MARKTABGRENZUNG UND MARKTMACHTBESTIMMUNG IM FALL DIGITALER PLATTFORMMÄRKTE - EUROPÄISCHES UND DEUTSCHES KARTELLRECHT II SOSE 2018
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Marktabgrenzung und Marktmachtbestimmung im Fall digitaler Plattformmärkte Europäisches und Deutsches Kartellrecht II SoSe 2018 Prof. Dr. Florian Bien, Maître en Droit (Aix-Marseille III)
II. Digitale Plattformen und 9. GWB-Novelle II. Digitale Plattformen und 9. GWB-Novelle § 18 IIa GWB n.F.: „Der Annahme eines Marktes steht nicht entgegen, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird.“ § 18 IIIa GWB n.F.: „Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und Netzwerken sind bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens auch zu berücksichtigen: 1. direkte und indirekte Netzwerkeffekte, 2. die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer, 3. seine Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten, 4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, 5. innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.“ Außerdem; § 35 Ia GWB n. F.: transaktionsbezogene Aufgreifschwelle
II. Digitale Plattformen – Definition II. Digitale Plattformen - Definition „Intermediäre, die die unmittelbare Interaktion von zwei oder mehr Nutzerseiten ermöglichen.“ (Bundeskartellamt, 2016)
II. Digitale Plattformen – Definition II. Digitale Plattformen - Definition „Intermediäre, die die unmittelbare Interaktion von zwei oder mehr Nutzerseiten ermöglichen.“ (Bundeskartellamt, 2016) Hersteller A Händler 1 Endverbraucher X
II. Digitale Plattformen – Definition II. Digitale Plattformen - Definition „Intermediäre, die die unmittelbare Interaktion von zwei oder mehr Nutzerseiten ermöglichen.“ (Bundeskartellamt, 2016) Hersteller A Händler 1 Ebay Plattform Endverbraucher X
II. Digitale Plattformen – Definition II. Digitale Plattformen - Definition „Intermediäre, die die unmittelbare Interaktion von zwei oder mehr Nutzerseiten ermöglichen.“ (Bundeskartellamt, 2016) Hersteller A Händler 1 Ebay Plattform Endverbraucher X
II. Digitale Plattformen – Klassifikationen Unterscheide: 1. Matchingplattformen: Vermittlung einer Interaktion zwischen Angehörigen zweier oder mehrerer Nutzergruppen, die beide auf die Interaktion angewiesen sind. Beispiele: Hotelbuchungs-, Immobilien-, Dating-Plattformen. a. Transaktionsplattform Ve g u. Ebay Ab rmit n ti tlu ng wi tlu ck ng r m lu lun u Ve wick g . Ab Endver- Kaufvertragsschluss Frau braucher Händler
II. Digitale Plattformen – Klassifikationen Unterscheide: 1. Matchingplattformen: Vermittlung einer Interaktion zwischen Angehörigen zweier oder mehrerer Nutzergruppen, die beide auf die Interaktion angewiesen sind. Beispiele: Hotelbuchungs-, Immobilien-, Dating-Plattformen. b. Nicht-Transaktionsplattform Parship Ve rm l ung ittl itt un g erm V Persönliche Begegnung Frau Mann Frau
II. Digitale Plattformen – Klassifikationen Unterscheide: 1. Matchingplattformen 2. Aufmerksamkeitsplattformen (Werbeplattformen): Ermöglichung von Aufmerksamkeit. k eit Google Search Au fm sam i sse erk er k bn g sa m e We mk Au f h erg rbun rbe eit c Su . We pre is u Suchender Marken- Frau hersteller
III. Kartellbehördliche Fallpraxis III. Digitale Plattformen im Visier der Kartellbehörden
III. Kartellbehördliche Fallpraxis III. Digitale Plattformen im Visier der Kartellbehörden – Von HRS und Booking.com über Google bis zum Zusammenschluss Facebook/WhatsApp 1. Kartellverstoß horizontal: Uber 2. Kartellverstoß vertikal: HRS/Booking, Amazon Marketplace 3. Ausbeutungsmissbrauch: Facebook 4. Verdrängungsmissbrauch: HRS, Google Shopping und Android 5. Fusionskontrolle: Facebook/WhatsApp; Immowelt; Paarship, ElitePartner
III. Kartellbehördliche Fallpraxis 1. Kartellverstoß horizontal: Uber Class Action eingereicht am 16.12.2015 von ANDREW SCHMIDT LAW PLLC im Namen von Spencer Meyer Vorwurf: Angeblich horizontale Preisabsprache zwischen dem CEO Kalanick, der selbst auch Uber-Driver sei, und den übrigen Uber- Fahrern, die ihre Preise nicht selbständig setzen, sondern den Uber-Algorithmus nutzen. Bildnachweis: Travis Kalanick LeWeb Day 1 - Dan Taylor/Heisenberg Media https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Travis_Kalanick_LeWeb.jpg
III. Kartellbehördliche Fallpraxis 2. Kartellverstoß vertikal: HRS, Booking, Amazon Marketplace BKartA: Untersagungsverfügung v. 20.12.2013 gegen HRS Preisparitätsklausel zwischen HRS und Hotel verstößt gegen das Kartellverbot.
III. Kartellbehördliche Fallpraxis 3. Ausbeutungsmissbrauch: Facebook BKartA: Eröffnung Verfahren gegen Facebook am 2.3.2016; vorläufige Einschätzung am 19.12.2017 Bildnachweis: Eckhard Henkel / Wikimedia Commons / CC Vorwurf: BY-SA 3.0 DE, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25669036 Vertragsbestimmungen zur Verwendung von Nutzerdaten für Werbezwecke verstoßen möglicherweise gegen das Datenschutzrecht und – im Fall von Facebook – auch gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Problem: Besteht zwischen marktbeherrschender Stellung Ffacebooks und Datenschutzverstoß ein ausreichender Zusammenhang (iSe – wirkungsbezogenen – Kausalität)?
III. Kartellbehördliche Fallpraxis 4. Verdrängungsmissbrauch: HRS, Google Shopping und Android EU-Kommission: Eröffnung Verfahren gegen Google Im November 2010, Mitteilung der Beschwerdepunkte am 15.4.2015 wegen Google Shopping Bußgeldentscheidung (2,4 Milliarden Euro!) am 27.6.2017. Vorwurf: Google missbraucht möglicherweise seine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für allgemeine Internetsuche, indem es seinen eigenen Preisvergleichsdienst „Google Shopping“ gegenüber konkurrierenden Seiten bevorzugt.
III. Kartellbehördliche Fallpraxis 5. Fusionskontrolle: Facebook/WhatsApp; Immonet/Immowelt; Paarship/Elitepartner EU-Kommission: Genehmigung der Fusion Google/DoubleClick am 8.3.2011 (Bereitstellung von Onlnine-Werbefläche) EU-Kommission: Genehmigung der Übernahme von WhatsApp durch Facebook am 3.10.2014 (Messanger-Dienste) BKartA: Genehmigung des Zusammenschlusses von Immowelt und Immonet am 21.4.2015 (Immobilienplattformen) BKartA: Genehmigung des Zusammenschlusses von Parship und Elitepartner 22.10.2015 (Dating-Portale) Bildnachweis: https://blog.kaspersky.de/facebook-ubernimmt- whatsapp-was-sind-die-konsequenzen-fur-die-nutzer-der-app/2458/
IV. Ökonomische Besonderheiten - wettbewerbliche Beurteilung IV. Ökonomische Besonderheiten digitaler Plattformen - wettbewerbliche Beurteilung
IV. Ökonomische Besonderheiten - wettbewerbliche Beurteilung IV. Ökonomische Besonderheiten digitaler Plattformen und ihre Implikationen für die wettbewerbliche Beurteilung 1. Große Dynamik digitaler Geschäftsmodelle 2. Höhere Markttransparenz aufgrund Preisvergleichen 3. Flexiblere und dynamischere Verkaufs- und Preisfindungsmechanismen 4. Skaleneffekte 5. Direkte und indirekte Netzwerkeffekte 6. Asymmetrische Preisgestaltung
IV. Ökonomische Besonderheiten - wettbewerbliche Beurteilung 1. Große Dynamik digitaler Geschäftsmodelle Beispiele: StudiVZ à Facebook; Yahoo à Google; Facebook Messanger à WhatsApp § 18 IIIa GWB n.F.: „Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und à Marktbeherrschung seltenNetzwerken von Dauer. sind bei der Bewertung der à Behördliches EinschreitenMarktstellung weniger dringlich, eines Unternehmens auch zu ggf. aber eilig. berücksichtigen: à Marktabgrenzung muss stets den aktuellen 1. direkte und indirekte Netzwerkeffekte, Verhältnissen Rechnung tragen. 2. die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer, Aber: keine generelle „Internet-Defence“ 3. seine Größenvorteile im Zusammenhang mit (disruptive Innovation). Netzwerkeffekten, 4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, 5. innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.“
IV. Ökonomische Besonderheiten - wettbewerbliche Beurteilung 2. Höhere Markttransparenz aufgrund Preisvergleichen Beispiele: HRS, Booking, Expedia, Amazon Marketplace, Ebay, idealo.de, Google Shopping à Erleichterter Marktzutritt für Neulinge. à Hoher Wettbewerbsdruck, weniger effiziente Unternehmen scheiden aus dem Markt à Tendenz zur Konzentration. à Erleichterte Kollusion (Markttransparenzstelle Kraftstoffe).
IV. Ökonomische Besonderheiten - wettbewerbliche Beurteilung 3. Flexiblere und dynamischere Verkaufs- und Preisfindungsmechanismen Beispiele: Ebay, Hood.de, Tireto.de, GratisAuktion.de und Azubo.de, Undertool, My- Hammer à Effizienter Preisfindungsmechanismus, Käuferwettbewerb bei begrenztem Angebot.
IV. Ökonomische Besonderheiten - wettbewerbliche Beurteilung 4. Skaleneffekte (Größenvorteile) Relativ hohe Fixkosten bei niedrigen variablen Kosten. § 18 IIIa GWB n.F.: à Tendenz zur Konzentration. „Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und à Risiko der Erhöhung von Netzwerken sind bei der Bewertung der Marktstellung Marktzutrittsschranken, insbesondere ineines Unternehmens auch zu berücksichtigen: Kombination mit Exklusivverträgen. 1. direkte und indirekte Netzwerkeffekte, 2. die In der kartellbehördlichen Praxis parallele bislang Nutzung mehrerer Dienste und der wenig Wechselaufwand bedeutsam, allenfalls als Rechtfertigung für diefür die Nutzer, 3. seine Größenvorteile im Zusammenhang mit Genehmigung von Aufholfusionen Netzwerkeffekten, (Immowelt/Immoscout, Microsoft/Yahoo). 4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, 5. innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.“
IV. Ökonomische Besonderheiten - wettbewerbliche Beurteilung 5. Direkte und indirekte Netzwerkeffekte a. Direkte Netzwerkeffekte: Je mehr Nutzer eines Dienstes, desto größer der Nutzen für den einzelnen Nutzer § 18 IIIa GWB n.F.: Bsp.: Telefon, Google Navigation „Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und Netzwerken sind bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens auch zu berücksichtigen: Quelle: Oxyman - Eigenes Werk, CC BY 2.5, 1. direkte und indirekte Netzwerkeffekte, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1765803 2. die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer, 3. seine Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten, 4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, 5. innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.“
IV. Ökonomische Besonderheiten - wettbewerbliche Beurteilung 5. Direkte und indirekte Netzwerkeffekte b. Indirekte Netzwerkeffekte: Je mehr Nutzer auf der einen Marktseite, desto § 18 Seite. größer der Nutzen für die andere IIIa GWB n.F.: „Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und Bsp.: Dating-Plattformen. Netzwerken sind bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens auch zu berücksichtigen: à Marktmachtfaktor, im Einzelnen: à Henne-Ei-Problem für1.Neulinge direkte und indirekte Netzwerkeffekte, im Markt 2. die parallele Nutzung mehrerer Dienste und à Selbstverstärkungseffekt der Wechselaufwand für die Nutzer, à Tendenz zur Konzentration 3. seine à Risiko des Markt-Tippings Größenvorteile (Kippen d. im Zusammenhang mit Marktes) Netzwerkeffekten, 4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, ß Gegenfaktoren: 5. innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.“ - Heterogenität der Nutzer à Erforderlichkeit einer Beschränkung der Zahl der Nutzer; - Multihoming (Immobilien- und Reiseportale)
IV. Ökonomische Besonderheiten - wettbewerbliche Beurteilung 6. Asymmetrische Preisgestaltung: Subventionierung einer Marktseite durch die andere. Beispiele: Google, Booking.com, Immoscout à Beschränkte Aussagekraft § von Preis-Kosten- 18 IIa GWB n.F.: Tests (Ausbeutungsmissbrauch, Kampfpreise, „Der Annahme eines Marktes SSNIP-Test) steht nicht entgegen, dass eine à Nichterreichen der Aufgreifschwellen in der Leistung unentgeltlich erbracht Fusionskontrolle (Facebook/WhatsApp) wird.“ à Marktbeherrschung auf Markt für kostenlose Dienstleistungen? (Google Search) à Marktqualität kostenloser Dienste? (Dating- Plattformen)
V. Ausblick V. Ausblick
V. Ausblick Kartellrecht und Digitalisierung – weitere Themen o Datenkonzentration und Marktmacht o Kartellrecht und Datenschutz o Geoblocking o Kollusion durch Preisanpassungsalgorithmen (Posterfall, Eturas) o Selektiver Internetvertrieb (EuGH: Pierre Fabre, coty; BKartA: Asics)
Danke für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Florian Bien Lehrstuhl für globales Wirtschaftsrecht, internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Bürgerliches Recht bien@jura.uni-wuerzburg.de
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