Mit Recht zum Mars - Zeitschrift Vereinte Nationen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Mit Recht zum Mars | Eboli DOI: 10.35998/VN-2022-0023 Mit Recht zum Mars Die menschlichen Aktivitäten im Weltraum haben im Laufe der Zeit zugenommen. Derzeit gibt es mehrere Projekte zur menschlichen Besiedlung von Mond und Mars. Sind die gegenwärtigen Rechtsinstrumente geeignet, um solche neuen Herausforderungen zu regeln? Welche Maßnahmen sind erforderlich und welche Rolle sollen die UN dabei spielen? Raum in der Erdumlaufbahn stellt eine begrenzte Prof. Dr. Valeria Eboli Ressource dar, die von einer zunehmenden Zahl von ist Professorin für internationa- Staaten sowie internationalen zwischenstaatlichen les Recht an der italienischen und nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) ge- Marineakademie und der Universität von Pisa. nutzt wird. Mittlerweile wird der Weltraum insbe- sondere im Hinblick auf seine wirtschaftliche Nut- eboli.valeria@ddp.unipi.it zung sowohl von privaten Einrichtungen als auch von nationalen Raumfahrtbehörden erschlossen. Einige Projekte konzentrieren sich auf den Mars, H eute ist der Mars nicht mehr so unerreichbar, wobei kurzfristig die wissenschaftliche Forschung wie er es in der Vergangenheit war. Die Nut- im Mittelpunkt steht, mittelfristig die erste bemann- zung des Weltraums hat in den letzten Jahren te Mission und langfristig eine mögliche dauerhaf- aufgrund des technologischen Fortschritts zugenom- te menschliche Besiedlung des Mars geplant wird. men. Zudem verfügt der Weltraum über immense Seit den 1960er Jahren erforscht die Wissenschaft Ressourcen, die immer leichter zugänglich werden diesen Planeten, sammelt und analysiert Daten. und die für die menschliche Forschung und Entwick- Mehrere Sonden wurden dazu entsandt. Neben lung von entscheidender Bedeutung sind. Die Welt- denen, die von der Erd umlaufbahn Daten über- raumressourcen sind für die verschiedensten Aktivi- mitteln, erkunden wiederum verschiedene Raum- täten unerlässlich, angefangen von der Kommuni- fahrzeuge die Marsoberfläche. Bisher konnten die kation bis hin zu Finanzgeschäften, von der Land- Nationale Luft- und Raumfahrtbehörde der USA wirtschaft bis hin zur Wettervorhersage, von der (NASA), die Russische Weltraumorganisation Umweltüberwachung bis hin zur Navigation. (ROSCOSMOS), die Europäische Weltraumorga- Daneben kann der Weltraum auch als potenziel- nisation (ESA), die Indische Weltraumforschungs- le Ressource für saubere Energie erachtet werden. organisation (ISRO) und in jüngster Zeit auch So sind mehrere Staaten an der Rohstoffförderung China und die Vereinigten Arabischen Emirate er- auf dem Mond und auf Asteroiden interessiert.1 folgreiche Landungen durchführen. 2 Dies wäre nicht nur für kommerzielle Zwecke, son- Die erfolgreich durchgeführten Missionen lie- dern vor allem auch für die Ansiedlung von Men- ferten der Wissenschaft Hinweise darüber, dass der schen im Weltraum ein entscheidendes Kriterium. Mars reich an den für das Leben notwendigen Ele- Derzeit gibt es bereits zwei Raumstationen, die In- menten wie Wasser, organischem Kohlenstoff und ternationale Raumstation (ISS) und die chinesische eine Energiequelle ist. Untersucht wird gegenwär- Tiangong-Raumstation, auf denen Astronauten für tig, ob der Mars jemals Leben beherbergt hat – die längere Zeit im Einsatz sind. Hinweise verdichten sich 3 –, und ob Menschen dort überleben könnten. Insbesondere plant die NASA, bis zum Jahr 2030 eine bemannte Mission Der Mars gewinnt an Attraktivität zum Mars zu schicken. Gleichzeitig entwickelt die NASA eine Raumkapsel namens Orion, die Men- Ein weiteres Novum im Wettlauf um den Weltraum schen zum Mond und darüber hinaus befördern ist die wachsende Zahl der beteiligten Akteure. Der soll. Doch auch private Raumfahrtunternehmen 1 Siehe auch Stephan Hobe, Zur Zukunft des Weltraumbergbaus, VEREINTE NATIONEN (VN), 67. Jg., 4/2019, S. 160–163. 2 Nadia Drake, Why We Explore Mars – And What Decades of Missions Have Revealed, National Geographic, www.nationalgeographic.com/science/ article/mars-exploration-article 3 NASA Science Mars Exploration Program, Sample Collection and Rock Analysis at ›Wildcat Ridge‹, 15.9.2022, mars.nasa.gov/resources/26988/ sample-collection-and-rock-analysis-at-wildcat-ridge/ 2 0 6 V E R E I N T E N AT I O N E N 5/2022
Mit Recht zum Mars | Eboli wie SpaceX blicken mit Interesse auf den Mars.4 Und kürzlich haben China und die Vereinigten Arabischen Emirate mit dem Start ihrer Missionen Tianwen-15 und Hope konkrete Schritte in Rich- tung dieses ehrgeizigen Zieles unternommen, in Zukunft temporäre oder dauerhafte menschliche Siedlungen auf dem Mars zu errichten. Völkerrechtliche Regelungen zu Weltraumfragen Mit Blick auf die zukünftige Erforschung und Be- siedlung des Mars durch den Menschen muss der Rechtsrahmen eruiert werden, um etwaige rechtli- che Lücken zu identifizieren und diese zu schlie- ßen. Sollten neue Bestimmungen erforderlich sein, könnten die UN bei der Weltraumverwaltung und der Rechtsetzung eine wichtige Rolle einnehmen. Mindestens zwei verschiedene rechtliche Fragen Mosaik aus Bildern des NASA-Rovers ›Perseverance‹ vom 4. August 2022. Es zeigt müssen geklärt werden: Die erste betrifft die Rechts- einen Felsvorsprung namens ›Wildcat Ridge‹. Der Rover hat zwei Gesteinskerne ordnung des Weltraums und insbesondere der Him- entnommen und eine kreisförmige etwa fünf Zentimeter große Fläche (rechts) abge- schliffen, um das Gestein auf mikrobielles Leben zu untersuchen. Die Stelle befindet melskörper, wie beispielsweise der Planeten, zu de- sich in einem Delta, in dem vor Milliarden von Jahren ein Fluss in einen See im nen auch der Mars gehört. Die andere bezieht sich Jezero-Krater floss. FOTO: NASA/JPL-CALTECH/ASU/MSSS auf das für menschliche Aktivitäten relevante Recht, das private Beziehungen und den Schutz der Rechte von Einzelpersonen im Weltraum reguliert. Wich- tig ist es, zu klären, unter wessen Rechtsprechung fertigten Weltraumobjekts, einen Ad-hoc-Ausschuss Personen fallen, wenn sie sich im Weltraum und für die friedliche Nutzung des Weltraums ein. Die- insbesondere auf dem Mars aufhalten. ser Ausschuss bestand aus 18 Mitgliedern und hatte den Auftrag, die technischen, rechtlichen und sons- tigen Aspekte vor dem Hintergrund der ersten Sa- Rechtliche Regelung von Himmelskörpern telliten zu untersuchen. Es wurden zwei Unteraus- schüsse gebildet: ein wissenschaftlich-technischer Der Weltraum ist kein Niemandsland. Das Recht und ein rechtlicher. Der Ad-hoc-Ausschuss wurde greift in gewissem, aber zunehmendem Maße auch von der Generalversammlung im Jahr 1959 in ein in den Weltraum vor. Seitdem die Technologie die ständiges Gremium umgewandelt.7 Anfangs boy- Möglichkeit bietet, den Weltraum zu erforschen, kottierte die Sowjetunion den Ausschuss, weil sie ist die Gesetzgebung für Weltraumaktivitäten eine ihn für nicht repräsentativ genug hielt, und forder- Herausforderung.6 Anfangs fand der Gesetzgebungs- te, dass die Entscheidungen im Konsens und nicht, prozess vor allem im Rahmen der UN statt, die auch wie vom Westen vorgeschlagen, durch Mehrheits- eine politische Funktion ausübten: Einige Spannun- beschluss getroffen werden sollten. Schließlich ei- gen zwischen den geopolitischen Hauptakteuren nigte man sich auf die Einsetzung eines Ausschus- wurden damals durch solche Regeln entschärft. ses mit 24 Mitgliedern, der als Nebenorgan der Ein Beispiel dafür sind die Bemühungen, das Wett- Generalversammlung eingerichtet wurde, wodurch rüsten im Weltraum zu verlangsamen. sein politischer Charakter unterstrichen wurde. Die UN-Generalversammlung setzte im Jahr 1958, Den Vorsitz des Ausschusses für die friedliche kurz nach dem Start des ersten von Menschen ge- Nutzung des Weltraums (Committee on the Peace- 4 Nadia Drake/Elon Musk: A Million Humans Could Live on Mars By the 2060s, National Geographic, 28.9.2016, www.nationalgeographic.com/ science/article/elon-musk-spacex-exploring-mars-planets-space-science 5 Michael Roston/Steven Lee Myers, China’s Mars Mission, Tianwen-1, Begins Its Monthslong Journey, The New York Times, 22.7.2020, www.nytimes.com/2020/07/22/science/mars-china-launch.html 6 Bin Cheng, The Legal Status of Outer Space and Relevant Issues: Delimitation of Outer Space and Definition of Peaceful use, Journal of Space Law, 11. Jg., 1 & 2/1983, S. 89–106. 7 UN Doc. A/RES/1472(XIV) A and B v. 12.12.1959. V E R E I N T E N AT I O N E N 5 / 2 0 2 2 207
Mit Recht zum Mars | Eboli ful Uses of Outer Space – COPUOS; Weltraumaus- die Himmelskörper erheben. Der Zugang zum schuss) übernahm zunächst Österreich als neutra- Weltraum steht allen offen. Darüber hinaus steht les Land. Die damalige Republik China weigerte es allen Nationen frei, wissenschaftliche Untersu- sich zu Beginn, dem Ausschuss beizutreten. Sie war chungen im Weltraum durchzuführen. Auch die der Ansicht, der Ausschuss würde zu stark von den nationalen Rechte an den von ihnen gestarteten beiden Supermächten des Ost-West-Konflikts do- Weltraumobjekten werden gewahrt und die Nati- miniert. Die Volksrepublik China, die die UN- onen werden zusammenarbeiten, wenn Raumfahr- Mitgliedschaft der Republik China im Jahr 1971 zeuge und ihre Besatzung in Not geraten.9 ›ersetzte‹, baute jedoch immer weiter ihr eigenes Die wichtigste völkerrechtliche Vereinbarung Raumfahrtprogramm aus, sodass sie im Jahr 1980 des Weltraumrechts ist der Vertrag über die Grund- im Ausschuss aufgenommen wurde. Nach dem sätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei Ende des Ost-West-Konflikts wurde ein Rotations- der Erforschung und Nutzung des Weltraums ein- system für den Vorsitz eingeführt. schließlich des Mondes und anderer Himmelskör- Dieses System war das Ergebnis multilateraler per (Principles Governing the Activities of States in Verhandlungen zwischen den Raumfahrtnationen the Exploration and Use of Outer Space, including und den Staaten, die keine Raumfahrt betreiben. the Moon and Other Celestial Bodies), besser be- Was den institutionellen Rahmen betrifft, so muss kannt als Weltraumvertrag aus dem Jahr 1967.10 auch das Büro der Vereinten Nationen für Weltraum- Seine Bestimmungen beruhen auf dem Grundsatz, fragen (Office for Outer Space Affairs – UNOOSA) dass alle Nationen das Recht auf Zugang zum Welt- erwähnt werden. Es stellt das Sekretariat des raum und den darin enthaltenen Ressourcen haben COPUOS und seines Wissenschaftlich-technischen und dass der Weltraum ausschließlich für »friedli- Unterausschusses sowie seines Rechtsunterausschus- che Zwecke« zu nutzen ist. ses; es koordiniert die Zusammenarbeit der ver- schiedenen Organisationen innerhalb der UN bei der Nutzung der Weltraumtechnologie (UN Space) Weitere Verträge wurden ausgehandelt Das Übereinkommen über die Rettung und Rück- führung von Raumfahrern sowie die Rückgabe von Alle Nationen haben das Recht auf Zugang zum in den Weltraum gestarteten Gegenständen (Agree- ment on the Rescue of Astronauts, the Return of Weltraum, der ausschließlich für friedliche Astronauts and the Return of Objects Launched Zwecke zu nutzen ist. into Outer Space; Weltraumrettungsübereinkom- men) ergänzt die mit dem Weltraumvertrag einge- führten Pflichten zur Hilfeleistung für Raumfahrer in Not.11 Das Übereinkommen über die völker- rechtliche Haftung für Schäden durch Weltraum- gegenstände (Convention on International Liability und pflegt die Zusammenarbeit mit Raumfahrtbe- for Damage Caused by Space Objects; Weltraum- hörden sowie entsprechenden zwischenstaatlichen haftungsübereinkommen) aus dem Jahr 197212 er- Organisationen und NGOs. Alle weltraumrechtli- weitert die mit dem Weltraumvertrag eingeführten chen Vereinbarungen wurden im Rahmen des Grundsätze der Haftung für durch Weltraumob- Rechtsunterausschusses ausgearbeitet und im Kon- jekte verursachte Schäden. Das Übereinkommen sens angenommen. Der wichtigste Rechtsrahmen schreibt eine uneingeschränkte Haftung für den für den Weltraum wird derzeit von fünf Grün- Staat vor, der den Start vornimmt.13 Ein weiterer dungsverträgen gebildet. 8 wichtiger Vertrag ist das Übereinkommen über die Darin festgelegt wurden die Grundlagen für die Registrierung von in den Weltraum gestarteten Ge- Nutzung des Weltraums. Demnach kann keine Na- genständen (Convention on Registration of Objects tion territoriale Ansprüche auf den Weltraum und Launched into Outer Space; Weltraumregistrie- 8 Siehe dazu auch Kai-Uwe Schrogl, 60 Jahre Weltraumrecht, VN, 67. Jg., 4/2019, S. 147–153. 9 Necia Apfel, Space Law, New York 1988. 10 UNOOSA, Outer Space Treaty, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/outerspacetreaty.html 11 UNOOSA, Rescue Agreement, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/introrescueagreement.html 12 UNOOSA, Introliability Convention, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/introliability-convention.html 13 Vladimir Kopal, Origins of Space Law and the Role of the United Nations, in: Christian Brünner/Alexander Soucek (Eds.), Outer Space in Society, Politics and Law, Wien 2011. 2 0 8 V E R E I N T E N AT I O N E N 5/2022
Mit Recht zum Mars | Eboli rungsübereinkommen), aus dem Jahr 1976.14 Die eigenen Interesse und ohne Vorteilsausgleich ge- Registrierung ist eine Maßnahme, um festzustel- nutzt werden könnten. len, welcher Staat die internationale Verantwortung und Haftung für Weltraumobjekte trägt. Das Übereinkommen zur Regelung der Tätig- Rechtliche Regelungen für die im Weltraum keiten von Staaten auf dem Mond und anderen agierenden Subjekte Himmelskörpern (Agreement Governing the Acti- vities of States on the Moon and Other Celestial Der zweite rechtliche Problembereich, der zu lösen Bodies; Mondvertrag) aus dem Jahr 197915 ist das ist, betrifft die Rechtslage der Menschen. Es muss innovativste und zugleich umstrittenste Überein- untersucht werden, welche Normen geeignet sind, kommen. Darin wird das Konzept des gemeinsa- die Rechte des Einzelnen zu wahren sowie private men Erbes der gesamten Menschheit verankert. Es Aktivitäten, zwischenmenschliche Beziehungen und definiert den Mond und andere Himmelskörper Fragen der Strafgerichtsbarkeit zu regeln. sowie deren natürliche Ressourcen als »gemeinsa- mes Erbe der Menschheit«. Artikel 11 sieht vor, dass ein internationales System zur Nutzungsrege- lung dieser Ressourcen geschaffen werden soll, so- Die Ressourcen des Mars könnten von jedem bald der Abbau dieser Ressourcen möglich wird. Staat oder jeder privaten Einrichtung im Der Mondvertrag beinhaltet das Konzept der Nicht- eigenen Interesse genutzt werden. aneignung durch Staaten und hindert private Ein- richtungen daran, Ansprüche auf den Mond oder andere Himmelskörper zu erheben, bei gleichzeiti- ger Ausweitung dieses Verbots auf Ressourcen. Er verbietet jedoch nicht die Gewinnung von Rohstof- fen aus dem Weltall. Vielmehr werden der Abbau In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben pri- und die Verteilung dieser Ressourcen im Rahmen vate Akteure, wie etwa Newspace oder SpaceX, in des Rechts des gemeinsamen Erbes der Menschheit die Raumfahrt investiert. Es scheint, als würde sich überwacht, was darauf hindeutet, dass diese Res- das bisher von staatlichen Stellen dominierte Un- sourcen der gesamten Menschheit gehören. ternehmensmodell in diesem Sektor verändern. Die Verabschiedung eines solchen Rechtssystems Diese zunehmende Kommerzialisierung von Welt- beruht auf der Notwendigkeit, ein Gleichgewicht raumaktivitäten hat Auswirkungen auf das Völ- zwischen Raumfahrtnationen und Nichtraum- kerrecht im Weltraum. Fragestellungen im Zusam- fahrtnationen herzustellen. Einige Staaten haben menhang mit privaten Raumfahrtaktivitäten wie diese rechtlichen Normen zum gemeinsamen Erbe etwa Eigentumsrechte, Rechte an geistigem Eigen- der Menschheit nicht ohne Weiteres akzeptiert. tum, Haftung nichtstaatlicher Einrichtungen, Ver- Hintergrund sind die enormen wirtschaftlichen sicherungsansprüche, Rechtsstatus von Weltraum- Auswirkungen, die sich daraus zukünftig ergeben touristen und andere erfordern eine angemessene könnten, wenn neue Technologien die Gewinnung Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf neue natürlicher Ressourcen von Himmelskörpern leicht Entwicklungen in der Raumfahrttechnologie. ermöglichen. Der Mondvertrag ist der Vertrag mit Seit den 1990er Jahren wurden mit einer Viel- der geringsten Akzeptanz und nur wenige Ratifi- zahl bilateraler Verträge zur Regelung der weltraum- zierungen sind erfolgt.16 Aus diesem Grund ist es bezogenen Zusammenarbeit zwischen Staaten und fraglich, ob Rohstoffförderung, die Ausbeutung staatlichen Raumfahrtbehörden neue Normen für von Ressourcen und andere kommerzielle Aktivitä- dieses Ziel eingeführt. In den vergangenen drei ten, die auf Himmelskörpern ausgeübt werden, un- Jahrzehnten wurden mehrere technische und wis- ter das rechtliche Regime des gemeinsamen Erbes senschaftliche Abkommen ausgehandelt, an denen der Menschheit fallen können. Dies hat relevante etwa 100 Staaten und internationale Organisatio- Auswirkungen auf zukünftige Marsmissionen, da nen beteiligt waren. Zudem lenkt die verstärkte in diesem Fall die Ressourcen des Roten Planeten menschliche Präsenz im Weltraum die Aufmerk- von jedem Staat oder jeder privaten Einrichtung im samkeit auch auf kriminelle Aktivitäten. So wurde 14 UNOOSA, Registration Convention, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/introregistration-convention.html 15 UNOOSA, Moon Agreement, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/moon-agreement.html 16 UNOOSA, Status of International Agreements relating to Activities in Outer Space, www.unoosa.org/oosa/en/ourwork/spacelaw/treaties/status/ index.html V E R E I N T E N AT I O N E N 5 / 2 0 2 2 209
Mit Recht zum Mars | Eboli im August 2019 etwa berichtet, dass die NASA eine glied am 13. November 2020 bei.19 Das Artemis- Anschuldigung im Zusammenhang mit einer Straf- Abkommen enthält zehn unverbindliche Grund- tat untersucht, die eine Astronautin an Bord der sätze, die das Verhalten der an der Erforschung des ISS begangen hat.17 Erstmals musste also geklärt Weltraums, insbesondere des Mondes und anderer werden, welches Strafrecht im Weltraum gilt.18 Himmelskörper, beteiligten Staaten regeln sollen. Handlungen, die außerhalb einer Raumstation Die Beschlüsse verkörpern ein politisches Bekennt- an verschiedenen Orten stattfinden, können in die nis zu diesen Grundsätzen, die vor allem die opera- Zuständigkeit verschiedener Staaten fallen oder au- tive Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Welt- ßerhalb der Zuständigkeit eines Staates liegen. In raumvertrag und anderen rechtsverbindlichen Ins- diesem Fall gibt es noch keine spezifischen Bestim- trumenten vorsehen. Sie stehen im Zusammenhang mungen, die die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit mit dem Artemis-Programm der NASA, das dar- regeln. Im Falle einer Besiedlung des Mars müsste auf abzielt, bis zum Jahr 2025 wieder Menschen geklärt werden, auf welche spezifische staatliche auf den Mond zu entsenden, wobei die durch die Gerichtsbarkeit zurückgegriffen werden kann – Artemis-Missionen gewonnenen Erkenntnisse ge- etwa auf den Staat, dessen Staatsangehörigkeit die nutzt werden sollen, um in Zukunft Menschen auf Astronautin oder der Astronaut besitzt, dessen den Mars zu schicken. Ziel dieses Abkommens ist Staatsangehörigkeit das Opfer besitzt, unter des- es, ein einheitliches Konzept für eine verbesserte sen Gerichtsbarkeit die Mission durchgeführt wird Regelung der zivilen Erforschung und Nutzung des oder auf den Startstaat. Weltraums zu schaffen. Die gleichen Bedenken ergeben sich aus den ak- Russland und China sind keine Vertragspar- tuellen bilateralen oder multilateralen Abkommen, teien und lehnen das Vorhaben der USA ab, die die zur Regelung bestimmter Raumfahrtaktivitä- das Recht auf Ausbeutung der Ressourcen von ten ausgehandelt wurden. Einige der jüngsten Initi- Himmelskörpern damit bekräftigen. 20 Dennoch ativen beruhen auf einer rein zwischenstaatlichen unterzeichneten die Na t ionale Raumfahrtbe- hörde Chinas (CNSA) und ROSCOSMOS am 9. März 2021 eine Vereinbarung über den gemein- samen Bau einer autonomen permanenten Mond- Verhandlungen sind erforderlich, um völker- forschungsstation namens International Lunar Research Station (ILRS). Darin werden wissen- rechtliche Normen auszuhandeln, die den immer schaftliche Forschungsarbeiten sowie die Nut- stärker frequentierten Weltraum regeln. zung des Mondgeländes festgelegt. 21 Das Engagement privater Akteure lenkte den Gesetzgebungsprozess vom institutionellen Rah- men der Vereinten Nationen, in dem die fünf gro- ßen Weltraumverträge diskutiert und verabschiedet Zusammenarbeit außerhalb des institutionellen wurden, zu zwischenstaatlichen Verhandlungen. Rahmens einer internationalen Organisation. Die Das Ergebnis ist ein Rechtsrahmen, der uneinheit- aktuellen Grundsätze für die Zusammenarbeit bei lich ist und unterschiedliche, auf die einzelnen Ak- der zivilen Erforschung und Nutzung von Mond, teure zugeschnittene Regeln vorsieht. Es wäre wich- Mars, Kometen und Asteroiden zu friedlichen Zwe- tig, bestimmte Regeln auf zentraler Ebene zu klä- cken (Artemis-Abkommen), die am 13. Oktober 2020 ren und die UN könnten das bevorzugte Forum für unterzeichnet wurden, sind hierfür ein Beispiel. diese Debatte sein. Eine Wiederaufnahme der Ver- Die acht Gründungsmitglieder waren Australien, handlungen in diesem Zusammenhang ist drin- Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, die USA, die gend erforderlich, um neue völkerrechtliche Nor- Vereinigten Arabischen Emirate und das Vereinig- men auszuhandeln, die den veränderten und immer te Königreich; die Ukraine trat als neuntes Mit- stärker frequentierten Weltraum regeln können. 17 Mike Baker, NASA Astronaut Anne McClain Acussed by Spouse of Crime in Space, The New York Times, 23.8.2019, www.nytimes.com/2019/08/23/us/astronaut-space-investigation.html 18 Siehe Danielle Ireland-Piper/Steven Freeland, Star Laws: Criminal Jurisdiction in Outer Space, Journal of Space Law, 44. Jg., 1/2020, S. 44–75. 19 Almudena Azcárate Ortega, Artemis Accords: A Step Toward International Cooperation or Further Competition?, Lawfare, 15.12.2020, www.lawfareblog.com/artemis-accords-step-toward-international-cooperation-or-further-competition 20 Namrata Goswami, The Strategic Implications of the China-Russia Lunar Base Cooperation Agreement, The Diplomat, 19.3.2021, thediplomat.com/2021/03/the-strategic-implications-of-the-china-russia-lunar-base-cooperation-agreement/ 21 Tanmay Kadam, Lunar Research Station: Russia, China Almost Ready To Ink Pact On ›Moon Base‹ That Will Rival Artemis Accords – Rogozin, The Eurasian Times, 1.6.2022, eurasiantimes.com/russia-china-almost-ready-to-ink-pact-on-moon-base/ 2 1 0 V E R E I N T E N AT I O N E N 5/2022
Mit Recht zum Mars | Eboli Neubelebung der UN-Rolle fenen Arbeitsgruppe, die in den Jahren 2022 und 2023 viermal zusammentreten soll, um Empfehlun- Mit Blick auf die Zukunft ist es notwendig, einen gen zu möglichen Normen, Regeln und Grundsät- geeigneten völkerrechtlichen Rahmen für die An- zen für verantwortungsbewusstes Verhalten in Be- siedlung von Menschen, beispielsweise in Kolonien zug auf Bedrohungen von Weltraumsystemen durch auf dem Mars oder anderen Himmelskörpern, zu Staaten zu erarbeiten. Nun scheinen die Vereinten finden oder zu schaffen. Zusätzlich zu den Grün- Nationen wieder entschlossen zu sein, sich dieses dungsverträgen konzentrieren sich die Diskussio- Themas anzunehmen – nicht zuletzt aufgrund ih- nen im Bereich der Weltraumpolitik derzeit auf die res Ziels, den internationalen Frieden und die Si- Festlegung neuer Verhaltensnormen und nicht auf cherheit zu wahren. Einige dieser Aktivitäten kön- neue völkerrechtlich verbindliche Abkommen. An- nen grundlegende Interessen der internationalen gesichts des Widerstands mehrerer großer Welt- Gemeinschaft oder einige Prioritäten der Vereinten raummächte gegen jede Diskussion über verbindli- Nationen beeinträchtigen, da Weltraumaktivitäten che Abkommen wird es immer schwieriger, einen auch für die Verwirklichung der Ziele für nachhal- globalen Konsens über neue Verträge zu erzielen. tige Entwicklung (Sustainable Development Goals Im Jahr 2013 verabschiedete die Generalver- – SDGs) von wesentlicher Bedeutung sind. 26 sammlung im Konsensverfahren eine von einer Die UN sind also auch im Hinblick auf Mars- Gruppe Sachverständiger vorgestellten Studie zur missionen von Bedeutung, beispielsweise in den Be- Transparenz im Weltraum und zu vertrauensbil- reichen Energie, Innovation und vor allem bei der denden Maßnahmen. 22 Danach erfordert die welt- Verringerung von Ungleichheiten, etwa indem sie weit wachsende Nachfrage nach weltraumgestütz- allen Ländern das Recht auf Zugang zu ihren Res- ten Systemen und Technologien und den von ihnen sourcen gewähren. Aus diesem Grund sollten die bereitgestellten Informationen gemeinsame An- UN eine führende Rolle bei der Förderung neuer strengungen, um die Gefahren für die Nachhaltig- Regeln spielen, um die derzeitige Fragmentierung keit und Sicherheit von Weltraumaktivitäten zu zu überwinden und den Staaten die Möglichkeit zu bekämpfen. Der Verweis auf diese Kooperations- geben, in einem multilateralen Forum einen ge- maßnahmen unterstreicht die Notwendigkeit, ei- meinsamen Konsens zu finden. Die aktuellen Ent- nen gemeinsamen Rahmen zu schaffen und mög- wicklungen erfordern ein stärkeres rechtliches und lichst viele Akteure auch in den Rechtsetzungs- politisches UN-Engagement in Bezug auf die neuen prozess einzubeziehen. Ein weiteres wichtiges un- konkurrierenden Interessen im Weltraumbereich. verbindliches Instrument, der Entwurf eines Inter- nationalen Verhaltenskodex für Weltraumaktivitä- Aus dem Englischen von Monique Lehmann. ten, muss ebenfalls erwähnt werden.23 Die UN haben sich lange Zeit auf die Rolle beschränkt, bestimmte Formen der unabhängigen Zusammenarbeit zwi- schen den Staaten zu fördern und diese anzuregen, English Abstract ohne direkt in die Problemlösung einzugreifen. Prof. Dr. Valeria Eboli The Legal Path to Mars pp. 206–211 Trendwende Human activities in outer space have been increasing since the 1950s. Currently, there are several futuristic projects related to human settle- Die UN-Generalversammlung hat einige Resoluti- ments on the Moon or Mars. This analysis focuses on whether current onen zum Thema Waffen im Weltraum verabschie- international legal instruments are appropriate to regulate such new det: Die erste war eine Resolution im Jahr 201424 , challenges, which efforts are needed in a de iure condendo perspective, gefolgt von einer Resolution im Jahr 2020 über die what role the United Nations will play in such a context. Eindämmung von Bedrohungen aus dem Weltraum durch Normen, Regeln und Grundsätze für verant- Keywords: Nachhaltige Entwicklung, Rohstoffe, Völkerrecht, Weltraum, wortungsbewusstes Verhalten sowie einer Resolu- sustainable development, natural resources, international law, space tion im Jahr 202125 über die Einsetzung einer Of- 22 UN Doc. A/Res 65/68 v. 11.1.2011. 23 Michael J. Listner, The International Code of Conduct: Comments on Changes in the Latest Draft and Post-Mortem Thoughts, The Space Review, 26.10.2015, www.thespacereview.com/article/2851/1 24 UN Doc. A/RES/69/32 v. 11.12.2014. 25 UN Doc. A/RES/75/36 v. 16.12.2020; A/RES/76/231 v. 30.12.2021. 26 UN Doc. A/RES/70/1 v. 21.10.2005; siehe auch Franziska Knur/Markus Woltran, Raumfahrt für nachhaltige Entwicklung, VN, 67. Jg., 4/2019, S. 154–159. V E R E I N T E N AT I O N E N 5 / 2 0 2 2 211
Sie können auch lesen