LSBTIQ & Arbeit - Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer - Amt für multikulturelle Angelegenheiten
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Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Inter Queer Wie sich Diskriminierung abbauen lässt Rechte von LSBTIQ Trans-Personen im Beruf & Tipps für eine Arbeit gendergerechte Sprache
So unterstützen Sie trans geschlechtliche Kolleg_innen 20 Ein Outing am Arbeitsplatz ist oft mit der Angst vor Ablehnung verbunden. Mit vertraulichen Gesprächen und angemessenen Fragen erleichtern Sie den Prozess. „In vielen Ländern ist das die Regel“ 23 9 Wie sich Unisex-Toiletten im Unternehmen etablieren LSBTIQ-Koordinierungsstelle im Amt für multikulturelle Inhalt lassen, erzählt Denise Hottmann, Diversitätsbeauf tragte beim Pharma-Konzern Boehringer Ingelheim. Angelegenheiten Mainzer Landstraße 293 60326 Frankfurt E-Mail: lsbtiq@stadt-frankfurt.de Tel.: (069) 212-73145 und -74529 Grußwort der Dezernentin 4 Gendergerechte Sprache: Mitgemeint war gestern 27 Web: www.amka.de Das Amt für multikulturelle Angelegenheiten im stadtRAUMfrankfurt: Gemeinsam für ein LSBTIQ- freundliches Arbeitsklima 6 Eine lebenswerte Stadt für alle 35 14 Seit November 2015 hat die Stadt Frankfurt am Main mehr dazu ab Seite 42 eine Koordinierungsstelle für LSBTIQ-Themen im Studien zeigen: Diskriminierung im Berufs leben gibt es noch immer. Diese Broschüre Amt für multikulturelle Angelegenheiten. möchte alle bestärken, die sich vor Ort für LSBTIQ-Belange einsetzen. „ Wer Vielfalt ignoriert, verliert den Anschluss“ 9 stadtRAUMfrankfurt: mitreden, mitteilen, miterleben 42 Jean-Luc Vey unterstützt mit Prout at work bundesweit LSBTIQ-Netzwerke in Konzernen. Im Interview spricht er darüber, wie die Stif tung zu einem Kulturwandel beitragen will. Veranstaltungen der LSBTIQ-Koordinierungsstelle 44 23 Wer vertritt meine 12 Interessen? Christopher Street Day in Frankfurt 48 Die Persönlichkeit im Fokus 14 Das Gesetz nimmt Arbeitgeber_innen in die Glossar 50 Pflicht, Diskriminierung entgegenzuwirken. Unsere Autorin erläutert, wie sich diese Vor- gaben auf betriebliche Prozesse auswirken. Impressum 51 27 2 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 3
Eine Stadt, die für alle da sein will, muss verschie dene Blickwinkel einnehmen. Sie muss nah dran sein an den Menschen, an Gruppen und Commu Frankfurt ist offen für nitys. Dafür gibt es das AmkA. Und nun auch einen Ort, den stadtRAUMfrankfurt: unser neues Zentrum alle Lebenswirklichkeiten für die Vielfalt unserer Stadt. Der stadtRAUMfrank furt liegt direkt an der Galluswarte, in der Mainzer Landstraße 293. Kommen Sie vorbei, machen Sie das Haus auch zu Ihrem Ort! Als ich mich Mitte der 1980er Jahre in der Frauen aber wir können es schon deutlich sagen: Echte bewegung engagierte und meine ersten Demon Gleichstellung ist nicht erreicht. Und klar ist für Denn für eine offene Stadt muss gelten: Sie muss strationen besuchte, habe ich oft versucht, mich in mich auch: Der Weg ist nicht das Ziel. für alle offen sein. LSBTIQ-Themen und -Personen die tapferen „Stonewall Kids“ hineinzuversetzen. sind ein lebendiger Teil unserer Stadt. Wir sind alle Sie hatten genug von all den Erniedrigungen und Inzwischen ist ebenso deutlich geworden: Zu unterschiedlich – und das ist gut so. Diskriminierungen. LSBTIQ-Themen gehört noch mehr, ein ganzer Regenbogen an Lebenslagen, denen wir seitens Diese Broschüre möchte zum Austausch anregen, Vor ihrem Wohnzimmer, dem „Stonewall Inn“ in der Stadt jedes Jahr am IDAHOBITA gedenken. gelungene Beispiele aufzeigen und motivieren, der Christopher Street in New York City, haben sie Hinter jedem dieser Buchstaben stehen Menschen, sich für LSBTIQ-Personen stark zu machen. „Eine Stadt, die für alle sich am 28. Juni 1969 erstmals versammelt und zur ihre Persönlichkeit und Identität und Erfahrungen Wehr gesetzt. Sie wurden verprügelt, verhaftet, ge in unserer Stadt – im Alltag, im Berufsleben und Die Broschüre richtet sich an möglichst viele. da sein will, muss ver- demütigt. Doch sie haben zusammengestanden im Umgang mit Behörden. Für diese Bandbreite An all diejenigen, die sich schon mit Diversitäts schiedene Blickwinkel und für ihre Freiheiten gekämpft. Unter Inkaufnah wurde eine Koordinierungsstelle im Amt für multi themen auseinandersetzen, ob beruflich, ehren me persönlicher Nachteile haben sie vielen anderen kulturelle Angelegenheiten (AmkA) eingerichtet. amtlich oder persönlich. Sie richtet sich aber auch einnehmen. Sie muss Menschen in ihrem eigenen Streben nach Freiheit Sie macht das, was das ganze AmkA macht: Sie an alle anderen, um sie dafür zu interessieren. Sie nah dran sein an und Gleichheit den Weg bereitet. ist ein Kontakt für das Thema, bietet Kontakte zu möchte Communitys und Betroffene ansprechen Communitys oder umgekehrt in die breite Stadt und nicht zuletzt die allgemeine Öffentlichkeit, Menschen, Gruppen Diese Geschichte hat auch mir die Zuversicht gege gesellschaft. Innerhalb der Stadtverwaltung berät um dafür zu sensibilisieren, wie andere unsere und Communitys.” ben, dass sich etwas verändern lässt, wenn es ein sie andere Ämter zu Themen und Anliegen mit Stadt erleben – und was wir alle tun sollten und gemeinsames Ziel gibt. Selbst dann, wenn die Inte LSBTIQ-Bezug. tun können. ressen unterschiedlich, die politischen Ansichten verschieden sind und es heftige Diskussionen gibt. LSBTIQ-Personen erleben versteckte und offene Im besten Fall weitet die Broschüre auch Ihren Blick Diskriminierung. Einige fühlen sich ausgegrenzt, für die Belange von LSBTIQ-Menschen am Arbeits Die Errungenschaften der LSBTIQ-Bewegungen andere berichten von erlittener Gewalt. Auch im platz. Ich wünsche mir daher, dass Sie viele Anre sind beeindruckend. Gerade in Frankfurt haben Kontakt mit Behörden fühlen sich manche benach gungen finden und sich neue Kontakte auftun. wir – auch und vor allem dank des CSD – eine teiligt. Einige erfahren in mehr als einer Hinsicht starke, offene und tolerante Zivilgesellschaft, die Benachteiligung – zum Beispiel aufgrund ihrer für Akzeptanz und Gleichberechtigung und gegen Herkunft, weil sie arm sind und eine Behinderung Diskriminierung einsteht. haben. Sie sind es, die unsere Unterstützung ganz besonders brauchen. Die Lebensrisiken in unserer „Weltoffenes Frankfurt – auf dem Weg zu einer Gesellschaft sind sehr ungleich verteilt, wie das Sylvia Weber lesben- und schwulenfreundlichen Stadt“ – so AmkA täglich erfährt. Dafür arbeitet es mit Ana Integrations- und Bildungsdezernentin heißt seit vielen Jahren ein regelmäßiger Bericht lysen, in Netzwerken, Arbeitsgruppen, in direkten der Stadt Frankfurt. Das ist unser Ziel. Wir sind auf Kontakten und durch Förderungen. diesem Weg ein gutes Stück vorangekommen – 4 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 5
Gemeinsam für ein LSBTIQ-freundliches Arbeitsklima 75% Unser Wohlbefinden hängt wesentlich nach oben gefightet hat. Homofeindlich davon ab, was wir am Arbeitsplatz erleben keit und Sexismus gehen hier mitunter – oder ob wir überhaupt Arbeit haben. Hand in Hand. Rund drei Viertel der LSBTIQ- LSBTIQ-Personen sind von beidem über Personen fühlen sich am durchschnittlich betroffen: Ausgrenzun Und immer noch fühlen sich rund drei Arbeitsplatz diskriminiert gen am Arbeitsplatz oder Arbeitslosigkeit. Viertel der LSBTIQ-Personen am Arbeits und/oder ausgegrenzt.1 platz diskriminiert und/oder ausgegrenzt. Es wirkt so, als habe sich die Situation von Vier von zehn Befragten sind schon min LSBTIQ-Personen in letzter Zeit verbessert. destens einmal sexuell belästigt worden. Viele Organisationen haben inzwischen Besonders bedenklich: Ein Fünftel der Diversitäts-Beauftragte, sind Mitglied der berichteten Diskriminierungen ist straf Charta der Vielfalt oder ähnlichen Initiati rechtlich relevant. Etwa 64 Prozent der 40% ven. Beschäftigte schließen sich in queeren Befragten erlebten eine „voyeuristisch- Branchenverbänden zusammen. Es gibt gesteigerte Auseinandersetzung“: Sie LSBTIQ-Personen in Spitzenpositionen werden zur Attraktion im Kollegium, so von Großunternehmen. Und immer mehr zusagen exotisiert. Lesbische Frauen mit Vier von zehn Befragten Beschäftigte sprechen mit Kolleg_innen Kinderwunsch können ein Lied davon sind schon mindestens einmal offen über ihre sexuelle Orientierung. 2017 singen. Sie sehen sich oft einem Über- sexuell belästigt worden. waren dies nach einer Studie des Instituts Interesse ausgesetzt, das die Grenzen der für Diversity- & Antidiskriminierungsfor Diskretion weit übersteigt. schung in Kooperation mit der Hochschule Fresenius ein rundes Drittel, zehn Jahre Ein Anlass für diese Publikation war der zuvor nur jede_r Zehnte. Jahresschwerpunkt der Koordinierungs stelle für LSBTIQ-Angelegenheiten im Doch das ist nur die eine Seite. Denn der Amt für multikulturelle Angelegenheiten 20% selben Studie zufolge spricht weiterhin (AmkA): LSBTIQ und Arbeit. Mehrmals ein knappes Drittel mit niemandem oder trafen sich dafür Führungskräfte und nur wenigen Kolleg_innen über die eigene Angestellte sowie Vertreter_innen aus Ein Fünftel der berichteten Situation, bei Transpersonen sind es sogar Gewerkschaften, die entweder bereits für Diskriminierungen ist straf- 70 Prozent. Klischee-Denken ist weiterhin Verbesserungen eintreten oder dies vor rechtlich relevant. verbreitet. Dazu tragen auch Medien-Be haben. Sie plädierten dafür, Strukturen in richte mit stereotypen Protagonist_innen Unternehmen anzupassen. Gefragt sei bei. In Beiträgen über Homosexualität in damit also auch die Leitungsebene. Der der Arbeitswelt wird gerne der schwule Anstoß dürfe nicht nur von Lobbygrup Top-Manager bemüht, der eine hetero pen kommen, sondern auch von denen, sexuelle Ehe vortäuscht, um den Schein die das Sagen haben, hieß es. Die Arbeit Studie des Instituts für Diversity- & Antidiskriminierungs 1 zu wahren. In anderen Berichten ist es geber_innen müssten den Engagierten forschung in Kooperation mit der Hochschule Fresenius die Power-Lesbe, die sich mit ihren (ver Zeit und Raum bereitstellen, und zwar aus 2017. meintlich männlichen!) Eigenschaften während der Arbeitszeit. 6 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 7
weil Anerkennung durch Vorgesetzte fehlt. Es Zugleich wurde darauf kann also nicht an Einzelnen hängenbleiben, die hingewiesen, dass sich Situation von LSBTIQ-Personen am Arbeitsplatz ein Wandel nicht von zu verbessern. heute auf morgen her beiführen ließe. Und es Zu den strukturellen Verbesserungen zählt auch müssten alle Mitarbei eine gendergerechte Sprache. Nur sie macht die tenden aktiv mitgenom Vielzahl von sexuellen Orientierungen und Identi men werden, von der Füh täten sichtbar. Zugleich ist sie umstritten und wird rungskraft bis zu Angestellten abgelehnt. Die Aufregung um Unterstrich und auf unteren Ebenen. Im Ideal Genderstern ist vielerorts groß. Manche lehnen die fall werde das Schaffen eines geschlechtergerechte Sprache auch deswegen ab, LSBTIQ-freundlichen Klimas zum weil sie schwierig erscheint. Sie anzuwenden ist Gemeinschaftsprojekt, so das Fazit. Und das för aber einfacher, als viele denken. Ab Seite 27 dere nebenbei auch den Teamgeist. können Sie es nachlesen. Von einem offenen Arbeitsklima Seit 2015 hat die Stadt eine eigene Koordinie profitieren alle rungsstelle für LSBTIQ-Themen, angesiedelt im Amt für multikulturelle Angelegenheiten. Ihre Mit dieser Publikation möchte die Stadt Frankfurt Arbeit richtet sich gegen jede Form der Ausgren am Main – selbst eine große Arbeitgeberin – zung sowohl von lesbischen und schwulen Men Interesse für das Thema wecken. Unternehmen schen, als auch von bisexuellen, trans, inter und Interview und Organisationen sollen weiter ermutigt wer queeren Menschen. Die Koordinierungsstelle „Wer Vielfalt ignoriert, den, sich ihm anzunehmen. Denn eine Firmen arbeitet an Schnittstellen: Sie hält Kontakt zu den kultur, die sich für LSBTIQ-Mitarbeitende einsetzt, Communitys, wirkt in die Stadtverwaltung hinein sorgt ganz allgemein für ein offenes Arbeitsklima. und informiert die Öffentlichkeit. Wie vielfältig verliert den Anschluss“ Davon profitieren alle, am Arbeitsplatz und sogar die Aufgaben sind, lesen Sie ab Seite 35. außerhalb. Einige Arbeitgeber_innen haben das erkannt und schaffen ein Umfeld, in dem LSBTIQ-Personen Wenn sich LSBTIQ-Personen in ihrer Firma zusammentun, kann das zu ihr Wesen nicht verstecken müssen. Mancherorts So erreichen Sie die mehr Chancengleichheit führen. Dr. Jean-Luc Vey unterstützt mit seiner sieht die Realität noch anders aus. Dort nämlich, Koordinierungsstelle: Stiftung Prout at work solche Netzwerke in Konzernen. Im Interview wo Mitarbeitende auf sich allein gestellt sind. Sie spricht er über Kulturwandel in Unternehmen und wie er und seine Mit müssen entscheiden: stumm im Hintergrund blei ben, während sich die heterosexuellen Kolleg_ per E-Mail an streiter_innen dazu beitragen wollen. innen über das Wochenende mit dem Freund oder lsbtiq@stadt-frankfurt.de der Ehefrau unterhalten, – oder das Coming-Out wagen. Das kann gut ausgehen oder nicht, ist also telefonisch unter ein Sprung ins Ungewisse. (069) 212-74529 und 212-73145 Jean Luc Vey, was war der Startschuss zu Prout at work? Der Stadt Frankfurt am Main ist es ein Anliegen, Mehr Infos unter Zur Person in Frankfurt ein positives Klima zu schaffen. Diese www.amka.de Begonnen hat bei mir alles mit der Gründung von Broschüre soll daher öffentlich auch diejenigen DB-Pride, dem Netzwerk der Deutschen Bank. Das Jean-Luc Vey hat gemeinsam bestärken oder unterstützen, die sich vor Ort für Die Antidiskriminierungshotline fand ich toll, endlich kam etwas in Bewegung, um mit Albert Kehrer die Stiftung LSBTIQ-Belange einsetzen. Es sind oft einzelne der Stadt Frankfurt am Main die Akzeptanz von LSBTIQ-Personen im Beruf zu Prout at work gegründet. Engagierte, die sich für die Rechte anderer einset erreichen Sie unter (069) 212-30111. stärken. Bald hat mir das aber nicht mehr gereicht. zen, Missstände aufzeigen und Impulse für ein Ich wollte eine Plattform für Firmen schaffen, die Neben seiner ehrenamtlichen offenes Arbeitsklima geben wollen. Dafür opfern schon ein Netzwerk haben und andere, die gerne Vorstandstätigkeit ist er als Füh sie ihren Feierabend, doch belohnt wird die Bereit eins hätten. Die Idee war, Erfahrungen zu teilen um rungskraft bei der Deutschen schaft kaum – obwohl sie letztlich allen im Unter gemeinsam voranzukommen. Das war vor dreizehn Bank tätig. nehmen zugutekommt. Die Folgen sind doppelt Jahren. Ab da ging es richtig los mit Prout at work. schlecht: Überbelastung und Enttäuschung, auch 8 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 9
Über Prout at work Die Stiftung setzt sich für eine offene und diskriminierungsfreie Arbeitswelt für alle Menschen ein. Sie unterstützt Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- Wie sieht ein solcher Prozess konkret aus? und intergeschlechtliche sowie queere Wie lassen sich Arbeits Menschen am Arbeitsplatz. bedingungen verbessern? Wir bieten Plattformen, bei denen sich alte Hasen Prout at work bietet den und Neulinge treffen. Da schwappt dann jede Men Mit Veranstaltungen und Veröffent Rahmen für Gespräche. lichungen wendet sie sich auch an ge Erfahrung rüber. In mehreren Städten haben wir regionale Netzwerktreffen organisiert. Seit Arbeitgeber_innen, die zu einer wert- Anfang 2020 finden diese Netzwerktreffen online schätzenden Unternehmenskultur und monatlich statt. Auch hier geht es darum, beitragen möchten. Wissen und Erfahrung weiterzugeben. Zudem www.proutatwork.de Prout at Work veröffentlicht jährlich haben wir Coaching- und Mentoringprogramme, die Liste „Germany’s Top 100 out Executives“. mit denen wir unter anderem Gründungen be Was verbirgt sich dahinter? gleiten. Dann gibt es noch Workshops zu speziel len Themen, die veranstalten wir gemeinsam mit Wie war die erste Zeit? Die Liste haben wir am 11. Oktober 2018 erstmals unseren Partner_innen. Hier geht es zum Beispiel Germany’s Top 100 out rausgebracht, anlässlich des Coming-Out-Day. Sie darum, wie Unternehmen mit der Dritten Option Executives Wir waren ein loses Netzwerk von Menschen, die stellt geoutete LSBTIQ-Führungskräfte vor, die als umgehen. sich für mehr Vielfalt in Unternehmen einsetzten Vorbilder in der Wirtschaft fungieren wollen. Diese Um Barrieren abzubauen, hat Prout at und die hier und da Aktionen durchgeführt haben. Personen ermutigen andere, selbstbewusst mit Was bringt es Unternehmen, sich für work die Liste „Germany’s Top 100 out Um langfristig etwas zu erreichen, braucht es aber ihrem LSBTIQ-Sein im Arbeitsleben umzugehen. Diversität zu öffnen? Executives“ erstellt. Die dort vorgestell- eine professionelle Struktur. Ein Jahr lang haben ten Führungskräfte wollen andere er wir diskutiert, wie die aussehen kann. Schließlich Wenden sich die Angebote vor allem an Unsere Gesellschaft wird immer pluraler und hete mutigen, im Arbeitsleben selbstbewusst haben wir entschieden, dass eine Stiftung für Führungskräfte? Oder kann ich auch als rogener. Eine Firma, die sich dem verschließt, hat aufzutreten und LSBTIQ-Lebensweisen unsere Zwecke am besten ist. Mitarbeitende einsteigen? kaum Chancen, langfristig am Markt zu bestehen. sichtbar zu machen. Die Top 100 mit Konzerne, aber auch kleine und mittelständische kurzen Werdegängen finden Sie unter Kein einfaches Unterfangen Wir arbeiten weder „top-down“, noch „bottom-up“, Betriebe, müssen dieser Diversität gerecht werden. www.outexecutives.de sondern setzen auf eine ganzheitliche Strategie. Sonst verlieren sie den Anschluss und können im Das stimmt. Wir haben aber tatsächlich schnell Wenn wir in der Sache vorankommen wollen, be Ringen um die besten Köpfe kaum mithalten. acht Firmen und zwei private Stifter_innen über nötigen wir sowohl engagierte Mitarbeiter_innen zeugt. Damit hatten wir ein ordentliches Start als auch ein Management, das die Basis für dieses Und wie profitieren die Firmen ganz kapital. Das war im Dezember 2013. Engagement schafft. Sonst funktioniert es nicht. konkret von LSBTIQ-Mitarbeitenden? Neue Studie: LSBTIQ-Menschen Beide sind aufeinander angewiesen. Aufklärungs am Arbeitsmarkt Was haben Sie mit dem Geld gemacht? events in Unternehmen müssen organisiert wer Natürlich lässt sich das nicht verallgemeinern, den. Das geht aber nur, wenn die Führungsspitze aber ein Merkmal von LSBTIQ-Menschen liegt Hoch gebildet und oft diskriminiert: Eine Ein wichtiger Mosaikstein unseres Netzwerkes ist prinzipiell einverstanden ist. Auf diesen Events häufig darin, dass sie aufgrund eigener Ausgren 2020 veröffentlichte Studie belegt erneut, die Prout at work-Konferenz. Die geht im Herbst können dann LSBTIQ-Themen von Expert_innen zungserfahrungen sensibel und teamfähig sind. dass LSBTIQ-Personen im Arbeitsleben schon zum siebten Mal über die Bühne, diesmal vorgestellt und sichtbar gemacht werden. Und es gibt eben nicht nur weiße, heterosexuelle benachteiligt werden. Viele der Befragten virtuell. Beim ersten Treffen hatten wir 70 Teilneh cis-Männer, die talentiert sind. Die sind aber noch fühlen sich diskriminiert, rund ein Drittel mer_innen. Diesmal rechnen wir mit mehr als Reichen solche Infotage für einen immer am sichtbarsten, weil ihnen die wenigsten verzichtet auf ein Coming-out. Nicht 200. Ein weiterer Meilenstein ist unsere Geschäfts Kulturwandel im Betrieb? Steine in den Weg gelegt werden. ohne Grund arbeiten etliche im Gesund- stelle in München. Die haben wir vor über drei heits- und Sozialwesen. Alle Ergebnisse Jahren eingerichtet, inzwischen sind dort drei Eine Firmenkultur ändert sich erst dann, wenn alle der Studie des Deutschen Instituts für Mitarbeitende beschäftigt. Das war eine enorme mit im Boot sitzen. Prout at work hilft Unternehmen, Wirtschaftsforschung gibt es unter Entlastung, weil nicht mehr alle alles machen eine solche Entwicklung auf den Weg zu bringen. www.diw.de > Publikationen. müssen. Wir haben Zuständigkeiten geschaffen Wir beraten vor allem bei Veränderungsprozessen. und sind jetzt viel besser aufgestellt. Das wird gerne angenommen. 10 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 11
Anlaufstellen – auch in Frankfurt Wer vertritt 3 ver.di-Regenbogen Die gewerkschaftliche Interessenvertretung tritt für meine Interessen? die Rechte von LSBTIQ-Arbeitnehmer_innen ein. Sie bietet ein Forum für Gespräche, Beratung und Erfah rungsaustausch. Die Mitglieder der Gruppe machen sich für einen aufgeschlossenen Umgang mit sexueller Vielfalt am Arbeitsplatz stark und helfen bei versteckter Inzwischen gibt es Gruppen, die sich ganz und offener Diskriminierung – auch HIV-positiven konkret für LSBTIQ-Rechte und für mehr Menschen und an AIDS Erkrankten. Akzeptanz einsetzen. Manche sind branchen- Kontakt zum Landesarbeitskreis LSBTTIQ Hessen: bezogen, andere wenden sich an alle. Hier regenbogen.hessen@verdi.org finden Sie eine Auswahl an Organisationen, Website: www.regenbogen.verdi.de die auch in Frankfurt vertreten sind. 4 Völklinger Kreis Als branchenunabhängiges Netzwerk schwuler Führungs kräfte und Selbstständiger fördert der Völklinger Kreis den 1 beruflichen Erfolg seiner Mitglieder. Er vernetzt, regt den Wirtschaftsweiber Erfahrungsaustausch an und setzt sich für ein diskriminie rungsfreies Arbeits- und Lebensumfeld ein. Unter dem Motto Die Wirtschaftsweiber sind ein bundesweites Netzwerk für „in der Stadt heimisch, im Völklinger Kreis zu Hause“ organi lesbische Frauen im Berufsleben – unabhängig von der Branche. siert der Kreis deutschlandweit über 22 Regionalgruppen. Sie bieten Austausch zu beruflichen Herausforderungen, stärken lesbische Identität am Arbeitsplatz, beziehen gesellschaftlich und Kontakt zur Regionalgruppe Frankfurt: politisch Stellung und beraten Arbeitgeber_innen rund um Frauen frankfurt@vk-online.de förderung. Die vielen Regionalgruppen organisieren Netzwerk Website: www.vk-online.de abende, Vorträge sowie Events – und feiern gemeinsam. Kontakt zur Regionalgruppe Rhein-Main: rhein-main@wirtschaftsweiber.de Website: www.wirtschaftsweiber.de 5 AG LesBiSchwule Lehrer_innen in der GEW Die Gruppe engagiert sich in der Gewerkschaft Erziehung und 2 Wissenschaft Hessen (GEW) für Geschlechtergerechtigkeit in IGay Bau der Schule. Vielfältige Lebensweisen sollen auch in den Klassen- IGay Bau ist eine Initiative von Mitgliedern der Indu und Lehrer_innenzimmern sichtbar werden, ohne Angst vor striegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Diskriminierung. Die Arbeitsgemeinschaft bietet zudem ein „Mensch = Mensch: Jeder hat das gleiche Recht“ heißt Forum, in dem alle über die eigene berufliche und persönliche hier das Credo. IGay Bau leistet Aufklärungsarbeit in Situation sprechen können. Betrieben, Gewerkschaften und Berufsschulen, wirbt für Toleranz und Respekt und bietet ein Forum sowie Kontakt: lehrer_innen@gmx.de Hilfestellung bei Problemen am Arbeitsplatz. Website: www.gew-hessen.de Kontakt: igaybau@freenet.de Website: www.facebook.com/IGayBAU/ 12 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 13
Rechtlicher Rahmen für Antidiskriminierung Die Persönlichkeit im Fokus Transidente und intergeschlechtliche Menschen sind vielerorts von Ausgrenzung betroffen. Das Gesetz nimmt Arbeitgeber_innen in die Pflicht, dem entgegenzuwirken – mit Vorgaben im Allgemeinen Gleich behandlungsgesetz (AGG), im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und im Grundgesetz (GG). Unsere Autorin erläutert, wie sich diese Vorgaben auf betriebliche Prozesse und die Unternehmenskultur auswirken. m/w/d: Seit Ende 2018 finden sich diese drei das Pronomen und Geschlecht, mit dem sich die Buchstaben in fast jeder Stellenausschreibung. Person vorstellt. Im sozialen Miteinander ist sie „Divers“ als jüngst eingeführte dritte Option hat dann genau das: Frau oder Mann oder keins von der geschlechtlichen Vielfalt neue Aufmerksam beiden. Der Personenstand „divers“ ist ein Sam Was ist das AGG? keit geschenkt. Diese dritte Option – und die we melbegriff, der Vielfalt (Diversität) zum Ausdruck niger bekannte vierte Option, den Geschlechts bringt. Kaum jemand verwendet ihn jedoch als eintrag ganz offen zu lassen – stärken als offizielle Bezeichnung der eigenen Identität. Der Begriff Das Allgemeine Gleichbehandlungsge- Passeinträge die Grundrechte von nicht-binären ist also eher ungeeignet, um eine Person zu be setz (AGG) schützt vor Benachteiligungen transidenten und intergeschlechtlichen Menschen. schreiben. aufgrund der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltan- Diese staatliche Anerkennung ist wichtig, von dis AGG: Der rechtliche Rahmen für schauung, einer Behinderung, des Alters kriminierungsarmen, gar gleichwertigen Arbeits Antidiskriminierung oder der sexuellen Identität. Seit einer bedingungen sind die allermeisten transidenten Entscheidung des Bundesverfassungsge und intergeschlechtlichen Menschen jedoch weit Die m/w/d-Ausschreibungen verweisen auf das richts 2017 ist klargestellt, dass mit dem entfernt. Damit Geschlechtervielfalt nicht nur auf wichtigste Gesetz des Diskriminierungsschutzes: Merkmal „Geschlecht“ neben Frauen und der Oberfläche von Stellenausschreibungen ver Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Männern auch nicht-binäre Menschen bleibt, sondern im Arbeitsalltag ankommt, braucht Es sieht vor, dass Stellenausschreibungen nicht vor geschlechtsbezogener Diskriminie- es breite Bemühungen auf betrieblicher Ebene gegen das Diskriminierungsverbot des § 7 AGG rung geschützt sind. Zur Autorin und soziale Lernprozesse. Geschlechtliche Identi verstoßen dürfen. Niemand darf also wegen des tät ist etwas Persönliches – unabhängig davon, ob Geschlechts oder der sexuellen Identität benach Betroffene können Rechtsansprüche Friederike Boll hat Rechtswissen- sich jemand als cis oder trans, als binär oder nicht- teiligt werden, weder direkt noch mittelbar. § 11 gegen Arbeitgeber_innen, Unternehmen schaften studiert und arbeitet seit binär begreift. Das Geschlecht sollte Achtung fin AGG legt fest, dass auch Ausschreibungen nicht und Privatpersonen geltend machen, 2017 als Anwältin. den allein aus dem Respekt vor der Persönlichkeit benachteiligen dürfen. Wird gegen dieses Verbot wenn diese gegen das Diskriminierungs- des oder der Kolleg_in. verstoßen, drohen nach § 15 AGG Schmerzens verbot verstoßen. Ihre Kanzlei in Frankfurt am Main geldzahlungen. ist spezialisiert im Arbeits- und Wer die Lage verbessern möchte, muss also die Anti-Diskriminierungsrecht. Geschlechtsidentität im Blick haben. Diese be Auch das Grundgesetz schützt die geschlechtliche schreibt, wie sich ein Mensch selbst als geschlecht Identität einer Person, die sich weder als männlich liches Individuum versteht und von anderen ver noch als weiblich bezeichnet. Das Bundesverfas standen werden will. Maßgeblich ist die Anrede, sungsgericht hat dies 2017 ausdrücklich festgestellt. 14 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 15
Trans- und Inter-Personen im Outing-Prozess. Sie erhalten Klarheit darüber, wie das Unternehmen zu Geschlechtervielfalt steht, wie sich eine Transi tion am Arbeitsplatz in die Wege leiten lässt und wer ihnen konkret zur Seite steht. lichkeitsachtende Arbeitsbedingungen einstehen, Auskünfte über Änderungen in der Geschlechts folgt daraus ein Umdenken im Unternehmen – identität dürfen nicht ohne Einwilligung weiter wenn auch oft langsam: Nicht die angefeindete gegeben werden. Auch Informationen, die Rück Person soll sich wehren müssen, sondern das schlüsse darauf zulassen, lässt das gesetzlich gere Umfeld muss für ein diskriminierungsfreies Mit gelte Offenbarungsverbot nicht zu. Demnach dür einander sorgen. Ob aus bösem Willen und Ver fen zum Beispiel Zeugnisse nicht auf den früheren letzungsabsicht diskriminiert wird, ob aus reiner Namen ausgestellt werden. Neugier und Unwissenheit: Die Absicht spielt keine Rolle. Jede_r Einzelne steht in der Verantwortung Die Transition kann maßgeblich erleichtert werden, für sein Tun. Arbeitgebende haben die Aufgabe, wenn sich der Betrieb am gewünschten sozialen Diskriminierung zu verhindern, denn sie haben Auftreten der Person orientiert. So sollte beispiels Ein offener die Organisationsgewalt. weise ein Namenswechsel konsequent umgesetzt Umgang mit werden, etwa durch das Anpassen von Türschildern Transition führt Das AGG verpflichtet sie in § 12 zu Präventions oder Visitenkarten. Denn es spricht rechtlich nichts maßnahmen. Dabei empfiehlt es sich, ruhig und dagegen, im Arbeitsalltag einen anderen Namen zu einem unver konsequent zu handeln, das Thema weder zu igno zu verwenden als in staatlichen Dokumenten. Die krampfteren rieren noch aufzublähen. Unternehmen sollten wenigen Ausnahmen bezüglich Bank-, Steuer- und Miteinander innerhalb der Belegschaft Wissen schaffen, trans Versicherungsunterlagen lassen sich durch ent Prävention fördert das Miteinander parent und sachlich informieren – und Haltung sprechende Vorkehrungen in der Buchhaltung zeigen: Scheinbar geringfügige Diskriminierungen und Personalabteilung leicht umsetzen. Die Situation von Trans- und Inter-Personen in der müssen angesprochen und zurückgewiesen wer Arbeitswelt ist teils noch immer verheerend. Stu den. Es gilt, sich an die Seite der transidenten und Transitionsrichtlinien zählen übrigens zum Ord dien belegen, dass sie überdurchschnittlich von intergeschlechtlichen Mitarbeitenden zu stellen. nungsverhalten im Betrieb und unterliegen der Arbeitslosigkeit, Arbeitsplatzverlust und Einkom Mitbestimmung, zu finden im Betriebsverfassungs mensnachteilen betroffen sind. Betriebliche Prä dersetzungen können maximal ein Anreiz für Mit Vorbehalten und unpassenden Fragen, die trans gesetz (BetrVG) §87 Abs. 1 Nr. 1. Der Betriebsrat kann ventionsarbeit und eine Kultur, die Mitarbeitenden arbeitende sein. Sie sorgen oft eher dafür, durch und inter Personen belasten, lässt sich durch leicht sie eigeninitiativ ins Leben rufen und im Streitfall einen angemessenen Raum für ihre (sachlichen) Abwehrreaktionen notwendige Lernprozesse zu zugängliche Information begegnen. Führungs über die Einigungsstelle durchsetzen. Fragen bieten und neue Wege im Miteinander för verhindern. Ein solches Durchgreifen ist meist nur kräfte entlasten damit nicht nur die sich outende dern, wirken sich positiv aus. Nicht selten zeigen dann sinnvoll, wenn ein Konflikt bereits eskaliert Person insofern, dass sie diese „Fortbildung“ der Wer sich an das AGG hält, wird belohnt sich dann auch positive Nebeneffekte. Denn mehr ist. So nimmt das AGG in § 12 die Unternehmen in Kolleg_innen nicht auf Kosten der eigenen priva Sensibilität und Handlungssicherheit im Umgang die Pflicht, Diskriminierungen im Zweifelsfall durch testen Informationen vornehmen müssen. Ein Unternehmen müssen laut § 13 AGG eine Beschwer mit Vielfalt am Arbeitsplatz kann in vielen Situatio Abmahnungen, Versetzungen oder Kündigungen offener Umgang befreit Transition vom Tabu und destelle einrichten, ausstatten und qualifizieren. nen von Vorteil sein, zum Beispiel bei rassistischen zu unterbinden. führt zu einem unverkrampfteren Miteinander. Diese ist für sämtliche Diskriminierungsformen Diskriminierungen. Damit entsteht ein besseres zuständig. Sie richtet sich also zum Beispiel auch Arbeitsklima für viele Mitarbeitende. Präventionspflicht im AGG Transitionsrichtlinien schaffen Klarheit an Kolleg_innen, die von Rassismus betroffen sind. Die Ausgestaltung der Beschwerdestellenverfahren Ein diskriminierungsarmes Unternehmen kommt Besonders groß ist die Diskriminierungsgefahr Auch Transitionsrichtlinien sind ratsam. Sie rich zählt ebenfalls zum Ordnungsverhalten im Betrieb zustande, indem sich allmählich neue Alltagsge während der Transition sowie im Einstellungspro ten sich an Vorgesetzte sowie IT- und Personalab und begründet daher ein zwingendes Mitbestim wohnheiten verfestigen. Verhaltensvorschriften zess. „Prävention statt Reaktion“ sollte die Devise teilungen und beschreiben die internen Abläufe mungsrecht für den Betriebsrat. „von oben“, Verbote und rein rechtliche Auseinan lauten. Wenn Unternehmen offensiv für persön und Zuständigkeiten. Solche Richtlinien helfen 16 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 17
Wer sich an diese und andere Verpflichtungen aus Gefragt ist auch der Betriebsrat dem AGG hält, wird im Streitfall entlastet. Insbe sondere wird belohnt, wenn kollektivrechtliche Selbstverständlich kann auch der Betriebsrat prä Vereinbarungen mit Arbeitnehmer_innenvertre ventiv und unterstützend im Einzelfall aktiv wer tungen getroffen werden. Schmerzensgeld zahlen den. § 17 AGG eröffnet ihm Mitbestimmungsrechte müssen nämlich nicht nur die „Täter_innen“, son im AGG. Außerdem übertragt §75 BetrVG dem dern auch Arbeitgeber_innen, die ihren Mitarbei Betriebsrat die Überwachungsfunktion, dass es im tenden unzureichend Schutz bieten. Betrieb nicht zu Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Identität kommt. Diskriminierte Personen können eine Vielzahl Der Betriebsrat kann somit positive Maßnahmen arbeits- und antidiskriminierungsrechtlicher anstoßen (Initiativrecht), Rechtsverletzungen Mittel nutzen – von Beschwerde- über Leistungs unterbinden (Unterlassungsanspruch) und zur verweigerungsrechten bis hin zum Anspruch auf Gleichbehandlung und Prävention beitragen. Schadensersatzzahlungen. Und: Umfasst eine Dazu zählen auch aktive Fördermaßnahmen: Der Arbeitsanweisung eine diskriminierende Hand Betriebsrat kann Auswahlrichtlinien nach § 95 lung, können Mitarbeitende sie nach § 16 Abs. 2 BetrVG so mitgestalten, dass strukturelle Nachteile AGG ohne Konsequenzen zurückweisen. von Trans- und Inter-Personen in der Bewerbung und im beruflichen Aufstieg ausgeglichen werden. Der Betriebsrat kann sich zum AGG selbst fortbilden lassen, wie § 37 Abs. 6, 40 BetrVG besagt. Er kann Diskriminierungs- Wer hilft weiter? auch die Fortbildung und Sensibilisierung von Kolleg_innen – vor allem von jenen, die mit Perso nalangelegenheiten betraut sind – anschieben, armes Arbeitsumfeld: • Eine praxisnahe Übersicht gibt das entweder als Prävention nach dem AGG oder über § 98 Abs. 5 BetrVG als betriebliche Bildungsmaß Was dazu beiträgt Handbuch „Rechtlicher Schutz vor nahme. Diskriminierung“ der Anti-Diskrimi- nierungsstelle des Bundes. Sie bietet Wird gegen das AGG verstoßen – zum Beispiel • Unmissverständlich klarmachen: Die Anliegen • Vergeschlechtlichte Sprache weglassen, zudem eine kostenlose, anonyme durch diskriminierende Formulierungen in Rund von trans und inter Personen sind zu berück wo sie nicht nötig ist: etwa statt „Sehr geehrte Beratung. Mehr dazu unter schreiben oder indem diskriminierendes Verhalten sichtigen. Frau/sehr geehrter Herr XY“ ein unkompliziertes www.antidiskriminierungsstelle.de durch einzelne Mitarbeitende geduldet wird – „Guten Tag Vorname Nachname“ schreiben kann der Betriebsrat und jede im Betrieb vertretene • F ür Sensibilisierung im Einstellungsverfahren (siehe auch Seite 32) • Für Betriebsräte interessant ist die Gewerkschaft Unterlassung oder Vornahme for sorgen. Lebensläufe von trans und inter Perso Reihe zu „Trans in Arbeit“ der Landes- dern (§ 23 Abs. 3 BetrVG und § 17 Abs. 2 AGG). Im nen können ungewöhnliche Lücken haben, • P ersonalisierte Schilder und Adresslisten stelle für Gleichbehandlung – gegen Zweifelsfall kann dies vor Gericht zwangsweise Zeugnisse verschiedene Namen – kein Grund, anpassen: Sie sollten einheitlich dem Wunsch- Diskriminierung in Berlin. Mehr dazu durchgesetzt werden. eine Bewerbung zu ignorieren. Namen der Person entsprechen – unabhängig unter www.berlin.de > Politik, Ver von rechtlichen Namensänderungen. waltung, Bürger > Senatsverwaltungen > Die oben erwähnte Beschwerdestelle ergänzt bes • Kein Zwangsouting im Bewerbungsgespräch: Justiz, Verbraucherschutz und Antidis- tenfalls die Betriebsratsarbeit, ersetzt sie jedoch Fragen zum Thema betreffen den Intimbereich • Umkleide- und Toilettenräume gestalten: kriminierung > Antidiskriminierung > nicht. Der Rat kann in Einzelfällen über § 85 BetrVG und sollten vermieden werden. Sprechen Bewer Beide sollten entsprechend des gelebten sozialen Schwerpunkte > LSBTI > Materialien auch weiterhin selbst Beschwerdeverfahren beglei bende aber offen über sich, sollte man offen Geschlechts zugänglich sein – unabhängig vom ten und gegebenenfalls über die Einigungsstelle reagieren. Das setzt den Ton für einen unver rechtlichen Personenstand oder der körperlichen • Nachfragen lohnt sich auch bei den externe Fachkompetenz hinzuholen. krampften Umgang und ist ein Vertrauensbeweis. Erscheinung. Nicht-binäre Personen sollten Gewerkschaften Ein trans- und inter-sensibler Einstellungsprozess wählen können. Auf all diese rechtlichen Regelungen kann der Be zeugt von Respekt und bietet den Bewerbenden triebstrat im Unternehmen aufmerksam machen – Sicherheit. • Sensibilisierungsmaßnahmen etablieren: zum Beispiel durch Workshops, Impulsreferate auf präventiv und flächendeckend für Personalab Betriebsversammlungen oder eine Sprechstunde. • F ördermöglichkeiten allen zugänglich machen: teilungen sowie anlassbezogen für Vorgesetzte Erste Informationen kann er Mitarbeitenden durch Dafür bieten die Antidiskriminierungsstellen spe und Teams Aushänge am (digitalen) schwarzen Brett liefern ziell auf die Arbeitswelt zugeschnittene Infoblätter. oder, nach Rücksprache mit der Arbeitgeberseite, in den Toilettenräumen. 18 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 19
Coming-out am Arbeitsplatz So unterstützen Sie transgeschlechtliche Kolleg_innen Ein Kollege erzählt in der Kaffeepause, dass sie schon lange privat eine Frau ist – und bittet um Rat, wie ein Coming-out im Team funktionieren kann. Beim Bewerbungsgespräch im Jugendzentrum macht Sascha einen qualifizierten Eindruck – im Personalbogen hat er bei der Geschlechtsangabe „divers“ angekreuzt. Zwei Situationen, in denen manche fürchten, unpassend zu reagieren. Doch ein angemessenes Verhalten liegt oft ganz nah. 2 3 Fragen Sie respektvoll Unterstützen Sie, und angemessen wo Sie können Respektvolle Fragen sind enorm wichtig Trans Personen müssen einen langen für ein trans-inklusives Arbeitsklima. rechtlichen Weg gehen. Das sogenannte Wenn Sie zum Beispiel bei der Anrede Transsexuellengesetz schreibt ein auf unsicher sind, fragen Sie einfach nach wendiges und teures Gerichtsverfahren dem bevorzugten Namen oder Personal vor, um einen neuen Personalausweis zu 1 pronomen. Beispielsweise „Wie darf ich bekommen. Dokumente wie Schulzeug Coming-out: Sie/Dich jetzt richtig ansprechen?“ oder nisse oder Girokontokarten müssen vom Nehmen Sie Ihr Gegenüber ernst „Welches Pronomen nutzen Sie/nutzt Amtsgericht bestätigt werden. Auf der Du nun?“. Arbeit müssen E-Mail-Adressen, Visiten Ein Coming-out ist oft mit der Angst vor Ablehnung verbunden. Wenn sich karten oder Türschilder verändert werden. Ihnen ein_e Kolleg_in offenbart, nehmen Sie das Gespräch ernst. Freuen Sie Sollten Sie versehentlich den früheren sich über das Vertrauen. Besprechen Sie gemeinsam, wie Sie mit dieser Infor Namen oder ein falsches Pronomen be Fragen Sie, welche Änderungen wichtig mation umgehen und welche Wünsche und Vorstellungen mit dem Coming- nutzen, korrigieren Sie sich einfach selbst. sind. Vielleicht finden Sie gemeinsam Out verbunden sind. Viele transgeschlechtliche Menschen möchten noch Übrigens: Viele Trans-Selbsthilfe-Orga unbürokratische Lösungen. Die sind mit anderen Personen von sich erzählen. Sie können ihre Anwesenheit bei künf nisationen stellen online Broschüren und unter nur zwei Mausklicks entfernt. tigen Gesprächen anbieten und gemeinsam Strategien entwickeln, wie sich Flyer bereit, die sich auch an Kolleg_innen ein entspanntes Klima schaffen lässt. richten. Dazu zählen: Bedenken Sie: Die Sichtbarkeit des eige Netzwerk Geschlechtliche Vielfalt Trans nen Geschlechts durch Namen, Berufs Wem sich transgeschlechtliche Kolleg_innen zuerst offenbaren, hängt vom NRW: www.ngvt.nrw bezeichnungen etc. ist für trans Personen eigenen Empfinden ab. Manche möchten zunächst mit dem Vorgesetzten Trans-Ident e.V.: www.trans-ident.de unglaublich wichtig. Sie zeigt, dass die sprechen, um etwa ihre Abwesenheit aufgrund der Geschlechtsangleichung Person so anerkannt wird, wie sie ist, und zu klären. Andere halten ein Gespräch mit vertrauten Kolleg_innen für wich verringert Stress. tiger, weil für sie die soziale Anerkennung im Vordergrund steht. 20 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 21
4 Machen Sie sich stark! Trans Menschen sind vielen Abwertungen ausgesetzt. Sie müssen unangebrachte Fragen zu ihren Genitalien über sich ergehen lassen oder Getuschel über die Körperhaltung. Auch ganz konkrete Diskriminierungen oder Gewaltaus brüche kommen vor. Setzen Sie sich für Ihr Teammitglied ein und positionieren Sie sich ganz klar gegen Transfeind lichkeit. Scheuen Sie nicht davor zurück, Beratungsstellen aufzusuchen oder Ihrem Vorgesetzten Diskriminierungen zu melden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt auch die geschlechtliche Identität von trans Perso nen am Arbeitsplatz. Zeigen Sie durch Handlungen im Alltag, dass sich an dem guten, kollegialen Verhältnis nach dem Coming-out nichts geändert hat – zum Beispiel, indem Sie unpassende Kom mentare von anderen Kolleg_innen nicht billigen. Trans zu sein ist nämlich nur eine Facette der Persönlichkeit. Und die sollte schnell wieder zur Nebensache werden. Unisex-Toiletten 5 Für Arbeitgeber_innen: Richtlinien für ein trans-inklusives Arbeitsklima erstellen „In vielen Ländern Arbeitgeber_innen nehmen oft ein Coming-out zum Anlass, um über ein trans-inklusives Klima nachzudenken. Es lohnt sich jedoch, gerade in großen ist das die Regel“ Unternehmen, grundsätzliche Transitions-Richtlinien zu erarbeiten. Damit lässt sich beispielsweise regeln, wie Waschräume genutzt werden, wer Ansprechper Sie erleichtern trans, inter und queeren Kolleg_innen den Arbeits- son für LSBTIQ-Themen ist oder welche Konsequenzen Beleidigungen haben. alltag: Wie man Unisex-Toiletten im Unternehmen etabliert und sich Solche Richtlinien schaffen Transparenz und zeigen, dass Inklusion unabhän Missverständnisse ausräumen lassen, erzählt Denise Hottmann, gig von einer konkreten Person wichtig ist. Lassen Sie sich in der Erstellung der Richtlinien beraten und passen Sie sie den Verhältnissen in ihrem Unternehmen Diversitätsbeauftragte beim Pharma-Konzern Boehringer Ingelheim. oder Betrieb an. Denise Hottmann, was hat den Anstoß für Unisex-Toiletten gegeben? Zur Person Wir wollen unseren Mitarbeitenden ein Arbeits Brauchen Sie Unterstützung? Die „Landesstelle für Gleichbehand- umfeld bieten, indem sie sich bestmöglich ein Denise Hottmann ist Head of lung – gegen Diskriminierung“ in bringen können. Dafür braucht es die passende Diversity and Inclusion Deutsch- Die Koordinierungsstelle für LSBTIQ- Berlin bietet weitere Infos zum Thema. Infrastruktur. Als Ende 2018 das Gesetz zur dritten land bei Boehringer Ingelheim. Themen im Amt für multikulturelle Zu finden sind sie unter www.berlin.de/ Geschlechtsoption beschlossen wurde, haben wir Angelegenheiten nennt Ihnen gerne sen/lads/schwerpunkte/lsbti – und überlegt, wie wir damit umgehen. Da ging es um Sie hat dort das Diversitätsmanage eine passende Beratungsstelle oder dort unter „Trans* in Arbeit“. Standardanreden in der digitalen Kommunikation, ment mit aufgebaut. Zudem ist sie Selbsthilfeorganisation in Frankfurt. aber schnell eben auch um Unisex-Toiletten. im Vorstand der Arbeitgeber_innen- Initiative „Charta der Vielfalt“. 22 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 23
Wie ist das im Kollegium angekommen? Was sind konkrete Vorteile von Unisex- Toiletten? Prinzipiell gut. Doch oft herrscht noch ein Miss verständnis. Manche denken, da sei eine Anlage Besonders Toiletten-Kabinen mit eigenem Wasch nur für Inter- und Trans-Personen hinzugekom becken und Spiegel sind ein Rückzugsort, mit Was haben Sie konkret unternommen? men. Das ist aber nicht so, alle dürfen sie nutzen. dem sich Diskriminierung abbauen lässt. Ganz Das ist eine Botschaft, die wir permanent kommu unabhängig von geschlechtlicher Identität. Nut Wir haben mit dem Management überlegt, welche nizieren. Ich merke, dass hierzulande das Ver zen können ihn zum Beispiel auch Frauen, die ein Haltung wir zur neuen Gesetzgebung einnehmen. ständnis für gemeinsam genutzte Toiletten im Kopftuch tragen und es hin und wieder richten Da gab es keine lange Diskussion. Wenn wir als öffentlichen Raum fehlt. Wir sind es gewohnt, auf müssen. Oder Menschen, die Medikamente ein Unternehmen sagen, dass Vielfalt für uns wichtig geschlechterspezifische Toiletten zu gehen. Wenn nehmen. Zudem können gemeinsam genutzte ist – und ein Erfolgsfaktor –, warten wir nicht, bis Sie dann nachfragen, wie die Toilette zuhause Toiletten das Problem langer Wartezeiten lösen. in ferner Zukunft eine Arbeitsstättenverordnung genutzt wird oder wie es in der Bahn oder im Flug Ich erinnere mich an endlose Schlangen bei be vorschreibt, sanitäre Anlagen umzubauen. Wir zeug ist, kommen die Leute ins Grübeln. Wer oft stimmten Konferenzen, an denen entweder viele haben auch die Belegschaft gefragt. Vor allem dieje im Ausland unterwegs ist, dem sind Unisex-Toilet Männer oder viele Frauen teilgenommen haben. nigen, für die das relevant sein würde. So haben wir ten ohnehin wohlbekannt. In vielen Städten, etwa Und noch ein Vorteil, den man nicht unterschät uns mit dem internen Regenbogennetzwerk und New York, sind sie mittlerweile die Regel. zen sollte: Smalltalk, bei dem oft Wichtiges bespro dem Inklusionsteam beraten, wie sich Unisex-Toi chen wird, findet meist in Toiletten statt oder auf letten für alle Mitarbeitenden gut umsetzen lassen. Wie gehen Sie mit Unbehagen gegenüber dem Weg dorthin. Mit Unisex ist also keiner aus der neuen Toilettensituation um? geschlossen. Sie wollten also nicht über, sondern mit den Menschen sprechen. Aufklärung ist sehr wichtig. Häufig kommt die Was tut Ihr Unternehmen außerdem Frage, wie viele Kolleg_innen es denn überhaupt für LSBTIQ-Personen? Unsere Unternehmenskultur sieht vor, dass alle so betrifft. Es ist jedoch unwesentlich, wie viele Inter- sein können, wie sie sind. Niemand muss sich ver und Trans-Personen bei uns arbeiten. Es gibt sie, Vor allem bringen wir Menschen miteinander in stecken. Diese gewünschte Vielfalt bringt auch mit das zu wissen, reicht aus. Vielen ist gar nicht be Kontakt. Es ist menschlich, dass das, was man nicht sich, dass wir verschiedene Optionen anbieten. Im wusst, welche komplizierten Alltagssituationen kennt, erstmal Zurückhaltung oder sogar Angst Fall der Toiletten haben heute alle die Möglichkeit, Trans- und Inter-Personen durchmachen müssen. auslöst. Es gibt bei uns Beschäftigte, die sagen, sie entweder auf die geschlechterspezifische oder auf Und von all dem abgesehen: Anlass für Unbehagen würden niemanden kennen, der schwul, lesbisch, die Unisex-Toilette zu gehen. ist nicht gegeben, weil sich nach wie vor alle ihre bi, trans, inter oder queer ist. Rein statistisch ist das Toilette aussuchen können. völlig unmöglich. Da setzen wir auf persönliche Begegnungen. Wir haben zum Beispiel transidente Kolleginnen, die sehr offen sind. Mit ihnen kann man sich zum Mittagessen treffen und sich aus tauschen. Welche Tipps geben Sie anderen für die „Viele wissen nicht, wie Einführung von Unisex-Toiletten? kompliziert der Alltag für Eine undogmatische, kompromissbereite Heran gehensweise. Ich hätte großen Widerstand geern trans und inter Personen tet, hätte ich gefordert, dass alle bestehenden An sein kann.” lagen auf unser neues Konzept umgestellt werden müssen. Statt alles auf einmal anzugehen, sollte man besser Schritt für Schritt verfahren. Wir mer ken, dass wir bei jedem Bau dazulernen und von den vorangegangenen Erfahrungen profitieren. Außerdem ist Kommunikation extrem wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden – und zwar in 24 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 25
alle Richtungen. Man muss deutlich machen, dass Deshalb sind zusätzliche Unisex-Toiletten bei uns eine Toilettenanlage für alle installiert wird. Hilf für alle Neubauten selbstverständlich. reich ist auch, sich Expert_innen hinzuzuholen. Wo sehen Sie noch Nachholbedarf in Sehen Sie es als Pflicht des Arbeitgebers, Ihrem Unternehmen? Unisex-Toiletten anzubieten? Wir wollen unsere Stellenausschreibungen unter Wenn es um Pflichten geht, sind die Gesetzgeben nehmensweit inklusiv verfassen. Zum Teil sind sie den zuständig. Sie müssen entscheiden, ob und in ihrer Tonalität noch stark auf Männer ausge wie sich die Arbeitsstättenverordnung ändern richtet, und die technischen Voraussetzungen in lässt. Hätte ich ein Wörtchen mitzureden, würde den Stellenportalen sind nicht ausreichend, um ich bei rechtlichen Vorgaben die Unternehmens geschlechtersensibel zu formulieren. Da können größe als Maßstab nehmen. Ich würde auch zwi wir noch besser werden. Darüber hinaus sind wir schen Neu- und Bestandsbauten unterscheiden. dabei, unsere aus IT-Systemen generierte Standard- Bei uns begründen wir die Einführung der Toiletten Kommunikation komplett auf wertschätzende, mit unserer Haltung. Wir wollen gute Rahmen geschlechtersensible Kommunikation umzustellen. bedingungen für alle Mitarbeitenden schaffen. Und welche Veränderung freut Sie besonders? Viele unserer Abteilungen denken Diversity- Themen inzwischen selbstverständlich mit. In Bereichen, wo man vor wenigen Jahren stark Getrennte Toiletten – sensibilisieren musste, sind sie fest verankert. eine moderne Erfindung Beispielsweise müssen wir bei Neubauten kaum mehr unterstützen. Automatische Türöffner Bis weit ins 19. Jahrhundert waren oder Großraumnasszellen für mobilitätseinge separate Toiletten eher die Ausnahme. schränkte Menschen werden mitgedacht, eben- Den Wendepunkt markierte das Vikto- so teilweise absenkbare Theken für Menschen rianische Zeitalter mit seinem strengen im Rollstuhl. Moralkodex: Das Zurschaustellen des menschlichen Körpers war in Groß Was planen Sie derzeit, um trans, inter und britannien zunehmend verpönt. Diese nicht-binären Menschen das Arbeitsleben Einstellung führte zur Toilettentren- zu erleichtern? nung, der sich viele weitere Länder anschlossen. Neben der IT-Änderung bei den Standard-An reden organisieren wir Schulungen für unseren Werkschutz. Denn um das Gelände zu betreten, Gendergerechte Sprache ist eine Ausweiskontrolle obligatorisch. Solche Mitgemeint war gestern Checks sind aber für Menschen, deren Geschlecht Unisex-Toiletten in Frankfurt von dem im Ausweis abweicht, sehr unangenehm. Vor allem dann, wenn noch andere Wartende Vielerorts im Frankfurter Stadtgebiet anwesend sind. Wir wollen die Kolleg_innen im gibt es bereits Unisex-Toiletten, bei- Werkschutz für einen sensiblen und nicht pro spielsweise an der Goethe-Universität blematisierenden Umgang stärken. Denn damit Wie schaffen wir es, unsere an männlichen Rollen orientierte Sprachpraxis und der Frankfurt University of Applied entlasten wir die Personen ungemein. umzuwandeln? Vielen erscheint das schwierig. Zum Glück ist gender Sciences. Auch in öffentlichen Räumen gerechte Sprache einfacher, als oft gedacht. Den Plural statt (männlichen) und in der Gastronomie findet man Singular nutzen, Sachverhalte umschreiben oder gängige Sprachbilder sie häufiger. hinterfragen: Es gibt viele Möglichkeiten, alle Orientierungen und Iden titäten sichtbar zu machen. 26 LSBTIQ & Arbeit www.amka.de 27
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