Medienvertrauen in Krisenzeiten - Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2020 - Langzeitstudie ...

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             152      Perspektiven
                      3/2021

                      Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2020
                      Medienvertrauen in Krisenzeiten
                      Von Ilka Jakobs*, Tanjev Schultz*, Christina Viehmann*, Oliver Quiring*, Nikolaus Jackob*,
                      Marc Ziegele** und Christian Schemer*

        Steigender    Das Corona-Jahr 2020 war ein Jahr der Unsicher-
Informationsbedarf    heit: Standen zu Beginn Fragen nach der Gefährlich-            Kurz und knapp
       in der Krise   keit und weiteren Verbreitung des SARS-CoV-2-­                 • In der siebten Befragungswelle der Mainzer Langzeitstudie wurde
                      Virus im Vordergrund, waren es in den Folgemona-                 ein deutlich gestiegenes Vertrauen in die Medien festgestellt.
                      ten die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der              • Den Medien scheint es 2020 gelungen zu sein, als Orientierungs-
                      Corona-Maßnahmen und die Angemessenheit von                      punkt zu dienen und die Menschen mit Informationen zu versorgen.
                      Lockerungen, über die ein gesellschaftlicher und               • Auch der in den Vorjahren zu beobachtende Medienzynismus und die
                      medialer Diskurs geführt wurde. Dabei spielten auch              Zustimmung zu Verschwörungserzählungen sind zurückgegangen.
                      sogenannte Corona-Leugner und ihre auf Demons-                 • Das größte Vertrauen genießen die Angebote des öffentlich-­
                      trationen vertretenen Positionen eine Rolle. Ab Herbst           rechtlichen Rundfunks, die von 70 Prozent als vertrauenswürdig
                      kam dann die Sorge vor einer zweiten Corona-Welle                beurteilt werden.
                      auf, und es wurden erneut Maßnahmen zur Eindäm-
                                                                                     • Nachrichten aus rein internetbasierten Quellen wird deutlich weniger
                      mung der Pandemie diskutiert. Über das gesamte
                                                                                       Vertrauen entgegengebracht.
                      Jahr 2020 hinweg wurden die Bürgerinnen und Bür-
                      ger mit einer Vielzahl an Informationen konfrontiert,
                      die eine hohe Relevanz für den Alltag und die Ge-             Wie es um das Medienvertrauen der Deutschen steht,        Siebte
                      sundheit hatten, aber oft auch von Unsicherheit ge-           ist schon seit dem Jahr 2015 der zentrale For-            Befragungswelle
                      prägt waren. Um Unsicherheit zu reduzieren, neigen            schungsgegenstand der Mainzer Langzeitstudie              der Mainzer
                      Menschen üblicherweise dazu, ihren Informations-              Medienvertrauen. Die Studie ist wissenschaftlich          Langzeitstudie
                      konsum zu steigern. Im Fall der Pandemie haben sie,           unabhängig, finanziert aus Forschungsmitteln der
                      wie Studien zeigen, vermehrt journalistische Ange-            beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
                      bote rezipiert, aber auch wissenschaftliche und be-           ler. Die Forschungsgruppe der Universitäten Mainz
                      hördliche Quellen sowie private Kommunikation für             und Düsseldorf konnte in den vergangenen Jahren
                      sich genutzt. (1) Dabei trafen viele Bürgerinnen              zeigen, dass das Vertrauen der Bürger in die etab-
                      und Bürger auf widersprüchliche Informationen, Ge-            lierten Medien in Deutschland bisher nicht drama-
                      rüchte, Falschmeldungen und Verschwörungserzäh-               tisch erodiert ist – das Gegenteil ist der Fall. Aller-
                      lungen. Hier kommt die Frage nach dem Vertrauen               dings hat sich ein harter Kern an Kritikern heraus-
                      ins Spiel: Angesichts großer Unsicherheit, divergie-          gebildet, die den Medien feindselig und ablehnend
                      render Meinungen und wechselnder Strategien wer-              gegenüberstehen. Im Corona-Jahr 2020 fand die
                      den Medien zum Schlüsselakteur für den gesell-                siebte Befragungswelle der Langzeitstudie statt. Im
                      schaftlichen Diskurs: In der Krise spielen seriöse            November und Dezember 2020 wurden bundes-
                      Quellen, denen die Bürgerinnen und Bürger vertrau-            weit 1 207 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren in
                      en und an denen sie sich orientieren können, eine             einer repräsentativen Telefonumfrage (CATI) durch
                      entscheidende Rolle. Wie stand es im ersten Corona-­          das Meinungsforschungsinstitut IFAK befragt. Die
                      Jahr um das Vertrauen der Deutschen in die Medien             statistische Fehlertoleranz beträgt maximal 2,8 Pro-
                      und ihre Berichterstattung? Wie viele Menschen                zent. Wie in den bisherigen Erhebungswellen enthielt
                      schenkten den sogenannten „Lügenpresse“-Vorwür-               der Fragebogen mehrere Fragen zum Medienver-
                      fen Glauben, die zum Teil von Corona-Leugnern und             trauen der Befragten, darüber hinaus Fragen zu ihrer
                      auf Demonstrationen verbreitet wurden? Und wel-               Medien- und Internetnutzung, zu Medienkritik und
                      chen Informationsquellen vertrauten die Bürgerinnen           medienbezogenem Verschwörungsglauben, zu poli-
                      und Bürger besonders? Diesen Fragen ging die                  tischen Einstellungen sowie soziodemografischen
                      Langzeitstudie Medienvertrauen in ihrer siebten Be-           Merkmalen. Zudem wurde zwischen dem Vertrauen
                      fragungswelle nach. Die Antworten geben einen Ein-            in unterschiedliche Medien- und Internetangebote
                      druck davon, wie die Bürgerinnen und Bürger mit               differenziert und die Zustimmung zu nicht-medien-
                      der Unsicherheit im Corona-Jahr 2020 umgegangen               bezogenen Verschwörungserzählungen erhoben. Um
                      sind.                                                         Veränderungen im Zeitverlauf analysieren zu kön-
                                                                                    nen, verwendet die Langzeitstudie diese Kernfra-
                                                                                    gen gleichlautend in allen Erhebungswellen. Durch
                        *	Institut für Publizistik der Johannes-Gutenberg-         das Langzeitdesign der Studie ermöglichen die Er-
                           Universität Mainz.                                       gebnisse einen direkten Vergleich des Medienver-
                        **	Institut für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-   trauens der Deutschen vor und während der Corona-­
                           Universität Düsseldorf.                                  Pandemie. Ergänzt wurden in der siebten Welle ver-
Medienvertrauen in Krisenzeiten
                                                                                                                                     Media
                                                                                                                               Perspektiven   153
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                     Abbildung 1
                     Medienvertrauen bei wichtigen Dingen 2008 bis 2020
                     Personen ab 18 Jahren, Angaben in %

                      2020 (n=1207)                             56                                        28                        16

                      2019 (n=1200)                       43                                   29                         28

                      2018 (n=1200)                       44                                        34                         22

                      2017 (n=1200)                      42                                          41                          17

                      2016 (n=1200)                      41                                     37                             22

                       2015 (n=500)                28                                     53                                    19

                       2008 (n=850)                29                                           63                                       9

                           man kann eher/voll und ganz vertrauen       teils teils     man kann eher nicht/überhaupt nicht vertrauen

                     Frage: „Wie ist das, wenn es um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren,
                     politische Skandale. Wie sehr kann man da den Medien vertrauen?“
                     Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen.

                     Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen.

                     schiedene unmittelbar auf die Corona-Pandemie               spannten Zeiten zuverlässig Informationen zu liefern
                     bezogene Fragen zum Vertrauen in die Medien und             und Orientierung zu bieten. Andererseits verfügen
                     zur Zufriedenheit mit deren Leistungen.                     sie auch über direkte Kanäle zu den Entscheidungs-
                                                                                 trägern und Entscheidungsträgerinnen. Dadurch
      Gestiegenes    Das Vertrauen der Deutschen in die Medien ist im            können sie über ihre Netzwerke die beteiligten Poli-
Medienvertrauen im   langjährigen Vergleich gestiegen und erreichte am           tiker und Politikerinnen schnell und unvermittelt er-
 Corona-Jahr 2020    Ende des Corona-Jahres 2020 sogar seinen bisheri-           reichen – was in Krisen, die auch als Stunden der
                     gen Höchstwert (vgl. Abbildung 1): 56 Prozent der           Exekutive gelten, ein Vorteil gegenüber vielen ande-
                     Befragten stimmten der Aussage zu: „Wenn es um              ren Quellen ist. Entsprechend leichter fällt es etab-
                     wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprob-             lierten Medien, Überlegungen und Entscheidungen
                     leme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale und          der Politik darzustellen und zu erläutern.
                     Krisen – kann man den Medien vertrauen.“ In den
                     Vorjahren lag dieser Wert zwischen 41 und 44 Pro-           Eine andere Frage ist, ob die Medien dabei ausrei-
                     zent, im Jahr 2015 sogar nur bei 28 Prozent. Nur 16         chend Distanz zur Regierung und ihren Maßnahmen
                     Prozent der Deutschen sagten im Jahr 2020, man              halten und neben ihrer Informationsfunktion auch in
                     könne den Medien „eher nicht“ oder „überhaupt               ausreichender und angemessener Weise ihre Kritik-
                     nicht“ vertrauen, 28 Prozent äußerten sich ambiva-          und Kontrollfunktion erfüllen. Schon früh wurden,
                     lent („teils, teils“) – im Vorjahr waren es noch 28         auch aus der Kommunikationswissenschaft, Stimmen
                     Prozent, die den Medien „eher nicht“ oder „über-            laut, die den etablierten Medien Defizite in der Co-
                     haupt nicht“ vertrauten.                                    rona-Berichterstattung vorwarfen. (2) Dazu kommt,
                                                                                 dass die zunächst hohe Zufriedenheit der Deutschen
                     In demokratischen Mediensystemen erfüllen Me-               mit der Politik im Laufe der Zeit abgenommen hat
                     dien in Krisenzeiten eine besondere Orientierungs-          und sich zunehmend Kritik und Ärger über das Kri-
                     funktion. In Zeiten großer Unsicherheit stellen die         senmanagement verbreitet haben. Es ist möglich,
                     etablierten Medien eine wichtige Größe dar, denen           dass sich dieser Stimmungswandel, der in den ers-
                     sich die Menschen (wieder) verstärkt zuwenden.              ten Monaten des Jahres 2021 spürbar wurde, auch
                     Dies schlägt sich am Ende des Corona-Jahres 2020            auf die Wahrnehmung der Medien ausgewirkt hat.
                     auch in einem gestiegenen Vertrauen nieder. Meh-            Aus den vorliegenden Daten lässt sich eine solche
                     rere Gründe kommen für diese großen Verschiebun-            Entwicklung jedoch nicht ablesen, der Erhebungs-
                     gen in Frage: Einerseits verfügen die Flaggschiffe          zeitraum stand noch ganz unter dem Eindruck der
                     der etablierten Medien in weiten Teilen der Gesell-         ansteigenden zweiten Infektionswelle. Vor diesem
                     schaft noch über ein großes Maß an Vertrauenswür-           Hintergrund muss die Frage offenbleiben, ob der Ende
                     digkeit, ihnen wird am ehesten zugetraut, in ange-          des Jahres 2020 gemessene, massive Vertrauens-
Ilka Jakobs/Tanjev Schultz/Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Christian Schemer
      Media
154   Perspektiven
      3/2021

      Abbildung 2
      Medienzynismus in Deutschland 2016 bis 2020
      Personen ab 18 Jahren, Angaben in %

                                                        2020      11               22                            66                           1
      Die Bevölkerung in Deutschland wird von           2019        18                  22                        58                          3
      den Medien systematisch belogen
                                                        2018        16                       31                        51                     2
                                                        2017      13                    29                            56                      3
                                                        2016         19                           36                        44                1

                                                        2020       15               22                            61                          1
      Die Medien und die Politik arbeiten Hand          2019             23                   22                      53                      3
      in Hand, um die Meinung der
      Bevölkerung zu manipulieren                       2018             25                        27                      44             4
                                                        2017           20                     28                       47                 5
                                                        2016              27                           31                   40                2

                                                        2020             22                  23                        54                     1
      Die Medien sind in der Bundesrepublik             2019             26                        25                      46             2
      lediglich ein Sprachrohr der Mächtigen
                                                        2018             24                        33                       40                3
                                                        2017             25                        32                       41                2
                                                        2016                  31                            37                   32           0

                                                        2020      13               18                            68                           2
      Die Medien untergraben die                        2019        17                  20                       60                           3
      Meinungsfreiheit in Deutschland
                                                        2018        16                  22                        59                          3
                                                        2017      12               24                            62                           2
                                                        2016       15                    30                            54                     1

                         trifft eher/voll und ganz zu     teils, teils         trifft eher nicht/überhaupt nicht zu              weiß nicht

      Frage: „Denken Sie nun bitte noch einmal an die etablierten Medien in Deutschland zurück, also an die großen
      Fernsehsender und Zeitungsverlage. Wir haben einmal eine Reihe von Aussagen aufgelistet, was denken Sie,
      welche dieser Aussagen treffen Ihrer Meinung nach zu, welche treffen nicht zu?“
      Basis: alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen.

      Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen.

      zuwachs stabil und dauerhaft sein wird. Erst die                   in den Gesundheitssektor, im Jahresverlauf 2020
      künftige Entwicklung und weitere Befragungen wer-                  größeren Schwankungen unterlag als das Vertrauen
      den zeigen, ob das Medienvertrauen dauerhaft von                   in andere Institutionen, wie zum Beispiel in die Wis-
      der Corona-Berichterstattung profitiert hat oder das               senschaft oder die WHO. (4) Auch andere Studien
      Vertrauen nach der Pandemie auf das Niveau vor der                 deuten Schwankungen im Medienvertrauen in un-
      Krise zurückfällt. Daten des COSMO-Befragungspro-                  terschiedlichen Phasen der Pandemie im Jahr 2020
      jekts, das unter anderem von der Universität Erfurt                an. (5)
      und dem Robert-Koch-Institut als wöchentliche
      Online-Querschnittsbefragung durchgeführt wird,                    Gesunken ist im Jahr 2020 auch der Anteil an Men-                        Rückgang des
      zeigten seit Beginn des Jahres 2021 einen steigen-                 schen, die extrem kritisch bis feindselig auf die eta-                   Medienzynismus
      den Anteil an Menschen, die die Corona-Maßnah-                     blierten Medien blicken – diese Einstellung bezeich-                     und medienkritischer
      men für übertrieben halten. (3) Bislang wurde noch                 nen wir als Medienzynismus (vgl. Abbildung 2). (6)                       Sichtweisen
      nicht untersucht, ob sich diese steigende Unzu­                    Insgesamt bejahten 11 Prozent der Befragten die
      friedenheit auch auf die Medien überträgt. Weitere                 Aussage, dass die Bevölkerung in Deutschland von
      Daten des COSMO-Befragungsprojekts belegen je-                     den Medien systematisch belogen werde. In den
      doch, dass das Vertrauen in Medien, ähnlich wie das                Vorjahren lag die Zustimmung zwischen 13 und 19
      Vertrauen in Behörden, in die Bundesregierung oder                 Prozent. In der aktuellen Umfrage wiesen zudem 66
Medienvertrauen in Krisenzeiten
                                                                                                                         Media
                                                                                                                   Perspektiven      155
                                                                                                                        3/2021

Abbildung 3
Vertrauen in Medienberichterstattung über bestimmte Themen 2018 bis 2020
Personen ab 18 Jahren, Angaben in %

…zur Corona-Pandemie             2020                                      63                            23             12       2

…zum Klimawandel                 2020                                 55                             32                 11 2

                                 2019                            48                            28                  23            2

…zum Islam in Deutschland        2020                       39                            37                       19        5

                                 2019                  31                            33                       30             6

                                 2018             22                            41                            33             4

                                            vertraue voll und ganz/eher                   teils, teils
                                            vertraue überhaupt/eher nicht                 weiß nicht

Frage: „Aktuell wird in den Medien viel über die Corona-Pandemie, aber auch über den Klimawandel oder den Islam
berichtet. Bitte sagen Sie mir, ob Sie den Berichten der etablierten Medien zu den einzelnen Themen überhaupt
nicht, eher nicht, teils teils, eher oder voll und ganz vertrauen. Wie ist das bei der Berichterstattung…“
Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen.

Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen.

Prozent den Vorwurf zurück, die Medien berichteten                len und die etablierten Medien zurückzubesinnen.
nicht wahrheitsgetreu – dies ist der bisher höchste               So gelang es den Medien im Frühjahr 2020 in kurzer
gemessene Wert in der Langzeitstudie, 2019 wider-                 Zeit, den Menschen komplexe naturwissenschaft­
sprachen 58 Prozent der Befragten diesem soge-                    liche Zusammenhänge zu erklären. (8) Daten aus
nannten „Lügenpresse“-Vorwurf. Eine ähnliche Ten-                 der ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie
denz zeigt sich auch bei den anderen Indikatoren: So              zeigen, dass alle Medienangebote während des ers-
stimmten im Jahr 2020 nur noch 15 Prozent der                     ten Lockdowns im Frühjahr 2020 besser bewertet
Aussage zu: „Die Medien arbeiten mit der Politik                  wurden als zuvor. (9) Der Rückgang des Medienzy-
Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu                   nismus könnte auch damit zusammenhängen, dass
manipulieren“. 2019 waren es 23 Prozent. Insge-                   manche Menschen unter dem Eindruck des Pande-
samt weisen mehr Menschen als in den vergange-                    mieszenarios (wieder) Medien genutzt haben, die sie
nen Jahren Aussagen zurück, die den Medien ab-                    vor der Krise noch gemieden haben. Unsere Trend-
sichtliche Manipulation vorwerfen.                                daten lassen einen solchen Rückschluss zwar nicht
                                                                  zu, der „Reuters Digital News Report 2020“ zeigt
Dieser Rückgang ist vor allem deshalb auffällig, weil             aber, dass sich viele Menschen in der Corona-Krise
die Daten der vorangegangenen Erhebungswellen                     wieder auf die traditionellen Nachrichtenmedien zu-
den Eindruck erweckten, dass der Kern derjenigen,                 rückbesinnen und deren Wert erkennen. (10) Aller-
die den Medien feindselig und ablehnend gegen-                    dings gilt auch hier, dass sich erst in der Langfrist-
überstehen, sich verfestigt. (7) Trotz der medien-                perspektive erweisen muss, ob das niedrigere Niveau
wirksamen Auftritte sogenannter Corona-Leugner                    an Zustimmung zu „Lügenpresse“-Vorwürfen auch
und ihrer bei Protesten erhobenen Vorwürfe, die sich              nach der Corona-Pandemie noch Bestand hat.
zum Teil auch gegen die Medien richteten, stehen
weniger Menschen als in unseren früheren Erhe-                    Wird nicht nur die allgemeine Haltung zu den Me-                   Zwei Drittel
bungen den Medien ablehnend und feindselig ge-                    dien erfragt, sondern die Einstellung speziell zur                 halten die Corona-­
genüber. Die Zustimmung zu sogenannten „Lügen-                    Berichterstattung über die Corona-Pandemie, zeigt                  Berichterstattung für
presse“-Vorwürfen und der Glaube an eine Verschwö-                sich ebenfalls vergleichsweise großes Vertrauen: 63                vertrauenswürdig
rung zwischen Medien und Politik steuerte am Ende                 Prozent der Deutschen vertrauten der Berichterstat-
des Corona-Jahres 2020 einem Tiefstwert entgegen.                 tung der etablierten Medien zur Corona-Pandemie
Auch hier zeigt sich die oben beschriebene Tendenz,               (vgl. Abbildung 3). 12 Prozent schätzten diese Be-
sich in Krisenzeiten auf bewährte Informationsquel-               richterstattung hingegen als nicht vertrauenswürdig
Ilka Jakobs/Tanjev Schultz/Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Christian Schemer
                  Media
         156      Perspektiven
                  3/2021

                  Abbildung 4
                  Bewertung der Arbeit der Medien während der Corona-Pandemie 2020
                  Personen ab 18 Jahren, Angaben in %

                       Alles in allem bin ich mit der Medienberichterstattung in der
                                                                                                          63                   20         16 1
                                        Corona-Pandemie zufrieden
                     Die Medienberichterstattung hilft mir dabei, zu verstehen, was
                                                                                                           65                   19        16 1
                                           gerade passiert
                    In den Medien werden viele hilfreiche Informationen zu Corona
                                                                                                          59                   25         15 1
                                             vermittelt
                                  In der Medienberichterstattung fehlen mir wichtige
                                                                                                26              24              48                1
                                                    Informationen
                    Es gibt wichtige Themen bei Corona, über die in den Medien zu
                                                                                                    32               26             39        4
                                         wenig berichtet wird

                                            Die Medien berichten zu viel über Corona                 40                   25         34           2

                    Die Medienberichterstattung ist in vielerlei Hinsicht übertrieben           24              28              47                2

                                 Viele Medienberichte zu Corona sind mir zu einseitig            31                  24             43            2

                   Viele Medienberichte über Corona widersprechen Informationen,
                                                                                               21          25                  50             4
                                die ich aus anderen Quellen erhalte

                                     trifft voll und ganz/eher zu      teils, teils          trifft eher/überhaupt nicht zu          weiß nicht

                  Frage: „Inwieweit treffen Ihrer Meinung nach die folgenden Aussagen über die Arbeit der Medien in Deutschland
                  während der Corona-Pandemie zu?“
                  Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen.

                  Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen Welle 2020.

                  ein, 23 Prozent ordneten sich in der Mitte ein („teils,             Erste, ZDF, RTL und Sat.1 nahm die Pandemie im Jahr
                  teils“).                                                            2020 insgesamt knapp die Hälfte der Sendezeit in
                                                                                      Anspruch. Die Topthemen des Vorjahres, wie zum Bei-
                  Auch der journalistischen Berichterstattung über an-                spiel die Klimapolitik, Wahlen oder die Fluchtproble-
                  dere Themen brachten die Menschen am Ende des                       matik, waren zwar auch 2020 umfangreich in den
                  Corona-Jahres 2020 ein größeres Vertrauen als in                    Fernsehnachrichten vertreten, jedoch mit deutlich
                  den Vorjahren entgegen: Zwei weitere Themen, die                    geringeren Anteilen als 2019. (11) Somit waren auch
                  in der Langzeitstudie bisher zur Erhebung der Ent-                  weniger Anlässe zur Polarisierung bei diesen The-
                  wicklung des themenspezifischen Vertrauens ver-                     men vorhanden. Daten des Austrian Corona Panel
                  wendet wurden, sind der Klimawandel und der Islam                   Projects zeigen, dass Mitte April 2020 auch in Öster-
                  in Deutschland. Während die Berichterstattung zum                   reich das Vertrauen in die Corona-Berichterstattung
                  Klimawandel im Jahr 2020 mit 55 Prozent ein relativ                 höher war als das Vertrauen in die Berichterstattung
                  hohes Vertrauen genoss, vertrauten deutlich weni-                   zu anderen Themen wie Innenpolitik, Umwelt und
                  ger Befragte – 39 Prozent – der Berichterstattung                   Klima oder Zuwanderung und Asyl. (12) Die WDR-­
                  über den Islam in Deutschland. Bei beiden Themen                    Studie „Glaubwürdigkeit der Medien 2020“ stellte mit
                  zeigt sich jedoch, dass das Vertrauen im Vergleich zu               im Herbst 2020 erhobenen Daten ebenfalls über-
                  2019 gestiegen ist. 2019 waren es noch 48 Prozent,                  wiegend Zufriedenheit mit der Medienberichterstat-
                  die der Berichterstattung zum Klimawandel vertrau-                  tung über die Corona-Pandemie fest. (13)
                  ten. Beim Thema Islam waren es 31 Prozent.
                                                                                      Bei der konkreten Beurteilung der Medienleistungen              Differenzierte
  Gewachsenes     Dies spricht dafür, dass die Menschen am Ende des                   im Kontext der Pandemie ergibt sich ein differenzier-           Beurteilung der
   Vertrauen in   Corona-Jahres 2020 die journalistische Bericht­                     tes Bild (vgl. Abbildung 4). Fast zwei Drittel (65 %)           Corona-Bericht­
  Journalismus    erstattung themenunabhängig mit einem höheren                       der Befragten gaben an, die Medienberichterstat-                erstattung
unabhängig von    Vertrau­ensvotum versahen. Neben einem gestiege-                    tung helfe ihnen dabei zu verstehen, was gerade
       Themen     nen Globalvertrauen könnte ein weiterer Grund für die               passiert. Nur 16 Prozent stimmten dieser Aussage
                  höheren Vertrauenswerte darin liegen, dass die Coro-                nicht zu. Allerdings fanden 26 Prozent, dass in der
                  na-Pandemie viele andere Themen über einen Groß-                    Berichterstattung Informationen fehlen, und 21 Pro-
                  teil des Jahres 2020 von der Medienagenda verdrängt                 zent hatten den Eindruck, dass Medienberichte den
                  hat: In den Hauptnachrichtensendungen von Das                       Informationen widersprechen, die sie aus anderen
Medienvertrauen in Krisenzeiten
                                                                                                                                Media
                                                                                                                          Perspektiven   157
                                                                                                                               3/2021

                       Quellen erhalten haben. Knapp ein Viertel der Befrag-   Befragten gaben an, die Angebote des öffentlich-­
                       ten fand die Berichterstattung über das Corona-­        rechtlichen Rundfunks täglich oder fast täglich zu
                       Virus übertrieben – 47 Prozent lehnten diese Kritik     nutzen – 2019 waren es noch 51 Prozent. Bei den
                       jedoch ab. 31 Prozent der Befragten hielten die Be-     Zeitungen hingegen war am Ende des Corona-Jahres
                       richterstattung für zu einseitig – 43 Prozent sahen     ein Rückgang der Nutzung zu verzeichnen: 35 Pro-
                       das nicht so. Bei vielen Menschen zeigte sich aller-    zent der Befragten gaben an, Lokalzeitungen täglich
                       dings ein Überdruss am Thema bzw. an dessen me-         oder fast täglich zu nutzen – im Vorjahreszeitraum
                       dialer Präsenz: 40 Prozent der Befragten urteilten,     waren dies 43 Prozent. Bei den überregionalen Tages-
                       dass die Medien insgesamt zu viel über Corona be-       zeitungen gaben mehr Menschen als zuvor an, diese
                       richteten, 34 Prozent teilen diesen Eindruck nicht,     nie zu nutzen (2020: 59 %, 2019: 52 %). Auch bei
                       25 Prozent bezogen hier keine klare Position („teils,   Boulevardzeitungen und privatem Fernsehen stieg
                       teils“). Die Daten des COSMO-Befragungsprojekts         der Anteil derer, die diese Mediengattungen nie
                       ergänzen das Bild der Mainzer Langzeitstudie dahin-     nutzten (Boulevardzeitungen 2020: 81 %, 2019: 70 %;
                       gehend, dass zu Beginn der Pandemie die Corona-­        private Fernsehsender 2020: 34 %, 2019: 26 %).
                       Krise noch eher als Medienhype wahrgenommen
                       wurde – im März 2020 stimmten noch über 60 Pro-         Social-Media-Angebote wurden von den meisten              Geringes Vertrauen
                       zent der Befragten einer solchen Aussage zu. Diese      Befragten auch in der Corona-Krise nicht als ver-         in Social-Media-­
                       Einschätzung änderte sich jedoch rasch – seitdem        trauenswürdige Nachrichtenquellen angesehen (vgl.         Angebote
                       halten rund 40 Prozent der Befragten die Situation      Abbildung 6). Nur 5 Prozent der Internetnutzer ver-
                       für medial aufgeblasen. (14)                            trauten Nachrichten auf sozialen Netzwerken (Vor-
                                                                               jahre: 3 bis 10 %). Zehn Prozent fanden Nachrichten
         Rangfolge     Beim Vertrauen in unterschiedliche Mediengattun-        auf Videoportalen vertrauenswürdig (Vorjahre: 4 bis
vertrauenswürdiger     gen zeigen sich in der Corona-Krise die gleichen        8 %). Und alternative Nachrichtenseiten (wie z. B.
  Mediengattungen      Muster wie in den Vorjahren: Das Vertrauen in den       „Compact“ oder „Politically Incorrect“) hielten 14 Pro-
       unverändert     öffentlich-rechtlichen Rundfunk war mit 70 Prozent      zent der Bürgerinnen und Bürger für vertrauenswür-
                       am größten (in den Vorjahren lag es zwischen 65 und     dige Nachrichtenquellen (Vorjahre: 12 bis 14 %).
                       72 %) (vgl. Abbildung 5). Danach folgten Regional-      Auch geschlossene Gruppen auf Messengerdiens-
                       zeitungen – diesen vertrauten 63 Prozent der Befrag-    ten, deren Rolle in der Corona-Pandemie kontrovers
                       ten (Vorjahre: 63 bis 65 %). Überregionalen Tages-      diskutiert wird, hielten nur 5 Prozent der Bevölke-
                       zeitungen vertrauten 56 Prozent der Bevölkerung         rung für vertrauenswürdig. Mit 53 Prozent wiesen
                       (Vorjahre: 49 bis 55 %); hier bleibt es beim Eindruck   diese unter den Social-Media-Angeboten zudem den
                       der Vorjahre, dass viele Bürgerinnen und Bürger         höchsten Anteil an Befragten auf, die diese Nach-
                       überregionale Tageszeitungen nicht oder nicht mehr      richtenquelle für nicht vertrauenswürdig halten.
                       aus eigenem Lesen und Erleben kennen, viele ent-
                       hielten sich einer Einschätzung (21 % antworteten       Betrachtet man die Nutzung von Internetangeboten,
                       mit „weiß nicht“). Die privaten Fernsehsender (23 %)    ergaben sich hier am Ende des Corona-Jahres 2020
                       und die Boulevardzeitungen (7 %) wurden auch in         gegenüber dem Vorjahreszeitraum bei den meisten
                       der Corona-Krise nicht als besonders vertrauens-        Angeboten keine Veränderungen. Ähnlich wie im
                       würdige Medien wahrgenommen.                            Vorjahr gaben 65 Prozent der Befragten an, Nach-
                                                                               richten auf sozialen Netzwerken nie zu nutzen
                       Zwar genießen auch in der Corona-Zeit dieselben         (2019: 63 %). (15) Nachrichten auf Videoportalen
                       Mediengattungen wie in den vergangenen Jahren           wurden von 56 Prozent nie genutzt (2019: 58 %), für
                       das Vertrauen der Menschen, anders als beim all-        alternative Nachrichtenseiten geben dies 73 Prozent
                       gemeinen Vertrauen in die Medien zeigt sich aber        an (2019: 71 %). 66 Prozent der Befragten nutzten
                       kein großer Vertrauenssprung. Einzelne Mediengat-       Nachrichten in Gruppen auf Messenger-Diensten
                       tungen scheinen folglich nicht von dem Anstieg im       nie – 14 Prozent gaben hier an, dies täglich oder fast
                       Globalvertrauen zu profitieren. Corona scheint ein      täglich zu tun (die Nutzung von Messengerdiensten
                       abstraktes Vertrauen in das Mediensystem als sol-       wurde 2020 erstmals erhoben, daher liegen hier
                       ches in den Vordergrund gerückt zu haben. Es spricht    keine Vergleichswerte vor). Einziger Ausreißer sind
                       einiges dafür, dass die Orientierungsleistung der       die Webseiten oder Apps etablierter Medien: Diese
                       Medien in unsicheren Krisenzeiten als Ganzes ge-        nutzten 28 Prozent der Befragten täglich oder fast
                       würdigt wird, einzelne Angebote oder Gattungen          täglich – ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahres-
                       dabei aber nicht besonders hervortreten.                zeitraum (2019: 18 %). Gleichzeitig sank der Anteil
                                                                               derer, die angaben, diese Angebote nie zu nutzen
    Ö.-r. Rundfunk     Interessanterweise zeigt sich jedoch eine Verände-      (2020: 35 %, 2019: 44 %). Auch bei den Social-Me-
      profitiert von   rung in der Mediennutzung, die ins Bild der steigen-    dia-Angeboten sind im Kontext der Corona-Pande-
       gestiegener     den Informationsnachfrage im Kontext der krisen-        mie nur die etablierten Medien Profiteure der Krise:
     Informations­     bedingten Unsicherheit passt. Besonders profitierte     Nur bei ihren Onlineangeboten finden sich gegen-
         nachfrage     der öffentlich-rechtliche Rundfunk: 60 Prozent der      über dem Vorkrisenniveau wachsende Nutzerzahlen.
Ilka Jakobs/Tanjev Schultz/Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Christian Schemer
                    Media
           158      Perspektiven
                    3/2021

                    Abbildung 5
                    Vertrauen in Mediengattungen 2016 bis 2020
                    Personen ab 18 Jahren, Angaben in %

                    öffentlich-rechtliches     2020                                           70                                      17              11           2
                    Fernsehen
                                               2019                                       67                                          20              11           2

                                               2018                                      65                                           25                  8        2

                                               2017                                           72                                            21             5 2

                                               2016                                        69                                              25                 5 1

                    überregionale              2020                                 56                                      15    9              21
                    Tageszeitungen*
                                               2019                                55                                   14       11                  20

                                               2018                            49                                      21        8               22

                    Regionalzeitungen*         2020                                      63                                      21              7         9

                                               2019                                      65                                      19              9            8

                                               2018                                      63                                       25                 5        7

                    privates Fernsehen         2020            23                                   36                           30                        10

                                               2019                26                                   36                        28                       10

                                               2018           17                                   44                            28                       11

                                               2017                 29                                       41                            21              9

                                               2016            21                                       44                             29                      6

                    Boulevard-Zeitungen        2020     7               21                                        56                                  16

                                               2019     7                22                                       53                                 18

                                               2018     7                23                                       54                                  16

                                               2017      9                    28                                       47                             17

                                               2016      10                   27                                            52                            11

                                                                              sehr/eher vertrauenswürdig
                                                                              teils, teils
                                                                              überhaupt/eher nicht vertrauenswürdig
                                                                              weiß nicht

                    * 2016 und 2017 anders abgefragt, daher liegen hier keine Vergleichswerte vor.
                    Frage: „Manche Menschen halten bestimmte Medienangebote für vertrauenswürdiger als andere. Bitte sagen Sie
                    mir, wie vertrauenswürdig Sie diese Angebote finden.“
                    Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen

                    Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen.

    Zustimmung zu   Auch wenn es angesichts des breiten medialen                          batte eine prominente Rolle, gerade im Zusammen-
   Verschwörungs­   Diskurses zunächst kontraintuitiv erscheint, ist die                  hang mit Corona-Leugnern und deren Demonstra-
erzählungen nimmt   Zustimmung zu Verschwörungserzählungen im Co-                         tionen wurde häufig über coronabezogene Ver-
               ab   rona-Jahr gegenüber den Vorjahren rückläufig (vgl.                    schwörungserzählungen berichtet. Unsere Daten
                    Abbildung 7).                                                         zeigen jedoch, dass der mediale Eindruck nicht für
                                                                                          breite Bevölkerungsschichten repräsentativ ist. Nur
                    Tatsächlich spielten diverse Verschwörungserzäh-                      noch 2 Prozent der Befragten hielten die Aussage
                    lungen in der gesellschaftlichen und medialen De-                     „Flugzeuge versprühen im Auftrag von Regierungen
Medienvertrauen in Krisenzeiten
                                                                                                                       Media
                                                                                                                 Perspektiven   159
                                                                                                                      3/2021

Abbildung 6
Vertrauen in Onlineangebote 2017 bis 2020
Personen ab 18 Jahren, Angaben in %

Nachrichten in Sozialen           2020     5            27                                  50                      18
Netzwerken
                                  2019        10            21                         45                        25

                                  2018    4            24                              51                         21

                                  2017    3             33                                  42                    22

Nachrichten auf                   2020        10                 32                              41                 18
Videoplattformen
                                  2019        8             27                          40                       25

                                  2018     5                32                              42                    21

                                  2017    4                 35                              38                    23

Nachrichten auf alternativen      2020            14             20               29                        37
Nachrichtenseiten
                                  2019         12            21                  24                       43

                                  2018         12            23                  23                       42

                                  2017            14                  31               16                   39

Nachrichten in Gruppen auf        2020     5           23                              53                          20
Messengerdiensten

                                                                  sehr/eher vertrauenswürdig
                                                                  teils, teils
                                                                  überhaupt/eher nicht vertrauenswürdig
                                                                  weiß nicht

Frage: „Manche Menschen halten bestimmte Medienangebote für vertrauenswürdiger als andere. Bitte sagen
Sie mir, wie vertrauenswürdig Sie diese Angebote finden.“
Basis: Internetnutzer (n=1 040, 86 % der Gesamtstichprobe). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent
aufgrund von Rundungen.

Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen.

Chemikalien, um Wetter und Klima zu verändern“ für               schwörungserzählungen mit direktem Corona-Bezug
ganz sicher oder wahrscheinlich wahr – 2019 waren                hielten ebenfalls nur vergleichsweise wenige Men-
es 7 Prozent, 2018 sogar 18 Prozent. Dass die „An-               schen für wahr (vgl. Abbildung 8): 3 Prozent der Be-
schläge auf das World Trade Center am 11. Septem-                fragten stimmten der Verschwörungserzählung zu,
ber 2001 von den USA selbst inszeniert wurden“,                  dass „Bill Gates Menschen mit Corona-Impfungen
hielten im Jahr 2020 nur noch 8 Prozent der Be-                  Mikrochips implantieren und sie so kontrollieren
fragten für ganz sicher oder wahrscheinlich wahr –               will“. Und nur 1 Prozent hielt es für wahr, dass „Die
2019 und 2018 waren dies jeweils 13 Prozent. Auch,               neuen 5G-Sendemasten für die Verbreitung des Co-
dass die „Pharmaindustrie gezielt Krankheitserreger              rona-Virus mitverantwortlich sind“.
verbreitet, um danach mehr Medikamente zu ver-
kaufen“, hielten am Ende des Corona-Jahres 2020                  Die Befunde unserer Befragung zeigen somit, dass
deutlich weniger Menschen für wahr: So glaubten                  über die Corona-Leugner und ihre Einstellungen in
nur 6 Prozent an diese Verschwörungserzählung,                   Medien und Gesellschaft zwar umfassend diskutiert
2019 waren es 18 und 2018 gar 20 Prozent. Ver-                   wurde, sich jedoch nur wenige Bürgerinnen und
Ilka Jakobs/Tanjev Schultz/Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Christian Schemer
      Media
160   Perspektiven
      3/2021

      Abbildung 7
      Zustimmung zu Verschwörungserzählungen 2017 bis 2020
      Personen ab 18 Jahren, Angaben in %

      Flugzeuge versprühen im            2020 2 4                                                92                              2
      Auftrag von Regierungen
      Chemikalien, um Wetter und         2019    7        5                                        84                            4
      Klima zu verändern
                                         2018          18                   10                             67                    5

                                         2017         15                11                                 69                    5

      Die Anschläge auf das World   2020          8            13                                       74                       5
      Trade Center am 11. September
      2001 wurden von den USA       2019             13                13                                68                     6
      selbst inszeniert
                                    2018             13                 16                                   67                  5

                                         2017        13                11                                71                      5

      Die Pharmaindustrie verbreitet     2020    6         11                                         81                            2
      gezielt Krankheitserreger, um
      danach mehr Medikamente zu         2019          18                   11                               68                  3
      verkaufen
                                         2018          20                    13                                 65               3

                                         2017         17                    13                               66                  5

      Die unkontrollierte Flüchtlings-   2020    7         8                                          84                             1
      zuwanderung ist eine neue
      Strategie zur Abschaffung des      2019     10           7                                      79                         3
      deutschen Volkes
                                         2018     11               9                                    77                       3

                                         2017     8           8                                     80                           5

                                                                            ganz sicher/wahrscheinlich wahr
                                                                            unentschieden
                                                                            ganz sicher/wahrscheinlich nicht wahr
                                                                            weiß nicht

      Frage: „Abschließend lese ich Ihnen noch einige Aussagen über wichtige vergangene und aktuelle Ereignisse vor.
      Bitte sagen Sie mir jeweils, wie wahrscheinlich diese Aussagen in Ihren Augen wahr oder nicht wahr sind.“
      Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen

      Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen.

      Bürger diese Einstellungen zu eigen machten und                            wie dauerhaft diese Entwicklung sein wird und ob
      coronabezogenen Verschwörungserzählungen Glau-                             der Glaube an Verschwörungserzählungen nach der
      ben schenkten. Auch die Zustimmung zu Verschwö-                            Corona-Pandemie auf das Vorkrisenniveau zurück-
      rungserzählungen ohne Corona-Bezug war am Ende                             kehrt.
      des Jahres 2020 auf einem Tiefstand. Dies passt zu
      unserer oben beschriebenen Einschätzung, dass sich                         Fazit
      die Bürgerinnen und Bürger in der Krise auf bewährte                       Zwar liegen mittlerweile einige Studien zur Medien-     Vertrauen in
      und etablierte Informationsquellen zurückbesinnen.                         nutzung und zum Medienvertrauen in der Corona-­         etablierte
      In diesen werden Verschwörungserzählungen zwar                             Pandemie vor – im Gegensatz zu einmaligen Unter-        Medienangebote
      thematisiert, oftmals jedoch auch relativiert bzw. ar-                     suchungen im Krisenjahr ermöglichen es die Daten        deutlich gestiegen
      gumentativ entkräftet. Möglicherweise hat dies zu                          der Mainzer Langzeitstudie jedoch, die Werte ins
      einem gesunkenen Glauben an diese Erzählungen                              Verhältnis zu setzen und mit den Werten der Vorjahre
      beigetragen. Auch diesbezüglich bleibt abzuwarten,                         zu vergleichen. Am Ende eines von großer Unsicher-
Medienvertrauen in Krisenzeiten
                                                                                                                                        Media
                                                                                                                                  Perspektiven    161
                                                                                                                                       3/2021

                        Abbildung 8
                        Zustimmung zu Verschwörungserzählungen mit Corona-Bezug 2020
                        Personen ab 18 Jahren, Angaben in %

                        Bill Gates will Menschen mit Corona- 2
                        Impfungen Mikrochips implantieren und      3 7                                  88                                   3
                        sie so kontrollieren

                        Die neuen 5G-Sendemasten sind für die 1
                        Verbreitung des Corona-Virus            15                                     91                                    3
                        mitverantwortlich
                                                                                  ganz sicher/wahrscheinlich wahr
                                                                                  unentschieden
                                                                                  ganz sicher/wahrscheinlich nicht wahr
                                                                                  weiß nicht

                        Frage: „Abschließend lese ich Ihnen noch einige Aussagen über wichtige vergangene und aktuelle Ereignisse vor.
                        Bitte sagen Sie mir jeweils, wie wahrscheinlich diese Aussagen in Ihren Augen wahr oder nicht wahr sind.“
                        Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen

                        Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen Welle 2020.

                        heit geprägten Krisenjahres, nach einem Auf und Ab       nen und Bürger durchaus Defizite wahrnehmen,
                        in der Entwicklung von Infektionszahlen und ande-        drücken viele eine grundsätzliche Zufriedenheit mit
                        ren Parametern, nach eingeführten, zurückgenom-          den Medien aus und zeigen ein Grundvertrauen,
                        menen und wieder in Kraft getretenen Maßnahmen           auf das sich die etablierten Medien stützen können.
                        zeigt sich, dass sich viele Deutsche in der Pandemie
                        zumindest phasenweise auf die etablierten Medien         Es stellt sich allerdings die Frage, wie sich Medien-            Ausnahmesituation
                        besonnen haben. Das Vertrauen in die Medien ist am       vertrauen und Medienzynismus, Mediennutzung                      Corona-Pandemie
                        Ende des Corona-Jahres 2020 deutlich gestiegen,          und der Glaube an Verschwörungserzählungen mit
                        gleichzeitig ging der Medienzynismus zurück, also        dem Abklingen der Corona-Pandemie und in der Zeit
                        jene problematische, weil feindselige Haltung ge-        nach der Krise weiterentwickeln werden. Medien
                        genüber dem Mediensystem. Den Medien scheint es          und Journalisten sollten nicht davon ausgehen, dass
                        demnach alles in allem gelungen zu sein, die Erwar-      die Vertrauenszuwächse dauerhaft sein werden –
                        tungen vieler Bürgerinnen und Bürger in Krisenzei-       eine Krise ist für alle eine Ausnahmesituation und
                        ten zu erfüllen, als Orientierungspunkt zu dienen und    mit wachsendem Unmut über die Leistungen der
                        die Menschen mit Informationen zu versorgen, die         Politik – etwa in Sachen Impfstoffbesorgung und
                        von einer Mehrheit als vertrauenswürdig eingeschätzt     -verteilung oder mit Blick auf die Folgen des Lock-
                        wurden.                                                  downs – können auch die Medien an Vertrauen ver-
                                                                                 lieren. Wie die Welt nach der Pandemie aussieht,
Ö.-r. Angebote in der   Gleichwohl sind es nicht einzelne Mediengattungen        kann niemand sicher vorhersagen. Es ist durchaus
 Krise mehr genutzt     oder Internetangebote, die sich hier hervortun und       denkbar, dass auf das momentane Hoch wieder ein
                        als Gewinner der Krise profitieren können. Deren         Rückgang des Vertrauens folgt.
                        Vertrauenswerte bewegen sich kaum, bei der Nut-
                        zung gewinnen nur öffentlich-rechtliche Angebote
                        deutlich an Reichweite. Manche etablierten Medien        Anmerkungen:
                        verzeichnen demgegenüber einen leichten Rückgang         1)	Vgl. Viehmann, Christina/Marc Ziegele/Oliver Quiring:
                        in der Nutzung. Es sind auch nicht Social-Media-­            Gut informiert durch die Pandemie? Nutzung unterschied­
                        Angebote, die in der Krise an Nutzung oder Vertrau-          licher Informationsquellen in der Corona-Krise. Ergebnisse
                                                                                     einer dreiwelligen Panelbefragung im Jahr 2020. In:
                        enswürdigkeit zulegen. Der Eindruck eines gestei-
                                                                                     Media Perspektiven 10-11/2020, S. 556-577; sowie van
                        gerten Vertrauens bezieht sich eher auf das Medien-          Eimeren, Birgit/Bernhard Kessler/Thomas Kupferschmitt:
                        system und den Journalismus als Ganzes.                      Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Mediennutzung,
                                                                                     Motive und Bewertungen. Sonderauswertungen der
                                                                                     ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie.
   Medienzynismus       Damit einhergehend sinken sowohl der Medienzy-               In: Media Perspektiven 10-11/2020, S. 526-555.
         rückläufig     nismus als auch die Zustimmung zu Verschwö-              2)	Vgl. Ruß-Mohl, Stephan: Streitlust und Diskurskultur
                        rungserzählungen. Dies erscheint in einer Zeit, in der       vor und nach Corona. In: ders. (Hrsg.): Streitlust und
                                                                                     Streitkunst. Diskurs als Essenz der Demokratie. Köln
                        häufig von „Fake News“ und „alternativen Fakten“
                                                                                     2020, S. 13-47; Schultz, Tanjev: Die Corona-Krise als
                        die Rede ist, erstaunlich. Auch wenn die Bewertung           Medienereignis. In: Iskan, Stefan (Hrsg.): Corona in
                        der Berichterstattung zeigt, dass etliche Bürgerin-          Deutschland. Die Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft
Ilka Jakobs/Tanjev Schultz/Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Christian Schemer
      Media
162   Perspektiven
      3/2021

      	und Politik. Stuttgart 2020, S. 129-148; Rieg, Timo:               www.allgemeine-zeitung.de/lokales/mainz/nachrichten-
           Desinfek­tionsjournalismus. Die Corona-Berichterstattung        mainz/medienwissenschaftler-ist-kritik-ein-selbstzweck_
           ist kein Leuchtturm der Orientierung. In: Journalistik,         21576685 (abgerufen am 9.2.2021).
           2/2020, https://journalistik.online/ausgabe-2-2020/        9)	Vgl. van Eimeren/Kessler/Kupferschmitt (Anm. 1).
           desinfektionsjournalismus/ (abgerufen am 15.2.2021).       10)	Vgl. Reuters Institute: Digital News Report 2020. Online
      3)	Vgl. COSMO: Akzeptanz aktueller Maßnahmen. 2021.                 verfügbar unter https://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/
           Online verfügbar unter https://projekte.uni-erfurt.de/          sites/default/files/2020-06/DNR_2020_FINAL.pdf
           cosmo2020/web/topic/politik/20-akzeptanz/ (abgerufen            (abgerufen am 9.2.2021).
           am 9.2.2021).                                              11)	Vgl. den Beitrag von Torsten Maurer, Matthias Wagner
      4)	Vgl. COSMO: Vertrauen in Institutionen. 2021. Online ver-        und Hans-Jürgen Weiß in diesem Heft.
           fügbar unter https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/     12)	Vgl. Prandner, Dimitri/Jakob-Moritz Eberl: Medienvertrauen
           web/topic/vertrauen-ablehnung-demos/10-vertrauen/               in der Corona-Krise. Corona-Blog des Austrian Corona
           (abgerufen am 9.2.2021).                                        Panel Project, 2020.Online verfügbar unter https://viecer.
      5)	Vgl. Viehmann/Ziegele/Quiring (Anm. 1).
                                                                           univie.ac.at/corona-blog/corona-blog-beitraege/blog32/
      6)	Vgl. Schultz, Tanjev/Ziegele, Marc/Ilka Jakobs/Nikolaus
                                                                           (abgerufen am 9.2.2021).
           Jackob/Oliver Quiring/Christian Schemer, Christian:
                                                                      13)	Vgl. WDR: Glaubwürdigkeit der Medien 2020.
           Medienzynismus weiterhin verbreitet, aber mehr
           ­Menschen widersprechen. Mainzer Langzeitstudie                 Online verfügbar unter https://www.ard.de/die-ard/
          ­Medienvertrauen 2019. In: Media Perspektiven, 6/2020,           Glaubwuerdigkeit-der-Medien-WDR-Studie-100.pdf
           S. 322-330; Jackob, Nikolaus/Ilka Jakobs/Oliver Quiring/        (abgerufen am 16.2.2021).
           Tanjev Schultz/Christian Schemer/Marc Ziegele: Medien-     14)	Vgl. COSMO: Informationsverhalten. 2021. Online verfüg-
           skepsis und Medienzynismus. Funktionale und dysfunk-            bar unter https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/web/
           tionale Formen von Medienkritik. Communicatio socialis,         topic/wissen-verhalten/10-informationsverhalten/
           51 (1), 2019, S. 19-35.                                         (abgerufen am 9.2.2021).
      7)	Vgl. Schultz u.a. (Anm. 6).                                 15)	Die Daten zur Nutzung von Social-Media-Angeboten
      8)	  Vgl. Schröder, Stefan: „Medienwissenschaftler:                 beziehen sich auf alle Befragten; die Frage nach dem
            ‚Ist Kritik ein Selbstzweck?‘“ In: Allgemeine Zeitung          Vertrauen in Social-Media-Angebote wurde hingegen
            Mainz vom 22.04.2020. Online verfügbar unter https://          nur Internetnutzern gestellt.
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