und Linux beschlossen. Ende 2010 bezifferte die
Landeshauptstadt die Einsparungen durch die Migration auf rund fünf
Millionen Euro. Jetzt legte Oberbürgermeister Christian Ude neue Zahlen vor.

Der Oberbürgermeister antwortete auf eine Stadtratsanfrage im vergangenen Jahr:
„Im Beschluss vom 16. Juni 2010 zum Thema LiMux wurde bereits dargestellt,
welche Kosten für einen Betriebserhalt von Windows­Systemen für die Zeit seit
2005 angefallen wären. Zum Zeitpunkt des Beschlusses war das Ergebnis der
Vergleichsrechnung für den Wechsel auf aktuelle Microsoft­Produkte (11,8 Millionen
Euro) um 5,6 Millionen Euro höher als die damaligen Ausgaben des LiMux­Projektes
(6,2 Millionen Euro). Bei einer Rückkehr zu Microsoft würde schon allein dieser
Kostenvorteil aufgegeben werden.“

Ude damals weiter: „Hinzu kommt, dass eine ,Rückkehr‘ nicht nur die bereits
umgestellten 6.300 LiMux­Arbeitsplätze, sondern auch die restlichen Windows­
2000­Arbeitsplätze betreffen würde. Diese ,Rückkehr‘ wäre nämlich keine Rückkehr
zu den bisherigen Versionen (Windows 2000 und Microsoft­Office 97/2000),
sondern ein eigenes Großprojekt ,Neue Microsoft­Arbeitsplätze‘ zum Wechsel von
allen 15.000 Arbeitsplätzen auf Windows 7 und Microsoft­Office 2010.“

Im Sommer 2010 hat dann der Stadtrat beschlossen, das LiMux­Projekt bis 2013 zu
verlängern und gleichzeitig den Etat um rund 50 Prozent aufzustocken. Warum war
dieser Beschluss notwendig, wodurch entstehen die Mehrkosten, was verändert sich
an Ihrer Vorgehensweise/Strategie? fragte eGovernment Computing damals den
LiMux­Projektleiter Peter Hofmann.

 BILDERGALERIE

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Seine Antwort: Schon bei Projektbeginn wurde von einem „evolutionären“ Vorgehen
gesprochen (LiMux – Die IT­Evolution). Daher wurde schon 2004 mit dem Stadtrat
vereinbart, sich fortlaufend über den Projektfortschritt zu verständigen.

Eine „Keimzellen“­Strategie war richtig, um in allen Bereichen die notwendige
Infrastruktur aufzubauen, das Know­how der Administratoren zu erweitern und die
bereichs­spezifischen Probleme zu identifizieren.

Für einen Rollout von weiteren 9.000 linuxbasierenden Arbeitsplätzen war diese
Strategie der kleinteiligen Problemlösung zu langsam und zu ressourcenintensiv.
Deshalb und weil die bereits umgestellten Arbeitsplätze in der Regel diejenigen
ohne komplexe Fachverfahren waren, musste die Erstellung und der Rollout der
weiteren Basisclient­Releases optimiert und professionalisiert werden.

Dies war auch notwendig, da sich einerseits die Anforderungen im Laufe des
Projektes gewandelt haben und andererseits die Heterogenität und Komplexität der
gewachsenen Infrastruktur und der IT­Prozesse größer war, wie im Jahr 2004
vorhersehbar.

Es wurde eine Optimierungsphase eingeführt, die bis etwa Ende 2011 geplant ist,
danach wird der Flächenrollout für die komplexen Arbeitsplätze bis etwa Ende 2013
erfolgen. Nachdem eine Optimierung der Prozesse und der Infrastruktur vor allem in
den Bereichen Anforderungs­ und Testmanagement nicht durch stadteigene
Kapazitäten abgedeckt werden kann, war die Beauftragung von externen
Dienstleistern notwendig.

Projektlaufzeit verlängert und Budget aufgestockt
Aufgrund der Verlängerung der Projektlaufzeit und vor allem für die extern
anfallenden Kosten musste das bisherige Projektbudget aufgestockt werden (von
12,8 Millionen Euro auf 18,7 Millionen haushaltswirksame Kosten).

Nun hat eine neuerliche Anfrage der CSU­Stadtratsfraktion („Wie hoch beziffern sich

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bisher die Kosten für die Einführung von LiMux? Wie hoch wären die Kosten bei
Ausbau des Betriebssystems auf Basis von Windows gewesen?) neue Zahlen aus
dem Münchner Rathaus bekannt werden lassen.

Der Oberbürgermeister, der für die SPD als Kandidat für das Amt des
Ministerpräsidenten in die kommende bayerische Landtagswahl ziehen wird:

„Die aktuellen haushaltswirksamen Kosten für das LiMux­Projekt betragen 11,7
Millionen Euro (Stand Ende Dezember 2011).

Im Beschluss des VPA vom 16.06.2010 (Vorlage Nr. 08­14 / V 04284) ist eine
Alternativberechnung der Aufwände für eine dem damaligen Leistungsumfang des
LiMux­Projektes vergleichbare Betriebserhaltung von Windows­Systemen
dargestellt.

Diese Rechnung enthält Kosten in Höhe von 11,8 Millionen Euro für die folgenden
Positionen:

  15.000 MS­Office Lizenzen
  7.500 MS­Windows Lizenzen (Annahme: auf 50 Prozent der PC muss Windows­
  Version aktualisiert werden wegen der Office­Version)
  7.500 Neuanschaffung von Hardware (Annahme: wegen hoher Windows
  Systemanforderungen vorzeitiger Ersatz)

  Schulungskosten (Lernwelt und externe Trainer)
  Migrationskosten (externe Migrationsunterstützung; Annahme: 15.000 Office­
  Migrationen und 7.500 Windows­Migrationen)
  Vereinheitlichung des Formularwesens entsprechend WollMux
Die neuen Berechnungsgrundlagen und das Ergebnis
Aktualisiert auf die heutige Umgebung müssten die 7.500 PC als Bezugsgröße für
Windows­Lizenzen und Hardware auf mindestens 10.000 PC erhöht werden
(Aktueller Stand an LiMux­Arbeitsplätzen ist etwa 9.600 PC). Damit erhöhen sich die
Gesamtkosten dieser Vergleichsrechnung um 1,65 Millionen Euro.

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Noch nicht berücksichtigt ist dabei die inhaltliche Erweiterung des LiMux­
Projektumfanges in Hinblick auf die Optimierung des Anforderungs­ und
Testmanagements. Die dafür im LiMux­Projekt getätigten Ausgaben belaufen sich
auf 2,08 Millionen Euro.

Ein dem Leistungsumfang des LiMux­Projektes vergleichbarer Ausbau auf Basis
von Windows hätte damit bislang kalkulierte Kosten in Höhe von mindestens 15,52
Millionen Euro verursacht.

Ebenfalls nicht berücksichtigt ist dabei die Tatsache, dass ein Ausbau auf der Basis
von Windows nicht nur die einmaligen Umstellungskosten berücksichtigen muss,
sondern die alle drei bis vier Jahre notwendigen Updates für Betriebssystem und
Office­System sowie die Preissteigerungen dafür.

Allein die Lizenzkosten für 10.000 PC mit aktuellen Windows­ und Office­Lizenzen
würden derzeit über 2,8 Millionen Euro betragen.

Im LiMux­Projekt hingegen fallen nur die einmaligen Umstellungskosten an,
Lizenzkosten für die Open­Source­Produkte (beispielsweise Betriebssystem und
Office­System) gibt es nicht, sämtliche neuen Produktversionen sind kostenlos.

Und neben der Wirtschaftlichkeit führt OB Christian Ude auf die Frage „Wie viele
Mängelmeldungen von Mitarbeitern bei der Anwendung von LiMux wurden bisher
registriert?“ weitere Argumente pro Open Source ins Feld:

Meldungen von Mitarbeitern über Probleme mit dem PC erfolgen an die jeweilige
dezentrale Störungsannahme (Service Desk/Help Desk). Dabei werden Probleme
gemeldet, die auf Störungen im Bereich der Infrastruktur (Netz, Server), der
Anwendungen (Datenbanken, externe Verbindungen) der Kommunikation
(beispielsweise Internet, eMail, Kalender), dem Betriebssystem (Windows oder
Linux), den Benutzerdaten (Organisationsdaten, Benutzerdaten), dem Office­
System oder auch auf Benutzerfehler beruhen können. Manchmal ist es auch eine
Kombination mehrerer Ursachen.

Die verschiedenen Ursachen werden nicht so erfasst, dass sie statistisch
ausgewertet werden können. Somit kann eine Frage, wie viele Mitarbeiter­

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Mängelmeldungen auf LiMux zurückgehen, mangels Datenmaterial nicht exakt
beantwortet werden.

Ist LiMux zuverlässiger als Windows?

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die LiMux­Arbeitsplätze erst in der
Einführungsphase befinden. In dieser Phase treten bei jeder Umstellung (also auch
unter Windows) typischerweise am Anfang gehäuft Fehler auf, bis sich der Betrieb
„einschwingt“ und ein Normalwert an Störungen erreicht wird.

Eine Aussage über die Güte eines Arbeitsplatzes wird somit erst möglich, wenn alle
geplanten Umstellungen auf den LiMux­Arbeitsplatz abgeschlossen und etwa zwei
Jahre in Betrieb sind.

Erst danach könnte man die Anzahl der Störungen pro Monat für jedes Referat mit
den Zahlen für Windows NT vergleichen. Nach Auskunft einzelner Administratoren
ist es aber bereits jetzt so, dass bei LiMux­Arbeitsplätzen weniger Störungen pro
Monat gemeldet werden, als früher unter dem seit Jahren betriebenen Windows NT.

Das IT@M Serviceteam „LiMux Service Center“ bearbeitet Störungsmeldungen der
dIKA­Administratoren (dezentrales Informations­, Kommunikations­ und
Anforderungsmanagement) zum LiMux­Arbeitsplatz, dessen Administration und
Softwareverteilung. Teilweise sind dies auch Mängelmeldungen der Mitarbeiter, die
im dIKA nicht gelöst werden konnten.

Vielfach sind dies aber auch Störungen in den Bereichen Server, Netz,
Kommunikation oder Anwendungen, für die nicht der LiMux­Arbeitsplatz die Ursache
ist. Eine Auswertung der Anzahl der Störungsmeldungen ergibt somit auch keine
belastbare Aussage zur tatsächlichen Anzahl an Mängeln des LiMux­Arbeitsplatzes.

Die Anzahl der Störungsmeldungen beim Serviceteam haben nicht mit der
gestiegenen Anzahl an LiMux­Arbeitsplätzen zugenommen, sondern (Grafik in der
Bildergalerie) sogar noch leicht abgenommen (von maximal 70 pro Monat auf
maximal 46 pro Monat), obwohl sich die Anzahl der LiMux­Arbeitsplätze deutlich
gesteigert hat (von 1.500 auf 9.500).

Eine wesentliche Herausforderung bei der Migration waren die vorhandenen Makros

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in der Bürosoftware. Im vergangenen Monat wurden in der abschließenden Stufe
der Open­Office­Migration plangerecht die letzten nicht durch ein Fachverfahren
ersetzbaren Makroanwendungen erfolgreich auf zentral wartbare und
qualitätsgesicherte Makro­ bzw. Webanwendungen („Ein wichtiger Meilenstein“)
umgestellt.

Die Makroumstellung kämpfte mit U-Booten
Kirsten Böge schildert das im Münchner IT­Blog so: Der Landeshauptstadt München
bot sich durch die Migration der Bürosoftware die einmalige Chance, die
vorhandenen Vorlagen, Formulare und Makros zu identifizieren, Redundanzen zu
erkennen und Umstellungsalternativen abzuwägen. Es galt, die stets wachsende
Anzahl gemeldeter umzustellender Makros, Vorlagenobjekte und Formulare (MVF)
zu konsolidieren.

Während erste Erhebungen die Verbreitung von knapp 7.000 MVF zeigten, kam
man in späteren Erhebungen zu der Erkenntnis, dass bei der Landeshauptstadt
München wohl mindestens 21.000 solcher Office­Objekte zu finden waren. Sobald
ein Migrationsbereich nämlich mit der Office­Umstellung begann, war regelmäßig
ein Auftauchen von sogenannten „U­Booten” zu beobachten. Dies waren weitere
MVF, die etwa aus Fachverfahren oder anderen Projektrandbereichen stammten.

Unter diesen U­Booten vermuteten die mit der Migration befassten Spezialisten eine
Vielzahl von überflüssigen Objekten, da Anwender­/innen MVF über einen langen
Zeitraum ungeprüft und ohne strategischen Rahmen selbst erstellen durften. Diese
Erkenntnis bestärkte die Projektleitung in der Haltung, keine Eins­zu­eins­
Umstellung vorhandener Office­Objekte zu betreiben. Vielmehr sollte die Chance
zur Konsolidierung konsequent genutzt werden.

Zur Bewältigung dieser Herausforderung wurden Beraterteams des auf Migrations­
Unterstützung spezialisierten Münchner IT­Dienstleisters DBI hinzugezogen. Die
Kompetenzen der externen Berater und der verwaltungsinternen Fachkräfte wurden
in einer zentralen Kundenschnittstelle, dem erweiterten Office­Supportzentrum –
kurz eOS – gebündelt, um gemeinsam die technische und organisatorische Office­
Umstellung umzusetzen.

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Die wichtigsten Aufgaben des eOS waren die Steuerung und Koordinierung von
 Kundenanforderungen, die Unterstützung der internen Kunden bei großen
 umzustellenden MVF­Paketen, die beispielhafte Lösung spezifischer Probleme
 sowie die Anbindung von MVF an Anwendungen von Drittherstellern.

 Die Reduktion der Makros, Formulare und Vorlagen erfolgte durch funktionale
 Konsolidierung, durch die Beseitigung von Duplikaten sowie durch den
 großflächigen Einsatz des Vorlagenverwaltungssystems WollMux. Allein durch
 dessen Funktion zum personenspezifischen Vorausfüllen von Briefköpfen konnten
 rund 20 Prozent aller Makros eingespart werden.

                                          Copyright © 2012 ­ Vogel Business Media

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