Medienvertrauen in Krisenzeiten - Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2020 - Langzeitstudie ...
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Media 152 Perspektiven 3/2021 Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2020 Medienvertrauen in Krisenzeiten Von Ilka Jakobs*, Tanjev Schultz*, Christina Viehmann*, Oliver Quiring*, Nikolaus Jackob*, Marc Ziegele** und Christian Schemer* Steigender Das Corona-Jahr 2020 war ein Jahr der Unsicher- Informationsbedarf heit: Standen zu Beginn Fragen nach der Gefährlich- Kurz und knapp in der Krise keit und weiteren Verbreitung des SARS-CoV-2- • In der siebten Befragungswelle der Mainzer Langzeitstudie wurde Virus im Vordergrund, waren es in den Folgemona- ein deutlich gestiegenes Vertrauen in die Medien festgestellt. ten die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der • Den Medien scheint es 2020 gelungen zu sein, als Orientierungs- Corona-Maßnahmen und die Angemessenheit von punkt zu dienen und die Menschen mit Informationen zu versorgen. Lockerungen, über die ein gesellschaftlicher und • Auch der in den Vorjahren zu beobachtende Medienzynismus und die medialer Diskurs geführt wurde. Dabei spielten auch Zustimmung zu Verschwörungserzählungen sind zurückgegangen. sogenannte Corona-Leugner und ihre auf Demons- • Das größte Vertrauen genießen die Angebote des öffentlich- trationen vertretenen Positionen eine Rolle. Ab Herbst rechtlichen Rundfunks, die von 70 Prozent als vertrauenswürdig kam dann die Sorge vor einer zweiten Corona-Welle beurteilt werden. auf, und es wurden erneut Maßnahmen zur Eindäm- • Nachrichten aus rein internetbasierten Quellen wird deutlich weniger mung der Pandemie diskutiert. Über das gesamte Vertrauen entgegengebracht. Jahr 2020 hinweg wurden die Bürgerinnen und Bür- ger mit einer Vielzahl an Informationen konfrontiert, die eine hohe Relevanz für den Alltag und die Ge- Wie es um das Medienvertrauen der Deutschen steht, Siebte sundheit hatten, aber oft auch von Unsicherheit ge- ist schon seit dem Jahr 2015 der zentrale For- Befragungswelle prägt waren. Um Unsicherheit zu reduzieren, neigen schungsgegenstand der Mainzer Langzeitstudie der Mainzer Menschen üblicherweise dazu, ihren Informations- Medienvertrauen. Die Studie ist wissenschaftlich Langzeitstudie konsum zu steigern. Im Fall der Pandemie haben sie, unabhängig, finanziert aus Forschungsmitteln der wie Studien zeigen, vermehrt journalistische Ange- beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- bote rezipiert, aber auch wissenschaftliche und be- ler. Die Forschungsgruppe der Universitäten Mainz hördliche Quellen sowie private Kommunikation für und Düsseldorf konnte in den vergangenen Jahren sich genutzt. (1) Dabei trafen viele Bürgerinnen zeigen, dass das Vertrauen der Bürger in die etab- und Bürger auf widersprüchliche Informationen, Ge- lierten Medien in Deutschland bisher nicht drama- rüchte, Falschmeldungen und Verschwörungserzäh- tisch erodiert ist – das Gegenteil ist der Fall. Aller- lungen. Hier kommt die Frage nach dem Vertrauen dings hat sich ein harter Kern an Kritikern heraus- ins Spiel: Angesichts großer Unsicherheit, divergie- gebildet, die den Medien feindselig und ablehnend render Meinungen und wechselnder Strategien wer- gegenüberstehen. Im Corona-Jahr 2020 fand die den Medien zum Schlüsselakteur für den gesell- siebte Befragungswelle der Langzeitstudie statt. Im schaftlichen Diskurs: In der Krise spielen seriöse November und Dezember 2020 wurden bundes- Quellen, denen die Bürgerinnen und Bürger vertrau- weit 1 207 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren in en und an denen sie sich orientieren können, eine einer repräsentativen Telefonumfrage (CATI) durch entscheidende Rolle. Wie stand es im ersten Corona- das Meinungsforschungsinstitut IFAK befragt. Die Jahr um das Vertrauen der Deutschen in die Medien statistische Fehlertoleranz beträgt maximal 2,8 Pro- und ihre Berichterstattung? Wie viele Menschen zent. Wie in den bisherigen Erhebungswellen enthielt schenkten den sogenannten „Lügenpresse“-Vorwür- der Fragebogen mehrere Fragen zum Medienver- fen Glauben, die zum Teil von Corona-Leugnern und trauen der Befragten, darüber hinaus Fragen zu ihrer auf Demonstrationen verbreitet wurden? Und wel- Medien- und Internetnutzung, zu Medienkritik und chen Informationsquellen vertrauten die Bürgerinnen medienbezogenem Verschwörungsglauben, zu poli- und Bürger besonders? Diesen Fragen ging die tischen Einstellungen sowie soziodemografischen Langzeitstudie Medienvertrauen in ihrer siebten Be- Merkmalen. Zudem wurde zwischen dem Vertrauen fragungswelle nach. Die Antworten geben einen Ein- in unterschiedliche Medien- und Internetangebote druck davon, wie die Bürgerinnen und Bürger mit differenziert und die Zustimmung zu nicht-medien- der Unsicherheit im Corona-Jahr 2020 umgegangen bezogenen Verschwörungserzählungen erhoben. Um sind. Veränderungen im Zeitverlauf analysieren zu kön- nen, verwendet die Langzeitstudie diese Kernfra- gen gleichlautend in allen Erhebungswellen. Durch * Institut für Publizistik der Johannes-Gutenberg- das Langzeitdesign der Studie ermöglichen die Er- Universität Mainz. gebnisse einen direkten Vergleich des Medienver- ** Institut für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine- trauens der Deutschen vor und während der Corona- Universität Düsseldorf. Pandemie. Ergänzt wurden in der siebten Welle ver-
Medienvertrauen in Krisenzeiten Media Perspektiven 153 3/2021 Abbildung 1 Medienvertrauen bei wichtigen Dingen 2008 bis 2020 Personen ab 18 Jahren, Angaben in % 2020 (n=1207) 56 28 16 2019 (n=1200) 43 29 28 2018 (n=1200) 44 34 22 2017 (n=1200) 42 41 17 2016 (n=1200) 41 37 22 2015 (n=500) 28 53 19 2008 (n=850) 29 63 9 man kann eher/voll und ganz vertrauen teils teils man kann eher nicht/überhaupt nicht vertrauen Frage: „Wie ist das, wenn es um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale. Wie sehr kann man da den Medien vertrauen?“ Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen. Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen. schiedene unmittelbar auf die Corona-Pandemie spannten Zeiten zuverlässig Informationen zu liefern bezogene Fragen zum Vertrauen in die Medien und und Orientierung zu bieten. Andererseits verfügen zur Zufriedenheit mit deren Leistungen. sie auch über direkte Kanäle zu den Entscheidungs- trägern und Entscheidungsträgerinnen. Dadurch Gestiegenes Das Vertrauen der Deutschen in die Medien ist im können sie über ihre Netzwerke die beteiligten Poli- Medienvertrauen im langjährigen Vergleich gestiegen und erreichte am tiker und Politikerinnen schnell und unvermittelt er- Corona-Jahr 2020 Ende des Corona-Jahres 2020 sogar seinen bisheri- reichen – was in Krisen, die auch als Stunden der gen Höchstwert (vgl. Abbildung 1): 56 Prozent der Exekutive gelten, ein Vorteil gegenüber vielen ande- Befragten stimmten der Aussage zu: „Wenn es um ren Quellen ist. Entsprechend leichter fällt es etab- wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprob- lierten Medien, Überlegungen und Entscheidungen leme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale und der Politik darzustellen und zu erläutern. Krisen – kann man den Medien vertrauen.“ In den Vorjahren lag dieser Wert zwischen 41 und 44 Pro- Eine andere Frage ist, ob die Medien dabei ausrei- zent, im Jahr 2015 sogar nur bei 28 Prozent. Nur 16 chend Distanz zur Regierung und ihren Maßnahmen Prozent der Deutschen sagten im Jahr 2020, man halten und neben ihrer Informationsfunktion auch in könne den Medien „eher nicht“ oder „überhaupt ausreichender und angemessener Weise ihre Kritik- nicht“ vertrauen, 28 Prozent äußerten sich ambiva- und Kontrollfunktion erfüllen. Schon früh wurden, lent („teils, teils“) – im Vorjahr waren es noch 28 auch aus der Kommunikationswissenschaft, Stimmen Prozent, die den Medien „eher nicht“ oder „über- laut, die den etablierten Medien Defizite in der Co- haupt nicht“ vertrauten. rona-Berichterstattung vorwarfen. (2) Dazu kommt, dass die zunächst hohe Zufriedenheit der Deutschen In demokratischen Mediensystemen erfüllen Me- mit der Politik im Laufe der Zeit abgenommen hat dien in Krisenzeiten eine besondere Orientierungs- und sich zunehmend Kritik und Ärger über das Kri- funktion. In Zeiten großer Unsicherheit stellen die senmanagement verbreitet haben. Es ist möglich, etablierten Medien eine wichtige Größe dar, denen dass sich dieser Stimmungswandel, der in den ers- sich die Menschen (wieder) verstärkt zuwenden. ten Monaten des Jahres 2021 spürbar wurde, auch Dies schlägt sich am Ende des Corona-Jahres 2020 auf die Wahrnehmung der Medien ausgewirkt hat. auch in einem gestiegenen Vertrauen nieder. Meh- Aus den vorliegenden Daten lässt sich eine solche rere Gründe kommen für diese großen Verschiebun- Entwicklung jedoch nicht ablesen, der Erhebungs- gen in Frage: Einerseits verfügen die Flaggschiffe zeitraum stand noch ganz unter dem Eindruck der der etablierten Medien in weiten Teilen der Gesell- ansteigenden zweiten Infektionswelle. Vor diesem schaft noch über ein großes Maß an Vertrauenswür- Hintergrund muss die Frage offenbleiben, ob der Ende digkeit, ihnen wird am ehesten zugetraut, in ange- des Jahres 2020 gemessene, massive Vertrauens-
Ilka Jakobs/Tanjev Schultz/Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Christian Schemer Media 154 Perspektiven 3/2021 Abbildung 2 Medienzynismus in Deutschland 2016 bis 2020 Personen ab 18 Jahren, Angaben in % 2020 11 22 66 1 Die Bevölkerung in Deutschland wird von 2019 18 22 58 3 den Medien systematisch belogen 2018 16 31 51 2 2017 13 29 56 3 2016 19 36 44 1 2020 15 22 61 1 Die Medien und die Politik arbeiten Hand 2019 23 22 53 3 in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren 2018 25 27 44 4 2017 20 28 47 5 2016 27 31 40 2 2020 22 23 54 1 Die Medien sind in der Bundesrepublik 2019 26 25 46 2 lediglich ein Sprachrohr der Mächtigen 2018 24 33 40 3 2017 25 32 41 2 2016 31 37 32 0 2020 13 18 68 2 Die Medien untergraben die 2019 17 20 60 3 Meinungsfreiheit in Deutschland 2018 16 22 59 3 2017 12 24 62 2 2016 15 30 54 1 trifft eher/voll und ganz zu teils, teils trifft eher nicht/überhaupt nicht zu weiß nicht Frage: „Denken Sie nun bitte noch einmal an die etablierten Medien in Deutschland zurück, also an die großen Fernsehsender und Zeitungsverlage. Wir haben einmal eine Reihe von Aussagen aufgelistet, was denken Sie, welche dieser Aussagen treffen Ihrer Meinung nach zu, welche treffen nicht zu?“ Basis: alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen. Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen. zuwachs stabil und dauerhaft sein wird. Erst die in den Gesundheitssektor, im Jahresverlauf 2020 künftige Entwicklung und weitere Befragungen wer- größeren Schwankungen unterlag als das Vertrauen den zeigen, ob das Medienvertrauen dauerhaft von in andere Institutionen, wie zum Beispiel in die Wis- der Corona-Berichterstattung profitiert hat oder das senschaft oder die WHO. (4) Auch andere Studien Vertrauen nach der Pandemie auf das Niveau vor der deuten Schwankungen im Medienvertrauen in un- Krise zurückfällt. Daten des COSMO-Befragungspro- terschiedlichen Phasen der Pandemie im Jahr 2020 jekts, das unter anderem von der Universität Erfurt an. (5) und dem Robert-Koch-Institut als wöchentliche Online-Querschnittsbefragung durchgeführt wird, Gesunken ist im Jahr 2020 auch der Anteil an Men- Rückgang des zeigten seit Beginn des Jahres 2021 einen steigen- schen, die extrem kritisch bis feindselig auf die eta- Medienzynismus den Anteil an Menschen, die die Corona-Maßnah- blierten Medien blicken – diese Einstellung bezeich- und medienkritischer men für übertrieben halten. (3) Bislang wurde noch nen wir als Medienzynismus (vgl. Abbildung 2). (6) Sichtweisen nicht untersucht, ob sich diese steigende Unzu Insgesamt bejahten 11 Prozent der Befragten die friedenheit auch auf die Medien überträgt. Weitere Aussage, dass die Bevölkerung in Deutschland von Daten des COSMO-Befragungsprojekts belegen je- den Medien systematisch belogen werde. In den doch, dass das Vertrauen in Medien, ähnlich wie das Vorjahren lag die Zustimmung zwischen 13 und 19 Vertrauen in Behörden, in die Bundesregierung oder Prozent. In der aktuellen Umfrage wiesen zudem 66
Medienvertrauen in Krisenzeiten Media Perspektiven 155 3/2021 Abbildung 3 Vertrauen in Medienberichterstattung über bestimmte Themen 2018 bis 2020 Personen ab 18 Jahren, Angaben in % …zur Corona-Pandemie 2020 63 23 12 2 …zum Klimawandel 2020 55 32 11 2 2019 48 28 23 2 …zum Islam in Deutschland 2020 39 37 19 5 2019 31 33 30 6 2018 22 41 33 4 vertraue voll und ganz/eher teils, teils vertraue überhaupt/eher nicht weiß nicht Frage: „Aktuell wird in den Medien viel über die Corona-Pandemie, aber auch über den Klimawandel oder den Islam berichtet. Bitte sagen Sie mir, ob Sie den Berichten der etablierten Medien zu den einzelnen Themen überhaupt nicht, eher nicht, teils teils, eher oder voll und ganz vertrauen. Wie ist das bei der Berichterstattung…“ Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen. Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen. Prozent den Vorwurf zurück, die Medien berichteten len und die etablierten Medien zurückzubesinnen. nicht wahrheitsgetreu – dies ist der bisher höchste So gelang es den Medien im Frühjahr 2020 in kurzer gemessene Wert in der Langzeitstudie, 2019 wider- Zeit, den Menschen komplexe naturwissenschaft sprachen 58 Prozent der Befragten diesem soge- liche Zusammenhänge zu erklären. (8) Daten aus nannten „Lügenpresse“-Vorwurf. Eine ähnliche Ten- der ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie denz zeigt sich auch bei den anderen Indikatoren: So zeigen, dass alle Medienangebote während des ers- stimmten im Jahr 2020 nur noch 15 Prozent der ten Lockdowns im Frühjahr 2020 besser bewertet Aussage zu: „Die Medien arbeiten mit der Politik wurden als zuvor. (9) Der Rückgang des Medienzy- Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu nismus könnte auch damit zusammenhängen, dass manipulieren“. 2019 waren es 23 Prozent. Insge- manche Menschen unter dem Eindruck des Pande- samt weisen mehr Menschen als in den vergange- mieszenarios (wieder) Medien genutzt haben, die sie nen Jahren Aussagen zurück, die den Medien ab- vor der Krise noch gemieden haben. Unsere Trend- sichtliche Manipulation vorwerfen. daten lassen einen solchen Rückschluss zwar nicht zu, der „Reuters Digital News Report 2020“ zeigt Dieser Rückgang ist vor allem deshalb auffällig, weil aber, dass sich viele Menschen in der Corona-Krise die Daten der vorangegangenen Erhebungswellen wieder auf die traditionellen Nachrichtenmedien zu- den Eindruck erweckten, dass der Kern derjenigen, rückbesinnen und deren Wert erkennen. (10) Aller- die den Medien feindselig und ablehnend gegen- dings gilt auch hier, dass sich erst in der Langfrist- überstehen, sich verfestigt. (7) Trotz der medien- perspektive erweisen muss, ob das niedrigere Niveau wirksamen Auftritte sogenannter Corona-Leugner an Zustimmung zu „Lügenpresse“-Vorwürfen auch und ihrer bei Protesten erhobenen Vorwürfe, die sich nach der Corona-Pandemie noch Bestand hat. zum Teil auch gegen die Medien richteten, stehen weniger Menschen als in unseren früheren Erhe- Wird nicht nur die allgemeine Haltung zu den Me- Zwei Drittel bungen den Medien ablehnend und feindselig ge- dien erfragt, sondern die Einstellung speziell zur halten die Corona- genüber. Die Zustimmung zu sogenannten „Lügen- Berichterstattung über die Corona-Pandemie, zeigt Berichterstattung für presse“-Vorwürfen und der Glaube an eine Verschwö- sich ebenfalls vergleichsweise großes Vertrauen: 63 vertrauenswürdig rung zwischen Medien und Politik steuerte am Ende Prozent der Deutschen vertrauten der Berichterstat- des Corona-Jahres 2020 einem Tiefstwert entgegen. tung der etablierten Medien zur Corona-Pandemie Auch hier zeigt sich die oben beschriebene Tendenz, (vgl. Abbildung 3). 12 Prozent schätzten diese Be- sich in Krisenzeiten auf bewährte Informationsquel- richterstattung hingegen als nicht vertrauenswürdig
Ilka Jakobs/Tanjev Schultz/Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Christian Schemer Media 156 Perspektiven 3/2021 Abbildung 4 Bewertung der Arbeit der Medien während der Corona-Pandemie 2020 Personen ab 18 Jahren, Angaben in % Alles in allem bin ich mit der Medienberichterstattung in der 63 20 16 1 Corona-Pandemie zufrieden Die Medienberichterstattung hilft mir dabei, zu verstehen, was 65 19 16 1 gerade passiert In den Medien werden viele hilfreiche Informationen zu Corona 59 25 15 1 vermittelt In der Medienberichterstattung fehlen mir wichtige 26 24 48 1 Informationen Es gibt wichtige Themen bei Corona, über die in den Medien zu 32 26 39 4 wenig berichtet wird Die Medien berichten zu viel über Corona 40 25 34 2 Die Medienberichterstattung ist in vielerlei Hinsicht übertrieben 24 28 47 2 Viele Medienberichte zu Corona sind mir zu einseitig 31 24 43 2 Viele Medienberichte über Corona widersprechen Informationen, 21 25 50 4 die ich aus anderen Quellen erhalte trifft voll und ganz/eher zu teils, teils trifft eher/überhaupt nicht zu weiß nicht Frage: „Inwieweit treffen Ihrer Meinung nach die folgenden Aussagen über die Arbeit der Medien in Deutschland während der Corona-Pandemie zu?“ Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen. Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen Welle 2020. ein, 23 Prozent ordneten sich in der Mitte ein („teils, Erste, ZDF, RTL und Sat.1 nahm die Pandemie im Jahr teils“). 2020 insgesamt knapp die Hälfte der Sendezeit in Anspruch. Die Topthemen des Vorjahres, wie zum Bei- Auch der journalistischen Berichterstattung über an- spiel die Klimapolitik, Wahlen oder die Fluchtproble- dere Themen brachten die Menschen am Ende des matik, waren zwar auch 2020 umfangreich in den Corona-Jahres 2020 ein größeres Vertrauen als in Fernsehnachrichten vertreten, jedoch mit deutlich den Vorjahren entgegen: Zwei weitere Themen, die geringeren Anteilen als 2019. (11) Somit waren auch in der Langzeitstudie bisher zur Erhebung der Ent- weniger Anlässe zur Polarisierung bei diesen The- wicklung des themenspezifischen Vertrauens ver- men vorhanden. Daten des Austrian Corona Panel wendet wurden, sind der Klimawandel und der Islam Projects zeigen, dass Mitte April 2020 auch in Öster- in Deutschland. Während die Berichterstattung zum reich das Vertrauen in die Corona-Berichterstattung Klimawandel im Jahr 2020 mit 55 Prozent ein relativ höher war als das Vertrauen in die Berichterstattung hohes Vertrauen genoss, vertrauten deutlich weni- zu anderen Themen wie Innenpolitik, Umwelt und ger Befragte – 39 Prozent – der Berichterstattung Klima oder Zuwanderung und Asyl. (12) Die WDR- über den Islam in Deutschland. Bei beiden Themen Studie „Glaubwürdigkeit der Medien 2020“ stellte mit zeigt sich jedoch, dass das Vertrauen im Vergleich zu im Herbst 2020 erhobenen Daten ebenfalls über- 2019 gestiegen ist. 2019 waren es noch 48 Prozent, wiegend Zufriedenheit mit der Medienberichterstat- die der Berichterstattung zum Klimawandel vertrau- tung über die Corona-Pandemie fest. (13) ten. Beim Thema Islam waren es 31 Prozent. Bei der konkreten Beurteilung der Medienleistungen Differenzierte Gewachsenes Dies spricht dafür, dass die Menschen am Ende des im Kontext der Pandemie ergibt sich ein differenzier- Beurteilung der Vertrauen in Corona-Jahres 2020 die journalistische Bericht tes Bild (vgl. Abbildung 4). Fast zwei Drittel (65 %) Corona-Bericht Journalismus erstattung themenunabhängig mit einem höheren der Befragten gaben an, die Medienberichterstat- erstattung unabhängig von Vertrauensvotum versahen. Neben einem gestiege- tung helfe ihnen dabei zu verstehen, was gerade Themen nen Globalvertrauen könnte ein weiterer Grund für die passiert. Nur 16 Prozent stimmten dieser Aussage höheren Vertrauenswerte darin liegen, dass die Coro- nicht zu. Allerdings fanden 26 Prozent, dass in der na-Pandemie viele andere Themen über einen Groß- Berichterstattung Informationen fehlen, und 21 Pro- teil des Jahres 2020 von der Medienagenda verdrängt zent hatten den Eindruck, dass Medienberichte den hat: In den Hauptnachrichtensendungen von Das Informationen widersprechen, die sie aus anderen
Medienvertrauen in Krisenzeiten Media Perspektiven 157 3/2021 Quellen erhalten haben. Knapp ein Viertel der Befrag- Befragten gaben an, die Angebote des öffentlich- ten fand die Berichterstattung über das Corona- rechtlichen Rundfunks täglich oder fast täglich zu Virus übertrieben – 47 Prozent lehnten diese Kritik nutzen – 2019 waren es noch 51 Prozent. Bei den jedoch ab. 31 Prozent der Befragten hielten die Be- Zeitungen hingegen war am Ende des Corona-Jahres richterstattung für zu einseitig – 43 Prozent sahen ein Rückgang der Nutzung zu verzeichnen: 35 Pro- das nicht so. Bei vielen Menschen zeigte sich aller- zent der Befragten gaben an, Lokalzeitungen täglich dings ein Überdruss am Thema bzw. an dessen me- oder fast täglich zu nutzen – im Vorjahreszeitraum dialer Präsenz: 40 Prozent der Befragten urteilten, waren dies 43 Prozent. Bei den überregionalen Tages- dass die Medien insgesamt zu viel über Corona be- zeitungen gaben mehr Menschen als zuvor an, diese richteten, 34 Prozent teilen diesen Eindruck nicht, nie zu nutzen (2020: 59 %, 2019: 52 %). Auch bei 25 Prozent bezogen hier keine klare Position („teils, Boulevardzeitungen und privatem Fernsehen stieg teils“). Die Daten des COSMO-Befragungsprojekts der Anteil derer, die diese Mediengattungen nie ergänzen das Bild der Mainzer Langzeitstudie dahin- nutzten (Boulevardzeitungen 2020: 81 %, 2019: 70 %; gehend, dass zu Beginn der Pandemie die Corona- private Fernsehsender 2020: 34 %, 2019: 26 %). Krise noch eher als Medienhype wahrgenommen wurde – im März 2020 stimmten noch über 60 Pro- Social-Media-Angebote wurden von den meisten Geringes Vertrauen zent der Befragten einer solchen Aussage zu. Diese Befragten auch in der Corona-Krise nicht als ver- in Social-Media- Einschätzung änderte sich jedoch rasch – seitdem trauenswürdige Nachrichtenquellen angesehen (vgl. Angebote halten rund 40 Prozent der Befragten die Situation Abbildung 6). Nur 5 Prozent der Internetnutzer ver- für medial aufgeblasen. (14) trauten Nachrichten auf sozialen Netzwerken (Vor- jahre: 3 bis 10 %). Zehn Prozent fanden Nachrichten Rangfolge Beim Vertrauen in unterschiedliche Mediengattun- auf Videoportalen vertrauenswürdig (Vorjahre: 4 bis vertrauenswürdiger gen zeigen sich in der Corona-Krise die gleichen 8 %). Und alternative Nachrichtenseiten (wie z. B. Mediengattungen Muster wie in den Vorjahren: Das Vertrauen in den „Compact“ oder „Politically Incorrect“) hielten 14 Pro- unverändert öffentlich-rechtlichen Rundfunk war mit 70 Prozent zent der Bürgerinnen und Bürger für vertrauenswür- am größten (in den Vorjahren lag es zwischen 65 und dige Nachrichtenquellen (Vorjahre: 12 bis 14 %). 72 %) (vgl. Abbildung 5). Danach folgten Regional- Auch geschlossene Gruppen auf Messengerdiens- zeitungen – diesen vertrauten 63 Prozent der Befrag- ten, deren Rolle in der Corona-Pandemie kontrovers ten (Vorjahre: 63 bis 65 %). Überregionalen Tages- diskutiert wird, hielten nur 5 Prozent der Bevölke- zeitungen vertrauten 56 Prozent der Bevölkerung rung für vertrauenswürdig. Mit 53 Prozent wiesen (Vorjahre: 49 bis 55 %); hier bleibt es beim Eindruck diese unter den Social-Media-Angeboten zudem den der Vorjahre, dass viele Bürgerinnen und Bürger höchsten Anteil an Befragten auf, die diese Nach- überregionale Tageszeitungen nicht oder nicht mehr richtenquelle für nicht vertrauenswürdig halten. aus eigenem Lesen und Erleben kennen, viele ent- hielten sich einer Einschätzung (21 % antworteten Betrachtet man die Nutzung von Internetangeboten, mit „weiß nicht“). Die privaten Fernsehsender (23 %) ergaben sich hier am Ende des Corona-Jahres 2020 und die Boulevardzeitungen (7 %) wurden auch in gegenüber dem Vorjahreszeitraum bei den meisten der Corona-Krise nicht als besonders vertrauens- Angeboten keine Veränderungen. Ähnlich wie im würdige Medien wahrgenommen. Vorjahr gaben 65 Prozent der Befragten an, Nach- richten auf sozialen Netzwerken nie zu nutzen Zwar genießen auch in der Corona-Zeit dieselben (2019: 63 %). (15) Nachrichten auf Videoportalen Mediengattungen wie in den vergangenen Jahren wurden von 56 Prozent nie genutzt (2019: 58 %), für das Vertrauen der Menschen, anders als beim all- alternative Nachrichtenseiten geben dies 73 Prozent gemeinen Vertrauen in die Medien zeigt sich aber an (2019: 71 %). 66 Prozent der Befragten nutzten kein großer Vertrauenssprung. Einzelne Mediengat- Nachrichten in Gruppen auf Messenger-Diensten tungen scheinen folglich nicht von dem Anstieg im nie – 14 Prozent gaben hier an, dies täglich oder fast Globalvertrauen zu profitieren. Corona scheint ein täglich zu tun (die Nutzung von Messengerdiensten abstraktes Vertrauen in das Mediensystem als sol- wurde 2020 erstmals erhoben, daher liegen hier ches in den Vordergrund gerückt zu haben. Es spricht keine Vergleichswerte vor). Einziger Ausreißer sind einiges dafür, dass die Orientierungsleistung der die Webseiten oder Apps etablierter Medien: Diese Medien in unsicheren Krisenzeiten als Ganzes ge- nutzten 28 Prozent der Befragten täglich oder fast würdigt wird, einzelne Angebote oder Gattungen täglich – ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahres- dabei aber nicht besonders hervortreten. zeitraum (2019: 18 %). Gleichzeitig sank der Anteil derer, die angaben, diese Angebote nie zu nutzen Ö.-r. Rundfunk Interessanterweise zeigt sich jedoch eine Verände- (2020: 35 %, 2019: 44 %). Auch bei den Social-Me- profitiert von rung in der Mediennutzung, die ins Bild der steigen- dia-Angeboten sind im Kontext der Corona-Pande- gestiegener den Informationsnachfrage im Kontext der krisen- mie nur die etablierten Medien Profiteure der Krise: Informations bedingten Unsicherheit passt. Besonders profitierte Nur bei ihren Onlineangeboten finden sich gegen- nachfrage der öffentlich-rechtliche Rundfunk: 60 Prozent der über dem Vorkrisenniveau wachsende Nutzerzahlen.
Ilka Jakobs/Tanjev Schultz/Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Christian Schemer Media 158 Perspektiven 3/2021 Abbildung 5 Vertrauen in Mediengattungen 2016 bis 2020 Personen ab 18 Jahren, Angaben in % öffentlich-rechtliches 2020 70 17 11 2 Fernsehen 2019 67 20 11 2 2018 65 25 8 2 2017 72 21 5 2 2016 69 25 5 1 überregionale 2020 56 15 9 21 Tageszeitungen* 2019 55 14 11 20 2018 49 21 8 22 Regionalzeitungen* 2020 63 21 7 9 2019 65 19 9 8 2018 63 25 5 7 privates Fernsehen 2020 23 36 30 10 2019 26 36 28 10 2018 17 44 28 11 2017 29 41 21 9 2016 21 44 29 6 Boulevard-Zeitungen 2020 7 21 56 16 2019 7 22 53 18 2018 7 23 54 16 2017 9 28 47 17 2016 10 27 52 11 sehr/eher vertrauenswürdig teils, teils überhaupt/eher nicht vertrauenswürdig weiß nicht * 2016 und 2017 anders abgefragt, daher liegen hier keine Vergleichswerte vor. Frage: „Manche Menschen halten bestimmte Medienangebote für vertrauenswürdiger als andere. Bitte sagen Sie mir, wie vertrauenswürdig Sie diese Angebote finden.“ Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen. Zustimmung zu Auch wenn es angesichts des breiten medialen batte eine prominente Rolle, gerade im Zusammen- Verschwörungs Diskurses zunächst kontraintuitiv erscheint, ist die hang mit Corona-Leugnern und deren Demonstra- erzählungen nimmt Zustimmung zu Verschwörungserzählungen im Co- tionen wurde häufig über coronabezogene Ver- ab rona-Jahr gegenüber den Vorjahren rückläufig (vgl. schwörungserzählungen berichtet. Unsere Daten Abbildung 7). zeigen jedoch, dass der mediale Eindruck nicht für breite Bevölkerungsschichten repräsentativ ist. Nur Tatsächlich spielten diverse Verschwörungserzäh- noch 2 Prozent der Befragten hielten die Aussage lungen in der gesellschaftlichen und medialen De- „Flugzeuge versprühen im Auftrag von Regierungen
Medienvertrauen in Krisenzeiten Media Perspektiven 159 3/2021 Abbildung 6 Vertrauen in Onlineangebote 2017 bis 2020 Personen ab 18 Jahren, Angaben in % Nachrichten in Sozialen 2020 5 27 50 18 Netzwerken 2019 10 21 45 25 2018 4 24 51 21 2017 3 33 42 22 Nachrichten auf 2020 10 32 41 18 Videoplattformen 2019 8 27 40 25 2018 5 32 42 21 2017 4 35 38 23 Nachrichten auf alternativen 2020 14 20 29 37 Nachrichtenseiten 2019 12 21 24 43 2018 12 23 23 42 2017 14 31 16 39 Nachrichten in Gruppen auf 2020 5 23 53 20 Messengerdiensten sehr/eher vertrauenswürdig teils, teils überhaupt/eher nicht vertrauenswürdig weiß nicht Frage: „Manche Menschen halten bestimmte Medienangebote für vertrauenswürdiger als andere. Bitte sagen Sie mir, wie vertrauenswürdig Sie diese Angebote finden.“ Basis: Internetnutzer (n=1 040, 86 % der Gesamtstichprobe). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen. Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen. Chemikalien, um Wetter und Klima zu verändern“ für schwörungserzählungen mit direktem Corona-Bezug ganz sicher oder wahrscheinlich wahr – 2019 waren hielten ebenfalls nur vergleichsweise wenige Men- es 7 Prozent, 2018 sogar 18 Prozent. Dass die „An- schen für wahr (vgl. Abbildung 8): 3 Prozent der Be- schläge auf das World Trade Center am 11. Septem- fragten stimmten der Verschwörungserzählung zu, ber 2001 von den USA selbst inszeniert wurden“, dass „Bill Gates Menschen mit Corona-Impfungen hielten im Jahr 2020 nur noch 8 Prozent der Be- Mikrochips implantieren und sie so kontrollieren fragten für ganz sicher oder wahrscheinlich wahr – will“. Und nur 1 Prozent hielt es für wahr, dass „Die 2019 und 2018 waren dies jeweils 13 Prozent. Auch, neuen 5G-Sendemasten für die Verbreitung des Co- dass die „Pharmaindustrie gezielt Krankheitserreger rona-Virus mitverantwortlich sind“. verbreitet, um danach mehr Medikamente zu ver- kaufen“, hielten am Ende des Corona-Jahres 2020 Die Befunde unserer Befragung zeigen somit, dass deutlich weniger Menschen für wahr: So glaubten über die Corona-Leugner und ihre Einstellungen in nur 6 Prozent an diese Verschwörungserzählung, Medien und Gesellschaft zwar umfassend diskutiert 2019 waren es 18 und 2018 gar 20 Prozent. Ver- wurde, sich jedoch nur wenige Bürgerinnen und
Ilka Jakobs/Tanjev Schultz/Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Christian Schemer Media 160 Perspektiven 3/2021 Abbildung 7 Zustimmung zu Verschwörungserzählungen 2017 bis 2020 Personen ab 18 Jahren, Angaben in % Flugzeuge versprühen im 2020 2 4 92 2 Auftrag von Regierungen Chemikalien, um Wetter und 2019 7 5 84 4 Klima zu verändern 2018 18 10 67 5 2017 15 11 69 5 Die Anschläge auf das World 2020 8 13 74 5 Trade Center am 11. September 2001 wurden von den USA 2019 13 13 68 6 selbst inszeniert 2018 13 16 67 5 2017 13 11 71 5 Die Pharmaindustrie verbreitet 2020 6 11 81 2 gezielt Krankheitserreger, um danach mehr Medikamente zu 2019 18 11 68 3 verkaufen 2018 20 13 65 3 2017 17 13 66 5 Die unkontrollierte Flüchtlings- 2020 7 8 84 1 zuwanderung ist eine neue Strategie zur Abschaffung des 2019 10 7 79 3 deutschen Volkes 2018 11 9 77 3 2017 8 8 80 5 ganz sicher/wahrscheinlich wahr unentschieden ganz sicher/wahrscheinlich nicht wahr weiß nicht Frage: „Abschließend lese ich Ihnen noch einige Aussagen über wichtige vergangene und aktuelle Ereignisse vor. Bitte sagen Sie mir jeweils, wie wahrscheinlich diese Aussagen in Ihren Augen wahr oder nicht wahr sind.“ Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen. Bürger diese Einstellungen zu eigen machten und wie dauerhaft diese Entwicklung sein wird und ob coronabezogenen Verschwörungserzählungen Glau- der Glaube an Verschwörungserzählungen nach der ben schenkten. Auch die Zustimmung zu Verschwö- Corona-Pandemie auf das Vorkrisenniveau zurück- rungserzählungen ohne Corona-Bezug war am Ende kehrt. des Jahres 2020 auf einem Tiefstand. Dies passt zu unserer oben beschriebenen Einschätzung, dass sich Fazit die Bürgerinnen und Bürger in der Krise auf bewährte Zwar liegen mittlerweile einige Studien zur Medien- Vertrauen in und etablierte Informationsquellen zurückbesinnen. nutzung und zum Medienvertrauen in der Corona- etablierte In diesen werden Verschwörungserzählungen zwar Pandemie vor – im Gegensatz zu einmaligen Unter- Medienangebote thematisiert, oftmals jedoch auch relativiert bzw. ar- suchungen im Krisenjahr ermöglichen es die Daten deutlich gestiegen gumentativ entkräftet. Möglicherweise hat dies zu der Mainzer Langzeitstudie jedoch, die Werte ins einem gesunkenen Glauben an diese Erzählungen Verhältnis zu setzen und mit den Werten der Vorjahre beigetragen. Auch diesbezüglich bleibt abzuwarten, zu vergleichen. Am Ende eines von großer Unsicher-
Medienvertrauen in Krisenzeiten Media Perspektiven 161 3/2021 Abbildung 8 Zustimmung zu Verschwörungserzählungen mit Corona-Bezug 2020 Personen ab 18 Jahren, Angaben in % Bill Gates will Menschen mit Corona- 2 Impfungen Mikrochips implantieren und 3 7 88 3 sie so kontrollieren Die neuen 5G-Sendemasten sind für die 1 Verbreitung des Corona-Virus 15 91 3 mitverantwortlich ganz sicher/wahrscheinlich wahr unentschieden ganz sicher/wahrscheinlich nicht wahr weiß nicht Frage: „Abschließend lese ich Ihnen noch einige Aussagen über wichtige vergangene und aktuelle Ereignisse vor. Bitte sagen Sie mir jeweils, wie wahrscheinlich diese Aussagen in Ihren Augen wahr oder nicht wahr sind.“ Basis: Alle Befragten (n=1 207). Geringfügige Abweichungen von 100 Prozent aufgrund von Rundungen Quelle: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen Welle 2020. heit geprägten Krisenjahres, nach einem Auf und Ab nen und Bürger durchaus Defizite wahrnehmen, in der Entwicklung von Infektionszahlen und ande- drücken viele eine grundsätzliche Zufriedenheit mit ren Parametern, nach eingeführten, zurückgenom- den Medien aus und zeigen ein Grundvertrauen, menen und wieder in Kraft getretenen Maßnahmen auf das sich die etablierten Medien stützen können. zeigt sich, dass sich viele Deutsche in der Pandemie zumindest phasenweise auf die etablierten Medien Es stellt sich allerdings die Frage, wie sich Medien- Ausnahmesituation besonnen haben. Das Vertrauen in die Medien ist am vertrauen und Medienzynismus, Mediennutzung Corona-Pandemie Ende des Corona-Jahres 2020 deutlich gestiegen, und der Glaube an Verschwörungserzählungen mit gleichzeitig ging der Medienzynismus zurück, also dem Abklingen der Corona-Pandemie und in der Zeit jene problematische, weil feindselige Haltung ge- nach der Krise weiterentwickeln werden. Medien genüber dem Mediensystem. Den Medien scheint es und Journalisten sollten nicht davon ausgehen, dass demnach alles in allem gelungen zu sein, die Erwar- die Vertrauenszuwächse dauerhaft sein werden – tungen vieler Bürgerinnen und Bürger in Krisenzei- eine Krise ist für alle eine Ausnahmesituation und ten zu erfüllen, als Orientierungspunkt zu dienen und mit wachsendem Unmut über die Leistungen der die Menschen mit Informationen zu versorgen, die Politik – etwa in Sachen Impfstoffbesorgung und von einer Mehrheit als vertrauenswürdig eingeschätzt -verteilung oder mit Blick auf die Folgen des Lock- wurden. downs – können auch die Medien an Vertrauen ver- lieren. Wie die Welt nach der Pandemie aussieht, Ö.-r. Angebote in der Gleichwohl sind es nicht einzelne Mediengattungen kann niemand sicher vorhersagen. Es ist durchaus Krise mehr genutzt oder Internetangebote, die sich hier hervortun und denkbar, dass auf das momentane Hoch wieder ein als Gewinner der Krise profitieren können. Deren Rückgang des Vertrauens folgt. Vertrauenswerte bewegen sich kaum, bei der Nut- zung gewinnen nur öffentlich-rechtliche Angebote deutlich an Reichweite. Manche etablierten Medien Anmerkungen: verzeichnen demgegenüber einen leichten Rückgang 1) Vgl. Viehmann, Christina/Marc Ziegele/Oliver Quiring: in der Nutzung. Es sind auch nicht Social-Media- Gut informiert durch die Pandemie? Nutzung unterschied Angebote, die in der Krise an Nutzung oder Vertrau- licher Informationsquellen in der Corona-Krise. Ergebnisse einer dreiwelligen Panelbefragung im Jahr 2020. In: enswürdigkeit zulegen. Der Eindruck eines gestei- Media Perspektiven 10-11/2020, S. 556-577; sowie van gerten Vertrauens bezieht sich eher auf das Medien- Eimeren, Birgit/Bernhard Kessler/Thomas Kupferschmitt: system und den Journalismus als Ganzes. Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Mediennutzung, Motive und Bewertungen. Sonderauswertungen der ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie. Medienzynismus Damit einhergehend sinken sowohl der Medienzy- In: Media Perspektiven 10-11/2020, S. 526-555. rückläufig nismus als auch die Zustimmung zu Verschwö- 2) Vgl. Ruß-Mohl, Stephan: Streitlust und Diskurskultur rungserzählungen. Dies erscheint in einer Zeit, in der vor und nach Corona. In: ders. (Hrsg.): Streitlust und Streitkunst. Diskurs als Essenz der Demokratie. Köln häufig von „Fake News“ und „alternativen Fakten“ 2020, S. 13-47; Schultz, Tanjev: Die Corona-Krise als die Rede ist, erstaunlich. Auch wenn die Bewertung Medienereignis. In: Iskan, Stefan (Hrsg.): Corona in der Berichterstattung zeigt, dass etliche Bürgerin- Deutschland. Die Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft
Ilka Jakobs/Tanjev Schultz/Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Christian Schemer Media 162 Perspektiven 3/2021 und Politik. Stuttgart 2020, S. 129-148; Rieg, Timo: www.allgemeine-zeitung.de/lokales/mainz/nachrichten- Desinfektionsjournalismus. Die Corona-Berichterstattung mainz/medienwissenschaftler-ist-kritik-ein-selbstzweck_ ist kein Leuchtturm der Orientierung. In: Journalistik, 21576685 (abgerufen am 9.2.2021). 2/2020, https://journalistik.online/ausgabe-2-2020/ 9) Vgl. van Eimeren/Kessler/Kupferschmitt (Anm. 1). desinfektionsjournalismus/ (abgerufen am 15.2.2021). 10) Vgl. Reuters Institute: Digital News Report 2020. Online 3) Vgl. COSMO: Akzeptanz aktueller Maßnahmen. 2021. verfügbar unter https://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/ Online verfügbar unter https://projekte.uni-erfurt.de/ sites/default/files/2020-06/DNR_2020_FINAL.pdf cosmo2020/web/topic/politik/20-akzeptanz/ (abgerufen (abgerufen am 9.2.2021). am 9.2.2021). 11) Vgl. den Beitrag von Torsten Maurer, Matthias Wagner 4) Vgl. COSMO: Vertrauen in Institutionen. 2021. Online ver- und Hans-Jürgen Weiß in diesem Heft. fügbar unter https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/ 12) Vgl. Prandner, Dimitri/Jakob-Moritz Eberl: Medienvertrauen web/topic/vertrauen-ablehnung-demos/10-vertrauen/ in der Corona-Krise. Corona-Blog des Austrian Corona (abgerufen am 9.2.2021). Panel Project, 2020.Online verfügbar unter https://viecer. 5) Vgl. Viehmann/Ziegele/Quiring (Anm. 1). univie.ac.at/corona-blog/corona-blog-beitraege/blog32/ 6) Vgl. Schultz, Tanjev/Ziegele, Marc/Ilka Jakobs/Nikolaus (abgerufen am 9.2.2021). Jackob/Oliver Quiring/Christian Schemer, Christian: 13) Vgl. WDR: Glaubwürdigkeit der Medien 2020. Medienzynismus weiterhin verbreitet, aber mehr Menschen widersprechen. Mainzer Langzeitstudie Online verfügbar unter https://www.ard.de/die-ard/ Medienvertrauen 2019. In: Media Perspektiven, 6/2020, Glaubwuerdigkeit-der-Medien-WDR-Studie-100.pdf S. 322-330; Jackob, Nikolaus/Ilka Jakobs/Oliver Quiring/ (abgerufen am 16.2.2021). Tanjev Schultz/Christian Schemer/Marc Ziegele: Medien- 14) Vgl. COSMO: Informationsverhalten. 2021. Online verfüg- skepsis und Medienzynismus. Funktionale und dysfunk- bar unter https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/web/ tionale Formen von Medienkritik. Communicatio socialis, topic/wissen-verhalten/10-informationsverhalten/ 51 (1), 2019, S. 19-35. (abgerufen am 9.2.2021). 7) Vgl. Schultz u.a. (Anm. 6). 15) Die Daten zur Nutzung von Social-Media-Angeboten 8) Vgl. Schröder, Stefan: „Medienwissenschaftler: beziehen sich auf alle Befragten; die Frage nach dem ‚Ist Kritik ein Selbstzweck?‘“ In: Allgemeine Zeitung Vertrauen in Social-Media-Angebote wurde hingegen Mainz vom 22.04.2020. Online verfügbar unter https:// nur Internetnutzern gestellt.
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