MEMORANDUM HOLZBAU-INITIATIVE POTSDAM Holzbau-Labor vom 22. August 2022 | Dokumentation
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Memorandum zur Holzbau-Initiative Potsdam Inhalt Positionen Mike Schubert S. 4 Bert Nicke S. 5 Dr. Denny Ohnesorge S. 6 Memorandum Einführung – ein Memorandum für den Holzbau S. 8 Präambel S. 10 1. LOSLEGEN S. 11 2. VERNETZEN S. 12 3. VEREINFACHEN S. 14 4. MITGESTALTEN S. 15 5. INTEGRIEREN S. 16 6. VORMACHEN S. 17 7. ERPROBEN S. 18 8. WEITERDENKEN S. 19 Dokumentation Rückblick – das Holzbau-Labor am 22. August 2022 S. 22 Wie können Holzbauprojekte aus Sicht der Politik künftig besser gelingen? S. 24 Wie können Holzbauprojekte aus Sicht der Produktion künftig besser gelingen? S. 26 Wie können Holzbauprojekte aus Sicht der Bauherrnschaft künftig besser gelingen? S. 29 Wie können Holzbauprojekte aus Sicht der Planung künftig besser gelingen? S. 31 Bauen in planetaren Grenzen S. 36 „Es ist unsere Aufgabe, Überzeugungsarbeit zu leisten.“ S. 41 Anhang Projektideen für Potsdam S. 44 Autorenschaft S. 48 Expertenkreis S. 51 Impressum 1
Positionen 22
Positionen
Positionen Mike Schubert Es gibt viel zu tun… © Karoline Wolf Es ist mittlerweile ein halbes Jahrhundert her, dass der oder zum Schutz des Klimas beizutragen – ich möchte „Club of Rome“ die Grenzen des Wachstums erkannt auf politischer Ebene Anstoß dafür geben, Holzbaupro- und zu einem nachhaltigen Wirtschaften, zu einem Den- jekte in Potsdam und Brandenburg zu realisieren. Das ken und Handeln in Kreisläufen aufgerufen hat. Es ist ist allerdings kein Selbstgänger – das wissen wir aus ernüchternd zu sehen, mit welcher Behäbigkeit unsere vielen Beispielprojekten, aus vielen Erfahrungsberich- Gesellschaft sich dieser Aufgabe angenommen hat – ten. obwohl sie es längst besser wusste. Umso wichtiger wird es sein, jetzt auf das Tempo zu drücken und Kräfte Um eine Grundlage dafür zu schaffen, Holzbauprojek- zu mobilisieren. Dabei geht es gewiss nicht nur darum, te künftig einfacher planen und umsetzen zu können, im Bauwesen alles auf die Karte Holz zu setzen, son- haben Expert*innen aus Planung und Bauherrnschaft, dern sich weiterhin offen für die besten Technologien zu aus Produktion und Technik, aus Politik und Verwaltung zeigen und auch im konventionellen Bauen innovative auf meine Einladung gemeinsam dieses Memoran- Wege zu beschreiten. dum für den Holzbau in Potsdam erarbeitet. Ich freue mich, dass sich das Memorandum nicht auf abstrak- Ich bin davon überzeugt, dass die konsequente CO2-Re- te Feststellungen beschränkt, sondern realisierbare duktion im Bauwesen – immerhin liegt in diesem Sektor Projektvorschläge für unsere Stadt zusammenträgt und das größte Einsparpotenzial zur Erreichung der Klima- konkrete Handlungsempfehlungen für alle hier wirken- ziele – auch ästhetisch zu neuen Ausdrucksformen in den Akteur*innen formuliert. Ich verbinde damit die Architektur und Städtebau führen wird. Dabei ist es gut Hoffnung und Erwartung, dass die Holzbau-Initiative und richtig, wenn man den Städten diesen Wandel an- Potsdam eine Perspektive für und auf Potsdam eröffnet, sieht. Weil dieser Wandel für eine Stadt der Baukultur, die die kommenden Generationen in der Rückschau wie Potsdam es ist, eine ganz besondere Herausforde- als gelungenen Paradigmenwechsel unserer Baukultur rung für alle Akteur*innen darstellt und mit Kontroverse wahrnehmen wird! und Stress verbunden ist, ist es notwendig, diesen Dis- kurs offen und proaktiv zu führen. Ich freue mich, dass wir durch die Holzbau-Initiative Potsdam Projekte und Vorhaben zur Stärkung des Holz- baus in Potsdam initiieren können. Dabei geht es nicht Mike Schubert, nur darum, die Schaffung von Wohnraum voranzutreiben Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam 4
Positionen Bert Nicke Wir packen es an… Die Metropolenregion Berlin wächst. Wir haben schon © Karoline Wolf Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Potsdam, jetzt zu wenige Wohnungen in Berlin und im Berliner Mike Schubert, Vertreter*innen der Politik, der Produk- Umland, einschließlich Potsdam. Allein aufgrund der tion von Holzbausystemen, der Bauherrnschaft, der Immigration von ukrainischen Kriegsflüchtlingen, dem Architektenschaft, der Baukonstruktion und -technik notwendigen Zuzug von ausländischen Fachkräften und und der verantwortlichen Genehmigungsbehörden ein- der demografiebedingt stark wachsenden Zahl von Pfle- geladen, einen ganzen Tag im Rahmen eines Workshops gebedürftigen wird der Bedarf an neuem Wohnraum und unterschiedliche Aspekte rund um das Thema Holzbau neuer sozialer Infrastruktur trotz gestiegener Baukosten zu diskutieren, Expertisen auszutauschen und sich und Zinsen weiter zunehmen. Das bedeutet, dass wir in gegenseitig zu inspirieren. Am Ende eines sehr offenen, Potsdam auch künftig Neubau brauchen! interessanten und höchst produktiven Meinungsaus- tauschs entwickelten die Teilnehmenden der Holzbau- Der ProPotsdam GmbH als kommunaler Wohnungsbau- Initiative Potsdam gemeinsam ein Memorandum, um gesellschaft der Landeshauptstadt Potsdam kommt da- über die abstrakte Diskussion hinaus möglichst konkre- bei die wichtige Aufgabe zu, vor allem für einkommens- te Projekte in Potsdam durchaus vorbildhaft für andere schwächere Haushalte Wohnungsangebote zu schaffen. Kommunen anzustoßen und Handlungsempfehlungen Neben dem daraus resultierenden Kostendruck ist es für am Holzbau Beteiligte zu geben. aufgrund des menschgemachten Klimawandels unab- weislich, die mit den Investitionstätigkeiten verbunde- Ich danke allen Mitwirkenden der Holzbau-Initiative nen Umwelt- und Klimabelastungen zu reduzieren, wenn Potsdam für den konstruktiven Austausch im Rahmen möglich auf Null! unseres Workshops. Ich bin überzeugt davon, dass mit dem erarbeiteten Memorandum der Holzbau in Potsdam Das sich verschlechternde Marktumfeld hat die Erfül- neue Impulse bekommt und an Bedeutung und Dynamik lung dieser Aufgabe im Jahr 2022 nicht leichter ge- künftig deutlich gewinnt! macht. Kostenreduziertes Bauen unter Einhaltung von hohen ökologischen Standards bedarf deshalb darauf abgestimmter gesetzlicher Rahmenbedingungen und kreativer Ideen bzw. des Zusammenwirkens aller am Bau Beteiligten. Bert Nicke, Die ProPotsdam GmbH hat deshalb auf Initiative des Geschäftsführer der ProPotsdam GmbH 5
Positionen Dr. Denny Ohnesorge Bauen mit Holz: Ins Handeln kommen! Der Gebäudebereich trägt derzeit mit bis zu 35% zu den ist bereits einen Schritt weiter und mit ihrem ganzheit- Kohlendioxidemissionen bei, weshalb das Bauen nach- lichen Ansatz unter Beteiligung aller Akteur*innen bei- haltiger und klimafreundlicher werden muss. Das Bauen spielgebend für weitere Kommunen in Brandenburg. mit Holz ist einer der großen Hoffnungsträger für eine klimafreundliche Zukunft. Zu Recht: Durch die Substitu- Um eine Bauwende einzuleiten, braucht es Kommunen tion von ressourcen- und energieintensiven Baustoffen und Landkreise, die eine Vorbildfunktion beim nach- durch Holz und die damit einhergehende langfristige haltigen Bauen übernehmen. Vorurteile und Vorbehalte Speicherung von Kohlenstoff werden Holzgebäude gegenüber alternativen und nachhaltigen Bauweisen zu CO2-Senken. Auf mehr als 100 Milliarden Tonnen wie die Holzbauweise halten sich hartnäckig. Hinzu Kohlendioxid schätzt das Potsdam-Institut für Klima- kommen die planerischen Herausforderungen dieser folgenforschung (PIK) in einer aktuellen Studie das Ein- Bauweise, welche mit ihrem hohen Grad an serieller sparpotenzial weltweit durch das Bauen mit Holz. Das Vorfertigung besondere Kompetenzen und eine frühe entspricht etwa 10% des verbleibenden Kohlenstoffbud- Einbeziehung der Bau ausführenden Unternehmen ver- gets, um das 2°C-Klima-Limit einzuhalten. langt. Der anfängliche planerische Mehraufwand zahlt sich am Ende vielfach aus: eine hohe Fertigungsquali- Was global als übergeordnete Zielmarke ausgegeben tät, witterungsunabhängiges Bauen, geringere Bauzei- wird, muss in nationalen und regionalen Vorhaben in ten und damit viel kürzere Störungen der Nachbarschaft erfolgreichen Projekten vor Ort realisiert werden. Denn und des Straßenverkehrs, aber auch die hohen Ener- durch eine Konstruktion aus Holz können gegenüber giestandards sind neben den ökologischen Aspekten einer konventionellen Bauweise mehr als 50 Prozent der weitere Argumente für diese Bauweise. Treibhausgase eingespart werden. Während sich der Anteil der Ein- und Zweifamilienhäu- Brandenburg hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2045 klima- ser in Holzbauweise von gerade einmal 6% zu Beginn neutral zu werden und setzt wie die Hauptstadt Berlin der 1990er Jahre auf mittlerweile 23% mehr als verdrei- dafür auch auf den Holzbau. Beide Landesregierungen facht hat, beginnt die Revolution beim städtischen Woh- verankerten die Absicht zur Förderung des Holzbaus in nungsneubau gerade erst. Der Anteil von Mehrfamilien- den jeweiligen Koalitionsverträgen. Die Brandenburger häusern in Holzbauweise liegt in Brandenburg aktuell Regierung plant dazu eine Holzbauoffensive, um die bei rund 2%. Dabei bietet die Leichtbauweise gerade regionale Wertschöpfung zu steigern und damit mehr auch in der städtischen Nachverdichtung durch die Kohlendioxid zu binden. Die Holzbau-Initiative Potsdam Aufstockung von Bestandsgebäuden viel Potenzial, um 6
Positionen © Angelika Aschenbach so ohne zusätzlichen Flächenverbrauch Wohnraum und attraktive und lebenswerte Quartiere zu schaffen. Die Ressourcenregion Brandenburg verfügt über die Holz- rohstoffe und eine moderne Holzbe- und -verarbeitungs- industrie. Nicht ohne Grund baut die Bauwirtschaft die Kapazitäten derzeit massiv aus, und Ingenieur*innen und Architekt*innen eignen sich fehlende Holzbau- kompetenz an, um auf diese Entwicklung reagieren zu können. Aber es braucht mehr als nur Kapazität und Kompetenz bei den Planer*innen. Für eine erfolgreiche Bauwen- de hin zu mehr nachhaltigem und klimafreundlichem Bauen braucht es eine ganzheitliche Strategie, ein Zu- sammenwirken der gesamten Wertschöpfungskette und eine andere Baukultur. Es kommt nun darauf an, dass Politik, Planer*innen sowie die Wohnungs- und Bauwirt- schaft den begonnenen Dialog fortsetzen und konkrete Projekte in die Umsetzung bringen. Nur so kann die Holzbauweise ihren Beitrag leisten, die ambitionierten Klimaziele der Stadt Potsdam und darüber hinaus zu erreichen. Dr. Denny Ohnesorge, Vorsitzender des Landesbeirats Holz Berlin-Brandenburg e.V. 7
Memorandum Einführung Ein Memorandum für den Holzbau Holz ist aufgrund seiner technischen Eigenschaften ein Um eine Grundlage dafür zu schaffen, Holzbauprojekte hervorragendes Baumaterial: Es ist stabil und tragfähig, künftig einfacher planen und umsetzen zu können, fand leicht und wärmedämmend, darüber hinaus ist es fast am 22. August 2022 in der Orangerie der Biosphäre überall verfügbar. Als nachwachsender Baustoff, der Potsdam das Holzbau-Labor Potsdam statt, zu dem sich problemlos wiederverwerten lässt und zudem lang- Oberbürgermeister Mike Schubert und die ProPots- fristig Kohlendioxid bindet, bietet sich Holz als klima- dam GmbH, stadteigenes Wohnungsunternehmen und schonende Alternative zu Beton an, dessen Verwendung führend in den Bereichen Wohnungsbau, Stadtsanie- zu einem Großteil schädlicher Emissionen im Bausektor rung und -entwicklung, einluden. Um unterschiedliche führt. Trotz seiner vielen Vorteile spielt der Einsatz von Aspekte rund um das Thema Holzbau zu diskutieren, Holz als Baustoff jedoch eine untergeordnete Rolle, da Expertisen auszutauschen und sich gegenseitig zu ins- bereits geplante Projekte häufig an behördlichen Auf- pirieren, kamen hierzu Expert*innen aus Politik, Verwal- lagen zum Brandschutz scheitern. tung, Produktion, Technik, Planung und Bauherrnschaft für einen Werkstatttag zusammen. Das Labor diente der Im Rahmen der Berlin-Brandenburger Holzbauoffensive Formulierung von aktuellen Schwachstellen im Holzbau möchte der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt und der Erarbeitung von Lösungsansätzen. Potsdam Mike Schubert konkrete Projekte und Vorha- ben zur Stärkung des Holzbaus in Potsdam initiieren. Als Ergebnis des Holzbau-Labors liegt dieses Memo- Damit will er nicht nur den Bau von Wohnraum voran- randum vor, das Forderungen an die Politik sowohl auf treiben und mit der Verwendung des nachwachsenden kommunaler als auch auf Bundesebene enthält, damit Rohstoffs zum Schutz des Klimas beitragen, sondern sie die Umsetzung von Holzbauprojekten als Beitrag zur vor allem auch auf politischer Ebene Anstoß geben für Klimawende erleichtert und in die Gesetzgebung integ- künftige Holzbauprojekte in Potsdam und Brandenburg. riert. Zudem zeigt es realisierbare Projektvorschläge auf Die Holzbau-Initiative Potsdam hat somit das Ziel, die und gibt am Holzbau Beteiligten konkrete Handlungs- Motivation zur Errichtung von Gebäuden in Holzbauwei- empfehlungen mit. se zu potenzieren und deren Realisierung hürdenfreier zu gestalten. Darüber hinaus will sie als Plattform und Netzwerk für interessierte Akteur*innen im Holzbau dazu beitragen, den Wissenstransfer zu stärken, Fach- kenntnisse zu bündeln und die Kooperation untereinan- der zu verbessern. 8
Memorandum
PRÄAMBEL Werkstoffe im Blick zu haben. An Planerschaft, Bauherrnschaft, Investorenschaft und Unter- nehmen der Projektentwicklung ergeht der Ap- pell, die Vorteile unterschiedlicher Werkstoffe Memorandum der im Sinne der Nachhaltigkeit zu kombinieren. Lösungsansätze liegen in der integralen Pla- Holzbau-Initiative Potsdam nung sowie im einfachen und robusten Bauen. Dazu muss die Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette gestärkt und der Austausch sowie gegenseitiges Verständ- HOLZBAU ist Zukunft, denn Holzbau ist nach- nis zwischen den Beteiligten untereinander haltig! Aber Holzbau ist auch unsere Geschich- gesteigert werden. te, hat er doch das Bauen über Jahrhunderte geprägt. Leider sind die Erfahrungen und Um den Holzbau zu etablieren, müssen bau- Werte des Holzbaus, gerade im Geschosswoh- ordnungsrechtliche Vorschriften und DIN-Nor- nungsbau, in der Vergangenheit weitgehend men auf deren Vereinfachung hin untersucht verschwunden, vielmehr wird das Thema von und an einfache Bauweisen und Rückbaubar- vielen Bedenken und viel Vorsicht dominiert, keit angepasst werden. Wie in allen Bereichen selbst wenn umfangreiche praktische Er- des Bauens, hat sich auch im Holzbau die fahrungen schon das Gegenteil bewiesen Normung verselbständigt und trägt zu über- haben. Entsprechend sind die gesetzlichen mäßigem Ressourcenverbrauch und höheren Anforderungen und Rahmenbedingungen auf CO2-Emissionen bei. den unterschiedlichen Länderebenen für den Holzbau eher umsetzungs- bzw. anwendungs- Überhöhte Anforderungen an Brandschutz hemmend als fördernd. Um Holzbauprojekte und Bauwerkssicherheit führen zu erhöhtem zukünftig voranzubringen, sind der Austausch Einsatz von Material und Technik und stehen und die Zusammenarbeit von Politik und Praxis so im Spannungsfeld mit dem Schutzziel beim Thema Holzbau von elementarer Bedeu- „Klimaschutz“. Alle Forderungen aus Normung tung, um den Rechts- und Handlungsrahmen und Gesetzen müssen in Zukunft auch auf ihre auf Basis der aktuellen Erkenntnisse anzupas- Umwelteinflüsse geprüft und bewertet wer- sen und damit die vielfältigen Hürden sukzessi- den, um die Klimaziele der Bundesregierung ve abzubauen. erreichbar zu machen. Viele ökonomische Ak- tivitäten sind von ihren Umwelteinflüssen ent- Der Einsatz von Holz beim Bauen besitzt großes koppelt, darüber hinaus werden umweltschäd- Potenzial sowohl für die dringend notwendige liche Systeme und Ressourcenverschwendung Dekarbonisierung des Bausektors und somit durch die Gesetzgebung nicht nur erlaubt, auch für die Erreichung der Klimaziele der Bun- sondern sogar gefördert. desregierung als auch für zukünftige Bauauf- gaben, wie beispielsweise die Nachverdichtung Es gibt also viel zu tun, wenn man den Holz- bei der Innenentwicklung der Städte und An- bau aus seiner Nische herausbewegen will. In und Aufbauten im Bestand. Potsdam wollen wir keine Zeit verlieren und unseren Beitrag zur Veränderung leisten. Der Damit der Holzbau im Sinne des nachhaltigen Wandel beginnt in den Köpfen und Kompe- Bauens erfolgreich durchgeführt wird, sind alle tenzen. Die geringen Spielräume der gültigen Akteur*innen der Bau- und Immobilienbranche rechtlichen Rahmenbedingungen sollen uns gefragt. Die Politik auf Bundes- und Landes- nicht daran hindern, den Holzbau in Potsdam ebene wird dazu aufgerufen, den rechlichen resp. Brandenburg mit der nötigen Wucht vo- Rahmen für die baustoffübergreifende Förde- ranzutreiben. Die Holzbau-Initiative Potsdam rung innovativer Lösungen zu schaffen und nimmt das Thema Holzbau auf die Agenda und die ganze Bandbreite alternativer biobasierter verfolgt dabei einen 8-Punkte-Plan. 10
POTSDAM geht in Sachen Holzbau voran! Pots- dam schickt sich an, die Herausforderungen im Bauwesen zu meistern und seinen Beitrag zur 1. Bauwende zu leisten. Know-how und Gestal- tungswillen, Mut und Überzeugungskraft sind LOSLEGEN zentrale Eigenschaften, die die dafür verant- wortlichen Menschen mitbringen werden. Pots- dam stellt sich auf, um der in der Gesellschaft Potsdam macht den Holzbau weitverbreiteten Absicherungsmentalität etwas entgegenzusetzen, die sich als große Hemm- schwelle für den Holzbau erwiesen hat. zur Chefsache Die ganzheitliche Betrachtung und Bewertung von Bauvorhaben sowie die breite Aufklärung der Gesellschaft über die Notwendigkeit von Task Force Holzbau ressourcenschonendem und ökologischem mit Holzbaukoordinator Bauen braucht Persönlichkeiten, die dazu bei- tragen, Best-Practice-Projekte voranzubringen und die Erfahrungen in den Rechts- und Hand- lungsrahmen zu überführen. Potsdam richtet eine Task Force Holzbau ein, die sowohl eine beratende Funktion innehaben als sich auch um die Entwicklung und Umsetzung konkreter und zielorientierter Entwicklungs- und Hand- lungskonzepte kümmern wird. lösungen auf Basis von Best-Practice-Er- Holzbaukoordinator und Team fahrungen • Die Task Force wird vom Holzbaukoordi- • Nutzung der Holzbau-Initiative als Sogwir- nator geleitet (ggf. eine Person aus dem kung für die Fachkräftesammlung Geschäftsbereich 4, Stadtentwicklung, • Aus- und Weiterbildungsangebote für die Bauen, Wirtschaft und Umwelt der Landes- Verwaltung, den Kommunalen Immobilien- hauptstadt Potsdam) und durch ein Team, service und kommunale Unternehmen bestehend aus zwei bis drei Personen unter- • Forcierung von Konzeptvergaben in öffent- stützt. lichen Ausschreibungen • Begleitung der Reallabore „Schlaatz“ und Ziele und Maßnahmen „Krampnitz“ • Koordination des Kompetenzzentrums Holz- • Evaluierung von weiteren Holzbauprojekten bau Potsdam • Enge Zusammenarbeit mit dem Netzwerk • Projekte der Stadt Potsdam und von privater Landesbeirat Holz Berlin-Brandenburg Investorenschaft koordinieren und Hinder- • Wissenstransfer aus der Praxis in die nisse im Planungsprozess ausräumen Verwaltung und die Stadtverordnetenver- • Entwicklung eines zielorientierten Entwi- sammlung cklungs- und Handlungskonzepts • Abgabe von Handlungsempfehlungen von • Anwendung/Entwicklung eines lokalen/ kommunaler Ebene auf Landes- und Bun- kommunalen Bilanzierungstools für die desebene nachhaltige Wirksamkeit des Holzbaus (auf Basis des Masterplans Klimaschutz) sowie Ort eines darauf aufbauenden einheitlichen • Im Rathaus Potsdam agierend, als Schnitt- Zertifizierungssystems stelle zwischen diversen Projektakteur*in- • Festlegung von Regel-Details und Muster- nen sowie Politik und Verwaltung 11
2. VERNETZEN Potsdam fordert und fördert Wissenstransfer zum nachhaltigen Bauen Kompetenzzentrum Holzbau, Runder Tisch „Nachhaltiges Bauen“, ämterübergreifende Koordinierungsrunde und Weiterbildungsprogramm ENTSCHEIDENDE Voraussetzung einer erfolgrei- Am Runden Tisch der Landeshauptstadt chen Holzbau-Initiative sind die Bündelung des Potsdam „Nachhaltiges Bauen“ , an dem vom Know-hows und der Wissenstransfer unter al- Förster bis zum Modulfabrikanten, von der len Beteiligten. Die Landeshauptstadt Potsdam Industrie- und Handelskammer über die Hand- richtet dazu ein (virtuelles) Kompetenzzentrum werkskammer bis zur freien Innung, von er- Holzbau im Sinne eines Expertennetzwerks fahrenen Architektur- und Ingenieurbüros bis ein und vereinbart mit dem Landesbeirat Holz zur Unteren und Obersten Bauaufsicht sowie Berlin-Brandenburg e.V. eine enge Zusam- der Feuerwehr Vertreter*innen Platz finden, menarbeit, um die Realisierung innovativer, werden auf Augenhöhe Ziele, Leitlinien und ökologisch optimaler und wirtschaftlicher Holz- andere Verabredungen für die Landeshaupt- bauten zu ermöglichen und Mitwirkende für stadt Potsdam formuliert, die für alle bindend die konkrete Umsetzung von Bauvorhaben zu und verlässlich sind. Die gesammelte Exper- finden. Das Kompetenzzentrum dient ferner als tise über Holz, aber auch andere nachhaltige Forum eines schnellen und unbürokratischen Baustoffe wie Flachs, Hanf oder Bambus sind Austausches, um die aktuell noch großen Un- ebenso zu erörtern wie die Technik, die sie sicherheiten seitens der Hersteller, der Ge- verarbeiten kann und die dafür weiterzuent- nehmigungsbehörden oder der Feuerwehr mit wickeln ist. Es geht auch darum, eine Kreis- klugen Lösungen und Antworten abzubauen. laufwirtschaft für Re- und Upcycling nutzbar Alle Beteiligten erhalten über das Kompetenz- zu machen, die dennoch den strengen Mate- zentrum Kenntnis von Ansätzen, die die Risiken rialanforderungen beim öffentlichen Bauen ge- im Holzbau beherrschbar machen (wie z. B. recht wird. Es werden Wissen wie Verständnis die Stoffpreisgleitklausel – einer vertraglichen über und für die technischen Anforderungen Vereinbarung im Falle schwer kalkulierbarer vermittelt, die Holzbauprodukte beispiels- Einkaufspreise der Baustoffe und Materialien. weise hinsichtlich des Brandschutzes, der Nachhaltigkeit oder zu erfüllender Richtwerte bei Raumluftmessungen erfüllen müssen. In Bezug auf Bebauungspläne wird beraten, 12
wie der Holzbau als mögliche Bauart mit seinen Behörden ebenso wie der Investor teilnehmen, entsprechenden Geschosshöhen verankert um frühestmöglich alle bauaufsichtlichen und werden kann und damit leichter wie schneller andere genehmigungsrechtlichen Fragen zu realisierbar ist, nicht zuletzt, weil Holzbau als klären und möglichem Zeitverlust im Projekt- schlankere Bauweise zum flächeneffizienten verlauf entgegenzuwirken. Bauen beiträgt und dabei weniger Versiege- lung nach sich zieht. Im Hinblick auf künftige Kontinuierliche Information und Weiterbildung Ausschreibungen werden am Runden Tisch die werden in enger Kooperation mit den Kam- Vergabekriterien der Landeshauptstadt sowie mern den Wissenstransfer zwischen Herstel- der rechtliche Rahmen zum besseren gegen- lern, Aufsichtsbehörden, Bauherrnschaften seitigen Verständnis erörtert und vermittelt, Ingenieur- und Architekturbüros fördern. damit Leistungsverzeichnisse auf der auftrag- Potsdam strebt gemeinsam mit der Branden- gebenden Seite zielgenauer formuliert werden burgischen Architektenkammer und der Bran- können. denburgischen Ingenieurkammer ein Weiter- bildungsprogramm zum nachhaltigen Bauen Der Runde Tisch fördert die frühzeitige, enge an, an dem sich die Potsdamer Verwaltung und digitale Zusammenarbeit zwischen allen aktiv mit dem Ziel einer fachlichen Zusam- an Planung und Bau Beteiligten – ein Experten- menarbeit auf Augenhöhe in den Projekten Pool mit Leuchtturmcharakter, der zudem den beteiligen wird. Erfahrungsaustausch unter den Kommunen unterstützt. Die Weiterbildung zielt ebenso auf den Kom- petenzzuwachs in den Planungsbüros ab, sie Verknüpft mit dem Runden Tisch wird Potsdam soll auch im Rahmen von Vergabeverfahren bei regelhaft zum Start eines Bauvorhabens durch der Präqualifikation, bei Lösungsvorschlägen den Holzbaukoordinator eine ämterüber- und bei Angeboten der teilnehmenden Büros greifende Koordinierungsrunde einberufen, ihren positiven Niederschlag finden. an der die an der Genehmigung beteiligten 13
3. VEREINFACHEN Potsdam definiert einen einfachen Planungsrahmen für Holz- und Holzbauten im Sinne der Holzbau-Initiative Holzhybridbau Potsdam sind Gebäude: • die in ihrem Tragwerk, Rohbau und Raum- abschluss und im Bereich der Dämmstoffe jenseits der Gründung jeweils mindestens zu 80% aus Holz und nachwachsenden Rohstoffen oder Rezyklaten errichtet wer- EINFACHHEIT und Klarheit sind wesentliche den Parameter nicht nur für die Architektur an sich, • die für ihr Tragwerk und die gesamte Ge- sondern auch für den Umgang mit dem Mate- bäudehülle – also die Kostengruppe 300 rial Holz. In der Einfachheit, Einheitlichkeit und ohne Innenausbau – klimaneutral in der Verlässlichkeit liegt ein wesentlicher Schlüssel Errichtung sind (Ergebnis der LCA Phase A, für eine erfolgreiche Realisierung in signifi- CO2 < 0, Basis E-LCA, Ökobaudat) kantem Umfang. Potsdam schickt sich an, die • die in ihrer Konstruktion einen effizienten Holzbau- bzw. Holzhybridbauquote innerhalb Einsatz von Holz berücksichtigen (Skelett der kommenden Jahre auf 50% zu erhöhen statt Massivholz) und verfolgt überdies das Ziel einer Quote an • die möglichst diffusionsoffene, klima- nachwachsenden Rohstoffen (einschl. Holz) steuernde Bauweisen umsetzen, um den und Kreislaufgerechtigkeit von 90% bis 2050. Einsatz von Lüftungs- und Klimatechnik so In diesem Sinne werden Holz- und Holzhybrid- gering wie möglich zu halten bauten wie folgt definiert: • die sichtbare Konstruktionen bevorzugen und den Einsatz von Gipsbekleidungen reduzieren Holzhybridbauten können eine kostengünsti- ge und resiliente Alternative zu reinen Holz- bauten darstellen, insbesondere dann, wenn hohe Anforderungen an die Flexibilität mehr- stöckiger Gebäude und an zukünftige Umnut- zungsmöglichkeiten gestellt werden. Die dann erforderlichen großen Deckenspannweiten und die flexible Tragstruktur als Skelettbau lassen sich als Holzhybridbau sinnvoll um- setzen. 14
4. MITGESTALTEN Potsdam wirkt aktiv an genehmigungsfähigen Holzbaulösungen mit AUF der inhaltlichen Ebene strebt Potsdam ein Potsdam entwickelt standardisierte Lösungen einheitliches Genehmigungsverfahren für den („Musterbrandschutzkonzepte“) und erstellt Holzbau bei Standard- und Sonderbauten an. eine Liste von genehmigungsfähigen Abwei- Da dieses aber noch nicht vollends eingeführt chungen. Im Sinne eines robusten Bauens ist, wird jetzt umso wichtiger, dass die Potsda- ermöglicht Potsdam ferner in den Gebäude- mer Genehmigungsbehörden als aktive Partner klassen 4 und 5 sichtbare Konstruktionen, um der Holzbauunternehmen konstruktiv an Inno- auf kosten- und ressourcenintensive Gipsbe- vationen in der Produktentwicklung mitwirken, kleidungen verzichten zu können. Ein durch indem gemeinsam an genehmigungsfähigen den Holzbaukoordinator eigens einberufener spezifischen Lösungen gearbeitet und diese „Expertenkreis Brandschutz im Holzbau“ wird abgestimmt werden. die Genehmigungsbehörden ergänzend fach- lich beraten. Potsdam wird seine Erfahrungen Ein Weg können die gemeinsame Entwicklung mit der Obersten Landesbaubehörde teilen von Typenprojekten mit Typenbaugenehmi- und auf die Entwicklung eines praxisnahen gungen sein, z. B. für Aufstockungen des WBS bauordnungsrechtlichen Rahmens hinwirken. 70, die nur bei hoher Wiederholungsanzahl wirtschaftlich werden. 15
5. INTEGRIEREN Potsdam fördert eine spezifische Holzbau- Vergabestrategie liche Vergabeverfahren voneinander getrennt werden. Ziel sollte es sein, den gesamten Planungs- und Abwicklungsprozess zu syn- chronisieren und Know-How Verluste während der Planungs- und Bauphase zu vermeiden, z. B. durch kompetente Planungsteams für eine integrale Planung aus Tragwerk, Kon struktion, Technische Gebäudeausrüstung und Architektur. Potsdam ist sich darüber bewusst, dass aufgrund unterschiedlich ausgeprägter Holzbaukompetenz der Architekturbüros die ausführenden Firmen bereits ab Leistungs- phase 3 eingebunden sein sollten und sich die damit erforderliche Verlagerung von Planungs- DIE Landeshauptstadt Potsdam setzt sich für leistungen in die frühen Leistungsphasen auch eine holzbaugerechte Planungskultur ein und in der Honorierung wiederfinden muss. leistet einen aktiven Beitrag zu einem Para- digmenwechsel in Städtebau und Architektur. Insbesondere bei serieller Vorfertigung in Daran wirkt sie als Bauherrin und Vergabestelle Holzbauweise zieht Potsdam die General- aktiv mit und nutzt ihre Spielräume bei der Aus- unternehmer/-übernehmer-Vergabe (GU-/ schreibung und Vergabe. GÜ-Vergabe) in Erwägung um so noch mehr Planungs-, Kosten- und Terminsicherheit zu er- Bei der Grundstücksvergabe nutzt die Lan- langen. Bei dieser Vergabeart entwickeln Bie- deshauptstadt Potsdam das Instrument der tergemeinschaften aus einem Architekturbüro, Konzeptvergabe und setzt bei der Auswahl der einem Unternehmen der Projektentwicklung Konzepte einen Schwerpunkt auf den Beitrag und einer Holzbaufirma als GU gemeinsam die zum klimagerechten Bauen und auf Nachhaltig- Entwurfsplanung unter Nutzung eines digita- keitskriterien, um private Bauherrnschaften len Planungstools (z. B. Building Information zum Bauen mit Holz oder anderen nachhaltigen Modelling – BIM) und schaffen damit eine sehr Bauweisen zu motivieren. gute Grundlage für die Ausführungsplanung des Projekts, da das Holzbausystem bereits Für den Holzbau ist die Zusammenarbeit von ein wesentlicher Bestandteil der Entwurfs- Architektur, Technischer Ausrüstung und Bau- planung ist. Architekturbüro und Holzbaufirma konstruktion von enormer Bedeutung. Somit greifen damit von Beginn an auf ein abge- sind die Gewerke von der Wettbewerbsphase stimmtes digitales Gebäudemodell zurück, bis zur Ausführungsphase integral miteinander das verlustfrei in die Werkplanung überführt verbunden und sollten nicht durch unterschied- wird. 16
6. VORMACHEN DER Kommunale Immobilien Service (KIS) und die ProPotsdam leisten bereits jetzt mit Potsdam schreitet bei eigenen Vorhaben mit hybriden Bauformen einen Beitrag. Schon die bewusste Auswahl von Materialien mit Blick auf ihren ökologischen Fußabdruck, ihre Robust- heit, ihre technischen Anforderungen und ihre gutem Beispiel voran Nutzungsintensitäten ist nachhaltig. Holz in Kombination mit modularer Bauweise und in serieller Herstellung wirkt zudem material- Kommunaler Immobilien reduzierend, zeitsparend und kosteneffizient. Service (KIS) und ProPotsdam Die beiden Potsdamer Protagonisten schreiten mit gutem Beispiel voran, indem sie nachhaltig bauen und damit den Anspruch der Landes- hauptstadt Potsdam höchst selbst einlösen. Bei öffentlichen Bauten setzt Potsdam ver- stärkt auf Holzbau und überprüft alle laufenden Planungen auf Holzbaufähigkeit und Kreislauf- gerechtigkeit. Der KIS baut nachhaltig Die ProPotsdam baut nachhaltig Der KIS baut zukünftig vorwiegend mit nach- Der Neubau von Wohnungen und die Sanie- haltigen Baustoffen, u. a. mit Holz. Dies gilt für rung sind wichtig für Potsdam. Die ProPots- den Neubau sowie für Bestandssanierungen. dam baut zukünftig vorwiegend mit nachhal- Ab 10 Mio. EUR Investitionssumme wird jedes tigen Baustoffen, u. a. mit Holz. Anhand von Projekt des KIS in einer Nachhaltigkeitsklasse zwei bis drei durchgeführten Projekten wird umgesetzt und z. B. nach den Richtlinien der die Machbarkeit untersucht (Neubau und Auf- Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen stockungen von Bestandsgebäuden WBS70). DGNB e.V. zertifiziert. Sollten die Rahmenbedingungen weitere Projekte nur schwer umsetzbar machen, wird Der Verwaltungscampus wird zum Pilotprojekt dies transparent dargestellt. Überdies werden für den Holzbau sowohl im Neubau als auch in Vorschläge unterbreitet, mit denen die Voraus- der Sanierung. Das Bauhaus der Erde gGmbH setzungen für ein nachhaltiges Bauen geschaf- begleitet das Projekt. fen werden. Die ProPotsdam setzt sich gemeinsam mit der Landeshauptstadt Potsdam beim Land Brandenburg dafür ein, dass die Förderbedin- gungen des sozialen Wohnungsbaus auch den Holzbau und die Verwendung anderer nach- haltiger Baustoffe ermöglichen, auch wenn dadurch Mehrkosten entstehen. 17
7. Das Quartier soll eine Kraft aus städtebau- licher Setzung und qualitativ hochwertigen Projekten erhalten und über mindestens eine ERPROBEN Generation als Vorbild wirken. Die Themen „Kreislaufwirtschaft und Lebenszyklus“, „ein- fach Bauen“ und „nutzungsneutrale Hülle“ sind Grundziele. Eine Kooperation mit der Einfach machen – Bauhaus der Erde gGmbH und eine EU-Förde- der Schlaatz rung als ein Zukunftsprojekt des New Euro- pean Bauhaus könnten ergänzend Wirkung und Krampnitz entfalten. Der Wert des Bodens und die Eigen- tumsverhältnisse werden einbezogen. als Reallabore Die Maßnahmen werden in einem Mix von Akteuren umgesetzt (Kommunen, Genossen- schaften, Baugruppen, Investorenschaften, Bauindustrie). Die Umsetzung erster ausge- wählter Holzbau-Wohnprojekte kann nach § 34 BauGB erfolgen, während parallel ein Be- bauungsplanverfahren die weiteren Projekte VIELE reden vom Holzbau, und große Hoffnun- baurechtlich ermöglicht. gen werden in Bezug auf CO2-Neutralität und Nachhaltigkeit in diese Technologie gesetzt. Reallabor Entwicklungsgebiet Allerorten werden Gebäue in Holz geplant und „Krampnitz“ einzelne Bauten auch schon realisiert. Doch Für das Entwicklungsgebiet „Krampnitz“ wird sind flächenhaft auf Holzbau ausgerichtete bei weiteren Planungen der Holzbau ein- Vorhaben bislang nur vereinzelt anzutreffen. geführt werden. Dies bietet die Möglichkeit, Potsdam macht zwei seiner Stadtquartiere zu die Wirkungen des Holzbaus mit „konventio- Reallaboren des Holzbaus und entfaltet dort nellen“ Planungen am gleichen Standort zu Vorbildwirkung für ähnlich gelagerte Heraus- vergleichen. Die Einführung wird gezielt über forderungen andernorts. Die Reallabore sind Grundstücksausschreibungen forciert, indem kollaborativ und transdisziplinär aufgesetzt die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskri- und werden wissenschaftlich begleitet. Eine terien technologische Aspekte und damit der Förderung durch das Bundesbauministerium, Holzbau und andere nachhaltige Bauweisen z. B. im Rahmen des Programms Zukunft Bau, zu einem wesentlichen Auswahlkriterium der wird angestrebt. Grundstücksvergabe werden. Reallabor Quartier „Am Schlaatz“ Epizentrum Bauwende Ein Pilotprojekt, das vorrangig im Wohnungs- Die Bauhaus der Erde gGmbH realisiert im bau die Typen Neubau, Nachverdichtung, (se- Jahr 2023 auf dem Gelände der Stiftung rielle) Sanierung und Aufstockung abdeckt, soll Waisenhaus ein Informationszentrum, das „Am Schlaatz“ vorbildhaft umgesetzt werden. selbst Prototyp für zukünftiges Bauen wird. Das Projekt erhält zusätzliche Wirksamkeit, Im Sommer 2023 soll ein „Forschungspavil- indem aus dem gewachsenen Quartier die lon“ als öffentliche Ausstellung für Fragen der hochbaulichen Maßnahmen in Holzbauweise Bauwende eröffnet werden – er könnte früher zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten des Pionier und Ort des Diskurses des Potsdamer Baustoffs aufzeigen und indem dem Stadt- Holzbau-Memorandums werden. quartier zugleich behutsam eine neue Schicht zeitgenössischen Bauens hinzugefügt wird. 18
UM den Holzbau zu etablieren, sollen Ver- ordnungen und DIN-Normen auf deren Verein- fachung untersucht und an einfache Bauwei- 8. sen und Rückbaubarkeit angepasst werden. Viele Rahmenbedingungen können nicht auf WEITERDENKEN kommunaler Ebene den Anforderungen für einen zukunftsweisenden Holzbau angepasst werden. Für einen signifikanten Wandel im Potsdam ergreift Initiative Holzbau sind Gesetze, Verordnungen und Normen auf Landes- und Bundesebene anzu- passen. Die Landeshauptstadt Potsdam wird daher als Kommune die Initiative ergreifen, auf Landes- und Bundesbehörden einzuwirken, damit sie die Regelwerke überarbeiten. Dazu werden die inhaltlichen Vorschläge anderer Initiativen in Deutschland aufgegriffen und der Schulterschluss mit dem Landesbeirat Holz im Prozess, diese in der Landesbauordnung Berlin-Brandenburg e.V. und weiteren Fach- zu implementieren – ein Austausch ist hier verbänden gesucht. Inhaltlich bilden die im sinnvoll. Rahmen des Workshops der Holzbau-Initiative Potsdam erarbeiteten Ergebnisse Ansatzpunkte Anregungen für die Überwindung der bestehenden Hürden • Aufnahme bzw. Besserstellung des Werk- und der Maßnahmen zur Verbesserung der stoffs Holz (nachhaltige Baustoffe) in den planerischen und genehmigungsrelevanten Förderrichtlinien – geringe/keine CO2- Rahmenbedingungen – insbesondere mit Blick Emissionen im Lebenszyklus (Basis ist die auf Brandschutz und Schallschutz. Lebenszyklusbetrachtung mit Ökobaudat) als Kriterium für zusätzliche Förderbaustei- Holzwirtschaft sowie Architekt*innen und Inge- ne machen nieur*innen kritisieren die aktuell gültige Mus- • Architekt*innen für mehr Baukultur und ter-Holzbaurichtlinie (MHolzBauRL; 2021) als Akzeptanz frühzeitig in die Prozesse ein- unpraktikabel und nicht den Stand der Technik binden abbildend. So sind Anpassungen notwendig, • Holzbau und Vorfertigung in die Aus- um nachhaltigen ungekapselten Holzbau auch bildung Stadtplanung, Architektur und in den GK 4 und 5 realisieren zu können Neben Ingenieurwesen integrieren den gestalterischen, planerischen und brand- • Honorarordnung an Holzbau/Vorfertigung schutztechnischen Hemmnissen gibt es aus anpassen, Planungsteams und Bauindus- Sicht der Produktion von Holzbauelementen trie früher zusammenführen, nicht immer weitere regulatorische Hindernisse, die auf die neu zusammenstellen Realisierbarkeit der Holzbauweise wirken. Es • Konstante Kommunikation und Wahr- braucht ein einheitliches Genehmigungsver- nehmbarkeit des Holzbaus: Aufzeigen fahren: die MHolzBauRL gilt nur für Standard- der Vorteile des Holzes in Bezug auf ESG, bauten, Sonderbauten wie etwa Schulen haben DGNB, CO2-Bilanz, Ökobilanz, Banken und jedoch höhere Anforderungen zu erfüllen; die Finanzierung hier vorgenommenen Eingriffe sind anders zu • Forschungsergebnisse und Praxiserfahrun- kompensieren. Die MHolzBauRL sollte auch auf gen zum Holz in Bezug auf Lebenszyklus- Sonderbauten übertragen werden. berechnung, Materialeffizienz, CO2-Bin- dung, schnelles Bauen, Wirtschaftlichkeit Eine Lösung kann die Einführung der Gebäude- und Bauqualität transparent zugängig klasse E in der Landesbauordnung darstellen. machen Die Bayerische Architektenkammer ist derzeit 19
HOLZBAU-INITIATIVE POTSDAM ein fachlicher Diskurs für ein Holzbau-Memorandum Ablauf Montag, 22.08.2022 LABOR 08:45 - 09:30 Uhr Einlass und Akkreditierung 09:30 Uhr Begrüßung und Moderation, Daniel Luchterhandt „Potsdam baut in Holz - nachhaltig und effizient“, Mike Schubert, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam Begrüßung Bert Nicke, Geschäftsführer ProPotsdam 10:00 - 10:30 Uhr Impulsreferate der Moderatorinnen und Moderatoren „Memorandum für die Potsdamer Holzbau-Initiative“ Expertenkreise: 6 Thementische mit je einer zentralen Fragestellung aus Politik, Produktion, Bauherrnschaft, Planung, Bautechnik und Verwaltung zur Erörterung unterschiedlicher Aspekte / Herausforderungen an den Holzbau Einwerten der Perspektiven in ein Memorandum 10:30 - 10:45 Uhr Einführung in die Methodik und die Fragestellungen 10:45 - 11:00 Uhr kleines Frühstück 11:00 - 11:45 Uhr Arbeitsphase 1 11:45 - 12:30 Uhr Arbeitsphase 2 12:30 - 13:15 Uhr Arbeitsphase 3 13:15 - 14:15 Uhr Mittagessen 14:15 - 14:45 Uhr Arbeitsphase 4 14:45 - 15:15 Uhr Arbeitsphase 5 15:15 - 15:45 Uhr Arbeitsphase 6 15:45 - 16:00 Uhr Kaffee- und Kuchenpause „Ideenbörse“ 16:00 - 17:00 Uhr Präsentation der Ergebnisse / Erkenntnisse 17:00 - 19:00 Uhr Übertragen der Ergebnisse auf konkrete Potsdamer Pilotvorhaben 19:00 - 19:30 Uhr Vorstellung der Ideen und Handlungsvorhaben 19:45 Uhr Grußwort Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen 20:00 Uhr Abendessen 20 20 2
Dokumentation 21
Dokumentation Rückblick Das Holzbau-Labor am 22. August 2022 Für das Holzbau-Labor kamen etwa 65 Expert*innen in Teil 2: Worldcafé der Orangerie der Biosphäre Potsdam zusammen. An Die Expert*innen diskutierten an den Thementischen sechs Arbeitstischen zu den Themen Politik, Produk- für rund 45 Minuten die von den jeweiligen Modera- tion, Bauherrnschaft, Planung, Bautechnik und Ver- tor*innen aufgestellten zentralen Fragestellungen zum waltung und später auf einer 8x8 Meter großen Boden- Holzbau. Nach dem Prinzip eines Worldcafés, rotierten plane, die das Potsdamer Stadtgebiet abbildet, sollten die Expertenkreise anschließend im Uhrzeigersinn von sie in mehreren Arbeitsphasen eine Grundlage für das Tisch zu Tisch, sodass alle Expert*innen im Laufe des Memorandum erarbeiten und konkrete Projektvorschlä- Werkstatttags Gelegenheit hatten, den Holzbau aus ge entwickeln. Perspektive aller sechs Themen zu beleuchten. Teil 3: Präsentation der Ergebnisse Teil 1: Begrüßung und Auftakt An der das Potsdamer Stadtgebiet abbildenden Bo- Daniel Luchterhandt empfing die anwesenden Ex- denplane präsentierten die sechs Moderatorenteams pert*innen und führte in die Veranstaltung ein. Nach im Rückblick auf das Worldcafé die Ergebnisse ihrer einführenden Grußworten von Oberbürgermeister Mike Thementische. Danach berichteten Sandra Jacob Schubert und dem Geschäftsführer der ProPotsdam (ProPotsdam GmbH) und Jeannette Hanko (Kommuna- Bert Nicke stellten die sechs Moderatorenteams der ler Immobilienservice KIS) über Projekte in Holz- oder jeweiligen Thementische die aus ihrer Sicht bestehen- Holzhybridbauweise, die bereits in Potsdam in Planung den Hindernisse und Herausforderungen des Holzbaus sind, und verorteten sie anhand von Fähnchen auf der vor, bevor Daniel Luchterhandt die Vorgehensweise der Bodenplane. Anschließend fanden sich die Experten- Arbeitskreise erläuterte und die Expert*innen an ihre kreise in durchmischter Zusammensetzung erneut an Thementische entsandte. den Arbeitstischen ein, wo sie anhand der Ergebnisse konkrete Potsdamer Pilotvorhaben entwickelten und Thementisch Politik: diese an Fähnchen anbrachten. Diese fanden ebenfalls Ricarda Budke und Dr. Jörg Lippert auf der Bodenplane Verortung, wo sie vorgestellt und er- Thementisch Produktion: läutert wurden. Die Projektvorschläge waren sowohl als Hendrik Reichelt und Peter Münn Empfehlung an den Oberbürgermeister Mike Schubert Thementisch Bauherrnschaft: als auch als Forderung an die Bundesregierung adres- Sandra Jacob und Gregor Heilmann siert, die zum Ende der Veranstaltung von Bundesbau- Thementisch Planung: ministerin Klara Geywitz vertreten wurde. Ihr Grußwort Prof. Amandus Samsøe Sattler und Michael Ziller schloss letztlich das Holzbau-Labor ab, bevor Daniel Thementisch Bautechnik: Luchterhandt sich bei den Expert*innen für ihr reges Prof. Eike Roswag-Klinge und Prof. Volker Schmid Engagement bedankte und die Anwesenden verabschie- Thementisch Verwaltung: dete. Petra Rinnenburger und Erik Wolfram 22
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Dokumentation Thementisch Politik Wie können Holzbauprojekte aus Sicht der Politik künftig besser gelingen? Fachkompetenz & Vernetzung Die Holzbaukonferenz hat gezeigt, dass gerade aus Aufgrund der jahrzehntelangen Abkehr vom Holzbau im Sicht der Politik Notwendigkeit einer ganzheitliche- Geschosswohnungsbau sind die Fachkompetenz und ren Betrachtung von Bauvorhaben sowie einer breiten die Qualifikationen der Vielzahl von Akteur*innen stark Aufklärung der Gesellschaft über die Notwendigkeit optimierungsbedürftig. Dies betrifft nicht nur das Agie- von ressourcenschonendem und ökologischem Bauen ren im eigenen Arbeits- bzw. Verantwortungsbereich, besteht. Zudem sollten folgende Aspekte besondere sondern insbesondere auch das Zusammenwirken der Beachtung finden: Beteiligten auf Basis der Komplexität des Handelns und • Kosten und Kostentragung (in Verbindung mit För- der resultierenden Wirkungen. derung bzw. deren Weiterentwicklung, Betrachtung der gesamten Ökobilanz, Verbindung von sozialen Neben dem Ausbau von Qualifikationsmöglichkeiten und ökologischen Aspekten) und Weiterbildungen ist auch der Aspekt der Vernet- • Vergaberechtsanpassung zung als Lösungsansatz zu beachten. Teils fehlen noch • Materialverfügbarkeit konkrete Orte, um den nötigen Know-How-Transfer • Baurechtanpassung (insbesondere Genehmigungs- gezielt voranzubringen, daher ist die Einrichtung eines verfahren und Zulassungen) Kompetenzzentrums oder einer Fachstelle für Holzbau • Fachkräftemangel in Brandenburg oder Potsdam denkbar, wenngleich sich • Aus- und Weiterbildung ein Spannungsfeld zwischen der nötigen Bündelung des • Erfahrungsaustausch zu Praxiserfahrungen und Ver- Wissens und der Schaffung weiterer (möglicherweise netzung der Akteur*innen doppelter) Strukturen auftut. Inwieweit bestehende • objektive Entscheidungsabwägung sowie breite und Strukturen, beispielsweise das sich gerade im Aufbau intensive Kommunikation befindende Bauhaus der Erde, einen Beitrag leisten Die genannten Aspekte sind nicht allein auf kommuna- können, muss an anderer Stelle weiterentwickelt wer- ler Ebene zu bewältigen bzw. zielorientiert ausrichtbar. den. Auch auf Bund- und Länderebene müssen die Rahmen- bedingungen und Umsetzungsprozesse angepasst und Absicherungsmentalität dynamisiert werden, um den Holzbau wirklich voran- Die in der Gesellschaft weit verbreitete Absicherungs- zubringen. Hier ist es auch an der Stadt Potsdam, sich mentalität stellt eine große Hemmschwelle für den bei Bund und Land für bessere Rahmenbedingungen Holzbau dar. Gerade bei relativ unkonventionellen einzusetzen. Bauweisen werden die Verantwortlichen durch Haftung und mitunter auch durch Schuld in eine Art „Hosenträ- Aktivitäten wie die Holzbau-Initiative Potsdam können ger-Gürtel-Methode“ getrieben. Dadurch erfahren die Musterbeispiele für Best Practice sein, die aus der Schutzziele häufig Vorrang vor nachhaltigen Ansätzen. Praxis Eingang in den Rechts- und Handlungsrahmen Ein erheblich höherer Aufwand und höhere Kosten so- finden können. Daher wird die Einführung einer Task wie reduzierte Tätigkeiten sind die Folgen. Force Holzbau Potsdam vorgeschlagen, die sowohl eine 24
Dokumentation beratende Funktion innehaben als auch in der Ent- Nutzungen: wicklung und Umsetzung konkreter und zielorientierter Zuständig und nutzbar für das gesamte Stadtgebiet der Entwicklungs- und Handlungskonzepte zum Einsatz Landeshauptstadt Potsdam kommen soll. geplante Größe: Steckbrief Task Force Holzbau Potsdam idealerweise bestehend aus einem Bürobereich für mindestens 2-3 Personen plus ein Besprechungsraum Ort: sowie ggf. auch eine Art Ausstellungsraum Im Rathaus Potsdam agierend, als Schnittstelle zwi- schen diversen Projektakteuren sowie Politik und Ver- mögliche Projektführung: waltung wählbar aus dem Geschäftsbereich 4, Stadtentwick- lung, Bauen, Wirtschaft und Umwelt, der Landeshaupt- Ziele und Maßnahmen: stadt Potsdam • Entwicklung eines zielorientierten Entwicklungs- und Handlungskonzepts • Anwendung/Entwicklung eines lokalen/kommu- aufgezeichnet von nalen Bilanzierungstool für die nachhaltige Wirk- Dr. Jörg Lippert und Ricarda Budke samkeit des Holzbaus (auf Basis des Masterplans Klimaschutz) sowie eines darauf aufbauenden einheitlichen Zertifizierungssystems • Festlegung von Regel-Details und Musterlösungen auf Basis von Best-Practice-Erfahrungen • Nutzung der Holzbau-Initiative als Sogwirkung für die Fachkräftesammlung • Aus- und Weiterbildungsangebote für die Verwal- tung, den Kommunalen Immobilienservice und kommunale Unternehmen • Forcierung von Konzeptvergaben in öffentlichen Ausschreibungen • Musterprojekt: Integration des Holzbaus in den Masterplan Schlaatz 2030 • Evaluierung von weiteren Holzbauprojekten • Wissenstransfer aus der Praxis in die Verwaltung und die Stadtverordnetenversammlung • Abgabe von Handlungsempfehlungen von kommu- naler Ebene auf Landes- und Bundesebene 25
Dokumentation Thementisch Produktion Wie können Holzbauprojekte aus Sicht der Produktion künftig besser gelingen? Maßnahmen zur Optimierung von Ausschreibungsver- schreibungsverfahren aufbauend auf den existierenden fahren für Holzbauprojekte gesetzlichen Rahmenbedingungen für das Bauwesen im Der moderne Holzbau zeichnet sich durch die Produk- Rahmen der gültigen nationalen Honorar- und Vergabe- tion von Bauelementen im Werk des Holzbauunter- ordnung anpassen lassen, untersuchte das europäische nehmens mit einem hohem Vorfertigungsgrad aus. Die Forschungsprojekt Leanwood (Ergebnisse unter www. mit der Vorfertigung verbundenen Vorteile liegen in der leanwood.eu). Danach wäre eine Variante, die Material- Wirtschaftlichkeit und der gegenüber konventionellen wahl Holz bei der Ausschreibung vorzugeben und die Bauweisen höheren Qualität bei gleichzeitig geringeren Systemwahl offen zu lassen, wobei der hohe Vorferti- Maßtoleranzen. Diese vorgefertigte Bauweise erfordert gungsgrad als Teil der Lösung in die Bewertung einflie- aber bereits in der Planungsphase eine Berücksichti- ßen sollte. Der Wettbewerb wird als interdisziplinärer gung der Fertigung der Bauelemente, deren Transport- Planungswettbewerb konzipiert, um das Planungsteam logistik und deren Montage. aus Architekt*innen und Fach- und Sonderplaner*innen von Beginn an zu vereinen und gleichzeitig alle für den Die konventionellen Bauweisen, deren Kennzeichen vor vorgefertigten Holzbau wichtigen Planungsthemen in allem die Vor-Ort-Fertigung des Baukörpers ist, prägen den frühen Entwurfsphasen zu klären. seit Jahrzehnten Gesetzgebung, Ausschreibungen und Projektablauf. Für einen störungsfreien Planungs- und Digitale Lösungen etablieren Bauablauf ist bei allen vorgefertigten Bauweisen die Um dem Potential des Holzbaus gerecht zu werden, übliche Projektorganisation mit den voneinander losge- Gebäude aus Holz nachhaltig, Ressourcen schonend lösten Schritten Planung, Ausschreibung, Fertigung und und in höchster Qualität in kurzer Bauzeit zu errichten, Montage eine große Herausforderung. Oft wird die Holz- müssen die architektonische Planung und die Ausfüh- baukompetenz zu spät oder gar nicht in den Planungs- rungsplanung in einem digitalen aufeinander aufbauen- prozess eingebunden. Den meisten Architekt*innen den Planungsprozess erstellt werden. Derzeit zeigt die und Ingenieur*innen fehlt relevantes Wissen für eine Praxis, dass bei der Planung eines Holzbaus nach dem holzbaugerechte Ausführungsplanung. bisherigen, klassischen Leistungsphasenmodell gemäß HOAI bei jedem Übergang in die nächste Leistungspha- Um diesem Umstand entgegenzuwirken, sollte eine se ein erheblicher Datenverlust über die Schnittstellen Person mit Holzbauexpertise frühzeitig in die Planung passiert. eingebunden werden. Dies ist in den gängigen Aus- schreibungsmodellen jedoch nicht vorgesehen. Ein Die Schnittstellen zwischen Architektur und Ingenieur- öffentlicher Bauherr ist an die nationalen – bei größe- programmen sind oft nicht ausreichend ausgebildet, ein ren Vorhaben auch an die europäischen – Vergabericht- Verlust an Daten ist daher häufig unvermeidbar. Diese linien gebunden, denen die Grundsätze der Wirtschaft- Datenverluste in den Schnittstellen verursachen unnö- lichkeit, der Transparenz, des Wettbewerbs und der tige Kosten und verzögern den gesamten Planungs- und Gleichbehandlung zugrunde liegen. Wie sich Aus- Abwicklungsprozess erheblich. 26
Dokumentation Eine Möglichkeit, diesen Verlust an Daten zu verhin- Eine erhebliche Erschwernis für Holzbauunternehmen dern, wäre die Ausschreibung eines Holzbauprojekts ergab sich mit den Änderungen der Musterverwal- als GU/ GÜ-Vergabe, während Bietergemeinschaften tungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV aus Architekt*innen, Projektentwickler*innen und TB 2020-2). Hier vollzog die Bauministerkonferenz die einer Holzbaufirma als GU für eine Entwurfsplanung nicht begründete Streichung von Bauarten nach Kapitel eingeladen und die Nutzung digitaler Planungstools A 2, lfd. Nr. A 2.2.1.4 (also feuerwiderstandsfähige Bau- (BIM) vorgegeben würden. Der aus dem Wettbewerb teile in Massivholzbauweise, Außenwandbekleidungen hervorgehende Gewinner mit dem besten Entwurf hätte aus Holz und Holzwerkstoffen nach Muster-Richtlinie dann eine sehr gute Grundlage für die Ausführungs- über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile planung des Projekts, da das Holzbausystem bereits und Außenwandbekleidung in Holzbauweise – M-Holz- ein wesentlicher Bestandteil der Entwurfsplanung wäre. BauRL:2020-10) aus der Liste der Bauarten nach MVV Architekt*innen und Holzbaufirma hätten somit von TB, C 4, lfd. Nr. C 4.1 und C 4.2. Mit dieser Streichung Beginn an ein abgestimmtes digitales Gebäudemo- kann es für Bauteile nach MHolzbauRL keine allgemei- dell entwickelt, das sie verlustfrei in die Werkplanung nen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisse (abP) mehr geben. überführen könnten. Das Gebäudemodell könnte in der Die Inhaber solcher bislang anwendbaren abP müssen Ausführungsplanung mit Informationen gefüttert wer- die Umwandlung der abPs in allgemeine Bauartgeneh- den, sodass weitere Leistungen wie die TGA- und Land- migung (aBG) in die Wege leiten. Für die Erteilung einer schaftsplanung über kollisionsprüfungsfähige Systeme aBG veranschlagt das Deutsche Institut für Bautechnik eingebunden würden. Zusätzlich wäre es möglich, die- (DIBt) derzeit etwa drei Jahre. Mit zunehmender Zahl ses Modell in eine As-built-Dokumentation mit Material- von Anträgen könnte sich diese Zeitspanne u.U. auch kataster überzuführen. Somit könnte auf einfache Weise noch verlängern. Es entstehen zudem die bereits oben ein digitaler Gebäuderessourcenpass erstellt werden. genannten Probleme mit der Ausstellung von aBGs, die auf nur in einigen Bundesländern gültigen Anforderun- Weiteres Optimierungspotential liegt im digitalen gen basieren. Genehmigungsprozess. Dafür sollten in den Genehmi- gungsbehörden die notwendige und leistungsfähige In der Folge müssen für viele Bauvorhaben zwischen- Infrastruktur aufgebaut sowie ein geeignetes digitales zeitlich vorhabenbezogene Bauartgenehmigungen Bauantragsverfahren entwickelt und eingeführt werden. (vBG) erstellt werden. Die Erteilung zahlreicher vBGs dürfte die Bauaufsichtsbehörden der Länder erheblich Vereinfachungen von Verwaltungsvorschriften und belasten und zu Verzögerungen bei der Planung sowie Richtlinien für den Holzbau nicht unerheblichen Mehrkosten bei den Unternehmen Holzwirtschaft sowie Architekt*innen und Ingenieur*in- führen. Den Prüfsachverständigen ist zudem oft nicht nen kritisieren die aktuell gültige Muster-Holzbaurichtli- klar, was sie im Falle einer vBG zu prüfen haben. nie (MHolzbauRL; 2021) als unpraktikabel und nicht den Stand der Technik abbildend (Hinweise zur MHolzbauRL Die Lösung der aktuell verfahrenen Situation obliegt siehe unten). Neben den gestalterischen, planerischen der Bauministerkonferenz (ARGEBau) sowie dem DIBt. und brandschutztechnischen Hemmnissen gibt es aus Die ARGEBau sollte abPs als Ergänzung zur MHolzbauRL Sicht der Produktion von Holzbauelementen weitere zulassen und verfügen, dass Anwendbarkeitsnachweise regulatorische Hindernisse, die auf die Realisierbarkeit wie aBGs produktneutral für alle normierten Bauteile der Holzbauweise wirken: gelten. Das DIBt sollte die Verfahren für aBGs beschleu- nigen. Die ARGEBau bzw. infolge die Bauministerien der 27
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