Medikamente bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen - Jürgen Unger Bezirkskrankenhaus Landshut/Niederbayern 2013

 
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Medikamente bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen - Jürgen Unger Bezirkskrankenhaus Landshut/Niederbayern 2013
Medikamente bei der Behandlung von
    Abhängigkeitserkrankungen

            Jürgen Unger
         Bezirkskrankenhaus
        Landshut/Niederbayern
                2013
Medikamente bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen - Jürgen Unger Bezirkskrankenhaus Landshut/Niederbayern 2013
Zahlen der Deutschen Hauptstelle
   für Suchtfragen (DHS) 2013
• Alkohol-Mißbrauch und Abhängigkeit: ca. 3,3 Mio
  Bundesbürger (Alkoholkonsum bei ca. 9,6 Liter reinen Alkohol
  oder 140 Liter alkoholiche Getränke pro Jahr weitgehend
  unverändert)

• Medikamenten-Mißbrauch und Abhängigkeit: ca. 1,4 Mio
  Menschen

• Cannabis ca. 2,4 Mio Menschen (ca. 380.000 mit unmittelbar
  schädlichen Folgen im Alltag)

• Sonstige illegale Drogen (u.a. Heroin, Amphetamine): ca.
  645.000 Personen

• 16 Mio Raucher, davon ca. 5 Mio “starke Raucher”
Medikamente bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen - Jürgen Unger Bezirkskrankenhaus Landshut/Niederbayern 2013
Alkohol im Kontext zu Drogen
           (Quelle: DHS)

• Zahl der Rauschgift-Todesfälle
  (Opiate/Polytoxikomanie) 2011: 986

• Zahl der Alkohol- und/oder Tabak-
  bezogenen Todesfälle 2011: ca. 74.000

 Nikotin und Alkohol sind Suchtmittel Nr. 1!
Medikamente bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen - Jürgen Unger Bezirkskrankenhaus Landshut/Niederbayern 2013
Qualifizierte Entzugsbehandlung

• Ziel: Erreichen einer Suchtmittel-freien Zeit
• Behandlung des Entzugssyndroms
• Somatische und psychiatrische Diagnostik
• Behandlung von Folge- und Begleiterkrankungen
• Information über die Abhängigkeitserkrankung
  (Krankheitsverständnis)
• Vermittlung erster Techniken im Umgang mit der
  Suchterkrankung
• Motivation zu weiterführender Behandlung
Medikamente bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen - Jürgen Unger Bezirkskrankenhaus Landshut/Niederbayern 2013
Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon)

             Zufriedene Abstinenz
               Abstinenzphasen
              Krankheitseinsicht
        Sicherung sozialer Umgebung
       Verhinderung bleibender Schäden
          Sicherung des Überlebens
Medikamente bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen - Jürgen Unger Bezirkskrankenhaus Landshut/Niederbayern 2013
Das bio-psycho-soziale Modell der Sucht

                      Person, Psyche:
               Erleben, Bewerten, Verhalten

(Neuro-)Biologie:
Wirkung der                            Soziales Umfeld
Substanz auf                           Wechselwirkung
Körper u. Gehirn
Entstehung von (Alkohol-) Abhängigkeit

 „Jeder Abhängige hat seinen individuellen
       Weg in die Suchterkrankung.“

Gemeinsam ist der Wunsch nach positiver
  Erfahrung („Belohnung“), Lernprozess.
   „Positive Reinforcement Hypothese“

       Neurobiologische Korrelate
„Belohnende“ Wirkung von Suchtmitteln

Substanz             Synapse                 Wirkung „Belohnung“
Opiate               Opiatrezeptor           Schmerzlinderung,
                                             Wohlbefinden, Euphorie
Sedativa, Alkohol    GABA-Verstärkung   Beruhigung, Angstlösung
                     (Glutamat-Hemmung)
Kokain, Amphetamin   Dopaminerhöhung         Stimulierung, Euphorie,
                                             Selbstüberschätzung
Halluzinogene        Serotoninerhöhung       Verstärkung von
                                             Sinneseindrücken
Cannabis             Cannabinoid-Rezeptor    Stimmungsaufhellung,
                                             Wohlbefinden
Nikotin              Acetylcholin-Rezeptor   Beruhigung
Neurobiologische Wirkung von Suchtmitteln
Substanz                      Effekt auf Nervenzellen
Alkohol                       Hemmt erregende Glutamatwirkung
                              Verstärkt hemmende GABA-Wirkung
                              Indirekte Aktivierung von Dopamin,
                               endogenen Opioiden und Serotonin

Amphetamine                   Blockade von Serotonin- und Dopamin-
                              Rücktransportern, noradrenerg
Kokain                        Blockade von Dopamin-Rücktransporter

Ecstasy                       Hemmung v.a. Serotonin-Transporter
Heroin                        Aktiviert μ-Opiatrezeptor des hirneigenen
                              Endorphinsystems
Cannabis                      Akiviert endogenes Cannabinoidsystem
LSD                           Aktiviert Serotoninrezeptoren
Benzodiazepine                Aktivierung von GABA-A-Rezeptoren
GHB, GBL („Liquid Ecstasy“)   Aktivierung von GABA-B-Rezeptoren
Wirkung von Alkohol auf Neurotransmitter

Akuter Alkoholkonsum
Glutamat (keine Adaptation)    Glutamatrezeptor
(GABA ↑)                       GABA-A Rezeptor

Chronischer Alkoholkonsum
Glutamat   (Adaptation)        Glutamatrezeptor
(GABA ↑)                       GABA-A Rezeptor↓

Alkoholentzug
Glutamat    (Sensitivierung)   Glutamatrezeptor
(GABA ↓)                       GABA-A Rezeptor↓
Klinische Bedeutung von
    Entzugssensitivierung durch Glutamat

  Klinische Entzugssymptome: Unruhe,
  Gereiztheit, Angespanntheit, Schlafstörung
                „Kindling-Effekt“

 Wahrscheinlichkeit für komplizierte
  Alkoholentzüge steigt mit deren Zahl.
 Epileptische Anfälle werden mit Häufigkeit der
  Entzüge wahrscheinlicher.
 Pat. „lernt“: „Ohne Alkohol geht es mir schlecht!“
Klinische Relevanz: Unterbrechung des
                Lernprozesses

1. Die Entzugssymptomatik muss rasch und
   ausreichend behandelt werden!

2. Antikonvulsiva mit antiglutamaterger Wirkung
   reduzieren Kindling Effekt (z.B. Carbamazepin,
   Oxcarbazepin, Valproat, Topiramat, Lamotrigin)
Rolle des hirneigenen „Belohnungssystems“:
           Dopamin und Endorphine

• Meso-limbisches Dopaminsystem (Ventrales
  Tegmentum → Nucleus accumbens)
• Positive Reize führen zu erhöhtem Dopamin und
  endogenen Opiaten im Nucleus accumbens. (Klinisch:
  Wohlbefinden bis Rauschzustand)

Hohes Suchtpotenzial von Substanzen, die direkt Dopamin
  und/oder Endorphine aktivieren (Heroin, Amphetamine,
                         Kokain)
Alkohol aktiviert indirekt Dopamin, Endorphine und
                        Serotonin
Suchtgedächtnis - Hirnregionen
Schematische Darstellung des Informationflußes beim Lernen:
    Bedeutung des glutamatergen und dopaminergen
Neurotransmittersystems beim Entstehen von „Suchtgedächtnis“

                       NEOCORTEX
 Informationsverarbeitung                 Informationsspeicherung
 Assoziationscortex

                                Dopamin
 Motorisch
 sensibel
 Visuell                        Glutamat
 Akustisch      Entorhinalctx               Hippocampus
                                 LTP
Funktionelle Veränderungen
Chronischer Suchtmittelkonsum: funktionelle
      Bildgebung: “Das Hirn passt sich an”
                  z.B. Kokain

• Orbitofrontalcortex:   • Dopaminrezeptoren
  Aktivität nimmt ab       werden weniger
Genetische Disposition
Warum haben wir ein „Belohnungssystem“?

• Aktivierung von Dopamin und Opioiden im
  Gehirn führt zu Interesse und Suche nach
  belohnendem Neuen, d.h. es ermöglicht
  Lernprozesse.

• Interaktion dopaminerger Neurone mit dem
  Glutamatsystem: Verknüpfung von
  Belohnungssystem mit (Sucht)Gedächtnis.
„Suchtgedächtnis“

• Glutamaterge und dopaminerge Mechanismen

• Implizites Gedächtnis (nicht bewußt)

• Ähnelt dem Schmerz- und Angstgedächtnis

• Verantwortlich für „Craving“ und Rückfallgefahr
3 Hauptwege zum „Craving“ und Rückfall
      - individuelle Risikosituation -
• „Priming“ durch kleine Alkoholmengen
  (sensitiviertes Glutamatsystem und
  Dopaminfreisetzung)

• Konditionierung durch alkohol-assoziierte Reize
  („Suchtgedächtnis, Belohnungssystem“)

• Negativer Affekt, Angst, Stress (glutamaterges,
  katecholaminerges und Hypophysen-
  Hypothalamus-Nebennierenrinden-System)
Suchttherapie in neurobiologischem Sinn
 Suchttherapie ist auch Extinktionstraining, d.h.
  Trennung der (Vor-)Erfahrung mit Alkohol oder
   assoziierten Reizen (z.B. „Bierglas“) von der
               Dopaminaktivierung

        Extinktion = „Um- und Neulernen“
                       nicht
       „Löschen des Suchtgedächtnisses“
   Sucht ist keine ausschließliche Rezeptor-
  Fehlfunktion, aber das biologische Verständnis
        kann Patient und Therapeut helfen
Suchttherapie
Abstinenz ist Ziel und therapeutisches Mittel;
wichtiger Baustein um Erfahrungen zu
verändern.     Abstinentes Intervall erreichen

Einführung alternativer Handlungsverstärker, in
Konkurrenz zur Motivation Suchtmittel zu
konsumieren („positive Gefühle“)

Coping Strategien (Umgang mit Stressoren und
Affekten)
Einsatz von Medikamenten
• Medikamentöse Behandlung akuter
  Entzugssyndrome

• Abstinenzunterstützende Medikamente

• Psychopharmaka bei Comorbidität
Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon)

             Zufriedene Abstinenz
               Abstinenzphasen
              Krankheitseinsicht
        Sicherung sozialer Umgebung
       Verhinderung bleibender Schäden
          Sicherung des Überlebens
Behandlung von Alkoholentzugssyndrom und Delir

Medikamente und Reizabschirmung:

• Clomethiazol (Distraneurin®) oder
• Benzodiazepine (Diazepam, Lorazepam, Oxazepam)
• Thiamin (Vitamin B1)

•   Clonidin (zentrale Sympathikusdämpfung)
•   Antikonvulsiva (Carbamazepin) zur Anfallsprophylaxe
•   Haloperidol (v.a. bei prä-deliranter Symptomatik)
•   Flüssigkeit, Elektrolyte (Na, K, Mg), Glucose, Pantozol
Clomethiazol (Distraneurin®)
   Wahrscheinlich über GABA- und Glyzin-Rezeptoren
   Symptom-orientierte Gabe und Dosierung
   ab 1,0 (1,5) Promille, Patient muss immer erweckbar sein
   Ausschleichende Behandlung (5 – 7 Tage, max. 10 – 14 Tage)
   Sedierend, hypnotisch, antikonvulsiv, vegetativ stabilisierender
    Effekt, gute „Steuerbarkeit“ der Dosis

      Benzodiazepine als Alternative zu Clomethiazol

 bei Clomethiazol-Unverträglichkeit, obstruktiver
  Atemwegserkrankung, Clomethiazolabusus oder zusätzlicher
  Bezodiazepinabhängigkeit.

 Empfohlen werden kurzwirksame Benzodiazepine (Oxazepam oder
  Lorazepam = Tavor®).
 guter sedierender und antikonvulsiver Effekt
Zusätzliche Medikation im Alkoholentzug
Thiamin (Vitamin B1): Prophylaxe einer Wernicke-Enzephalopathie

Carbamazepin (zugelassen bei Alkohol-Entgiftung):
 Bei Patienten mit Entzugsanfällen in der Vorgeschichte
 90 % innerhalb von 48 Std. nach abrupter Abstinenz

Clonidin bei hypertoner bzw. tachycarder Herz-Kreislauf-Situation

Pantoprazol bei Gastritis und Risikopatienten

Thromboseprophylaxe bei bettlägerigen Patienten

  Lebensbedrohliches Delir (kardiale und pulmonale
  Komplikationen, schwere Bewusstseinsstörungen)
  → Internistische Intensivstation
Neuroleptika im Alkoholentzug

• bei prädeliranter und deliranter Symptomatik (z.B. flüchtige
  Halluzinationen, Schreckhaftigkeit, Suggestibilität, schweres
  vegetatives und delirantes Entzugssyndrom)

• Dosierung 1 x 5 mg bis 2 x 10 mg Haloperidol i.d.R. oral

• Dosisreduktion um mind. 50% bei geriatrischen Patienten
Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon)

             Zufriedene Abstinenz
               Abstinenzphasen
              Krankheitseinsicht
        Sicherung sozialer Umgebung
       Verhinderung bleibender Schäden
          Sicherung des Überlebens
Medikamentöse Unterstützung der
           Abstinenz
   Alkohol: Pharmakologischer Versuch einer
Entkopplung von Alkohol und Alkohol-assoziierten
     Reizen von der Dopamin-Freisetzung.
Antidipsotropika („Anticraving-Substanzen“)

Bei Alkoholabhängigkeit:
Metaanalysen (Soyka 1999):
Acamprosat (Glutamatantagonist): ca. 16% Risikoverringerung für
  Rückfall
Naltrexon (Opiatantagonist): ca. 21% Risikoverringerung
  Einsatz nur als Baustein in bestehendes
  mehrdimensionales psychosoziales Therapieumfeld
Disulfiram (hemmt Stoffwechsel beim Alkoholabbau): Einsatz nur in
   engmaschiger ambulanter Kontrolle nach allen anderen stat. oder
   amb. Therapieversuchen

Wichtig: Adäquate Behandlung von Comorbidität, z.B. affektive
  Störungen ….
Acamprosat - Campral®
 Tabletten mit jeweils 333 mg (bis 60 kg
  Körpergewicht 2x2 Tbl., > 60 kg 3x2 Tbl.
 Indikation: Abstinenzaufrechterhaltung bei
  Alkohlabhängigkeit
 Beginn nach körperlichem Entzug,
  Anwendungsdauer: 1 Jahr
 Nebenwirkungen: Diarrhoe, Übelkeit,
  Bauchschmerzen…
Acamprosat - Campral® (2)
 Wirkmechanismus: Erregungshemmende
  Wirkung im ZNS, hemmt Glutamat, verstärkt
  GABA und Taurin

 Effekt: Abstinenzrate nach 1 Jahr etwa doppelt
  so hoch wie unter Placebo (PRAMA-Studie,
  1994)
Acamprosat - Campral® (3)
 Klinische Einschätzung: seit 1989 eingesetzt,
  Rückfallprophylaktische Wirkung bestätigt, gute
  Verträglichkeit
 Compliance-Probleme (Patient verspürt keine
  Wirkung, Häufigkeit der Einnahme)
 Ausführliche Aufklärung über Wirkweise!
 Einsatz im Rahmen therapeutischen
  Gesamtkonzepts (psychosozial und
  soziotherapeutisch)
Disulfiram - Antabus® (1)

 Nur noch über internationale Apotheke erhältlich

 Hemmung der Acetaldehyd-Dehydrogenase,
  d.h. Anhäufung von Acetaldehyd

 Acetaldehydsyndrom, d.h. Übelkeit, Erbrechen,
  Palpitationen, Gesichtsröte (Flash), Tachykardie,
  Blutdruckanstieg
Disulfiram - Antabus® (2)

 Wirkungseintritt bei Alkoholkonsum innerhalb
  von 10 – 30 Min., Unwohlsein bleibt mehrere
  Stunden
 Acetaldehyd-Syndrom bereits ab
  Alkoholaufnahme von 3g (ca. 80 ml Bier, 5%)
  oder “alkoholfreiem” Bier (0,5 %)
 Einsatz nur in engmaschigem suchtspezifischen
  Behandlungsregime.
Naltrexon – Adepend®
oder Nemexin®

• Opiatantagonist (v.a. µ-Rezeptoren)
• 50 mg Tbl. 1x1 Tbl. pro Tag
• Nemexin zugelassen für die Behandlung
  abstinenter Opiatabhängiger im Rahmen
  der Langzeittherapie, auch ambulant
• Adepend seit 2010 zur Rückfallprophylaxe
  Alkoholabhängiger in Deutschland
  zugelassen (in USA seit 1995)
Adepend (2)

• 36%ige Senkung des Rückfallrisikos im Rahmen
  umfassenden Therapieprogramms
• Reduktion von “Craving” und Unterstützung von
  Abstinenz
• Ähnliches Präparat – Nalmefene 20 – 25mg/d,
  ab Herbst 2013 in Deutschland zugelassen –
  Gabe “on demand” Antagonist der µ-, kappa-
  und delta-Opiatrezeptoren im Gehirn
Adepend (3)

• Therapiedauer 3 Monate bis zu 1 Jahr, in
  Einzelfällen länger
• Belohnungsgefühle und Euphorisierung
  durch Alkohol wird unterdrückt
• Nebenwirkungen: gastrointestinale
  Störungen, Gelenk- und Muskelschmerzen
• Klinische Einschätzung: Wahrscheinlich
  das derzeit wirkungsvollste Präparat?
Fallbeispiel 1
• 48j. Patient, langjährig alkoholabhängig,
  zwischen 2007 und 2011 in ca. 1 – 2
  Monatsabständen in körperlicher
  Entzugsbehandlung.
• Campral über 6 Monate ohne Effekt.
• Adepend ab Juni 2011: Anfangs NW, dann gut
  verträglich, deutliche Reduktion von “Craving”.
• “trocken” bis 12/2011, dann Entzug, seither
  Abstinenzintervalle von 4 - 5 Monate Dauer.
• Weiterhin Rückfälle mit erheblicher Intoxikation.
Fallbeispiel 2
• 39j. Patientin, langjährige Alkoholabhängigkeit
• Vor 2010 Langzeittherapie, danach 2 Jahre
  “trocken”
• Aufnahme zum körperlichen Entzug Herbst 2012
• Beschreibung von erheblichem “Craving” in
  häuslichen Belastungserprobung
• Nach Adepend innerhalb von 2 Wochen
  “Suchtdruck” gemildert, seither in ambulanter
  Suchtberatung, “trocken” (?)
Fallbeispiel 3
• 54j. Patient, seit Jahrzehnten alkoholabhängig,
  Langzeittherapie ohne Erfolg
• Schwerste Alkoholintoxikationen, multiple körperliche
  Entzüge
• Therapieversuch mit Campral erfolglos
• Therapieversuch mit Adepend erfolglos
• Soziotherapie (6 Monate) – in der Therapie “trocken”
• Danach ambulant aufsuchende Suchtbehandlung
• Darunter Abstinenzphasen wochenweise verlängert
• bei Rückfall sofortige Einweisung zum Entzug (“harm
  reduction”)
Opiatabhängigkeit
• Buprenorphin – Subutex®

• Buprenorphin + Naloxon - Suboxone®

• Methadon und L-Polamidon
  (Levomethadon) – Saft oder
  Tabletten (Methaddict®)
Buprenorphin – Subutex®,
 Buprenorphin + Naloxon - Suboxone®
• Heroinentzug
• Substitutionstherapie bei Opiatabhängigen im
  Rahmen üblicher Qualitätskriterien
  (psychosoziale Begleitung, Beikonsum-
  kontrollen)
• Sublingualtabletten 2 – max. 24 mg/Tag
• Wirkdauer: 24 – 72 Stunden
• Sättigungs-(Ceiling) Effekt, d.h. geringes Risiko
  der Atemdepression
Levomethadon (L-Polamidon) und
             Methadon
• Reiner µ-Opiatrezeptoragonist
• Seit 2005 von der WHO in die “Liste nicht
  entbehrlicher Arzneistoffe” aufgenommen.
• Einsatz seit 1960er Jahren in USA
• Einnahme in Fruchtsaft o.ä. (nicht injizierbar!)
• Langsames Anfluten – wenig euphorisierender
  “Kick-Effekt”
• Dosierung: ca. 100 mg Methadon als
  Einmaldosis pro Tag
Naltrexon - Nemexin®

• Nemexin zugelassen als medikamentöse
  Unterstützung für die Langzeitbehandlung
  abstinenter Opiatabhängiger

• 50 mg/Tag (1 Tbl.) oder
• 100 mg Mo und Mi, 150 mg Fr
Tabak - Nikotin
• 30 % der Deutschen rauchen
• Entzugssyndrom mit Unruhe, vermehrtem Appetit und
  Schlafstörungen.
• Nach zwölf Monaten sind etwa 9 von 10 Rauchern
  rückfällig
• Unterstützung, z.B. Verhaltenstherapie, Hypnose erhöht
  die Erfolgsquote auf 25 bis 40 Prozent.
• Nikotinersatzpräparate erhöhen bei starken
  Rauchern die Erfolgsrate.
• Pflaster, Kaugummis, Lutschpastillen oder Inhalatoren
  geben Nikotin dosiert an den Körper ab und lindern
  Entzugssymptome, machen aber selbst nicht abhängig.
Vareniclin - Champix®

• Raucherentwöhnung
• 1 bzw. 0,5 mg
• Einnahmebeginn noch während Patient
  raucht
• Rauchstopp innerhalb von 14 Tagen
• Weitere Einnahme für 12 Wochen
Vareniclin - Champix® (2)

• Partialantagonist von Nikotinrezeptoren, d.h.
  teilweise Stimulation (Unterdrückung von
  Entzugssymptomen), zusätzlich Blockade von
  exogen zugeführtem Nikotin (Rauchen ist
  weniger wirksam)

• Nebenwirkung: Fälle von Übelkeit,
  Kopfschmerzen, unangenehme Träume,
  Suizidgedanken, Aggressivität
Vareniclin - Champix® (3)
• Belohnender Effekt von Rauchen wird blockiert
  über α2ß2-Subtyp des nicotinergen
  Acetylcholinrezeptors und Verhinderung der
  mesolimbischen Dopaminstimulierung

• Klinische Beurteilung: Abstinenzchancen
  werden verdreifacht (jeder 4. hört auf zu
  rauchen) – keine Langzeitstudie unter
  “Alltagsbedingungen”, Vergleich mit
  Nikotinpflaster fehlt
Bupropion – Zyban®, Elontril®

• Verwandt mit Amphetamin
• 150 – 300 mg pro Tag
• Selektiver Dopamin- und Noradrenalin-
  Wiederaufnahmehemmer
• Antidepressivum und Raucherentwöhnung
• 150 – 300 mg ca. 7 – 14 Tage vor Rauchstopp
• Anwendungsdauer 7 - 12 Wochen
Bupropion – Zyban®, Elontril®
• Signifikante Effekte hinsichtlich Abstinenz

• Nebenwirkungen: Psychostimulanzien-Wirkung
  (Mundtrockenheit, Schlafstörung, Appetitlosigkeit,
  Hypertonie, Tachykardie, “High-Gefühl”, epileptische
  Anfälle, Suizidalität)

• Klinik: Pat. berichten schon nach Tagen: “Zigarette
  schmeckt komisch”
• 30% Raucher sind nach 1 Jahr noch abstinent; Einsatz
  nur unter psychiatrischer Kontrolle
Psychiatrische Comorbidität von Sucht

Affektive Störung
  • Depression
  • Bipolare Erkrankung
  • Angst-, Panikstörung
Psychose: Drogeninduziert (z.B. Amphetamine,
  Kokain, Cannabis), Schizophrenie
Persönlichkeitsstörung (emotional instabil,
  selbstunsicher, abhängig, kombiniert)
Störungsspezifische Therapie

• Antidepressiva (SSRI, NSRI u.a.)
• Mood Stabilizer (Lithium, Valproat u.a.)
• Antipsychotika/Neuroleptika

• …... das Wichtigste:
       Suchtmittelfreie Zeit
Häufige Psychopharmaka
• Antidepressiva: Citalopram, Escitalopram,
  Sertralin, Venlafaxin, Duloxetin, Agomelatin,
  Bupropion…
• Mood Stabilizer: Valproat, Lithium, Lamotrigin,
  Topiramat, Carbamazepin…
• Neuroleptika: Quetiapin, Olanzapin, Flupentixol,
  Aripiprazol, Amisulprid…
• Bei generalisierter Angststörung: Pregabalin
  (Lyrica®)
Fallbeispiel
• 26j. Patientin, akute Aufnahme wegen Suizidalität und
  Alkoholintoxikation
• Nach körperlichem Entzug anamnestisch
  Stimmungswechsel beschrieben, zeitweise erhöhte
  “Kauflaune”, “voller Energie”, dann wieder “lustlos”,
  Rückzug und zuletzt auch Suizidgedanken
• vermehrt Konsum von Wein und Prosecco, fühlt sich
  unter Alkohol “ausgeglichener”
• Diagnose?
• Behandlung?
• Prognose?
Fallbeispiel
• 53j Patientin, langjährige Angststörung mit Panikanfällen
  und diffusen Ängsten
• Seit Jahren ärztlich verordnet Benzodiazepine (aktuell
  Tavor 4 – 5 x 0,5 mg/Tag
• Sozialer Rückzug, “klammert” sich an Ehemann, multiple
  somatische Symptome (Schlafstörung, Übelkeit,
  Kopfschmerzen…), im Kontakt “jammrig” bis vorwurfsvoll
• “Unverträglichkeit” aller Psychopharmaka in niedrigster
  Dosierung, Abdosierung von Tavor mehrfach erfolglos
• Diagnose?
• Therapie?
• Prognose?
Ziele in der Suchttherapie

• Besserung komorbider psychischer und
  körperlicher Störungen.

• Beseitigung, Reduzierung oder Kompensation
  von somatischen, psychischen und psycho-
  sozialen Folgen.
Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon)

            Zufriedene Abstinenz
               Abstinenzphasen
              Krankheitseinsicht
        Sicherung sozialer Umgebung
       Verhinderung bleibender Schäden
          Sicherung des Überlebens
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
      und weiterhin viel Erfolg!
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