LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten

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LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten
Lesbisch
                         Schwul
                        Bisexuell
                          Trans
                          Inter
                          Queer

Wie sich
Diskriminierung
abbauen lässt

Rechte von        LSBTIQ
Trans-Personen
im Beruf             &
Tipps für eine
                   Arbeit
gendergerechte
Sprache
LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten
So unterstützen Sie trans­
                                                                                           geschlechtliche Kolleg_innen
                                                                                                                                                  20
                                                                                           Ein Outing am Arbeitsplatz ist oft mit der Angst vor
                                                                                           Ablehnung verbunden. Mit vertraulichen Gesprächen
                                                                                           und angemessenen Fragen erleichtern Sie den Prozess.

                                                                                           „In vielen Ländern ist
                                                                                           das die Regel“
                                                                                                                                                  23
                                                                                                                                                       9
                                                                                           Wie sich Unisex-Toiletten im Unternehmen etablieren
LSBTIQ-Koordinierungsstelle
im Amt für multikulturelle
                                    Inhalt                                                 lassen, erzählt Denise Hottmann, Diversitätsbeauf­
                                                                                           tragte beim Pharma-Konzern Boehringer Ingelheim.
Angelegenheiten
Mainzer Landstraße 293
60326 Frankfurt

E-Mail: lsbtiq@stadt-frankfurt.de
Tel.: (069) 212-73145 und -74529
                                    Grußwort der Dezernentin
                                                                                      4    Gendergerechte Sprache:
                                                                                           Mitgemeint war gestern
                                                                                                                                                  27
Web: www.amka.de

Das Amt für multikulturelle
Angelegenheiten
im stadtRAUMfrankfurt:
                                    Gemeinsam für ein LSBTIQ-
                                    freundliches Arbeitsklima
                                                                                      6    Eine lebenswerte Stadt für alle
                                                                                                                                                  35   14
                                                                                           Seit November 2015 hat die Stadt Frankfurt am Main
mehr dazu ab Seite 42                                                                      eine Koordinierungsstelle für LSBTIQ-Themen im
                                    Studien zeigen: Diskriminierung im Berufs­­
                                    leben gibt es noch immer. Diese Broschüre              Amt für multikulturelle Angelegenheiten.
                                    möchte alle bestärken, die sich vor Ort für
                                    LSBTIQ-Belange einsetzen.

                                    „ Wer Vielfalt ignoriert,
                                     verliert den Anschluss“
                                                                                      9    stadtRAUMfrankfurt:
                                                                                           mitreden, mitteilen, miterleben
                                                                                                                                                  42
                                    Jean-Luc Vey unterstützt mit Prout at work
                                    bundesweit LSBTIQ-Netzwerke in Konzernen.
                                    Im Interview spricht er darüber, wie die Stif­
                                    tung zu einem Kulturwandel beitragen will.
                                                                                           Veranstaltungen der
                                                                                            LSBTIQ-Koor­dinie­rungsstelle
                                                                                                                                                  44   23

                                    Wer vertritt meine
                                                                                      12
                                    Interessen?                                            Christopher Street Day
                                                                                           in Frankfurt
                                                                                                                                                  48

                                    Die Persönlichkeit im Fokus
                                                                                      14
                                    Das Gesetz nimmt Arbeitgeber_innen in die
                                                                                           Glossar
                                                                                                                                                  50
                                    Pflicht, Diskriminierung entgegenzuwirken.
                                    Unsere Autorin erläutert, wie sich diese Vor­­-
                                    gaben auf betriebliche Prozesse auswirken.
                                                                                           Impressum
                                                                                                                                                  51   27

2   LSBTIQ & Arbeit www.amka.de                                                                                                                             3
LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten
Eine Stadt, die für alle da sein will, muss verschie­
                                                                                                              dene Blickwinkel einnehmen. Sie muss nah dran
                                                                                                              sein an den Menschen, an Gruppen und Commu­

Frankfurt ist offen für                                                                                       nitys. Dafür gibt es das AmkA. Und nun auch einen
                                                                                                              Ort, den stadtRAUMfrankfurt: unser neues Zentrum

alle Lebenswirklichkeiten                                                                                     für die Vielfalt unserer Stadt. Der stadtRAUMfrank­
                                                                                                              furt liegt direkt an der Galluswarte, in der Mainzer
                                                                                                              Landstraße 293. Kommen Sie vorbei, machen Sie
                                                                                                              das Haus auch zu Ihrem Ort!
Als ich mich Mitte der 1980er Jahre in der Frauen­      aber wir können es schon deutlich sagen: Echte
bewegung engagierte und meine ersten Demon­             Gleichstellung ist nicht erreicht. Und klar ist für   Denn für eine offene Stadt muss gelten: Sie muss
strationen besuchte, habe ich oft versucht, mich in     mich auch: Der Weg ist nicht das Ziel.                für alle offen sein. LSBTIQ-Themen und -Personen
die tapferen „Stonewall Kids“ hinein­­­zuversetzen.                                                           sind ein lebendiger Teil unserer Stadt. Wir sind alle
Sie hatten genug von all den Erniedrigungen und         Inzwischen ist ebenso deutlich geworden: Zu           unterschiedlich – und das ist gut so.
Diskriminierungen.                                      LSBTIQ-Themen gehört noch mehr, ein ganzer
                                                        Regenbogen an Lebenslagen, denen wir seitens          Diese Broschüre möchte zum Austausch anregen,
Vor ihrem Wohnzimmer, dem „Stonewall Inn“ in            der Stadt jedes Jahr am IDAHOBITA gedenken.           gelungene Beispiele aufzeigen und motivieren,
der Christopher Street in New York City, haben sie      Hinter jedem dieser Buchstaben stehen Menschen,       sich für LSBTIQ-Personen stark zu machen.               „Eine Stadt, die für alle
sich am 28. Juni 1969 erstmals versammelt und zur       ihre Persönlichkeit und Identität und Erfahrungen
Wehr gesetzt. Sie wurden verprügelt, verhaftet, ge­­    in unserer Stadt – im Alltag, im Berufsleben und      Die Broschüre richtet sich an möglichst viele.
                                                                                                                                                                       da sein will, muss ver-
demütigt. Doch sie haben zusammengestanden              im Umgang mit Behörden. Für diese Bandbreite          An all diejenigen, die sich schon mit Diversitäts­       schiedene Blickwinkel
und für ihre Freiheiten gekämpft. Unter Inkaufnah­      wurde eine Koordinierungsstelle im Amt für multi­     themen auseinandersetzen, ob beruflich, ehren­
­me persönlicher Nachteile haben sie vielen anderen     kulturelle Angelegenheiten (AmkA) eingerichtet.       amtlich oder persönlich. Sie richtet sich aber auch
                                                                                                                                                                       einnehmen. Sie muss
 Menschen in ihrem eigenen Streben nach Freiheit        Sie macht das, was das ganze AmkA macht: Sie          an alle anderen, um sie dafür zu interessieren. Sie      nah dran sein an
 und Gleichheit den Weg bereitet.                       ist ein Kontakt für das Thema, bietet Kontakte zu     möchte Communitys und Betroffene ansprechen
                                                        Communitys oder umgekehrt in die breite Stadt­        und nicht zuletzt die allgemeine Öffentlichkeit,
                                                                                                                                                                       Menschen, Gruppen
Diese Geschichte hat auch mir die Zuversicht gege­      gesellschaft. Innerhalb der Stadtverwaltung berät     um dafür zu sensibilisieren, wie andere unsere           und Communitys.”
ben, dass sich etwas verändern lässt, wenn es ein       sie andere Ämter zu Themen und Anliegen mit           Stadt erleben – und was wir alle tun sollten und
gemeinsames Ziel gibt. Selbst dann, wenn die In­te­     LSBTIQ-Bezug.                                         tun können.
ressen unterschiedlich, die politischen Ansichten
verschieden sind und es heftige Diskussionen gibt.      LSBTIQ-Personen erleben versteckte und offene         Im besten Fall weitet die Broschüre auch Ihren Blick
                                                        Diskriminierung. Einige fühlen sich ausgegrenzt,      für die Belange von LSBTIQ-Menschen am Arbeits­­
Die Errungenschaften der LSBTIQ-Bewegungen              andere berichten von erlittener Gewalt. Auch im       platz. Ich wünsche mir daher, dass Sie viele Anre­
sind beeindruckend. Gerade in Frankfurt haben           Kontakt mit Behörden fühlen sich manche benach­       gungen finden und sich neue Kontakte auftun.
wir – auch und vor allem dank des CSD – eine            teiligt. Einige erfahren in mehr als einer Hinsicht
starke, offene und tolerante Zivilgesellschaft, die     Benachteiligung – zum Beispiel aufgrund ihrer
für Akzeptanz und Gleichberech­tigung und gegen         Herkunft, weil sie arm sind und eine Behinderung
Diskriminierung einsteht.                               haben. Sie sind es, die unsere Unterstützung ganz
                                                        besonders brauchen. Die Lebensrisiken in unserer
„Weltoffenes Frankfurt – auf dem Weg zu einer           Gesellschaft sind sehr ungleich verteilt, wie das     Sylvia Weber
lesben- und schwulenfreundlichen Stadt“ – so            AmkA täglich erfährt. Dafür arbeitet es mit Ana­      Integrations- und Bildungsdezernentin
heißt seit vielen Jahren ein regelmäßiger Bericht       lysen, in Netzwerken, Arbeitsgruppen, in direkten
der Stadt Frankfurt. Das ist unser Ziel. Wir sind auf   Kontakten und durch Förderungen.
diesem Weg ein gutes Stück vorangekommen –

4    LSBTIQ & Arbeit www.amka.de                                                                                                                                                                  5
LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten
Gemeinsam für ein
LSBTIQ-freundliches
Arbeitsklima                                                                                             75%

Unser Wohlbefinden hängt wesentlich            nach oben gefightet hat. Homofeindlich­
davon ab, was wir am Arbeits­platz erleben     keit und Sexismus gehen hier mitunter
– oder ob wir überhaupt Arbeit haben.          Hand in Hand.                                        Rund drei Viertel der LSBTIQ-
LSBTIQ-Personen sind von beidem über­                                                               Personen fühlen sich am
durchschnittlich betroffen: Ausgrenzun­        Und immer noch fühlen sich rund drei                 Arbeitsplatz diskriminiert
gen am Arbeitsplatz oder Arbeitslosigkeit.     Viertel der LSBTIQ-Personen am Arbeits­              und/oder ausgegrenzt.1
                                               platz diskriminiert und/oder ausgegrenzt.
Es wirkt so, als habe sich die Situation von   Vier von zehn Befragten sind schon min­
LSBTIQ-Personen in letzter Zeit verbessert.    destens einmal sexuell belästigt worden.
Viele Organisationen haben inzwischen          Besonders bedenklich: Ein Fünftel der
Diversitäts-Beauftragte, sind Mitglied der     berichteten Diskriminierungen ist straf­
Charta der Vielfalt oder ähnlichen Initiati­   rechtlich relevant. Etwa 64 Prozent der                     40%
ven. Beschäftigte schließen sich in queeren    Befragten erlebten eine „voyeuristisch-
Branchenverbänden zusammen. Es gibt            gesteigerte Auseinandersetzung“: Sie
LSBTIQ-Personen in Spitzenpositionen           werden zur Attraktion im Kollegium, so­­
von Großunternehmen. Und immer mehr            zusagen exotisiert. Lesbische Frauen mit             Vier von zehn Befragten
Beschäftigte sprechen mit Kolleg_innen         Kinderwunsch können ein Lied davon                   sind schon mindestens einmal
offen über ihre sexuelle Orientierung. 2017    singen. Sie sehen sich oft einem Über-               sexuell belästigt worden.
waren dies nach einer Studie des Instituts     Interesse ausgesetzt, das die Grenzen der
für Diversity- & Antidiskriminierungsfor­      Diskretion weit übersteigt.
schung in Kooperation mit der Hochschule
Fresenius ein rundes Drittel, zehn Jahre       Ein Anlass für diese Publikation war der
zuvor nur jede_r Zehnte.                       Jahresschwerpunkt der Koordinierungs­
                                               stelle für LSBTIQ-Angelegenheiten im
Doch das ist nur die eine Seite. Denn der­     Amt für multikulturelle Angelegenheiten
                                                                                                           20%
selben Studie zufolge spricht weiterhin        (AmkA): LSBTIQ und Arbeit. Mehrmals
ein knappes Drittel mit niemandem oder         trafen sich dafür Führungskräfte und
nur wenigen Kolleg_innen über die eigene       Angestellte sowie Vertreter_innen aus                Ein Fünftel der berichteten
Situation, bei Transpersonen sind es sogar     Gewerkschaften, die entweder bereits für             Diskriminierungen ist straf-
70 Prozent. Klischee-Denken ist weiterhin      Verbesserungen eintreten oder dies vor­              rechtlich relevant.
verbreitet. Dazu tragen auch Medien-Be­        haben. Sie plädierten dafür, Strukturen in
richte mit stereotypen Protagonist_innen       Unternehmen anzupassen. Gefragt sei
bei. In Beiträgen über Homosexualität in       damit also auch die Leitungsebene. Der
der Arbeitswelt wird gerne der schwule         Anstoß dürfe nicht nur von Lobbygrup­
Top-Manager bemüht, der eine hetero­           pen kommen, sondern auch von denen,
sexuelle Ehe vortäuscht, um den Schein         die das Sagen haben, hieß es. Die Arbeit­
                                                                                             Studie des Instituts für Diversity- & Antidiskriminierungs­
                                                                                            1	
zu wahren. In anderen Berichten ist es         geber_innen müssten den Engagierten
                                                                                             forschung in Kooperation mit der Hochschule Fresenius
die Power-Lesbe, die sich mit ihren (ver­      Zeit und Raum bereitstellen, und zwar         aus 2017.
meintlich männlichen!) Eigenschaften           während der Ar­­beitszeit.

6    LSBTIQ & Arbeit www.amka.de                                                                                                             7
LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten
weil Anerkennung durch Vorgesetzte fehlt. Es
                         Zugleich wurde darauf        kann also nicht an Einzelnen hängenbleiben, die
                         hingewiesen, dass sich       Situation von LSBTIQ-Personen am Arbeitsplatz
                          ein Wandel nicht von        zu verbessern.
                          heute auf morgen her­
                          beiführen ließe. Und es     Zu den strukturellen Verbesserungen zählt auch
                         müssten alle Mitarbei­       eine gendergerechte Sprache. Nur sie macht die
                        tenden aktiv mitgenom­        Vielzahl von sexuellen Orientierungen und Identi­
                       men werden, von der Füh­       täten sichtbar. Zugleich ist sie umstritten und wird
                     rungskraft bis zu Angestellten   abgelehnt. Die Aufregung um Unterstrich und
                   auf unteren Ebenen. Im Ideal­      Genderstern ist vielerorts groß. Manche lehnen die
               fall werde das Schaffen eines          geschlechtergerechte Sprache auch deswegen ab,
           LSBTIQ-freundlichen Klimas zum             weil sie schwierig erscheint. Sie anzuwenden ist
Gemeinschaftsprojekt, so das Fazit. Und das för­      aber einfacher, als viele denken. Ab Seite 27
dere nebenbei auch den Teamgeist.                     können Sie es nachlesen.

Von einem offenen Arbeitsklima                        Seit 2015 hat die Stadt eine eigene Koordinie­
profitieren alle                                      rungsstelle für LSBTIQ-Themen, angesiedelt im
                                                      Amt für multikulturelle Angelegenheiten. Ihre
Mit dieser Publikation möchte die Stadt Frankfurt     Arbeit richtet sich gegen jede Form der Ausgren­
am Main – selbst eine große Arbeitgeberin –           zung sowohl von lesbischen und schwulen Men­
In­­teresse für das Thema wecken. Unternehmen         schen, als auch von bisexuellen, trans, inter und      Interview
und Organisationen sollen weiter ermutigt wer­        queeren Menschen. Die Koordinierungsstelle

                                                                                                             „Wer Vielfalt ignoriert,
den, sich ihm anzunehmen. Denn eine Firmen­           arbeitet an Schnittstellen: Sie hält Kontakt zu den
kultur, die sich für LSBTIQ-Mitarbeitende einsetzt,   Communitys, wirkt in die Stadtverwaltung hinein
sorgt ganz allgemein für ein offenes Arbeitsklima.    und informiert die Öffentlichkeit. Wie vielfältig

                                                                                                              verliert den Anschluss“
Davon profitieren alle, am Arbeitsplatz und sogar     die Aufgaben sind, lesen Sie ab Seite 35.
außerhalb.

Einige Arbeitgeber_innen haben das erkannt und
schaffen ein Umfeld, in dem LSBTIQ-Personen                                                                  Wenn sich LSBTIQ-Personen in ihrer Firma zusammentun, kann das zu
ihr Wesen nicht verstecken müssen. Mancherorts            So erreichen Sie die                               mehr Chancengleichheit führen. Dr. Jean-Luc Vey unter­stützt mit seiner
sieht die Realität noch anders aus. Dort nämlich,         Koordinierungsstelle:                              Stiftung Prout at work solche Netzwerke in Konzernen. Im Interview
wo Mitarbeitende auf sich allein gestellt sind. Sie
                                                                                                             spricht er über Kulturwandel in Unternehmen und wie er und seine Mit­
müssen entscheiden: stumm im Hintergrund blei­
ben, während sich die heterosexuellen Kolleg_             per E-Mail an
                                                                                                             streiter_innen dazu beitragen wollen.
innen über das Wochenende mit dem Freund oder             lsbtiq@stadt-frankfurt.de
der Ehefrau unterhalten, – oder das Coming-Out
wagen. Das kann gut ausgehen oder nicht, ist also         tele­fonisch unter
ein Sprung ins Ungewisse.                                 (069) 212-74529 und 212-73145                      Jean Luc Vey, was war der Startschuss
                                                                                                             zu Prout at work?
Der Stadt Frankfurt am Main ist es ein Anliegen,          Mehr Infos unter                                                                                          Zur Person
in Frankfurt ein positives Klima zu schaffen. Diese       www.amka.de                                        Begonnen hat bei mir alles mit der Gründung von
Broschüre soll daher öffentlich auch diejenigen                                                              DB-Pride, dem Netzwerk der Deutschen Bank. Das         Jean-Luc Vey hat gemeinsam
bestärken oder unterstützen, die sich vor Ort für         Die Antidiskriminierungshotline                    fand ich toll, endlich kam etwas in Bewegung, um       mit Albert Kehrer die Stiftung
LSBTIQ-Belange einsetzen. Es sind oft einzelne            der Stadt Frankfurt am Main                        die Akzeptanz von LSBTIQ-Personen im Beruf zu          Prout at work gegründet.
Engagierte, die sich für die Rechte anderer einset­       erreichen Sie unter (069) 212-30111.               stärken. Bald hat mir das aber nicht mehr gereicht.
zen, Missstände aufzeigen und Impulse für ein                                                                Ich wollte eine Plattform für Firmen schaffen, die     Neben seiner ehrenamtlichen
offenes Arbeitsklima geben wollen. Dafür opfern                                                              schon ein Netzwerk haben und andere, die gerne         Vorstandstätigkeit ist er als Füh­
sie ihren Feierabend, doch belohnt wird die Bereit­                                                          eins hätten. Die Idee war, Erfahrungen zu teilen um    rungskraft bei der Deutschen
schaft kaum – obwohl sie letztlich allen im Unter­                                                           gemeinsam voranzukommen. Das war vor dreizehn          Bank tätig.
nehmen zugutekommt. Die Folgen sind doppelt                                                                  Jahren. Ab da ging es richtig los mit Prout at work.
schlecht: Überbelastung und Enttäuschung, auch

8    LSBTIQ & Arbeit www.amka.de                                                                                                                                                                         9
LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten
Über Prout at work

                                                                                                                                                                    Die Stiftung setzt sich für eine offene
                                                                                                                                                                    und diskriminierungsfreie Arbeitswelt
                                                                                                                                                                    für alle Menschen ein. Sie unterstützt
                                                                                                                                                                    Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans-
                                                                                                              Wie sieht ein solcher Prozess konkret aus?            und intergeschlechtliche sowie queere
                                                                                  Wie lassen sich Arbeits­                                                          Menschen am Arbeitsplatz.
                                                                                  bedingungen verbessern?     Wir bieten Plattformen, bei denen sich alte Hasen
                                                                                  Prout at work bietet den    und Neulinge treffen. Da schwappt dann jede Men­      Mit Veranstaltungen und Veröffent­­­­­
                                                                                  Rahmen für Gespräche.                                                             lich­ungen wendet sie sich auch an
                                                                                                              ge Erfahrung rüber. In mehreren Städten haben
                                                                                                              wir regionale Netzwerktreffen organisiert. Seit       Arbeitgeber­_innen, die zu einer wert-
                                                                                                              Anfang 2020 finden diese Netzwerktreffen online       schätzenden Unternehmenskultur
                                                                                                              und monatlich statt. Auch hier geht es da­rum,        beitragen möchten.
                                                                                                              Wissen und Erfahrung weiterzugeben. Zudem             www.proutatwork.de
                                                       Prout at Work veröffentlicht jährlich                  haben wir Coaching- und Mentoring­programme,
                                                       die Liste „Germany’s Top 100 out Executives“.          mit denen wir unter anderem Gründungen be­­
                                                       Was verbirgt sich dahinter?                            gleiten. Dann gibt es noch Workshops zu speziel­
                                                                                                              len Themen, die veranstalten wir gemeinsam mit
Wie war die erste Zeit?                                Die Liste haben wir am 11. Oktober 2018 erstmals       unseren Partner_innen. Hier geht es zum Beispiel      Germany’s Top 100 out
                                                       rausgebracht, anlässlich des Coming-Out-Day. Sie       darum, wie Unternehmen mit der Dritten Option         Executives
Wir waren ein loses Netzwerk von Menschen, die         stellt geoutete LSBTIQ-Führungskräfte vor, die als     umgehen.
sich für mehr Vielfalt in Unternehmen einsetzten       Vorbilder in der Wirtschaft fungieren wollen. Diese                                                          Um Barrieren abzubauen, hat Prout at
und die hier und da Aktionen durchgeführt haben.       Personen ermutigen andere, selbstbewusst mit           Was bringt es Unternehmen, sich für                   work die Liste „Germany’s Top 100 out
Um langfristig etwas zu erreichen, braucht es aber     ihrem LSBTIQ-Sein im Arbeitsleben umzugehen.           Diversität zu öffnen?                                 Executives“ erstellt. Die dort vorgestell-
eine professionelle Struktur. Ein Jahr lang haben                                                                                                                   ten Führungskräfte wollen andere er­­
wir diskutiert, wie die aussehen kann. Schließlich     Wenden sich die Angebote vor allem an                  Unsere Gesellschaft wird immer pluraler und hete­     mutigen, im Arbeitsleben selbstbewusst
haben wir entschieden, dass eine Stiftung für          Führungskräfte? Oder kann ich auch als                 rogener. Eine Firma, die sich dem verschließt, hat    aufzutreten und LSBTIQ-Lebensweisen
unsere Zwecke am besten ist.                           Mitarbeitende einsteigen?                              kaum Chancen, langfristig am Markt zu bestehen.       sichtbar zu machen. Die Top 100 mit
                                                                                                              Konzerne, aber auch kleine und mittelständische       kurzen Werdegängen finden Sie unter
Kein einfaches Unterfangen                             Wir arbeiten weder „top-down“, noch „bottom-up“,       Betriebe, müssen dieser Diversität gerecht werden.    www.outexecutives.de
                                                       sondern setzen auf eine ganzheitliche Strategie.       Sonst verlieren sie den Anschluss und können im
Das stimmt. Wir haben aber tatsächlich schnell         Wenn wir in der Sache vorankommen wollen, be­­         Ringen um die besten Köpfe kaum mithalten.
acht Firmen und zwei private Stifter_innen über­       nötigen wir sowohl engagierte Mitarbeiter_innen
zeugt. Damit hatten wir ein ordentliches Start­        als auch ein Management, das die Basis für dieses      Und wie profitieren die Firmen ganz
kapital. Das war im Dezember 2013.                     Engagement schafft. Sonst funktioniert es nicht.       konkret von LSBTIQ-Mitarbeitenden?                    Neue Studie: LSBTIQ-Menschen
                                                       Beide sind aufeinander angewiesen. Aufklärungs­                                                              am Arbeitsmarkt
Was haben Sie mit dem Geld gemacht?                    events in Unternehmen müssen organisiert wer­          Natürlich lässt sich das nicht verallgemeinern,
                                                       den. Das geht aber nur, wenn die Führungsspitze        aber ein Merkmal von LSBTIQ-Menschen liegt
                                                                                                                                                                    Hoch gebildet und oft diskriminiert: Eine
Ein wichtiger Mosaikstein unseres Netzwerkes ist       prinzipiell einverstanden ist. Auf diesen Events       häufig darin, dass sie aufgrund eigener Ausgren­
                                                                                                                                                                    2020 veröffentlichte Studie belegt erneut,
die Prout at work-Konferenz. Die geht im Herbst        können dann LSBTIQ-Themen von Expert_innen             zungserfahrungen sensibel und teamfähig sind.
                                                                                                                                                                    dass LSBTIQ-Personen im Arbeitsleben
schon zum siebten Mal über die Bühne, diesmal          vorgestellt und sichtbar gemacht werden.               Und es gibt eben nicht nur weiße, heterosexuelle
                                                                                                                                                                    benachteiligt werden. Viele der Befragten
virtuell. Beim ersten Treffen hatten wir 70 Teilneh­                                                          cis-Männer, die talentiert sind. Die sind aber noch
                                                                                                                                                                    fühlen sich diskriminiert, rund ein Drittel
mer_innen. Diesmal rechnen wir mit mehr als            Reichen solche Infotage für einen                      immer am sichtbarsten, weil ihnen die wenigsten
                                                                                                                                                                    verzichtet auf ein Coming-out. Nicht
200. Ein weiterer Meilenstein ist unsere Geschäfts­    Kulturwandel im Betrieb?                               Steine in den Weg gelegt werden.
                                                                                                                                                                    ohne Grund arbeiten etliche im Gesund-
stelle in München. Die haben wir vor über drei                                                                                                                      heits- und Sozialwesen. Alle Ergebnisse
Jahren eingerichtet, inzwischen sind dort drei         Eine Firmenkultur ändert sich erst dann, wenn alle                                                           der Studie des Deutschen Instituts für
Mitarbeitende beschäftigt. Das war eine enorme         mit im Boot sitzen. Prout at work hilft Unternehmen,                                                         Wirtschaftsforschung gibt es unter
Entlastung, weil nicht mehr alle alles machen          eine solche Entwicklung auf den Weg zu bringen.                                                              www.diw.de > Publikationen.
müssen. Wir haben Zuständigkeiten geschaffen           Wir beraten vor allem bei Veränderungsprozessen.
und sind jetzt viel besser aufgestellt.                Das wird gerne angenommen.

10   LSBTIQ & Arbeit www.amka.de                                                                                                                                                                           11
LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten
Anlaufstellen – auch in Frankfurt

Wer vertritt                                                                                                                           3
                                                                                                                                                  ver.di-Regenbogen
                                                                                                                                                  Die gewerkschaftliche Interessenvertretung tritt für

meine Interessen?
                                                                                                                                                  die Rechte von LSBTIQ-Arbeitneh­­­­mer_innen ein. Sie
                                                                                                                                                  bietet ein Forum für Gespräche, Beratung und Erfah­
                                                                                                                                                  rungsaustausch. Die Mitglieder der Gruppe machen
                                                                                                                                                  sich für einen aufgeschlossenen Umgang mit sexueller
                                                                                                                                                  Vielfalt am Arbeitsplatz stark und helfen bei versteckter
Inzwischen gibt es Gruppen, die sich ganz                                                                                                         und offener Diskriminierung – auch HIV-positiven
konkret für LSBTIQ-Rechte und für mehr                                                                                                            Menschen und an AIDS Erkrankten.
Akzeptanz einsetzen. Manche sind branchen­­­-
                                                                                                                                                  Kontakt zum Landesarbeitskreis LSBTTIQ Hessen:
bezogen, andere wenden sich an alle. Hier                                                                                                         regenbogen.hessen@verdi.org
finden Sie eine Auswahl an Organisationen,                                                                                                        Website: www.regenbogen.verdi.de
die auch in Frankfurt vertreten sind.

                                                                                                        4
                                                                                                            Völklinger Kreis

                                                                                                            Als branchenunabhängiges Netzwerk schwuler Führungs­
                                                                                                            kräfte und Selbstständiger fördert der Völklinger Kreis den

                         1
                                                                                                            beruflichen Erfolg seiner Mitglieder. Er vernetzt, regt den
                                   Wirtschaftsweiber                                                        Erfahrungsaustausch an und setzt sich für ein diskriminie­
                                                                                                            rungsfreies Arbeits- und Lebensumfeld ein. Unter dem Motto
                                   Die Wirtschaftsweiber sind ein bundesweites Netzwerk für
                                                                                                            „in der Stadt heimisch, im Völklinger Kreis zu Hause“ organi­
                                   lesbische Frauen im Berufsleben – unabhängig von der Branche.
                                                                                                            siert der Kreis deutschlandweit über 22 Regionalgruppen.
                                   Sie bieten Austausch zu beruflichen Herausforderungen, stärken
                                   lesbische Identität am Arbeitsplatz, beziehen gesellschaftlich und
                                                                                                            Kontakt zur Regionalgruppe Frankfurt:
                                   politisch Stellung und beraten Arbeitgeber_innen rund um Frauen­
                                                                                                            frankfurt@vk-online.de
                                   förderung. Die vielen Regionalgruppen organisieren Netzwerk­­­
                                                                                                            Website: www.vk-online.de
                                   abende, Vorträge sowie Events – und feiern gemeinsam.

                                   Kontakt zur Regionalgruppe Rhein-Main:
                                   rhein-main@wirtschaftsweiber.de
                                   Website: www.wirtschaftsweiber.de

                                                                                                                             5
                                                                                                                                        AG LesBiSchwule Lehrer_innen
                                                                                                                                        in der GEW

                                                                                                                                        Die Gruppe engagiert sich in der Gewerkschaft Erziehung und

      2
                                                                                                                                        Wissenschaft Hessen (GEW) für Geschlechtergerechtigkeit in
                IGay Bau                                                                                                                der Schule. Vielfältige Lebensweisen sollen auch in den Klassen-
                IGay Bau ist eine Initiative von Mitgliedern der Indu­                                                                  und Lehrer_innenzimmern sichtbar werden, ohne Angst vor
                striegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU).                                                                          Diskriminierung. Die Arbeitsgemeinschaft bietet zudem ein
                „Mensch = Mensch: Jeder hat das glei­che Recht“ heißt                                                                   Forum, in dem alle über die eigene berufliche und persönliche
                hier das Credo. IGay Bau leistet Aufklärungsarbeit in                                                                   Situation sprechen können.
                Betrieben, Gewerkschaften und Berufsschulen, wirbt
                für Toleranz und Respekt und bietet ein Forum sowie                                                                     Kontakt: lehrer_innen@gmx.de
                Hilfestellung bei Problemen am Arbeitsplatz.                                                                            Website: www.gew-hessen.de

                Kontakt: igaybau@freenet.de
                Website: www.facebook.com/IGayBAU/

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LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten
Rechtlicher Rahmen für Antidiskriminierung

Die Persönlichkeit
im Fokus
Transidente und intergeschlechtliche Menschen sind vielerorts von
Aus­grenzung betroffen. Das Gesetz nimmt Arbeitgeber_innen in die
Pflicht, dem entgegenzuwirken – mit Vorgaben im Allgemeinen Gleich­
behandlungsgesetz (AGG), im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und
im Grundgesetz (GG). Unsere Autorin erläutert, wie sich diese Vorgaben
auf betriebliche Prozesse und die Unternehmenskultur auswirken.

                                        m/w/d: Seit Ende 2018 finden sich diese drei            das Pronomen und Geschlecht, mit dem sich die
                                        Buchstaben in fast jeder Stellenausschreibung.          Person vorstellt. Im sozialen Miteinander ist sie
                                        „Divers“ als jüngst eingeführte dritte Option hat       dann genau das: Frau oder Mann oder keins von
                                        der ge­­schlechtlichen Vielfalt neue Aufmerksam­        beiden. Der Personenstand „divers“ ist ein Sam­         Was ist das AGG?
                                        keit geschenkt. Diese dritte Option – und die we­­      melbegriff, der Vielfalt (Diversität) zum Ausdruck
                                        niger bekannte vierte Option, den Geschlechts­          bringt. Kaum jemand verwendet ihn jedoch als
                                        eintrag ganz offen zu lassen – stärken als offizielle   Bezeichnung der eigenen Identität. Der Begriff          Das Allgemeine Gleichbehandlungsge-
                                        Passeinträge die Grundrechte von nicht-binären          ist also eher ungeeignet, um eine Person zu be­­        setz (AGG) schützt vor Benachteiligungen
                                        transidenten und intergeschlechtlichen Menschen.        schreiben.                                              aufgrund der ethnischen Herkunft, des
                                                                                                                                                        Geschlechts, der Religion oder Weltan-
                                        Diese staatliche Anerkennung ist wichtig, von dis­      AGG: Der rechtliche Rahmen für                          schauung, einer Behinderung, des Alters
                                        kriminierungsarmen, gar gleichwertigen Arbeits­         Antidiskriminierung                                     oder der sexuellen Identität. Seit einer
                                        bedingungen sind die allermeisten transidenten                                                                  Entscheidung des Bundesverfassungs­ge­
                                        und intergeschlechtlichen Menschen jedoch weit          Die m/w/d-Ausschreibungen verweisen auf das             richts 2017 ist klargestellt, dass mit dem
                                        entfernt. Damit Geschlechtervielfalt nicht nur auf      wichtigste Gesetz des Diskriminierungsschutzes:         Merkmal „Geschlecht“ neben Frauen und
                                        der Oberfläche von Stellenausschreibungen ver­          Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).           Männern auch nicht-binäre Menschen
                                        bleibt, sondern im Arbeitsalltag ankommt, braucht       Es sieht vor, dass Stellenausschreibungen nicht         vor ge­­schlechtsbezogener Diskriminie-
                                        es breite Bemühungen auf betrieblicher Ebene            gegen das Diskriminierungsverbot des § 7 AGG            rung geschützt sind.
Zur Autorin                             und soziale Lernprozesse. Geschlechtliche Identi­       verstoßen dürfen. Niemand darf also wegen des
                                        tät ist etwas Persönliches – unabhängig davon, ob       Geschlechts oder der sexuellen Identität benach­        Betroffene können Rechtsansprüche
Friederike Boll hat Rechtswissen-       sich jemand als cis oder trans, als binär oder nicht-   teiligt werden, weder direkt noch mittelbar. § 11       gegen Arbeitgeber_innen, Unternehmen
schaften studiert und arbeitet seit     binär begreift. Das Geschlecht sollte Achtung fin­      AGG legt fest, dass auch Ausschreibungen nicht          und Privatpersonen geltend machen,
2017 als Anwältin.                      den allein aus dem Respekt vor der Persönlichkeit       benachteiligen dürfen. Wird gegen dieses Verbot         wenn diese gegen das Diskriminierungs-
                                        des oder der Kolleg_in.                                 verstoßen, drohen nach § 15 AGG Schmerzens­             verbot verstoßen.
Ihre Kanzlei in Frankfurt am Main                                                               geldzahlungen.
ist spezialisiert im Arbeits- und       Wer die Lage verbessern möchte, muss also die
Anti-Diskriminierungsrecht.             Geschlechtsidentität im Blick haben. Diese be­­         Auch das Grundgesetz schützt die geschlechtliche
                                        schreibt, wie sich ein Mensch selbst als geschlecht­    Identität einer Person, die sich weder als männlich
                                        liches Individuum versteht und von anderen ver­         noch als weiblich bezeichnet. Das Bundesverfas­
                                        standen werden will. Maßgeblich ist die Anrede,         sungsgericht hat dies 2017 ausdrücklich festgestellt.

14   LSBTIQ & Arbeit www.amka.de                                                                                                                                                                15
LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten
Trans- und Inter-Personen im Outing-Prozess. Sie
                                                                                                                                                                      erhalten Klarheit darüber, wie das Unternehmen
                                                                                                                                                                      zu Geschlechtervielfalt steht, wie sich eine Transi­
                                                                                                                                                                      tion am Arbeitsplatz in die Wege leiten lässt und
                                                                                                                                                                      wer ihnen konkret zur Seite steht.

                                                                                                               lichkeitsachtende Arbeitsbedingungen einstehen,        Auskünfte über Änderungen in der Geschlechts­
                                                                                                               folgt daraus ein Umdenken im Unternehmen –             identität dürfen nicht ohne Einwilligung weiter­
                                                                                                               wenn auch oft langsam: Nicht die angefeindete          gegeben werden. Auch Informationen, die Rück­
                                                                                                               Person soll sich wehren müssen, sondern das            schlüsse darauf zulassen, lässt das gesetzlich gere­
                                                                                                               Umfeld muss für ein diskriminierungsfreies Mit­        gelte Offenbarungsverbot nicht zu. Demnach dür­
                                                                                                               einander sorgen. Ob aus bösem Willen und Ver­          fen zum Beispiel Zeugnisse nicht auf den früheren
                                                                                                               letzungsabsicht diskriminiert wird, ob aus reiner      Namen ausgestellt werden.
                                                                                                               Neugier und Unwissenheit: Die Absicht spielt keine
                                                                                                               Rolle. Jede_r Einzelne steht in der Verantwortung      Die Transition kann maßgeblich erleichtert werden,
                                                                                                               für sein Tun. Arbeitgebende haben die Aufgabe,         wenn sich der Betrieb am gewünschten sozialen
                                                                                                               Diskriminierung zu verhindern, denn sie haben          Auftreten der Person orientiert. So sollte beispiels­
                                                                                Ein offener                    die Organisationsgewalt.                               weise ein Namenswechsel konsequent umgesetzt
                                                                               Umgang mit                                                                             werden, etwa durch das Anpassen von Türschildern
                                                                             Transition führt                  Das AGG verpflichtet sie in § 12 zu Präventions­       oder Visitenkarten. Denn es spricht rechtlich nichts
                                                                                                               maßnahmen. Dabei empfiehlt es sich, ruhig und          dagegen, im Arbeitsalltag einen anderen Namen
                                                                             zu einem un­­ver­                 konsequent zu handeln, das Thema we­­der zu igno­      zu verwenden als in staatlichen Dokumenten. Die
                                                                               krampfteren                     rieren noch aufzublähen. Unternehmen sollten           wenigen Ausnahmen bezüglich Bank-, Steuer- und
                                                                               Miteinander                     innerhalb der Belegschaft Wissen schaffen, trans­      Versicherungsunterlagen lassen sich durch ent­
Prävention fördert das Miteinander                                                                             parent und sachlich informieren – und Haltung          sprechende Vorkehrungen in der Buchhaltung
                                                                                                               zeigen: Scheinbar geringfügige Diskriminierungen       und Personalabteilung leicht umsetzen.
Die Situation von Trans- und Inter-Personen in der                                                             müssen angesprochen und zurückgewiesen wer­
Arbeitswelt ist teils noch immer verheerend. Stu­                                                              den. Es gilt, sich an die Seite der transidenten und   Transitionsrichtlinien zählen übrigens zum Ord­
dien belegen, dass sie überdurchschnittlich von                                                                intergeschlechtlichen Mitarbeitenden zu stellen.       nungsverhalten im Betrieb und unterliegen der
Arbeitslosigkeit, Arbeitsplatzverlust und Einkom­                                                                                                                     Mitbestimmung, zu finden im Betriebsverfassungs­
mensnachteilen betroffen sind. Betriebliche Prä­        dersetzungen können maximal ein Anreiz für Mit­        Vorbehalten und unpassenden Fragen, die trans          gesetz (BetrVG) §87 Abs. 1 Nr. 1. Der Betriebsrat kann
ventionsarbeit und eine Kultur, die Mitarbeitenden      arbeitende sein. Sie sorgen oft eher dafür, durch      und inter Personen belasten, lässt sich durch leicht   sie eigeninitiativ ins Leben rufen und im Streitfall
einen angemessenen Raum für ihre (sachlichen)           Abwehrreaktionen notwendige Lernprozesse zu            zugängliche Information begegnen. Führungs­­­          über die Einigungsstelle durchsetzen.
Fragen bieten und neue Wege im Miteinander för­         verhindern. Ein solches Durchgreifen ist meist nur     kräf­­­te entlasten damit nicht nur die sich outende
dern, wirken sich positiv aus. Nicht selten zeigen      dann sinnvoll, wenn ein Konflikt bereits eskaliert     Person in­­sofern, dass sie diese „Fortbildung“ der    Wer sich an das AGG hält, wird belohnt
sich dann auch positive Nebeneffekte. Denn mehr         ist. So nimmt das AGG in § 12 die Unternehmen in       Kolleg_innen nicht auf Kosten der eigenen priva­
Sensibilität und Handlungssicherheit im Umgang          die Pflicht, Diskriminierungen im Zweifelsfall durch   testen Informationen vornehmen müssen. Ein             Unternehmen müssen laut § 13 AGG eine Beschwer­
mit Vielfalt am Arbeitsplatz kann in vielen Situatio­   Abmahnungen, Versetzungen oder Kündigungen             offener Umgang befreit Transition vom Tabu und         destelle einrichten, ausstatten und qualifizieren.
nen von Vorteil sein, zum Beispiel bei rassistischen    zu unterbinden.                                        führt zu einem unverkrampfteren Miteinander.           Diese ist für sämtliche Diskriminierungsformen
Diskriminierungen. Damit entsteht ein besseres                                                                                                                        zuständig. Sie richtet sich also zum Beispiel auch
Arbeitsklima für viele Mitarbeitende.                   Präventionspflicht im AGG                              Transitionsrichtlinien schaffen Klarheit               an Kolleg_innen, die von Rassismus betroffen sind.
                                                                                                                                                                      Die Ausgestaltung der Beschwerdestellenverfahren
Ein diskriminierungsarmes Unternehmen kommt             Besonders groß ist die Diskriminierungsgefahr          Auch Transitionsrichtlinien sind ratsam. Sie rich­     zählt ebenfalls zum Ordnungsverhalten im Betrieb
zu­­stande, indem sich allmählich neue Alltagsge­       während der Transition sowie im Einstellungspro­       ten sich an Vorgesetzte sowie IT- und Personalab­      und begründet daher ein zwingendes Mitbestim­
wohnheiten verfestigen. Verhaltensvorschriften          zess. „Prävention statt Reaktion“ sollte die Devise    teilungen und beschreiben die internen Abläufe         mungsrecht für den Betriebsrat.
„von oben“, Verbote und rein rechtliche Auseinan­       lauten. Wenn Unternehmen offensiv für persön­          und Zuständigkeiten. Solche Richtlinien helfen

16   LSBTIQ & Arbeit www.amka.de                                                                                                                                                                                          17
LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten
Wer sich an diese und andere Verpflichtungen aus     Gefragt ist auch der Betriebsrat
dem AGG hält, wird im Streitfall entlastet. Insbe­
sondere wird belohnt, wenn kollektivrechtliche       Selbstverständlich kann auch der Betriebsrat prä­
Vereinbarungen mit Arbeitnehmer_innenvertre­         ventiv und unterstützend im Einzelfall aktiv wer­
tungen getroffen werden. Schmerzensgeld zahlen       den. § 17 AGG eröffnet ihm Mitbestimmungsrechte
müssen nämlich nicht nur die „Täter_innen“, son­     im AGG. Außerdem übertragt §75 BetrVG dem
dern auch Arbeitgeber_innen, die ihren Mitarbei­     Betriebsrat die Überwachungsfunktion, dass es im
tenden unzureichend Schutz bieten.                   Betrieb nicht zu Benachteiligungen aufgrund des
                                                     Geschlechts oder der sexuellen Identität kommt.
Diskriminierte Personen können eine Vielzahl         Der Betriebsrat kann somit positive Maßnahmen
arbeits- und antidiskriminierungsrechtlicher         anstoßen (Initiativrecht), Rechtsverletzungen
Mittel nutzen – von Beschwerde- über Leistungs­      unterbinden (Unterlassungsanspruch) und zur
verweigerungsrechten bis hin zum Anspruch auf        Gleichbehandlung und Prävention beitragen.
Schadensersatzzahlungen. Und: Umfasst eine           Dazu zählen auch aktive Fördermaßnahmen: Der
Arbeitsanweisung eine diskriminierende Hand­         Betriebsrat kann Auswahlrichtlinien nach § 95
lung, können Mitarbeitende sie nach § 16 Abs. 2      BetrVG so mitgestalten, dass strukturelle Nachteile
AGG ohne Konsequenzen zurückweisen.                  von Trans- und Inter-Personen in der Bewerbung
                                                     und im beruflichen Aufstieg ausgeglichen werden.

                                                     Der Betriebsrat kann sich zum AGG selbst fortbilden
                                                     lassen, wie § 37 Abs. 6, 40 BetrVG besagt. Er kann
                                                                                                              Diskriminierungs-
Wer hilft weiter?
                                                     auch die Fortbildung und Sensibilisierung von
                                                     Kolleg_innen – vor allem von jenen, die mit Perso­
                                                     nalangelegenheiten betraut sind – anschieben,
                                                                                                              armes Arbeitsumfeld:
•	Eine praxisnahe Übersicht gibt das
                                                     entweder als Prävention nach dem AGG oder über
                                                     § 98 Abs. 5 BetrVG als betriebliche Bildungsmaß­
                                                                                                              Was dazu beiträgt
   Handbuch „Rechtlicher Schutz vor                  nahme.
   Diskriminierung“ der Anti-Diskrimi-
   nierungsstelle des Bundes. Sie bietet             Wird gegen das AGG verstoßen – zum Beispiel            •	Unmissverständlich klarmachen: Die Anliegen                •	Vergeschlechtlichte Sprache weglassen,
   zudem eine kostenlose, anonyme                    durch diskriminierende Formulierungen in Rund­           von trans und inter Personen sind zu berück­                  wo sie nicht nötig ist: etwa statt „Sehr geehrte
   Beratung. Mehr dazu unter                         schreiben oder indem diskriminierendes Verhalten         sichtigen.                                                    Frau/sehr geehrter Herr XY“ ein unkompliziertes
   www.antidiskriminierungsstelle.de                 durch einzelne Mitarbeitende geduldet wird –                                                                           „Guten Tag Vorname Nachname“ schreiben
                                                     kann der Betriebsrat und jede im Betrieb vertretene    • F
                                                                                                               ür Sensibilisierung im Einstellungsverfahren                (siehe auch Seite 32)
•	Für Betriebsräte interessant ist die              Gewerkschaft Unterlassung oder Vornahme for­             sorgen. Lebensläufe von trans und inter Per­­­­­­­­­­­so­
   Reihe zu „Trans in Arbeit“ der Landes-            dern (§ 23 Abs. 3 BetrVG und § 17 Abs. 2 AGG). Im        nen können ungewöhnliche Lücken haben,                      • P
                                                                                                                                                                             ersonalisierte Schilder und Adresslisten
   stelle für Gleichbehandlung – gegen               Zweifelsfall kann dies vor Gericht zwangsweise           Zeugnisse verschiedene Namen – kein Grund,                    anpassen: Sie sollten einheitlich dem Wunsch-
   Diskriminierung in Berlin. Mehr dazu              durchgesetzt werden.                                     eine Bewerbung zu ignorieren.                                 Namen der Person entsprechen – unabhängig
   unter www.berlin.de > Politik, Ver­                                                                                                                                      von rechtlichen Namensänderungen.
   waltung, Bürger > Senatsverwaltungen >            Die oben erwähnte Beschwerdestelle ergänzt bes­        •	Kein Zwangsouting im Bewerbungsgespräch:
   Justiz, Verbraucherschutz und Antidis-            tenfalls die Betriebsratsarbeit, ersetzt sie jedoch      Fragen zum Thema betreffen den Intimbereich                 •	Umkleide- und Toilettenräume gestalten:
   kriminierung > Antidiskriminierung >              nicht. Der Rat kann in Einzelfällen über § 85 BetrVG     und sollten vermieden werden. Sprechen Be­wer­                 Beide sollten entsprechend des gelebten sozialen
   Schwerpunkte > LSBTI > Materialien                auch weiterhin selbst Beschwerdeverfahren beglei­        bende aber offen über sich, sollte man offen                   Geschlechts zugänglich sein – unabhängig vom
                                                     ten und gegebenenfalls über die Einigungsstelle          reagieren. Das setzt den Ton für einen unver­                  rechtlichen Personenstand oder der körperlichen
•	Nachfragen lohnt sich auch bei den                externe Fachkompetenz hinzuholen.                        krampften Umgang und ist ein Vertrauensbeweis.                 Erscheinung. Nicht-binäre Personen sollten
   Gewerkschaften                                                                                             Ein trans- und inter-sensibler Einstellungsprozess             wählen können.
                                                     Auf all diese rechtlichen Regelungen kann der Be­­       zeugt von Respekt und bietet den Bewerbenden
                                                     triebstrat im Unternehmen aufmerksam machen –            Sicherheit.                                                 • Sensibilisierungsmaßnahmen etablieren:
                                                     zum Beispiel durch Workshops, Impulsreferate auf                                                                        präventiv und flächendeckend für Personal­­­ab­
                                                     Betriebsversammlungen oder eine Sprechstunde.          • F
                                                                                                               ördermöglichkeiten allen zugänglich machen:                  teilungen sowie anlassbezogen für Vorgesetzte
                                                     Erste Informationen kann er Mitarbeitenden durch         Dafür bieten die Antidiskriminierungsstellen spe­              und Teams
                                                     Aushänge am (digitalen) schwarzen Brett liefern          ziell auf die Arbeitswelt zugeschnittene Infoblätter.
                                                     oder, nach Rücksprache mit der Arbeitgeberseite,
                                                     in den Toilettenräumen.

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Coming-out am Arbeitsplatz

                                                                                                                     So unterstützen Sie
                                                                                                                     transgeschlechtliche
                                                                                                                     Kolleg_innen
                                                                                                                     Ein Kollege erzählt in der Kaffeepause, dass sie schon lange privat
                                                                                                                     eine Frau ist – und bittet um Rat, wie ein Coming-out im Team
                                                                                                                     funktionieren kann. Beim Bewerbungsgespräch im Jugendzentrum
                                                                                                                     macht Sascha einen qualifizierten Eindruck – im Personalbogen hat
                                                                                                                     er bei der Geschlechtsangabe „divers“ angekreuzt. Zwei Situationen,
                                                                                                                     in denen manche fürchten, unpassend zu reagieren. Doch ein
                                                                                                                     angemessenes Verhalten liegt oft ganz nah.

                                                                                                        2                                                  3
                                                                                                            Fragen Sie respektvoll                             Unterstützen Sie,
                                                                                                            und angemessen                                     wo Sie können

                                                                                                            Respektvolle Fragen sind enorm wichtig             Trans Personen müssen einen langen
                                                                                                            für ein trans-inklusives Arbeitsklima.             rechtlichen Weg gehen. Das sogenannte
                                                                                                            Wenn Sie zum Beispiel bei der Anrede               Transsexuellengesetz schreibt ein auf­
                                                                                                            unsicher sind, fragen Sie einfach nach             wendiges und teures Gerichtsverfahren
                                                                                                            dem bevorzugten Namen oder Personal­               vor, um einen neuen Personalausweis zu

                1
                                                                                                            pronomen. Beispielsweise „Wie darf ich             bekommen. Dokumente wie Schulzeug­
                         Coming-out:                                                                        Sie/Dich jetzt richtig ansprechen?“ oder           nisse oder Girokontokarten müssen vom
                         Nehmen Sie Ihr Gegenüber ernst                                                     „Welches Pronomen nutzen Sie/nutzt                 Amtsgericht bestätigt werden. Auf der
                                                                                                            Du nun?“.                                          Arbeit müssen E-Mail-Adressen, Visiten­
                         Ein Coming-out ist oft mit der Angst vor Ablehnung verbunden. Wenn sich                                                               karten oder Türschilder verändert werden.
                         Ihnen ein_e Kolleg_in offenbart, nehmen Sie das Gespräch ernst. Freuen Sie         Sollten Sie versehentlich den früheren
                         sich über das Vertrauen. Besprechen Sie gemeinsam, wie Sie mit dieser Infor­       Namen oder ein falsches Pronomen be­­              Fragen Sie, welche Änderungen wichtig
                         mation umgehen und welche Wünsche und Vorstellungen mit dem Coming-                nutzen, korrigieren Sie sich einfach selbst.       sind. Vielleicht finden Sie gemeinsam
                         Out verbunden sind. Viele transgeschlechtliche Menschen möchten noch               Übrigens: Viele Trans-Selbsthilfe-Orga­            unbürokratische Lösungen. Die sind mit­
                         anderen Personen von sich erzählen. Sie können ihre Anwesenheit bei künf­          nisationen stellen online Broschüren und           unter nur zwei Mausklicks entfernt.
                         tigen Ge­­sprächen anbieten und gemeinsam Strategien entwickeln, wie sich          Flyer bereit, die sich auch an Kolleg_innen
                         ein entspanntes Klima schaffen lässt.                                              richten. Dazu zählen:                              Bedenken Sie: Die Sichtbarkeit des eige­
                                                                                                            Netzwerk Geschlechtliche Vielfalt Trans            nen Geschlechts durch Namen, Berufs­
                         Wem sich transgeschlechtliche Kolleg_innen zuerst offenbaren, hängt vom            NRW: www.ngvt.nrw                                  bezeichnungen etc. ist für trans Personen
                         eigenen Empfinden ab. Manche möchten zunächst mit dem Vorgesetzten                 Trans-Ident e.V.: www.trans-ident.de               unglaublich wichtig. Sie zeigt, dass die
                         sprechen, um etwa ihre Abwesenheit aufgrund der Geschlechtsangleichung                                                                Person so anerkannt wird, wie sie ist, und
                         zu klären. Andere halten ein Gespräch mit vertrauten Kolleg_innen für wich­                                                           verringert Stress.
                         tiger, weil für sie die soziale Anerkennung im Vordergrund steht.

20   LSBTIQ & Arbeit www.amka.de                                                                                                                                                                        21
4       Machen Sie sich stark!

                                           Trans Menschen sind vielen Abwertungen ausgesetzt. Sie
                                           müssen unangebrachte Fragen zu ihren Genitalien über
                                           sich ergehen lassen oder Getuschel über die Körperhaltung.
                                           Auch ganz konkrete Diskriminierungen oder Gewaltaus­
                                           brüche kommen vor. Setzen Sie sich für Ihr Teammitglied
                                           ein und positionieren Sie sich ganz klar gegen Transfeind­
                                           lichkeit. Scheuen Sie nicht davor zurück, Beratungsstellen
                                           aufzusuchen oder Ihrem Vorgesetzten Diskriminierungen
                                           zu melden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
                                           schützt auch die geschlechtliche Identität von trans Perso­
                                           nen am Arbeitsplatz.

                                           Zeigen Sie durch Handlungen im Alltag, dass sich an dem
                                           guten, kollegialen Verhältnis nach dem Coming-out nichts
                                           geändert hat – zum Beispiel, indem Sie unpassende Kom­
                                           mentare von anderen Kolleg_innen nicht billigen. Trans
                                           zu sein ist nämlich nur eine Facette der Persönlichkeit. Und
                                           die sollte schnell wieder zur Nebensache werden.

                                                                                                          Unisex-Toiletten

5
       Für Arbeitgeber_innen: Richtlinien für ein
       trans-inklusives Arbeitsklima erstellen
                                                                                                          „In vielen Ländern
       Arbeitgeber_innen nehmen oft ein Coming-out zum Anlass, um über ein
       trans-inklusives Klima nachzudenken. Es lohnt sich jedoch, gerade in großen
                                                                                                           ist das die Regel“
       Unternehmen, grundsätzliche Transitions-Richtlinien zu erarbeiten. Damit lässt
       sich beispielsweise regeln, wie Waschräume genutzt werden, wer Ansprechper­                        Sie erleichtern trans, inter und queeren Kolleg_innen den Arbeits-
       son für LSBTIQ-Themen ist oder welche Konsequenzen Beleidigungen haben.                            alltag: Wie man Unisex-Toiletten im Unternehmen etabliert und sich
       Solche Richtlinien schaffen Transparenz und zeigen, dass Inklusion unabhän­
                                                                                                          Miss­verständnisse ausräumen lassen, erzählt Denise Hottmann,
       gig von einer konkreten Person wichtig ist. Lassen Sie sich in der Erstellung der
       Richtlinien beraten und passen Sie sie den Verhältnissen in ihrem Unternehmen
                                                                                                          Diversitäts­beauftragte beim Pharma-Konzern Boehringer Ingelheim.
       oder Betrieb an.

                                                                                                          Denise Hottmann, was hat den Anstoß
                                                                                                          für Unisex-Toiletten gegeben?
                                                                                                                                                                Zur Person
                                                                                                          Wir wollen unseren Mitarbeitenden ein Arbeits­
        Brauchen Sie Unterstützung?                 Die „Landesstelle für Gleichbehand-                   umfeld bieten, indem sie sich bestmöglich ein­        Denise Hottmann ist Head of
                                                    lung – gegen Diskriminierung“ in                      bringen können. Dafür braucht es die passende         Diver­­­­sity and Inclusion Deutsch-
        Die Koordinierungsstelle für LSBTIQ-        Berlin bietet weitere Infos zum Thema.                Infrastruktur. Als Ende 2018 das Gesetz zur dritten   land bei Boehringer Ingelheim.
        Themen im Amt für multikulturelle           Zu finden sind sie unter www.berlin.de/               Geschlechtsoption beschlossen wurde, haben wir
        Angelegenheiten nennt Ihnen gerne           sen/lads/schwerpunkte/lsbti – und                     überlegt, wie wir damit umgehen. Da ging es um        Sie hat dort das Diversitätsmanage­
        eine passende Beratungsstelle oder          dort unter „Trans* in Arbeit“.                        Standardanreden in der digitalen Kommunikation,       ment mit aufgebaut. Zudem ist sie
        Selbsthilfeorganisation in Frankfurt.                                                             aber schnell eben auch um Unisex-Toiletten.           im Vorstand der Arbeitgeber_innen-
                                                                                                                                                                Initiative „Charta der Vielfalt“.

22   LSBTIQ & Arbeit www.amka.de                                                                                                                                                                 23
Wie ist das im Kollegium angekommen?                     Was sind konkrete Vorteile von Unisex-
                                                                                                                Toiletten?
                                                       Prinzipiell gut. Doch oft herrscht noch ein Miss­
                                                       verständnis. Manche denken, da sei eine Anlage           Besonders Toiletten-Kabinen mit eigenem Wasch­
                                                       nur für Inter- und Trans-Personen hinzugekom­            becken und Spiegel sind ein Rückzugsort, mit
Was haben Sie konkret unternommen?                     men. Das ist aber nicht so, alle dürfen sie nutzen.      dem sich Diskriminierung abbauen lässt. Ganz
                                                       Das ist eine Botschaft, die wir permanent kommu­         unabhängig von geschlechtlicher Identität. Nut­­
Wir haben mit dem Management überlegt, welche          nizieren. Ich merke, dass hierzulande das Ver­           zen können ihn zum Beispiel auch Frauen, die ein
Haltung wir zur neuen Gesetzgebung einnehmen.          ständnis für gemeinsam genutzte Toiletten im             Kopftuch tragen und es hin und wieder richten
Da gab es keine lange Diskussion. Wenn wir als         öffentlichen Raum fehlt. Wir sind es gewohnt, auf        müssen. Oder Menschen, die Medikamente ein­
Unternehmen sagen, dass Vielfalt für uns wichtig       geschlechterspezifische Toiletten zu gehen. Wenn         nehmen. Zudem können gemeinsam genutzte
ist – und ein Erfolgsfaktor –, warten wir nicht, bis   Sie dann nachfragen, wie die Toilette zuhause            Toiletten das Problem langer Wartezeiten lösen.
in ferner Zukunft eine Arbeitsstättenverordnung        genutzt wird oder wie es in der Bahn oder im Flug­       Ich erinnere mich an endlose Schlangen bei be­­
vorschreibt, sanitäre Anlagen umzubauen. Wir           zeug ist, kommen die Leute ins Grübeln. Wer oft          stimmten Konferenzen, an denen entweder viele
haben auch die Belegschaft gefragt. Vor allem dieje­   im Ausland unterwegs ist, dem sind Unisex-Toilet­        Männer oder viele Frauen teilgenommen haben.
nigen, für die das relevant sein würde. So haben wir   ten ohnehin wohlbekannt. In vielen Städten, etwa         Und noch ein Vorteil, den man nicht unterschät­
uns mit dem internen Regenbogennetzwerk und            New York, sind sie mittlerweile die Regel.               zen sollte: Smalltalk, bei dem oft Wichtiges bespro­
dem Inklusionsteam beraten, wie sich Unisex-Toi­                                                                chen wird, findet meist in Toiletten statt oder auf
letten für alle Mitarbeitenden gut umsetzen lassen.    Wie gehen Sie mit Unbehagen gegenüber                    dem Weg dorthin. Mit Unisex ist also keiner aus­
                                                       der neuen Toilettensituation um?                         geschlossen.
Sie wollten also nicht über, sondern
mit den Menschen sprechen.                             Aufklärung ist sehr wichtig. Häufig kommt die            Was tut Ihr Unternehmen außerdem
                                                       Frage, wie viele Kolleg_innen es denn überhaupt          für LSBTIQ-Personen?
Unsere Unternehmenskultur sieht vor, dass alle so      betrifft. Es ist jedoch unwesentlich, wie viele Inter-
sein können, wie sie sind. Niemand muss sich ver­      und Trans-Personen bei uns arbeiten. Es gibt sie,        Vor allem bringen wir Menschen miteinander in
stecken. Diese gewünschte Vielfalt bringt auch mit     das zu wissen, reicht aus. Vielen ist gar nicht be­­     Kontakt. Es ist menschlich, dass das, was man nicht
sich, dass wir verschiedene Optionen anbieten. Im      wusst, welche komplizierten Alltagssituationen           kennt, erstmal Zurückhaltung oder sogar Angst
Fall der Toiletten haben heute alle die Möglichkeit,   Trans- und Inter-Personen durchmachen müssen.            auslöst. Es gibt bei uns Beschäftigte, die sagen, sie
entweder auf die geschlechterspezifische oder auf      Und von all dem abgesehen: Anlass für Unbehagen          würden niemanden kennen, der schwul, lesbisch,
die Unisex-Toilette zu gehen.                          ist nicht gegeben, weil sich nach wie vor alle ihre      bi, trans, inter oder queer ist. Rein statistisch ist das
                                                       Toilette aussuchen können.                               völlig unmöglich. Da setzen wir auf persönliche
                                                                                                                Begegnungen. Wir haben zum Beispiel transidente
                                                                                                                Kolleginnen, die sehr offen sind. Mit ihnen kann
                                                                                                                man sich zum Mittagessen treffen und sich aus­
                                                                                                                tauschen.

                                                                                                                Welche Tipps geben Sie anderen für die
                                           „Viele wissen nicht, wie                                            Einführung von Unisex-Toiletten?

                                             kompliziert der Alltag für                                         Eine undogmatische, kompromissbereite Heran­
                                                                                                                gehensweise. Ich hätte großen Widerstand geern­
                                             trans und inter Personen                                           tet, hätte ich gefordert, dass alle bestehenden An­­
                                             sein kann.”                                                        lagen auf unser neues Konzept umgestellt werden
                                                                                                                müssen. Statt alles auf einmal anzugehen, sollte
                                                                                                                man besser Schritt für Schritt verfahren. Wir mer­
                                                                                                                ken, dass wir bei jedem Bau dazulernen und von
                                                                                                                den vorangegangenen Erfahrungen profitieren.
                                                                                                                Außerdem ist Kommunikation extrem wichtig, um
                                                                                                                Missverständnisse zu vermeiden – und zwar in

24   LSBTIQ & Arbeit www.amka.de                                                                                                                                      25
alle Richtungen. Man muss deutlich machen, dass         Deshalb sind zusätzliche Unisex-Toiletten bei uns
eine Toilettenanlage für alle installiert wird. Hilf­   für alle Neubauten selbstverständlich.
reich ist auch, sich Expert_innen hinzuzuholen.
                                                        Wo sehen Sie noch Nachholbedarf in
Sehen Sie es als Pflicht des Arbeitgebers,              Ihrem Unternehmen?
Unisex-Toiletten anzubieten?
                                                        Wir wollen unsere Stellenausschreibungen unter­
Wenn es um Pflichten geht, sind die Gesetzgeben­        nehmensweit inklusiv verfassen. Zum Teil sind sie
den zuständig. Sie müssen entscheiden, ob und           in ihrer Tonalität noch stark auf Männer ausge­
wie sich die Arbeitsstättenverordnung ändern            richtet, und die technischen Voraussetzungen in
lässt. Hätte ich ein Wörtchen mitzureden, würde         den Stellenportalen sind nicht ausreichend, um
ich bei rechtlichen Vorgaben die Unternehmens­          geschlechtersensibel zu formulieren. Da können
größe als Maßstab nehmen. Ich würde auch zwi­           wir noch besser werden. Darüber hinaus sind wir
schen Neu- und Bestandsbauten unterscheiden.            dabei, unsere aus IT-Systemen generierte Standard-
Bei uns begründen wir die Einführung der Toiletten      Kommunikation komplett auf wertschätzende,
mit unserer Haltung. Wir wollen gute Rahmen­            geschlechtersensible Kommunikation umzustellen.
bedingungen für alle Mitarbeitenden schaffen.
                                                        Und welche Veränderung freut Sie besonders?

                                                        Viele unserer Abteilungen denken Diversity-­
                                                        Themen inzwischen selbstverständlich mit. In
                                                        Bereichen, wo man vor wenigen Jahren stark
Getrennte Toiletten –                                   sensibilisieren musste, sind sie fest verankert.
eine moderne Erfindung                                  Beispielsweise müssen wir bei Neubauten kaum
                                                        mehr unterstützen. Automatische Türöffner
Bis weit ins 19. Jahrhundert waren                      oder Großraumnasszellen für mobilitätseinge­
separate Toiletten eher die Ausnahme.                   schränkte Menschen werden mitgedacht, eben­­­­-
Den Wendepunkt markierte das Vikto-                     so teilweise absenkbare Theken für Menschen
rianische Zeitalter mit seinem strengen                 im Rollstuhl.
Moralkodex: Das Zurschaustellen des
menschlichen Körpers war in Groß­                       Was planen Sie derzeit, um trans, inter und
britannien zunehmend verpönt. Diese                     nicht-binären Menschen das Arbeits­leben
Einstellung führte zur Toilettentren-                   zu erleichtern?
nung, der sich viele weitere Länder
anschlossen.                                            Neben der IT-Änderung bei den Standard-An­
                                                        reden organisieren wir Schulungen für unseren
                                                        Werkschutz. Denn um das Gelände zu betreten,         Gendergerechte Sprache
                                                        ist eine Ausweiskontrolle obligatorisch. Solche

                                                                                                             Mitgemeint war gestern
                                                        Checks sind aber für Menschen, deren Geschlecht
Unisex-Toiletten in Frankfurt                           von dem im Ausweis abweicht, sehr unangenehm.
                                                        Vor allem dann, wenn noch andere Wartende
Vielerorts im Frankfurter Stadtgebiet                   anwesend sind. Wir wollen die Kolleg_innen im
gibt es bereits Unisex-Toiletten, bei-                  Werkschutz für einen sensiblen und nicht pro­
spielsweise an der Goethe-Universität                   blematisierenden Umgang stärken. Denn damit          Wie schaffen wir es, unsere an männlichen Rollen orientierte Sprachpraxis
und der Frankfurt University of Applied                 entlasten wir die Personen ungemein.                 umzuwandeln? Vielen erscheint das schwierig. Zum Glück ist gender­
Sciences. Auch in öffentlichen Räumen                                                                        gerechte Sprache einfacher, als oft gedacht. Den Plural statt (männlichen)
und in der Gastronomie findet man
                                                                                                             Singular nutzen, Sachverhalte umschreiben oder gängige Sprachbilder
sie häufiger.
                                                                                                             hinterfragen: Es gibt viele Möglichkeiten, alle Orientierungen und Iden­
                                                                                                             titäten sichtbar zu machen.

26    LSBTIQ & Arbeit www.amka.de                                                                                                                                                         27
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