Dysfunktionaler Pharmakagebrauch bei Suchtkranken - Bundesverband der stationären Suchtkrankenhilfe e.V 105. Wissenschaftliche Jahrestagung ...
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Dysfunktionaler Pharmakagebrauch bei Suchtkranken Bundesverband der stationären Suchtkrankenhilfe e.V 105. Wissenschaftliche Jahrestagung Wunsch- und Wahlrecht für alle! Und alles? 20.-21.03.2019 in Berlin Dr. med. Dieter Geyer 20.03.2019
Interessenkonflikte o In den letzten fünf Jahren keine Zuwendungen von Arzneimittelherstellern o Kein Besitz von Pharmaindustrie-Aktien o Interesse am wirtschaftlichen Wohlergehen der als Chefarzt geleiteten Suchtkliniken 20.03.2019 2
Gliederung o Vorwort o Psychopharmaka: historischer Abriss Quelle: vistano.com o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen) Substanzgebrauchs o Angemessen oder dysfunktional? o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in der Behandlung Suchtkranker 20.03.2019 3
Gliederung o Vorwort o Psychopharmaka: historischer Abriss o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen) Substanzgebrauchs o Angemessen oder dysfunktional? o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in der Behandlung Suchtkranker 20.03.2019 4
Vorwort, Beschränkungen, Perspektive des Referenten o Langjährige psychiatrische, psychotherapeutische und suchtmedizinisch/suchttherapeutische Tätigkeit o Bevorzugung eines hermeneutischen Zugangs vor einem rein deskriptiven, wie er derzeit führend ist o Kein Anspruch auf Kenntnis aller aktueller Pharmastudien o Wirkung, Effektstärke, Nebenwirkungen einzelner Substanzen stehen nur bedingt im Fokus dieses Beitrags o Psychopharmaka werden bei Suchtkranken (und nicht nur bei Ihnen) oft nicht angemessen eingesetzt o Die Verordnung von Psychopharmaka als Bestandteil einer multimodalen interdisziplinären Behandlung muss interdisziplinär, also vom ganzen Behandlungsteam getragen werden 20.03.2019 5
Gliederung o Vorwort o Psychopharmaka: historischer Abriss o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen) Substanzgebrauchs o Angemessen oder dysfunktional? o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in der Behandlung Suchtkranker 20.03.2019 6
Swr.de Kleiner historischer Abriss 1 o Vor 1945: Verschiedene Medikamente/Substanzen werden zur Beeinflussung psychischer Störungen eingesetzt (z.B. Opiate, Insulin, Bromderivate u.a.) o 1949 Lithium, antimanische Wirkung (1967: Phasenprophylaxe) o 1952 Chlorpromazin, antipsychotische Wirkung (Phenothiazin, nach der Entwicklung weiterer „Neuroleptika“ wurde deren antipsychotische Wirkung im Vergleich zu Chlorpromazin angegeben o 1957 Imipramin, antidepressive Wirkung (Trizyklikum) 20.03.2019 7
Kleiner historischer Abriss 2 o 1958 Haloperidol, antipsychotische Wirkung (Butyrophenon) o 1958 Iproniazid, erster (irreversibler) MAO-Hemmer o 1960 Chlordiazepoxid, erstes Benzodiazepin auf dem Markt o 1972 Clozapin, erstes „atypisches“ Neuroleptikum) o 1987 Fluoxetin, erster zugelassener SSRI o 1990 Moclobemid (reversibler) MAO-Hemmer o 1991 Zolpidem, Non-Benzodiazepin Hypnotikum 20.03.2019 8
(Weiter)-Entwicklungen o Zahlreiche weitere Präparate auf dem Mark o Depot- und Retard-Formulierungen (Neuroleptika, Antidepressiva) o Selektive Serotonin-Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (SSNRI) o Agomelatin (Melatoninrezeptor-Agonist) o Phythotherapie Grundsätzlich aber seit Jahren keine die Behandlung wesentlich verbessernde Neuentwicklung 20.03.2019 9
Gliederung o Vorwort o Psychopharmaka: historischer Abriss o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen) Substanzgebrauchs o Angemessen oder dysfunktional? o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in der Behandlung Suchtkranker 20.03.2019 10
Wirksamkeit Psychopharmaka Schizophrene Psychosen Wirksamkeit bei Erstmanifestation und Wiederauftreten nachgewiesen o Behandlung mit Antipsychotika - möglichst frühzeitig - möglichst niedrig dosiert - wegen geringeren Nebenwirkungen werden Atypika bevorzugt Wirksamkeit zur Symptomunterdrückung und Rezidivprophylaxe nachgewiesen o Atypika bevorzugt o Depot-Präparate bevorzugt DGPPN: S3-Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie Bd 1: Schizophrenie 2006, 43-109 20.03.2019 11
Wirksamkeit Psychopharmaka Komorbidität Schizophrenie und Substanzbezogene Störung o Integrierte Behandlung o Leitliniengerechte medikamentöse Behandlung z.B.: Moore E, Mancuso SG, Slade T, et al: The impact of alcohol and illicit drugs on people with psychosis: the second Australien national survey on psychosis. Aus NZ J Psychiatry 2012; 46: 864-878 20.03.2019 12
Wirksamkeit Psychopharmaka Antidepressiva: Wirken sie überhaupt? o 522 Doppel-Blind Studien mit insgesamt 116.477 erwachsenen Patient/Innen mit „major depression“ o Alle untersuchten AD waren effektiver als Placebo, die Effektgrößen waren allerdings bescheiden o Einige waren etwas wirksamer als andere o Einige verzeichneten eine etwas geringere Drop-out Quote als andere Cipriani et al.: Comperative efficacy and acceptability of 21 antidepressant drugs for the acute treatment of adults with major depressive disorder: a systematic review and network meta-analysis. www.thelancet.com Vol 391 April 7, 2018 20.03.2019 13
Wirksamkeit Psychopharmaka Empfehlungen zur Einsatz von AD bei Depressionen o Mit zunehmendem Schweregrad empfohlen. o Für leichte depressive Symptome ist eine Placebo übersteigende Wirkung nicht nachgewiesen! o Rush AJ, Trivedi MH, Wisniewskis SR, et al: Acute and long-term outcomes in depressed outpatients requiring one or several treatment steps: a STAR* D report. Am J Psychiatry 2006; 163(11), 1905-1917 o Kirsch I, Deacon BJ, Huedo-Medina TB, et al: Initial severity and antidepressant benefits: a meta-analysis of data submitted to the Food and Drug Administration, PLoS medicine 2008, 5(2) e45 o Fournier JC, DeRubeis RJ, Hollen SD, et al: Antidepressant drug effects and depression severity: a patient-level meta-analysis. Jama 2010, 303 (1), 47-53 o Khan A, Sabel MS, Nees A, et al: Efficacy of antidepressants and benzodiazepines in minor depression: systematic review ant meta-analysis. Br J Psychiatry 2011, 198(1), 11-6 20.03.2019 14
Wirksamkeit Psychopharmaka Komorbidität Alkoholbezogene Störung und Depression o „Antidepressiva sollen Patienten bei Vorliegen einer mittelschweren bis schweren Depression und alkoholbezogenen Störungen zur Besserung der depressiven Symptomatik angeboten werden“ LoE: 1a, Konsens: 88,9% o „Die Kombination von kognitiver Verhaltenstherapie mit einem Antidepressivum sollte bei Behandlung komorbider alkoholbezogener Störungen und (bei Vorliegen einer mittelschweren bis schweren) Depression angeboten werden.“ LoE: 1b, Konsens: 92.3% DGPPN & DG-Sucht: Deutsche S-3 Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen, 2016 20.03.2019 15
Wirksamkeit Psychopharmaka Bipolar affektive Störung und Manie o Akutbehandlung schwerer depressiver Symptome: wie bei unipolaren Depressionen o Akutbehandlung Manie mit Neuroleptika und Lithium o Phasenprophylaxe mit Lithium, einigen Atypika, einigen Antikonvulsiva. Lithium wirkt am stärksten und seine Wirkung ist am besten nachgewiesen 20.03.2019 16
Wirksamkeit Psychopharmaka Angststörungen: Wirksamkeit nachgewiesen: o SSRI (Panikstörung, Gen. Angststörung, Soz. Phobie) o SNRI (Panikstörung, Gen. Angststörung, Soz. Phobie) o Trizykl. AD (Panikstörung, Gen. Angststörung) o BZD (aber Abhängigkeitsentwicklung, deswegen nicht empfohlen) Wirksamkeit bedingt nachgewiesen: o Pregabalin (Gen. Angststörung) DGPM: S3-Leitlinie Behandlung von Angststörungen, 2014 20.03.2019 17
Wirksamkeit Psychopharmaka Panikstörung/Agoraphobie o Empfohlen wird eine Kombinationsbehandlung von Psycho- und Pharmakotherapie Generalsierte Angststörung o Keine Evidenz für die Überlegenheit von Pharmako-, Psycho- oder Kombinationsbehandlung Soziale Phobie o Keine evidenzbasierte Aussage möglich 20.03.2019 18
Wirksamkeit Psychopharmaka Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ o Kein Psychopharmakon für diese Indikation zugelassen o 1 RCT für die Wirksamkeit für Amitriptylin (Soloff PA, George A, Nathan S, et al: Amitriptyline versus haloperidol in borderlines: final outcomes and predictors of response. J Clin Psychopharmacol; 1989; 9(4) 239-246) o Geringe Effekte wurden für Olanzapin (atyp. Nl) nachgewiesen, aber auch erhöhte Suizidalität (Lieb K, Völlen B, Rücker G, et al: Pharmacotherapiy for borderline personality disoerder: Cochrane systematic review of randomised trilas. Br J Psychiatry 2010;196(1), 4-12 20.03.2019 19
Gliederung o Vorwort o Psychopharmaka: historischer Abriss o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen) Substanzgebrauchs o Angemessen oder dysfunktional? o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in der Behandlung Suchtkranker 20.03.2019 20
Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs und der Wahrnehmung Motive zum Gebrauch psychotroper Substanzen o Beseitigung von negativen Gefühlen o Erzeugung positiver Gefühle o Beseitigung von Anhedonie (sich nicht freuen können) o Erhöhung des Lustempfindens o Dämpfung von Kognitionen o Erhöhung der Luzidität o Erhöhung der Wachheit, Ausdauer und Unterdrückung des Schlafs o Erhöhung der Leistungsfähigkeit o Wahrnehmungs- und „Bewusstseins“-Veränderungen Hierzu können nicht nur legale (z.B. auch Coffein) und illegalisierte Substanzen eingesetzt werden sondern auch Psychopharmaka! Außerhalb des Neuroenhancements („Gehirn-Doping“) werden vor allem Antidepressiva und Sedativa/Hypnotika dysfunktional eingesetzt, von Patienten wie von Ärzten! 20.03.2019 21
Gliederung o Vorwort o Psychopharmaka: historischer Abriss o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen) Substanzgebrauchs o Angemessen oder dysfunktional? o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in der Behandlung Suchtkranker 20.03.2019 22
Angemessen oder dysfunktional? Antidepressiva Gordonseipold.com o Die Verordnungen von AD sind in Deutschland in den letzten 10 Jahren um 80% gestiegen: (Lohse MJ, Müller-Oerlinghausen B: Psychopharmaka. In: Arzneiverordnungs-Report. Heidelberg Springer 2017 681-708 et al) o Die DDD (defined daily dosis) von AD sind seit 1990 knapp 9-fach gestiegen (Fritze, J Verordnung von Neuro-Psychopharmaka. Anmerkungen zum Arzneiverordnuingsreport 2018 PPPT 2019 26(1) 39-41) o In Europa nehmen 10 % aller Menschen im mittleren Lebensalter AD, Frauen häufiger als Männer (Blanchflower DG & Oswald AJ Antidepressants and Age. IZA DP No. 5785 2011) o Etwa die Hälfte der Patient/Innen der Altersgruppe 30 bis 60 Jahre der Fachklinik Fredeburg kommt mit einer AD-Medikation in die Klinik (Schneider et. al. ermittelten in einer deutsche Multicenterstudie bei 556 Alkoholabhängigen 24,3% mit einer komorbiden affektiven Störung (2001). 20.03.2019 23
Angemessen oder dysfunktional? o Nur ein Bruchteil gibt auf Befragung an, über den Nutzen, die Einnahmedauer oder wichtige NW aufgeklärt worden zu sein. Besonders selten erscheint dies bei hausärztlicher Verordnung zu sein. o Mindestens ein Drittel erhält mindestens zwei AD, oft noch kombiniert mit einem Neuroleptikum. o Aus einer niederländischen Untersuchung zur Kurz- und Langzeitverordnung von AD: Immer mehr Patient/Innen mit Depressionen und Angststörungen werden langfristig mit AD behandelt. Unabhängige Risikofaktoren sind dabei v.a. höheres Alter und eine eingangs gesicherte Diagnose (Huijbregts KM, Hoogendoorn AW, Slottje P et al. Long_term and Short-Term Antidepressant Use in General Practice: Data from a Large Cohort in the Netherlands. Psychother Psychosom 2017, 86, 362-369) 20.03.2019 24
Einschätzung zu Antidepressiva o Zu häufig eingesetzt o Zu früh eingesetzt o Gender-Gap: Bei Frauen zu häufig, bei (älteren) Männern zu selten? o Kaum Besprechung der Behandlungsziele o Kaum Aufklärung über die Dauer der Behandlung o Polypharmazie o Kaum Aufklärung über Langzeitnebenwirkungen (z.B. metabolische Risiken) und die Möglichkeit paradoxer Wirkungen wie z.B. Schlafstörungen und das Risiko von Unverträglichkeit bei gleichzeitiger Einnahme wie Migränemittel oder gewissen Schmerzmitteln sowie Blutverdünnern) o Weiterverordnung trotz ausbleibender Symptomreduktion o NW auf die Selbstwirksamkeitsüberzeugung Selbstunsicherer werden nicht in Betracht gezogen o Verharmlosung von Gewöhnungseffekten 20.03.2019 25
Machen Antidepressiva, besonders SSRI wirklich nicht abhängig? o Gewöhnungseffekte o „Absetzphänome“ (wieso eigentlich nicht „Entzugssymptome“?) o Keine Dosissteigerung o Psychiatrischer Mainstream: Keine Abhängigkeit o Aber: einige sehr ernst zu nehmende Veröffentlichungen, die zu anderen Schlüssen kommen: o Fava GA, Offidani E: The mechanism of tolerance in antidepressant action. Progress in Neuro-Psychiatry 2011; 35, 1593-1602 o Fava GA et al: Withdrawal symptoms after selective serotonin reuptake inhibitor discontinuation: A systematic revierw. Psychother Psychosom 2015; 84, 72-81 o Nielsen M, Hansen EH, Gøtzsche PC: What is the difference between dependence and withdrawal reaction? A comparison of benzodiazepines and selective serotonin re-uptake inhibitors. Addiction 2012; 107(5), 900-903 o Gøtzsche PC: Why I think antidperessants cause more harm than good. Lancet Psychiatry 2014 ;104 (1), 6-13 20.03.2019 26
Medizinjournalistin.blogspot.com Antidepressiva o Bei Nichtansprechen: - Dosiserhöhung - Bestimmung der Serumkonzentration, therapeutisches Drug Monitoring (genetisch bedingte unterschiedliche Abbaugeschwindig- keiten o Beeinflussung durch andere Medikamente (Cytochrom P 450 u.a.) o Augmentation - Lithium - atypisches Neuroleptikum o Wechsel auf anderes AD o Kombination mit einem zweiten Antidepressivum 20.03.2019 27
Angemessen oder dysfunktional? Antipsychotika/Neuroleptika o Das am häufigsten verordnete Antipsychotikum, ist Quetiapin (Fritze J Verordnung von Neuro-Psychopharmaka. Anmerlungen zum Arzneiverordnungsreport 2018. PPPT 2019; 26(1) 681-708 o Aber weshalb? Wegen hoher Effektivität, guter Verträglichkeit oder anderer Faktoren? o Zugelassen ist Quetiapin zur Behandlung - Schizophrenie - manische Episode (mäßig bis schwer) bei bip. affekt. Stör. - schwere depressive Episode bei bip. affektiven Stör. - Prävention vor Rückfällen bei bip. affekt. Stör., wenn es akut geholfen hat. o Auf wie viele unserer Patient/innen treffen diese Indikationskriterien zu? o Am häufigsten erfolgt der Einsatz „off-label“. Hierüber erfolgt in der Regel keine Aufklärung! 20.03.2019 28
Seroquel „Faktencheck“ o Relativ hohes Risiko der Rehospitalisierung Schizophrener o Quetiapin gehört zu den Substanzen mit der höchsten Rehospitalisierungsquote! (Tiihonen et al: Real-World effectiveness of antipsychotic treatments in a nationwide cohort of 29,823 patients with schizophrenia. (Tiihonen et al. 2017, JAMA): o Die Effizienz gehört mit Effektstärken von 0,33 bis 0,44 zu den niedrigsten aller Antipsychotika (zum Vergleich: Effektstärke von Amisulpirid 0,66) (Leucht S, Cipriani A, Spinelli L et al: Comperative efficacy and tolerability of 15 antipsychotic drugs in schizophrenia: a multiple-treatments meta-analysis. Lancet 2013 9(14) 951-962) 20.03.2019 29
Gliederung o Vorwort o Psychopharmaka: historischer Abriss o Wirksamkeit psychopharmakologischer Behandlung o Steuerung und Veränderung von Kognitionen, Affekten, des Antriebs und der Wahrnehmung als wesentliche Motive des (süchtigen) Substanzgebrauchs o Angemessen oder dysfunktional? o Überlegungen zu einem angemessenen Einsatz von Psychopharmaka in der Behandlung Suchtkranker 20.03.2019 30
Zum angemessenen Einsatz von Psychopharmaka bei Suchtkranken Quelle: de.toonpool.com 20.03.2019 31
40-something.de Einbau psychopharmakologischer Behandlung in die Entwöhnungsbehandlung o Im Rahmen einer multimodalen interdisziplinären Behandlung ist die Vergabe von Psychopharmaka keine „rein ärztliche“ Angelegenheit - Einzel- und Gruppen-, Ergo- und Sporttherapeut/innen sowie Ernährungsberater/innen müssen informiert sein und Rückmeldungen an den Arzt geben können. o Einstellung, Wirkungserwartung, Zuversicht bezüglich eigener Änderungspotenziale seitens des Patienten sind im therapeutischen Prozess zu beachten o Klare Zieldefinition: Symptomdämpfung? Verbesserung der Behandlungsfähigkeit? Prophylaxe? o Nutzung von Placebo-Effekten auch bei der Verum-Verordnung 20.03.2019 32
Mittel zur Abstinenzförderung und/oder Konsummengenreduktion o Wirkung nur bescheiden. Im Public Health Ansatz stark überschätzt o Nebenwirkung Motivationsabbau (auch bei Patienten, die die Substanz gar nicht einnehmen) o Präzise Adressierung und Aufklärung erforderlich o Die (moderate) Wirkung ist bislang nur für einen kurzen Zeitraum nach Entzugsbehandlung belegt. Eine Indikation für den Einsatz während einer mehrwöchigen Entwöhnungsbehandlung besteht nicht. o Der Einsatz bei Patienten mit schlechter Prognose kann geprüft werden o Der Einsatz von Neuroleptika, Antidepressiva, Antikonvulsiva und Lithium zur Konsummengenreduktion oder Abstinenzförderung ist obsolet. 20.03.2019 33
Mittel zur Entzugsbehandlung o Bei Auftreten körperlicher Entzugssyndrome unbedingt erforderlich o Die Nichtbehandlung von Entzugssymptomen kann den Patienten nicht nur gefährden sondern auch die Abhängigkeit verstärken o Die Annahme, ein Suchtkranker müsse zur Erhöhung seiner Änderungsmotivation Entzugssymptome spüren, ist überholt 20.03.2019 34
Psychopharmaka in der Behandlung Suchtkranker mit komorbiden Störungen o Handelt es sich um substanz- oder entzugsbezogene Symptome oder liegt eine eigenständige komorbide psychische Störung vor? o Falls Entzugssymptome mit Psychopharmaka behandelt werden, muss hierüber und über die zu erwartende Einnahmedauer aufgeklärt werden o Welchen Effekt soll eine Verordnung von SSRI bei Amphetaminhochdosiskonsumenten in der Entzugsphase haben? o Die Behandlung einer leichten depressiven Symptomatik birgt mehr Risiken als Nutzen! o Die medikamentöse Nichtbehandlung einer schweren depressiven Symptomatik ist riskanter als die Behandlung mit AD. 20.03.2019 35
Medikation zur Behandlung des ADHS o Nur bei „gesicherter“ Diagnose nach mehrwöchiger Substanzabstinenz o Symptome sistieren trotz Abstinenz und sind anders nicht plausibel erklär-/verstehbar o Keine Behandlung bei nur leichter Symptomatik o Mittel der Wahl ist Atomoxetin o Amphetamine und Phenydate bei Unwirksamkeit von Atomoxetin o Retardierte Formen, die weniger attraktiv für den illegalen Drogenmarkt sind. o Keine Verordnung an Patienten, die ADHS-Mittel missbraucht oder mit ihnen gedealt haben o Guanfacin, ein Abkömmling des Clonidin? Bislang keine Zulassung zur Behandlung des adulten ADHS 20.03.2019 36
Einbau psychopharmakologischer Behandlung in die Entwöhnungsbehandlung o Auslassversuch? o Dauer? o Wie viel Steuerung soll der Patient haben? o Jegliche Behandlung, auch psychopharmakologische, geht nur gemeinsam mit dem Patienten o Aber nicht nur der Patient kann die Einnahme ablehnen, der Arzt auch die Verordnung! o Entlassmanagement o Perspektive - wie lange noch? - Ausschleichen oder Absetzen unter welchen Bedingungen 20.03.2019 37
Welche Einstellung sollte ein Suchtkranker zu Psychopharmaka haben? o Psychopharmaka lösen keine Probleme o Psychopharmaka ändern nicht die Umstände, in denen ich lebe o Wenn ich psychisch so leide, dass ich meine Probleme kaum angehen kann, können Psychopharmaka mir helfen, mich handlungs- und änderungsfähiger zu machen. o Aber: Keine Selbstmedikation! o Möglichst keine „Bedarfsmedikation“ o Wirkung und Nebenwirkung beobachten und meinem Arzt mitteilen o Keine kontinuierliche Einnahmedauer von Antidepressiva über 2 Jahre 20.03.2019 38
Herzlichen Dank Für Ihre Aufmerksamkeit Kontakt: Dr. med. Dieter Geyer Johannesbad Fachklinik Fredeburg Zu den drei Buchen 1 57934 Schmallenberg 02974/72-3722 dieter.geyer@johannesbad.com Dr. med. Dieter Geyer
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