Balkeninschriften und Fachwerkhäuser - Simmersbach
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Balkeninschriften und Fachwerkhäuser Ein Hausspruch, auch als Spruchinschrift bezeichnet, ist eine durch bestimmte Wesensmerkmale gekennzeichnete Art von Hausinschrift, die an der Fassade von Gebäuden angebracht wurde. Anders als in Bauinschriften oder reinen Bausprüchen beinhalten Haussprüche vom Baugeschehen unabhängige Themen. Öfter bekundet der Bauherr darin auch einmal seine Lebenseinstellung. Viele alte Fachwerkhäuser tragen solche in einen Holzbalken geschnitzte Haussprüche über dem Eingang oder über den Toröffnungen alter Scheunen in Form von Bibelsprüchen, Segenswünschen, Mahnworten, Neidaussagen oder Ähnlichem mehr. Ein Hausspruch artikuliert und enthält Schutzanliegen, Gottvertrauen, Lobsprüche, Tugendsprüche, allgemeine Weisheiten, Neidsprüche, Brandinschriften und historische Inschriften Die Entstehung der Haussprüche – wie auch Hausinschriften – finden sich häufiger in Gegenden, in denen Häuser in Holzbauweise, wie Fachwerk, errichtet wurden. Das liegt daran, dass sich Inschriften leichter in Holz einschneiden lassen als in Stein einmeißeln. Diese Tradition gab es im deutschen Sprachraum während des frühen Mittelalters bei der Entstehung von Städten. Dabei wurden an Kirchen und öffentlichen Gebäude Inschriften in Latein angebracht, die aber nur einer Minderheit verständlich waren. Mit dem ausgehenden Mittelalter entstand in Deutschland eine regelrechte Hausinschriftenkultur. Seither wurden die Inschriften in deutsch geschrieben. Daher sind sie heute noch gut lesbar und verständlich, da die Sprüche auch schon seit dem 16. Jahrhundert in der noch heute üblichen Lateinischen Schrift geschrieben wurden. Ihre Blüte erlebten sie ab dem 16. Jahrhundert. Abschluss der Entwicklung war das Ende vom Bau von Fachwerkhäusern im 19. Jahrhundert. Haussprüche waren fast ein halbes Jahrtausend lang ein Brauch, dem sich kaum ein Hausbauer entziehen konnte. Neben dem Hausspruch gibt es auch andere Arten von Hausinschriften. So enthalten Bauinschriften und Bausprüche Angaben zum Bau bzw. kommentieren diesen. Zur Hausinschrift gehören auch die Zeichen und Symbole. Die Tradition, Gebäude an den Hauptöffnungen (Eingang, Einfahrt, Ausgang) mit Inschriften zu versehen, steht nicht im Zusammenhang mit den Weihesprüchen der Römer. Die Entstehung einer Hausinschriftenkultur im deutschen Sprachraum scheint vielmehr heidnischen Ursprungs zu sein und war ursprünglich wohl Ausdruck eines Schutzverlangens. Der Hausspruch hatte dekorativen Charakter, da er regelmäßig an einer von der Straße gut sichtbaren Stelle der Hausfassade angebracht wurde. Absicht war es, den Betrachter zum Lesen zu bewegen und über den Spruch nachzudenken. Der Hausspruch ist aber vor allem ein persönliches Bekenntnis, bei dem der Verfasser anderen seine Lebensdevise und seine Lebenserfahrung mitteilt. Ein versteckter Zweck der Hausinschrift bestand auch darin, dass Gebäude (und seinen Besitzer oder Erbauer) zu würdigen. In Haussprüchen fanden auch besondere Ereignisse, wie Kriege, Hungersnöte, Überschwemmungen und Seuchen, ihren Niederschlag. Es überwiegen jedoch die Sprüche mit religiösen Charakter, die eine tiefe Gläubigkeit und Gottergebenheit der Bewohner ausdrücken. Bei heutigen Restaurierungen von alten (Fachwerk-) Gebäuden werden die früheren Haussprüche meist wieder hergestellt und farblich ausgemalt. Die Balkeninschriften sind neben dem harmonischen Gefüge des Fachwerks der Schmuck der Fachwerkbauten, die den Eindruck des Fachwerkhauses umso stärker bestimmen, da im Allgemeinen reiches Schnitzwerk fehlt. Außer den Inschriften umrahmt manchmal leichtes Rankenwerk und feingezogene Linen die üblichen Kerbschnitzmuster die Schrift. All dieser Zierat wurde mit einem Stechbeitel eingeritzt, einem Werkzeug mit dreiseitiger Schneide und hölzernem Handgriff, zum vertiefenden Gegenschlag nahm man die Lochaxt, mit der sonst die Zapflöcher im Fachwerk bearbeitet wurden. Als Holz wurde die feinfaserige, verhältnismäßige weiche Eiche gesucht. Das Schnitzen der Balken erfolgte meist zur Winterzeit. Die Texte sind meist in hochdeutsch gehalten und waren volkstümlich, beinhalteten Lebensweisheiten oder stammten aus der Bibel. Daher waren eine Kenntnis in Bibel und Kirchenlied für die Handwerker und Bauherrn wohl selbstverständlich. Weiter waren meist der Name des Bauherrn, das Datum des Aufschlagtages und der Name des Zimmermanns aufgeführt Seite 1
Balkeninschriften und Fachwerkhäuser Scheune und Wohnhaus Hauptstraße 22 (Zrusemanns) Das aus dem 18. Jahrhundert stammende Haus Zrusemanns , Elternhaus des späteren Bürgermeisters Heinrich Robert Geil, erhielt in den 30iger Jahren ein neues Gesicht. Deutlich sind auf den Eichenbalken die Inschriften zu erkennen. So konnte man lesen: Zimmerme ister ist gewe sen J o hann Hen rich B löcher v on Oberhörl en 17 7 6 Über dem Schafstall Wer ein Heu n i cht gabe lt / i m schnit nich t zabelt / der muß im W inter gehen un d fra g en / hat jema n d Heu od er St r oh feil Über der Haustür Das Geld ist r ar das H olz i s t teuer / dru m nimmt m an ie t z und das alte z u dem ne uen An Gotte s Seg e n ist al les g e legen Was Gott uns b escheret auf E rden, da s sol l hier eingesam melt w erden Soli Deo Glor i a - Gott alle i n die Eh re Über der Stalltür Ach Gott wie g eht es a ber z u ,/ daß i ch hi e r so muß leiden,/ die m ir nicht s gön n en und a uch n i chts geb en,/ müssen d och s e hen daß ich l e be Scheune Altstraße 14 (Zwöllems) was Gott besc h ert auf Erden / soll h ier e i ngesamme lt werden Seite 2
Balkeninschriften und Fachwerkhäuser Johann W ilhel m Rein An namar g aretha R ein Zimmerme ister Georg Bl echer zu Achen bach A nno 1783 Zimmermeister Georg Blecher zu Achenbach Anno 1783 Über einer Haustür Der Herr Joha n n Adolf Mülle r + Maria Doro t hea / Eh eleut e Ano 1782 Zimmerme ister ist gewe sen H e inrich B leche r zu Ober hörle n Durch Go ttes h ülf und macht haben wi r die s en Bau z ustan d gebracht Scheune Was Gott besc h eret aus der E rden / d as so l l von un ß Hie r Ein Gesa mlet w erden, Soli deo Glor i a Gott a llein die Ehr Schau mi ch an Thu Dis Leßen / ein Alter Ba u ist hier gew esen Pfarrscheune in der Bergstraße Alles wa s hie s igem Her rn Pfarrher rn wa c hset auf der E rden / Soll H ir Ei n Gesamle t wer d en Zimmerme ister ist gewe sen J a cob Metz ler z u Roth Die Pfar r Sch e uer ist erbau e t worden von d er Gemei nde Simmersb ach d e n 1ten J unius s ano 177 7 (Die Pfarrscheune wurde in den 70.gern abgerissen) Wir baue n all e vest / und s i nd doch Fremd e gest / und d a wir soll en Ew i g sein / Da B a uen wir nur w e nig ein. Altstraße 12, Wohnhaus (Schreinersch), ein Kleinod heimischer Volkskunst Zur 400-Jahrfeier der Heimkehr Landgrafs Philipp von Hessen legt „Schreinersch“ Haus sein Festgewand an. Schreinersch Haus, das mit seinen Kratzputzmustern ein Schmuckkästlein von Simmersbach ist, hat seinen letzten Glanz gerade noch vor der 400-Jahr Feier an der Philippsbuche erhalten. Schon seit zwei Jahren wurde wegen der Erhaltung des Kratzputzes zwischen dem Landratsamt Biedenkopf, dem Landes konservator und dem Hausbesitzer Heinrich Fuchs verhandelt. Die Mühe der Verhandlungen hat sich gelohnt. Nach Ansicht von Professor Kippenbergen in Marburg handelte es sich um ein nach Alter und Charakter wertvolles, wahrscheinlich einzigartiges Beispiel heimischer Volkskunst. Kratzputzmuster farbig gearbeitet gibt es in Hessen nur selten; im Hinterland ist nur noch ein Giebel an einer Scheune in Mornshausen a. D. bekannt. Das schmucke Häuschen an der Simmersbacher Kirche erfreut mit seinem in rot, ocker weiß und schwarz angelegten Verzierungen und Blumenornamenten jeden Seite 3
Balkeninschriften und Fachwerkhäuser Vorübergehenden und legt Zeugnis ab vom Farbensinn und der Farbenfreude unserer Vorfahren. Auf etwa 100 Jahre schätzt man den Kratzputz alt, der jetzt (1952) instandgesetzt wurde. Die Fachwerkfelder, in denen nur wenig oder gar kein Kratzputz mehr erhalten war, wurden ohne Nachahmung alter Muster in der eigenen Manier des Meisters Donges in Holzhausen verziert. Zwar unterscheiden sich diese Ergänzungen deutlich von dem alten Bestand, aber sie fügen sich harmonisch in das Gesamtbild ein. Die drei in die braunen Balken eingeschnitzten Löwen wurden farblich etwas heller gehalten, so daß sie plastisch hervortreten. Quelle Die Truhe vom 9. Sept. 1952 (Seite 7) Über der Scheune Soli Deo Glor i a Gott a llein die Ehr Schau mi ch an und thu dies L esen / e in al t er Bau i st hi e r gewesen Kratzputz an einem Wohnhaus Das woll te Go t t Der he lfen k ann / Si ngt, g et, bet, auf Gottes W eg / v erricht das D e ine Getr eu Wappenlöwen in den Balken des alten Hauses Bildausschnitt mit den Wappenlöwen im Balken des alten Hauses Geh Dein en We g auf rec htem Steg / A uf Go t t vertra u, bet, hof f und schau / So wirst du sein Wunder s ehen Altstraße 10 (Bliewe), Erbaut 1782 Herr leh re mi c h tun na ch deinem W ohlge f allen, d en du Seite 4
Balkeninschriften und Fachwerkhäuser bist mei n Got t , dein g uter G eist Füh re mi c h auf eb ener Bahn (aus dem Psalm 143, 10) Sing Bet und G eh auf G ottes Wegen / verri c ht das d eine n ur getreu, /und t rau des Himme l s reiche m Seg e n/ so wi rd er werden b ei di r neu * Durch Go ttes H ülff und muth / haben w ir di e sen bau zu St a nd gebracht Leuten, / die mir nich ts gö n nen und auch n ichts ge ben, / müssen d och s e hen daß ich l e be. Bau Herr Joha n Heinric h Mül l er Maria Doro d ea ehele ut An n o t806 Zim mer M e ister is t gew e sen Hein rich B löcher z u Obe r n Hörlen 7. Strophe aus dem Lied: Wer nur den lieben Gott läßt walten, von Georg Neumark,1657 Scheunenspruch in der Weiherstraße (Zjusts), Erbaut 1800 Was uns Gott b eschert auf E r den das soll h ier eing esamm e lt werden Gott all ein d i e Ehr An einer Scheune Alles wa s wäc h st auf d ieser Erden / Soll h ier eing esamm e lt werden / Soli D eo Glori a Winkelstraße 1 (Hennas Scheune) Was Gott besc h ert auf diese r Erde da s sol l hier eingesam melt w erden Dieser B au is t erbaut im Na m en des H erren aufgesch lagen worden d en 5 t en April 1834 Baumeist er is t gewesen Joha n n Jost G eil, Z immermei ster i st gewesen Heinr i ch Blöch er vo n Niederh örlen . Winkelstraße (Zroths) Alles is t an D einem Se gen g r oßer Got t all e in geleg en Du bist höchs t es Gut ü ber a l les hab dich s chätzen und a u f dich Ver traue n setzen Auch die Hoff n ung kann erqu i cken was mir g ut ist w irst D u schicken Du bist Herr d er ganze n Wel t . Dir will ich m ich froh erge b en. Glüc k und Unglück Tod u n d Leben al les s e i Dir he im ge s tellt Mittelweg 5 Das Fachwerkhaus hat Eckbalken mit Gesichtern. Hauptstraße (Michels), an der Scheune Alles wa s wäc h st auf d er Er d en das s oll h i er einge samme l t werden Soli Deo Glor i a Seite 5
Balkeninschriften und Fachwerkhäuser (Soli Deo gloria - wörtlich „dem alleinigen Gott die Ehre“, wird meist mit „Gott allein zur Ehre“ wiedergegeben) Über der Scheune in der Hauptstraße (Schlesserschorems), Erbaut 1787 Zimmerme ister ist gewe sen J o hann Geo rg Bl ö cher von Ache n Bach An Gotte s seg e n ist Al les g e legen An einem Haus Wir baue n all hier fes t und sind doc h Fre m de Gäst Damit wi r Ewi g sollen sein d a bauen wir g a r wenig ein Über der Scheune in der Hauptstraße (Annches), Erbaut 1787 Gott All ein d i e Ehr so ll se i n An Hobstedters Haus Auf Gott es Se g en ist a lles g elegen Hauptstrasse 12, Rehs (Fachwerkhaus) An einem Haus Unsern A usgan g segne G ott, u nsern Ei ngang gleicher maßen An einem Haus, erbaut am 5. April 1834 (Adolf Wagner) An Gotte s Seg e n ist al les g e legen Was Gott besc h ert auf diese r Erden d as so o hier eingesam melt w erden Dieser B au is t erbaut im Na m en des H errn a ufgeschl agen worden d en fü n ften Apr il 18 3 4 Seite 6
Balkeninschriften und Fachwerkhäuser An einem Haus, erbaut: 1741 Alles is t an D einem Se gen g r oßer Got t all e in geleg en Du bist unser höchstes Gut ü ber alle s fro h die Sch ätzen und auf Dich V ertrauen setz e n Was uns der l i ebe Gott besc h eret auf der E rden das soll von uns einge s ammelt w erden Der Bau ist m e in und d och n i cht mein , was nach mir komm t , dem soll s auc h so gehe n Gebaut i m Jah r e 1741 Altstraße (Luwigs) Scheune, erbaut um 1750 Was Gott besc h ert auf diese r Erden d as so l l hier eingesam melt w erden Durch Go ttes H ülf ist diese Scheune erbau t Anno 17 50 Alle Straßennamen und Hausnummern datieren vor der Eingemeindung Simmersbachs 1974 zur Großgemeinde Eschenburg Quellen Eigene Aufzeichnungen, Dr. Elsa Blöcher, Der Zimmermann im Hinterland und seine Balkeninschriften von 1975 Artuhr Reh Wikipedia Haus- und Scheunensprüche in den Jahren 1933 – 1936, gesammelt von Pfarrer Ludolph Seite 7
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