Dysfunktionaler Pharmakagebrauch bei Suchtkranken - Bundesverband der stationären Suchtkrankenhilfe e.V 105. Wissenschaftliche Jahrestagung ...

Die Seite wird erstellt Finn-Luca Albert
 
WEITER LESEN
Dysfunktionaler Pharmakagebrauch bei Suchtkranken - Bundesverband der stationären Suchtkrankenhilfe e.V 105. Wissenschaftliche Jahrestagung ...
Dysfunktionaler
                Pharmakagebrauch
                 bei Suchtkranken
             Bundesverband der stationären Suchtkrankenhilfe e.V
                    105. Wissenschaftliche Jahrestagung
                 Wunsch- und Wahlrecht für alle! Und alles?
                          20.-21.03.2019 in Berlin
                           Dr. med. Dieter Geyer
20.03.2019
Interessenkonflikte

o In den letzten fünf Jahren keine Zuwendungen von
  Arzneimittelherstellern
o Kein Besitz von Pharmaindustrie-Aktien
o Interesse am wirtschaftlichen Wohlergehen der als Chefarzt geleiteten
  Suchtkliniken

20.03.2019                                                                2
Gliederung

o Vorwort
o Psychopharmaka: historischer Abriss                 Quelle: vistano.com

o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung
o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs
  und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen)
  Substanzgebrauchs
o Angemessen oder dysfunktional?
o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in
  der Behandlung Suchtkranker

20.03.2019                                                              3
Gliederung

o Vorwort
o Psychopharmaka: historischer Abriss
o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung
o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs
  und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen)
  Substanzgebrauchs
o Angemessen oder dysfunktional?
o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in
  der Behandlung Suchtkranker

20.03.2019                                                        4
Vorwort, Beschränkungen,
                         Perspektive des Referenten

o Langjährige psychiatrische, psychotherapeutische und
  suchtmedizinisch/suchttherapeutische Tätigkeit
o Bevorzugung eines hermeneutischen Zugangs vor einem rein
  deskriptiven, wie er derzeit führend ist
o Kein Anspruch auf Kenntnis aller aktueller Pharmastudien
o Wirkung, Effektstärke, Nebenwirkungen einzelner Substanzen stehen
  nur bedingt im Fokus dieses Beitrags
o Psychopharmaka werden bei Suchtkranken (und nicht nur bei Ihnen) oft
  nicht angemessen eingesetzt
o Die Verordnung von Psychopharmaka als Bestandteil einer multimodalen
  interdisziplinären Behandlung muss interdisziplinär, also vom ganzen
  Behandlungsteam getragen werden

20.03.2019                                                         5
Gliederung

o Vorwort
o Psychopharmaka: historischer Abriss
o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung
o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs
  und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen)
  Substanzgebrauchs
o Angemessen oder dysfunktional?
o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in
  der Behandlung Suchtkranker

20.03.2019                                                        6
Swr.de

Kleiner historischer Abriss 1

o Vor 1945: Verschiedene Medikamente/Substanzen werden zur
  Beeinflussung psychischer Störungen eingesetzt (z.B. Opiate, Insulin,
  Bromderivate u.a.)
o 1949 Lithium, antimanische Wirkung (1967: Phasenprophylaxe)
o 1952 Chlorpromazin, antipsychotische Wirkung (Phenothiazin,
       nach der Entwicklung weiterer „Neuroleptika“ wurde deren
       antipsychotische Wirkung im Vergleich zu Chlorpromazin
       angegeben
o 1957 Imipramin, antidepressive Wirkung (Trizyklikum)

20.03.2019                                                                7
Kleiner historischer Abriss 2

o    1958    Haloperidol, antipsychotische Wirkung (Butyrophenon)
o    1958    Iproniazid, erster (irreversibler) MAO-Hemmer
o    1960    Chlordiazepoxid, erstes Benzodiazepin auf dem Markt
o    1972    Clozapin, erstes „atypisches“ Neuroleptikum)
o    1987    Fluoxetin, erster zugelassener SSRI
o    1990    Moclobemid (reversibler) MAO-Hemmer
o    1991    Zolpidem, Non-Benzodiazepin Hypnotikum

20.03.2019                                                          8
(Weiter)-Entwicklungen
o    Zahlreiche weitere Präparate auf dem Mark
o    Depot- und Retard-Formulierungen (Neuroleptika, Antidepressiva)
o    Selektive Serotonin-Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (SSNRI)
o    Agomelatin (Melatoninrezeptor-Agonist)
o    Phythotherapie

             Grundsätzlich aber seit Jahren keine die Behandlung wesentlich
                             verbessernde Neuentwicklung

20.03.2019                                                                    9
Gliederung

o Vorwort
o Psychopharmaka: historischer Abriss
o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung
o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs
  und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen)
  Substanzgebrauchs
o Angemessen oder dysfunktional?
o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in
  der Behandlung Suchtkranker

20.03.2019                                                        10
Wirksamkeit
                                   Psychopharmaka

Schizophrene Psychosen
Wirksamkeit bei Erstmanifestation und Wiederauftreten
nachgewiesen
o Behandlung mit Antipsychotika
  - möglichst frühzeitig
  - möglichst niedrig dosiert
  - wegen geringeren Nebenwirkungen werden Atypika bevorzugt

Wirksamkeit zur Symptomunterdrückung und Rezidivprophylaxe
nachgewiesen
o Atypika bevorzugt
o Depot-Präparate bevorzugt

   DGPPN: S3-Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie Bd 1: Schizophrenie
                                      2006, 43-109

20.03.2019                                                                        11
Wirksamkeit
                         Psychopharmaka

Komorbidität Schizophrenie und Substanzbezogene Störung
o Integrierte Behandlung
o Leitliniengerechte medikamentöse Behandlung

z.B.: Moore E, Mancuso SG, Slade T, et al: The impact of alcohol and illicit drugs on
people with psychosis: the second Australien national survey on psychosis.
Aus NZ J Psychiatry 2012; 46: 864-878

20.03.2019                                                                          12
Wirksamkeit
                         Psychopharmaka

Antidepressiva: Wirken sie überhaupt?
o 522 Doppel-Blind Studien mit insgesamt 116.477 erwachsenen
  Patient/Innen mit „major depression“
o Alle untersuchten AD waren effektiver als Placebo, die Effektgrößen
  waren allerdings bescheiden
o Einige waren etwas wirksamer als andere
o Einige verzeichneten eine etwas geringere Drop-out Quote als andere

Cipriani et al.: Comperative efficacy and acceptability of 21 antidepressant
drugs for the acute treatment of adults with major depressive disorder: a
systematic review and network meta-analysis.
www.thelancet.com Vol 391 April 7, 2018

20.03.2019                                                                     13
Wirksamkeit
                             Psychopharmaka

Empfehlungen zur Einsatz von AD bei Depressionen

o Mit zunehmendem Schweregrad empfohlen.
o Für leichte depressive Symptome ist eine Placebo übersteigende
  Wirkung nicht nachgewiesen!

o    Rush AJ, Trivedi MH, Wisniewskis SR, et al: Acute and long-term outcomes in depressed
     outpatients requiring one or several treatment steps: a STAR* D report. Am J Psychiatry 2006;
     163(11), 1905-1917

o    Kirsch I, Deacon BJ, Huedo-Medina TB, et al: Initial severity and antidepressant benefits: a
     meta-analysis of data submitted to the Food and Drug Administration, PLoS medicine 2008,
     5(2) e45

o    Fournier JC, DeRubeis RJ, Hollen SD, et al: Antidepressant drug effects and depression
     severity: a patient-level meta-analysis. Jama 2010, 303 (1), 47-53

o    Khan A, Sabel MS, Nees A, et al: Efficacy of antidepressants and benzodiazepines in minor
     depression: systematic review ant meta-analysis. Br J Psychiatry 2011, 198(1), 11-6

20.03.2019                                                                                       14
Wirksamkeit
                       Psychopharmaka

Komorbidität Alkoholbezogene Störung und Depression
o „Antidepressiva sollen Patienten bei Vorliegen einer mittelschweren bis
  schweren Depression und alkoholbezogenen Störungen zur Besserung
  der depressiven Symptomatik angeboten werden“ LoE: 1a, Konsens:
  88,9%

o „Die Kombination von kognitiver Verhaltenstherapie mit einem
  Antidepressivum sollte bei Behandlung komorbider alkoholbezogener
  Störungen und (bei Vorliegen einer mittelschweren bis schweren)
  Depression angeboten werden.“ LoE: 1b, Konsens: 92.3%

   DGPPN & DG-Sucht: Deutsche S-3 Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung
                       alkoholbezogener Störungen, 2016

20.03.2019                                                                    15
Wirksamkeit
                   Psychopharmaka

Bipolar affektive Störung und Manie
o Akutbehandlung schwerer depressiver Symptome: wie bei
   unipolaren Depressionen
o Akutbehandlung Manie mit Neuroleptika und Lithium
o Phasenprophylaxe mit Lithium, einigen Atypika, einigen
   Antikonvulsiva. Lithium wirkt am stärksten und seine Wirkung ist
   am besten nachgewiesen

20.03.2019                                                       16
Wirksamkeit
                       Psychopharmaka

Angststörungen:
Wirksamkeit nachgewiesen:
o   SSRI (Panikstörung, Gen. Angststörung, Soz. Phobie)
o   SNRI (Panikstörung, Gen. Angststörung, Soz. Phobie)
o   Trizykl. AD (Panikstörung, Gen. Angststörung)
o   BZD (aber Abhängigkeitsentwicklung, deswegen nicht
    empfohlen)
Wirksamkeit bedingt nachgewiesen:
o Pregabalin (Gen. Angststörung)

DGPM: S3-Leitlinie Behandlung von Angststörungen, 2014

20.03.2019                                                17
Wirksamkeit
                  Psychopharmaka

Panikstörung/Agoraphobie
o Empfohlen wird eine Kombinationsbehandlung von Psycho- und
  Pharmakotherapie

Generalsierte Angststörung
o Keine Evidenz für die Überlegenheit von Pharmako-, Psycho-
  oder Kombinationsbehandlung

Soziale Phobie
o Keine evidenzbasierte Aussage möglich

20.03.2019                                                     18
Wirksamkeit
                          Psychopharmaka

Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ

o Kein Psychopharmakon für diese Indikation zugelassen

o 1 RCT für die Wirksamkeit für Amitriptylin (Soloff PA, George A,
     Nathan S, et al: Amitriptyline versus haloperidol in borderlines: final outcomes
     and predictors of response. J Clin Psychopharmacol; 1989; 9(4) 239-246)

o Geringe Effekte wurden für Olanzapin (atyp. Nl) nachgewiesen,
  aber auch erhöhte Suizidalität (Lieb K, Völlen B, Rücker G, et al:
     Pharmacotherapiy for borderline personality disoerder: Cochrane systematic
     review of randomised trilas. Br J Psychiatry 2010;196(1), 4-12

20.03.2019                                                                              19
Gliederung

o Vorwort
o Psychopharmaka: historischer Abriss
o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung
o Steuerung und Veränderung von Kognitionen,
  Affekten, des Antriebs und der Wahrnehmung als
  wesentliche Motive des (süchtigen)
  Substanzgebrauchs
o Angemessen oder dysfunktional?
o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in
  der Behandlung Suchtkranker

20.03.2019                                                       20
Steuerung und Veränderung von
                    Kognitionen, Affekten, des Antriebs und
                    der Wahrnehmung

Motive zum Gebrauch psychotroper Substanzen
o Beseitigung von negativen Gefühlen
o Erzeugung positiver Gefühle
o Beseitigung von Anhedonie (sich nicht freuen können)
o Erhöhung des Lustempfindens
o Dämpfung von Kognitionen
o Erhöhung der Luzidität
o Erhöhung der Wachheit, Ausdauer und Unterdrückung des Schlafs
o Erhöhung der Leistungsfähigkeit
o Wahrnehmungs- und „Bewusstseins“-Veränderungen

Hierzu können nicht nur legale (z.B. auch Coffein) und illegalisierte
Substanzen eingesetzt werden sondern auch Psychopharmaka!
Außerhalb des Neuroenhancements („Gehirn-Doping“) werden vor
allem Antidepressiva und Sedativa/Hypnotika dysfunktional
eingesetzt, von Patienten wie von Ärzten!
20.03.2019                                                         21
Gliederung

o    Vorwort
o    Psychopharmaka: historischer Abriss
o    Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung
o    Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs
     und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen)
     Substanzgebrauchs
o Angemessen oder dysfunktional?
o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in
  der Behandlung Suchtkranker

20.03.2019                                                               22
Angemessen
                          oder dysfunktional?
Antidepressiva
                                                                        Gordonseipold.com

o Die Verordnungen von AD sind in Deutschland in den letzten 10 Jahren
  um 80% gestiegen: (Lohse MJ, Müller-Oerlinghausen B: Psychopharmaka. In:
     Arzneiverordnungs-Report. Heidelberg Springer 2017 681-708 et al)
o Die DDD (defined daily dosis) von AD sind seit 1990 knapp 9-fach
  gestiegen (Fritze, J Verordnung von Neuro-Psychopharmaka. Anmerkungen
     zum Arzneiverordnuingsreport 2018 PPPT 2019 26(1) 39-41)
o In Europa nehmen 10 % aller Menschen im mittleren Lebensalter AD,
  Frauen häufiger als Männer (Blanchflower DG & Oswald AJ Antidepressants
     and Age. IZA DP No. 5785 2011)
o Etwa die Hälfte der Patient/Innen der Altersgruppe 30 bis 60 Jahre der
  Fachklinik Fredeburg kommt mit einer AD-Medikation in die Klinik
     (Schneider et. al. ermittelten in einer deutsche Multicenterstudie bei 556
     Alkoholabhängigen 24,3% mit einer komorbiden affektiven Störung (2001).

20.03.2019                                                                                  23
Angemessen
                         oder dysfunktional?

 o Nur ein Bruchteil gibt auf Befragung an, über den Nutzen, die
   Einnahmedauer oder wichtige NW aufgeklärt worden zu sein. Besonders
   selten erscheint dies bei hausärztlicher Verordnung zu sein.
 o Mindestens ein Drittel erhält mindestens zwei AD, oft noch kombiniert
   mit einem Neuroleptikum.
 o Aus einer niederländischen Untersuchung zur Kurz- und
   Langzeitverordnung von AD: Immer mehr Patient/Innen mit
   Depressionen und Angststörungen werden langfristig mit AD behandelt.
   Unabhängige Risikofaktoren sind dabei v.a. höheres Alter und eine
   eingangs gesicherte Diagnose (Huijbregts KM, Hoogendoorn AW, Slottje P et
      al. Long_term and Short-Term Antidepressant Use in General Practice: Data from
      a Large Cohort in the Netherlands. Psychother Psychosom 2017, 86, 362-369)

20.03.2019                                                                       24
Einschätzung zu Antidepressiva
o Zu häufig eingesetzt
o Zu früh eingesetzt
o Gender-Gap: Bei Frauen zu häufig, bei (älteren) Männern zu selten?
o Kaum Besprechung der Behandlungsziele
o Kaum Aufklärung über die Dauer der Behandlung
o Polypharmazie
o Kaum Aufklärung über Langzeitnebenwirkungen (z.B. metabolische
  Risiken) und die Möglichkeit paradoxer Wirkungen wie z.B.
  Schlafstörungen und das Risiko von Unverträglichkeit bei gleichzeitiger
  Einnahme wie Migränemittel oder gewissen Schmerzmitteln sowie
  Blutverdünnern)
o Weiterverordnung trotz ausbleibender Symptomreduktion
o NW auf die Selbstwirksamkeitsüberzeugung Selbstunsicherer werden
  nicht in Betracht gezogen
o Verharmlosung von Gewöhnungseffekten
20.03.2019                                                              25
Machen Antidepressiva, besonders SSRI wirklich nicht abhängig?
o Gewöhnungseffekte
o „Absetzphänome“ (wieso eigentlich nicht „Entzugssymptome“?)
o Keine Dosissteigerung
o Psychiatrischer Mainstream: Keine Abhängigkeit
o Aber: einige sehr ernst zu nehmende Veröffentlichungen, die zu
  anderen Schlüssen kommen:
o    Fava GA, Offidani E: The mechanism of tolerance in antidepressant action. Progress in
     Neuro-Psychiatry 2011; 35, 1593-1602
o    Fava GA et al: Withdrawal symptoms after selective serotonin reuptake inhibitor
     discontinuation: A systematic revierw. Psychother Psychosom 2015; 84, 72-81
o    Nielsen M, Hansen EH, Gøtzsche PC: What is the difference between dependence and
     withdrawal reaction? A comparison of benzodiazepines and selective serotonin re-uptake
     inhibitors. Addiction 2012; 107(5), 900-903
o    Gøtzsche PC: Why I think antidperessants cause more harm than good. Lancet Psychiatry
     2014 ;104 (1), 6-13

20.03.2019                                                                                    26
Medizinjournalistin.blogspot.com
Antidepressiva
o Bei Nichtansprechen:
  - Dosiserhöhung
  - Bestimmung der Serumkonzentration, therapeutisches Drug
    Monitoring (genetisch bedingte unterschiedliche Abbaugeschwindig-
    keiten
o Beeinflussung durch andere Medikamente (Cytochrom P 450 u.a.)
o Augmentation
  - Lithium
  - atypisches Neuroleptikum
o Wechsel auf anderes AD
o Kombination mit einem zweiten Antidepressivum

20.03.2019                                                                          27
Angemessen
                       oder dysfunktional?

Antipsychotika/Neuroleptika
o Das am häufigsten verordnete Antipsychotikum, ist Quetiapin (Fritze J
     Verordnung von Neuro-Psychopharmaka. Anmerlungen zum
     Arzneiverordnungsreport 2018. PPPT 2019; 26(1) 681-708
o Aber weshalb? Wegen hoher Effektivität, guter Verträglichkeit oder
  anderer Faktoren?
o Zugelassen ist Quetiapin zur Behandlung
  - Schizophrenie
  - manische Episode (mäßig bis schwer) bei bip. affekt. Stör.
  - schwere depressive Episode bei bip. affektiven Stör.
  - Prävention vor Rückfällen bei bip. affekt. Stör., wenn es akut
    geholfen hat.
o Auf wie viele unserer Patient/innen treffen diese Indikationskriterien zu?
o Am häufigsten erfolgt der Einsatz „off-label“. Hierüber erfolgt in der
  Regel keine Aufklärung!

20.03.2019                                                                28
Seroquel „Faktencheck“
o Relativ hohes Risiko der Rehospitalisierung Schizophrener

o Quetiapin gehört zu den Substanzen mit der höchsten
  Rehospitalisierungsquote! (Tiihonen et al: Real-World effectiveness of
     antipsychotic treatments in a nationwide cohort of 29,823 patients with
     schizophrenia. (Tiihonen et al. 2017, JAMA):

o Die Effizienz gehört mit Effektstärken von 0,33 bis 0,44 zu den
  niedrigsten aller Antipsychotika (zum Vergleich: Effektstärke von
  Amisulpirid 0,66) (Leucht S, Cipriani A, Spinelli L et al: Comperative efficacy
     and tolerability of 15 antipsychotic drugs in schizophrenia: a multiple-treatments
     meta-analysis. Lancet 2013 9(14) 951-962)

20.03.2019                                                                          29
Gliederung

o Vorwort
o Psychopharmaka: historischer Abriss
o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung
o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs
  und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen)
  Substanzgebrauchs
o Angemessen oder dysfunktional?
o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von
  Psychopharmaka in der Behandlung Suchtkranker

20.03.2019                                                            30
Zum angemessenen Einsatz von
                  Psychopharmaka bei
                     Suchtkranken

                  Quelle: de.toonpool.com

20.03.2019                                  31
40-something.de

Einbau psychopharmakologischer Behandlung in die
Entwöhnungsbehandlung
o Im Rahmen einer multimodalen interdisziplinären Behandlung ist die
  Vergabe von Psychopharmaka keine „rein ärztliche“ Angelegenheit
  - Einzel- und Gruppen-, Ergo- und Sporttherapeut/innen sowie
    Ernährungsberater/innen müssen informiert sein und Rückmeldungen
    an den Arzt geben können.
o Einstellung, Wirkungserwartung, Zuversicht bezüglich eigener
  Änderungspotenziale seitens des Patienten sind im therapeutischen
  Prozess zu beachten
o Klare Zieldefinition: Symptomdämpfung? Verbesserung der
  Behandlungsfähigkeit? Prophylaxe?
o Nutzung von Placebo-Effekten auch bei der Verum-Verordnung

20.03.2019                                                           32
Mittel zur Abstinenzförderung und/oder Konsummengenreduktion
o Wirkung nur bescheiden. Im Public Health Ansatz stark überschätzt
o Nebenwirkung Motivationsabbau (auch bei Patienten, die die Substanz
  gar nicht einnehmen)
o Präzise Adressierung und Aufklärung erforderlich
o Die (moderate) Wirkung ist bislang nur für einen kurzen Zeitraum nach
  Entzugsbehandlung belegt. Eine Indikation für den Einsatz während
  einer mehrwöchigen Entwöhnungsbehandlung besteht nicht.
o Der Einsatz bei Patienten mit schlechter Prognose kann geprüft werden
o Der Einsatz von Neuroleptika, Antidepressiva, Antikonvulsiva und
  Lithium zur Konsummengenreduktion oder Abstinenzförderung ist
  obsolet.

20.03.2019                                                            33
Mittel zur Entzugsbehandlung
o Bei Auftreten körperlicher Entzugssyndrome unbedingt erforderlich
o Die Nichtbehandlung von Entzugssymptomen kann den Patienten nicht
  nur gefährden sondern auch die Abhängigkeit verstärken
o Die Annahme, ein Suchtkranker müsse zur Erhöhung seiner
  Änderungsmotivation Entzugssymptome spüren, ist überholt

20.03.2019                                                        34
Psychopharmaka in der Behandlung Suchtkranker mit komorbiden
Störungen
o Handelt es sich um substanz- oder entzugsbezogene Symptome oder
  liegt eine eigenständige komorbide psychische Störung vor?
o Falls Entzugssymptome mit Psychopharmaka behandelt werden, muss
  hierüber und über die zu erwartende Einnahmedauer aufgeklärt werden
o Welchen Effekt soll eine Verordnung von SSRI bei
  Amphetaminhochdosiskonsumenten in der Entzugsphase haben?
o Die Behandlung einer leichten depressiven Symptomatik birgt mehr
  Risiken als Nutzen!
o Die medikamentöse Nichtbehandlung einer schweren depressiven
  Symptomatik ist riskanter als die Behandlung mit AD.

20.03.2019                                                          35
Medikation zur Behandlung des ADHS
o Nur bei „gesicherter“ Diagnose nach mehrwöchiger
  Substanzabstinenz
o Symptome sistieren trotz Abstinenz und sind anders nicht
  plausibel erklär-/verstehbar
o Keine Behandlung bei nur leichter Symptomatik
o Mittel der Wahl ist Atomoxetin
o Amphetamine und Phenydate bei Unwirksamkeit von Atomoxetin
o Retardierte Formen, die weniger attraktiv für den illegalen
  Drogenmarkt sind.
o Keine Verordnung an Patienten, die ADHS-Mittel missbraucht
  oder mit ihnen gedealt haben
o Guanfacin, ein Abkömmling des Clonidin? Bislang keine
  Zulassung zur Behandlung des adulten ADHS

20.03.2019                                                 36
Einbau psychopharmakologischer Behandlung in die
Entwöhnungsbehandlung

o Auslassversuch?
o Dauer?
o Wie viel Steuerung soll der Patient haben?
o Jegliche Behandlung, auch psychopharmakologische, geht nur
  gemeinsam mit dem Patienten
o Aber nicht nur der Patient kann die Einnahme ablehnen, der Arzt auch
  die Verordnung!
o Entlassmanagement
o Perspektive
  - wie lange noch?
  - Ausschleichen oder Absetzen unter welchen Bedingungen

20.03.2019                                                               37
Welche Einstellung sollte ein
                  Suchtkranker zu Psychopharmaka
                  haben?
o Psychopharmaka lösen keine Probleme
o Psychopharmaka ändern nicht die Umstände, in denen ich lebe
o Wenn ich psychisch so leide, dass ich meine Probleme kaum
  angehen kann, können Psychopharmaka mir helfen, mich
  handlungs- und änderungsfähiger zu machen.
o Aber: Keine Selbstmedikation!
o Möglichst keine „Bedarfsmedikation“
o Wirkung und Nebenwirkung beobachten und meinem Arzt
  mitteilen
o Keine kontinuierliche Einnahmedauer von Antidepressiva über 2
  Jahre

20.03.2019                                                    38
Herzlichen Dank
    Für Ihre
Aufmerksamkeit
                Kontakt:
         Dr. med. Dieter Geyer
   Johannesbad Fachklinik Fredeburg
         Zu den drei Buchen 1
         57934 Schmallenberg
             02974/72-3722
    dieter.geyer@johannesbad.com

          Dr. med. Dieter Geyer
Sie können auch lesen