Monitoring der Gewichtsdaten der schulärztlichen Dienste der Städte Basel, Bern und Zürich
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Faktenblatt 56 Monitoring der Gewichtsdaten der schulärztlichen Dienste der Städte Basel, Bern und Zürich Entwicklung von Übergewicht/Adipositas bei Kindern und Jugendlichen im Schuljahr 2019/20 mit Sonderfokus «Oberstufe und Körperbild» Abstract Gemäss der 15. Ausgabe des BMI-Monitorings in den Städten Basel, Bern und Zürich waren im Schuljahr 2019/20 insgesamt 17,1 Prozent der untersuchten Schülerinnen und Schüler übergewichtig (12,9 %) oder adipös (4,2 %). Obwohl der Anteil übergewichtiger oder adipöser Kinder und Jugendlicher im Vergleich zum Vorjahr um einen halben Prozentpunkt gesunken ist, muss die Situation über die letzten Jahre insgesamt als stabil bezeichnet werden. Allfällige Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf das Körpergewicht können jedoch noch nicht gezeigt werden, da die Mehrheit der Daten vor dem Lockdown des Frühlings 2020 gesam- melt wurde. Neu zeigen sich im Schuljahr 2019/20 statistisch signifikante Geschlechterunterschiede auf allen untersuchten Schulstufen. Besonders ausgeprägt ist der Geschlechterunterschied auf der Oberstufe, wo 26,8 Prozent der jungen Männer und 21,8 Prozent der jungen Frauen übergewichtig oder adipös sind. Dass der Geschlechter- unterschied unter anderem mit einer unterschiedlichen Körperwahrnehmung und anderen Vorstellungen eines idealen Körpers zusammenhängt, zeigt der «Fokusteil» der vorliegenden Studie. 1 Insgesamt stabile Verhältnisse im Inhaltsverzeichnis Schuljahr 2019/20 1 Insgesamt stabile Verhältnisse im Das vergleichende BMI-Monitoring in den Städten Schuljahr 2019/20 1 Basel, Bern und Zürich basiert auf schulärztlichen 2 Zusammenhänge mit Staatsangehörigkeit, Untersuchungen ausgewählter Schulstufen. Diese sozialer Herkunft und Geschlecht 3 Untersuchungen wurden in der zweiten Hälfte des 3 Übergewicht und Adipositas auf der Schuljahrs 2019/20 von den Schulschliessungen in Oberstufe3 Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie zwar 4 Körperbild und Körperwahrnehmung 4 beeinflusst, konnten aber mehrheitlich durchgeführt 5 Wahrnehmung des Körpergewichts 5 werden. Für die statistische Analyse standen die 6 Anknüpfungspunkte für Interventionen 6 Daten von 14 197 Schülerinnen und Schülern zur 7 Quellen 8 Verfügung. Dies sind nur rund 300 Personen weni- ger als im Vorjahr.
2 Monitoring der Gewichtsdaten der schulärztlichen Dienste der Städte Basel, Bern und Zürich – Schuljahr 2019/20 Wie Abbildung 1 zeigt, waren im Schuljahr 2019/20 eingesetzt, hält aber offenbar an, während auf der 17,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen in den drei Oberstufe zu Beginn des Beobachtungszeitraums untersuchten Städten übergewichtig oder adipös. ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen war und die Der leichte Rückgang um einen halben Prozentpunkt Entwicklung seither auf hohem Niveau stagniert. gegenüber dem Vorjahr ist vor allem die Folge einer Bei einem Vergleich der Übergewichtsprävalenzen (nicht signifikanten) Reduktion des Anteils überge- in den drei Städten fällt auf, dass Bern im Schuljahr wichtiger und adipöser Jugendlicher auf der Ober- 2019/20 mit 15,1 Prozent wie in den Vorjahren den stufe (minus 1,8 Prozentpunkte auf 24,4 %, vgl. auch geringsten Anteil an übergewichtigen Kindern und die Erläuterungen weiter unten), während sich Jugendlichen aufweist. Allerdings hat sich der Un- bei den jüngeren Kindern nur wenig verändert hat terschied zu Basel (18,3 %) und Zürich (17,3 %) etwas (Basisstufe: minus 0,2 Prozentpunkte auf 12,1 %; verringert (2018/19: Bern 14,9 %; Basel 19,2 %; Zü- Unter-/Mittelstufe: plus 0,3 Prozentpunkte auf rich 18,0 %). 19,2 %). Schülerinnen und Schüler der Oberstufe (24,4 %) sind doppelt so häufig von Übergewicht (inkl. Adipositas) betroffen wie Kinder, welche die ABBILDUNG 2 Basisstufe besuchen (12,1 %). Werden die gesamten 15 Jahre seit der ersten Anteil übergewichtiger und adipöser Kinder auf ver BMI-Monitoring-Studie zum Schuljahr 2005/06 be- schiedenen Schulstufen (Basel, Bern, Zürich zusammen), Vergleich von vier Perioden* trachtet, so zeigen sich auf den Schulstufen unter- schiedliche Trends. Gemäss Abbildung 2 ist der An- Adipositas Übergewicht (inkl. Adipositas) teil übergewichtiger und adipöser Kinder auf der Kindergarten / 1. Klasse Basisstufe langfristig zurückgegangen; die Ent- 2005/06–2008/09 4,3 15,4 wicklung stagniert seit einigen Jahren jedoch auf 2009/10–2012/13 3,9 14,3 einem deutlich tieferen Niveau als noch Mitte der 2000er-Jahre. Auf der Unter-/Mittelstufe hat der 2013/14–2016/17 2,8 11,9 Rückgang der Übergewichtsprävalenz erst später 2017/18–2019/20 3,1 12,3 2005/06–2008/09 4,9 22,0 Unter-/Mittelstufe ABBILDUNG 1 2009/10–2012/13 5,0 22,1 Anteil übergewichtiger und adipöser Kinder auf 2013/14–2016/17 5,2 20,8 verschiedenen Schulstufen (Basel, Bern, Zürich zusammen, Schuljahr 2019/20, n = 14 197) 2017/18–2019/20 4,2 19,1 2005/06–2008/09 5,5 22,8 Adipositas Übergewicht (inkl. Adipositas) Oberstufe 2009/10–2012/13 6,4 25,0 Kindergarten / 1. Klasse 3,1 12,1 2013/14–2016/17 6,2 24,5 Unter-/Mittelstufe 4,5 19,2 2017/18–2019/20 6,5 25,1 Oberstufe 6,0 24,4 2005/06–2008/09 4,8 19,5 Alle Schulstufen 4,2 17,1 Alle Schulstufen 2009/10–2012/13 4,9 19,5 0% 10 % 20 % 30 % 2013/14–2016/17 4,3 17,4 Hinweis: In dieser wie auch in allen folgenden Abbildungen beinhaltet die Kategorie «Übergewicht» immer auch die 2017/18–2019/20 4,2 17,3 adipösen Kinder und Jugendlichen. Die Unterschiede zwi- schen den verschiedenen Schulstufen sind sowohl beim 0% 10 % 20 % 30 % Übergewicht wie bei der Adipositas statistisch signifikant. Der Begriff «signifikant» bezieht sich hier wie auch in den * Die ersten drei Perioden umfassen je vier Untersuchungs- weiteren Grafiken auf ein Vertrauensintervall von 95 %. jahre, die letzte dagegen nur deren drei.
Monitoring der Gewichtsdaten der schulärztlichen Dienste der Städte Basel, Bern und Zürich – Schuljahr 2019/20 3 2 Zusammenhänge mit Staatsangehörigkeit, oben erwähnten Unterschieden nach Staatsangehö- sozialer Herkunft und Geschlecht rigkeit und sozialer Herkunft sind die Geschlechter unterschiede jedoch weiterhin vergleichsweise ge- Werden Übergewicht und Adipositas in Beziehung ring. zu Merkmalen wie dem Geschlecht, der Staatsange- hörigkeit oder der sozialen Herkunft der Kinder und Jugendlichen gesetzt, so zeigen sich im Schuljahr 3 Übergewicht und Adipositas auf 2019/20 sehr ähnliche Befunde wie in den Vorjahren: der Oberstufe Ausländische Kinder (21,9 %) und Kinder von Eltern ohne nachobligatorischen Schulabschluss (31,9 %, Wie Abbildung 2 weiter oben zeigt, ist es auf der nur Angaben aus Basel und Bern) sind häufiger Oberstufe im Gegensatz zu den anderen beiden un- übergewichtig oder adipös als Schweizerinnen und tersuchten Schulstufen noch nicht gelungen, eine Schweizer (15,1 %) und Kinder von Eltern mit einem längerfristige Entwicklung in Richtung tieferer Lehrabschluss (21,8 %) oder einer höheren Ausbil- Übergewichtsprävalenzen einzuleiten. Daran ändert dung (9,4 %). vorderhand auch der Befund nichts, dass im Schul- Erstmals seit dem Beginn des BMI-Monitoring-Pro- jahr 2019/20 eine Reduktion gegenüber dem Vorjahr jekts im Schuljahr 2005/06 sind die Unterschiede im festzustellen war. Rückgänge konnten gemäss Ab- Anteil der Übergewichtigen und Adipösen zwischen bildung 4 bereits in früheren Schuljahren konstatiert Mädchen und Knaben auf allen untersuchten Schul- werden (z. B. 2014/15). Sie wurden in den Folgejah- stufen statistisch signifikant (vgl. Abbildung 3). Inte- ren jedoch wieder durch steigende Prävalenzen auf- ressant ist dabei, dass die Mädchen im Kindergarten gehoben. In diesem Sinne «kompensiert» der Rück- bzw. der 1. Klasse etwas häufiger übergewichtig gang im Schuljahr 2019/20 den deutlichen Anstieg sind, während auf den beiden höheren Stufen die des Vorjahres, das in einer langfristigen Perspektive Knaben einen höheren Anteil an Übergewichtigen als Ausreisser charakterisiert werden müsste. So- verzeichnen. Auf der Oberstufe ist zudem der in Ab- mit ist es noch zu früh, um von einer Trendwende zu bildung 3 nicht dargestellte Unterschied im Anteil sprechen. der Adipösen besonders ausgeprägt: 7,4 Prozent der In der Literatur werden verschiedene Erklärungen jungen Männer und 4,4 Prozent der jungen Frauen dafür diskutiert, warum es in der Oberstufe schwie- sind in dieser Gruppe adipös. Im Vergleich zu den rig ist, eine nachhaltige Reduktion des Anteils Über- ABBILDUNG 3 ABBILDUNG 4 Anteil der übergewichtigen Mädchen und Jungen Anteil übergewichtiger und adipöser Schülerinnen und auf verschiedenen Schulstufen (Basel, Bern, Zürich Schüler auf der Oberstufe (Basel, Bern, Zürich, Vergleich zusammen, Schuljahr 2019/20) der Schuljahre 2005/06 bis 2019/20) Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind auf allen Stufen signifikant; über alle Stufen sind die Unter- Alle Übergewicht (inkl. Adipositas) Alle Adipositas schiede nicht signifikant. Fallzahlen: Mädchen = 6902, 30 % Knaben = 7295. 25 % Mädchen Knaben 13,3 20 % Kindergarten / 1. Klasse 10,8 15 % 17,9 Unter-/Mittelstufe 20,5 10 % 21,8 Oberstufe 5% 26,8 16,6 0% Alle Schulstufen 17,5 6 8 0 2 4 6 8 0 /0 /0 /1 /1 /1 /1 /1 /2 05 07 09 11 13 15 17 19 0% 10 % 20 % 30 % 20 20 20 20 20 20 20 20
4 Monitoring der Gewichtsdaten der schulärztlichen Dienste der Städte Basel, Bern und Zürich – Schuljahr 2019/20 gewichtiger zu erreichen. [1,2,3] So wird etwa da- Hinweise auf den Einfluss des Körperbilds finden rauf hingewiesen, dass Oberstufenschülerinnen und sich in der Studie «Health Behaviour in School- -schüler an Autonomie gewinnen und im Prozess aged Children» (HBSC) des Jahres 2018 von Sucht des Heranwachsens konventionelle Autoritäten wie Schweiz. [5] Diese Untersuchung enthielt eine Lehrpersonen oder Eltern zunehmend infrage stel- Fragenbatterie zum «Healthy Body Image», die von len. Als Resultat wird es schwieriger, Oberstufen- der Zürcher Hochschule für angewandte Wissen- schülerinnen und -schüler mit Massnahmen auf der schaften (ZHAW) in einem früheren Projekt und in Ebene der Schule zu erreichen und Verhaltens Zusammenarbeit mit Gesundheitsförderung Schweiz änderungen auszulösen. Stattdessen gewinnen entwickelt worden war. [6, 7] Peer Groups und jugendliche Subkulturen an Be- Die Befunde zum Körperbild finden sich in Abbil- deutung, in denen es durchaus faszinierend sein dung 5, welche die Unterschiede zwischen jungen kann, sich explizit gegen Gebote und Verbote von Frauen und jungen Männern verdeutlicht. Letztere Erwachsenen aufzulehnen. Interventionen müssen sind häufiger mit ihrem Aussehen zufrieden und der daher die Veränderungsbereitschaft bei den Jugend- Ansicht, sie sähen gut aus und ihre «kleinen Schön- lichen mitberücksichtigen. heitsfehler» würden sie nicht stören. Gleichzeitig Die geschilderten Effekte lassen sich mit dem BMI- wünschen sie sich aber auch häufiger mehr Mus- Monitoring nicht untersuchen. Die Resultate deuten keln. Die jungen Frauen wünschen sich dagegen aber darauf hin, dass (sub)kulturelle Differenzie- weniger Körperfett und ganz allgemein, dass sie rungen auf der Oberstufe bedeutsamer sind als auf schlanker wären. Überdies sind die 14- bis 15-jähri- den tieferen Schulstufen. So scheint beispielsweise die Staatsangehörigkeit bei älteren Schülerinnen und Schülern eine grössere Rolle zu spielen als ABBILDUNG 5 bei jüngeren: Im Kindergarten beträgt das Verhält- nis von übergewichtigen ausländischen Kindern Körperbild von 14- und 15-jährigen Jugendlichen zu übergewichtigen Schweizer Kindern 1,4 zu 1, auf (Anteil der Personen, welche den entsprechenden Aussagen eher oder ganz zustimmen), HBSC 2018 der Oberstufe jedoch 1,6 zu 1. Mit Blick auf die soziale Herkunft sind Kinder von Eltern ohne nach Knaben Mädchen obligatorischen Bildungsabschluss auf der Basis- Ich bin mit meinem 82 stufe rund 2,7-mal häufiger von Übergewicht betrof- Aussehen zufrieden. 69 fen. Auf der Oberstufe beträgt dieser Faktor 3,0; 77 Ich sehe ganz gut aus. mit 3,7 ist er auf der Unter-/Mittelstufe jedoch noch 65 höher. Zudem akzentuieren sich auf der Oberstufe, Ich wünschte mir, dass 74 wie weiter oben ausgeführt, auch die Geschlechter- ich muskulöser wäre. 49 unterschiede. Meine kleinen 74 «Schönheitsfehler» stören mich nicht. 60 Es stört mich nicht, 57 wenn ich anders 4 Körperbild und Körperwahrnehmung aussehe als andere. 60 Ich wünschte mir, 34 Eine wichtige Rolle spielen hier auch Vorstellun- dass ich weniger Körperfett hätte. 57 gen vom idealen Körper, die sich zwischen jungen Ich wünschte mir, 26 Frauen und Männern unterscheiden und die einen dass ich schlanker 55 wäre. Effekt auf die Wahrnehmung des eigenen Gewichts Ich würde gerne Teile 26 und den Umgang mit allfälligen Gewichtsproblemen meines Körpers aus- 58 tauschen/verändern. haben. Gemäss einem Themenblatt von Gesund- Ich habe mehr 12 heitsförderung Schweiz [4] verfügen «Menschen mit körperliche Mängel als andere. 27 einem p ositiven Körperbild […] über ein positiveres 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Selbstwertgefühl, mehr Selbstakzeptanz und eine gesündere Einstellung zu Lebensmitteln, Essen und Quelle: HBSC 2018, vgl. Delgrande Jordan et al. (2020). Bewegung.»
Monitoring der Gewichtsdaten der schulärztlichen Dienste der Städte Basel, Bern und Zürich – Schuljahr 2019/20 5 gen Mädchen häufiger als ihre männlichen Alters- ABBILDUNG 6 genossen der Ansicht, sie hätten mehr körperliche Mängel als andere, und entsprechend formulie- Anteil der Übergewichtigen und Adipösen unter den ren sie häufiger den Wunsch, gewisse Teile ihres 14- und 15-Jährigen, HBSC 2018 Körpers auszutauschen. Gesamthaft betrachtet ist Adipositas Übergewicht (inkl. Adipositas) das Körperbild von Mädchen somit selbstkritischer Weiblich als dasjenige von Knaben, die sich in ihrem Körper offenbar etwas wohler fühlen. 14 Jahre 1,2 10,1 15 Jahre 1,5 10,3 0% 5% 10 % 15 % 20 % 5 Wahrnehmung des Körpergewichts Männlich 14 Jahre 2,0 16,7 Das unterschiedliche Körperbild von jungen Frauen und Männern beeinflusst die Wahrnehmung ihres 15 Jahre 3,5 19,5 Körpergewichts. Auf einer allgemeinen Ebene fällt 0% 5% 10 % 15 % 20 % zunächst auf, dass sich in der HBSC-Studie über 40 Prozent der Mädchen im Alter von 14 oder 15 Jah- Quelle: HBSC 2018, vgl. Delgrande Jordan et al. (2020). ren als «zu dick» einschätzen, während es bei den Knaben etwas über ein Viertel ist. Dieser Be- fund ist umso bemerkenswerter, weil auch in der HBSC- Studie der Anteil übergewichtiger Knaben in dieser Altersgruppe deutlich über dem entspre- ABBILDUNG 7 chenden Anteil bei den jungen Frauen liegt (vgl. Abbildung 6).1 Selbstwahrnehmung des Gewichts der 15-Jährigen nach Wie Abbildung 7 zeigt, denken 44 Prozent der nor- Geschlecht und effektivem Gewicht, HBSC 2018 malgewichtigen Mädchen im Alter von 15 Jahren, Zu dünn Ungefähr richtig Zu dick dass sie «zu dick» seien. Bei den Knaben beträgt der Weiblich entsprechende Anteil 17 Prozent. Hier sind bei den Übergewichtigen dagegen 39 Prozent der Ansicht, Normalgewichtig 9 47 44 dass sie normalgewichtig oder gar zu dünn seien. Übergewichtig 16 84 Bei den Mädchen sind es 16 Prozent. Bei den jungen 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Männern gilt es in diesem Zusammenhang jedoch Männlich festzuhalten, dass sich wohl nicht alle «Überge- Normalgewichtig 27 56 17 wichtigen», die sich als normalgewichtig oder gar als zu dünn einschätzen, irren. Wie aus Abbildung 5 Übergewichtig 2 37 61 weiter oben hervorgeht, wünschen sich immerhin 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % drei Viertel der jungen Männer mehr Muskeln. Wird dieser Wunsch mittels Krafttraining in die Tat um- Quelle: Eigene Umrechnung der Angaben in Abbildung 5.5 gesetzt, kann die höhere Muskelmasse zu einem bei Delgrande Jordan et al. (2020). Anstieg von Körpergewicht und BMI führen, ohne 1 Dass diese Werte in der HBSC-Studie geringer sind als die Werte für die Oberstufe im BMI-Monitoring hat drei Gründe: 1. Das BMI-Monitoring enthält auch Jugendliche, die älter als 15 Jahre sind; diese Gruppe dürfte einen etwas höheren Anteil an Übergewichtigen aufweisen. 2. In der HBSC-Studie wurden auch Jugendliche aus ländlichen Regionen unter- sucht, die tendenziell einen geringeren BMI aufweisen als Jugendliche aus grösseren Städten. 3. Die Angaben in der HBSC-Studie basieren auf Befragungen und dürften die tatsächlichen Gegebenheiten unterschätzen.
6 Monitoring der Gewichtsdaten der schulärztlichen Dienste der Städte Basel, Bern und Zürich – Schuljahr 2019/20 dass es sich um Übergewicht im klassischen Sinne Bei den jungen Männern fehlt dagegen in vielen handelt. Das heisst: Ein Teil der jungen Männer wird Fällen offenbar das Bewusstsein dafür, dass ihr aufgrund ihrer Muskelmasse eventuell fälschlicher- Körpergewicht bereits erhöht ist. Gerade der ver- weise der Kategorie «Übergewicht» oder «Adipo- breitete Wunsch, mehr Muskelmasse zu gewinnen, sitas» zugeteilt. kann diese Tendenz noch verstärken. Zusätzliche Trotz dieser Einschränkung sind die Befunde aus der Informationen zum Zusammenhang von Muskeln, HBSC-Studie ein deutlicher Hinweis darauf, dass Gewicht und Ernährung dürften in dieser Gruppe unterschiedliche Körperbilder und Körperwahrneh- von Interesse sein. mungen die Wahrnehmung des eigenen Gewichts Nicht vergessen werden sollten dabei auch die Re- beeinflussen. In der HBSC-Studie des Jahres 2018 sultate aus dem BMI-Monitoring, die darauf hindeu- führt dies unter anderem dazu, dass rund jede fünfte ten, dass es neben Geschlechterunterschieden auch junge Frau im Alter von 15 Jahren zum Zeitpunkt der (sub)kulturelle Unterschiede in der Körperwahr- Befragung eine Diät oder etwas anderes machte, nehmung und dem Umgang mit dem Körper gibt. um Gewicht zu verlieren, während es bei den jungen So zeigt eine Detailanalyse der Daten des BMI-Moni- Männern ein Zehntel war. torings, dass der Geschlechterunterschied bei aus- ländischen Jugendlichen stärker ausgeprägt ist als bei den Oberstufenschülerinnen und -schülern aus 6 Anknüpfungspunkte für der Schweiz. Zusätzlich spielt das Herkunftsmilieu Interventionen der Jugendlichen eine wichtige Rolle. Daher ist es vielversprechend, genauer zu untersuchen, ob und Die Resultate aus der HBSC-Studie und dem BMI- wie sich Körperbild und Gewichtswahrnehmung in Monitoring deuten darauf hin, dass es sich lohnen unterschiedlichen Herkunftskontexten und jugend- könnte, bei Massnahmen für ein gesundes Körper- lichen Subkulturen unterscheiden. Auf dieser Grund- gewicht auf der Oberstufe differenzierte Ansätze lage könnten dann weitere spezifische Massnahmen nach Geschlecht zu entwickeln und dabei nicht nur für ausgewählte Zielgruppen entwickelt werden. Verhaltens- (Bewegung, Ernährung), sondern auch Schliesslich gilt es zu berücksichtigen, dass Jugend- Wahrnehmungsaspekte zu berücksichtigen. Das liche vergleichsweise schwer zu erreichen sind. Es Körperbild von jungen Frauen unterscheidet sich ist daher notwendig, spezifische Gefässe zu ent deutlich von demjenigen junger Männer, was auch wickeln, welche die Jugendlichen in ihrer eigenen zu unterschiedlichen Einschätzungen des Körper- Lebens welt ansprechen und bei ihrer Verände- gewichts führt. Als Resultat sind viele junge Frauen rungsbereitschaft ansetzen. Vor diesem Hintergrund bezüglich ihres Körpergewichts «überkritisch». Für möchte die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz sie wären damit Massnahmen für eine Normalisie- in Zukunft den Fokus stärker auf Jugendliche setzen rung des verzerrten Körperbilds und der Selbst- und arbeitet zurzeit an einem «Aktionsplan für und wahrnehmung angezeigt. Solche Massnahmen soll- mit den Jugendlichen 2022–2024». Dieser Aktions- ten zu einem achtsamen Umgang mit dem Körper plan widmet sich den Themengebieten Ernährung, anregen, indem beispielsweise Gefühle bewusst Bewegung und psychische Gesundheit und soll ne- wahrgenommen werden und Techniken zur Stress- ben konkreten Interventionen insbesondere auch reduktion, Ideen für eine gesunde Ernährung und die Ebenen Wissensmanagement, Policy, nationale geeignete Sportarten vermittelt werden. Vernetzung und Kommunikation berücksichtigen.
Monitoring der Gewichtsdaten der schulärztlichen Dienste der Städte Basel, Bern und Zürich – Schuljahr 2019/20 7 Hinweise zur Vorgehensweise In Basel, Bern und Zürich werden die Kinder und bedingt tiefer liegt als bei den Erwachsenen. Jugendlichen ausgewählter Schulstufen (Kinder- Es existieren jedoch Umrechnungstabellen für garten, Mittel- und Oberstufe) jedes Jahr anläss- Kinder, die ebenfalls eine Klassifikation nach lich schulärztlicher Untersuchungen gewogen Normal-, Übergewicht und Adipositas erlauben und gemessen. Für das Schuljahr 2019/20 standen (vgl. Cole et al. 2000). Angaben von 14 197 Schülerinnen und Schülern Neben dem Alter der untersuchten Kinder zur Verfügung, um den Body-Mass-Index (BMI) wurden in der vergleichenden Analyse mit dem zu berechnen, auf dessen Grundlage zwischen Geschlecht sowie der nationalen und sozialen normal- und übergewichtigen bzw. adipösen Per- Herkunft weitere Merkmale berücksichtigt, die sonen unterschieden werden kann. in Zusammenhang mit Gewichtsunterschieden stehen. Es gilt zu beachten, dass nicht alle Kinder Der Body-Mass-Index berechnet sich folgender- eines gegebenen Schul- oder Geburtsjahres massen: untersucht werden, sondern jeweils nur ausge- BMI = Gewicht in kg / (Körpergrösse in m)2 wählte Schulstufen. Das heisst, dass zwar nicht für jedes Altersjahr Angaben vorliegen, Bei Erwachsenen gilt ein BMI-Wert von unter dass aber Aussagen über verschiedene Schul 18 kg/m2 als untergewichtig und von über 18 kg/m2 stufen gemacht werden können. und unter 25 kg/m2 als «normalgewichtig», wäh- rend ein BMI von 25 kg/m2 oder mehr als «über Quelle für die Bestimmung der Schwellenwerte gewichtig» klassifiziert wird. Die Gruppe der von Übergewicht und Adipositas: Übergewichtigen kann dabei noch weiter differen- Cole, T. J., Bellizzi, M. C., Flegal, K. M. & Dietz, ziert werden, indem bei einem BMI von 30 kg/m2 W. H. (2000). Establishing a standard definition oder mehr von Adipositas gesprochen wird. for child overweight and obesity worldwide: Diese Grenzwerte können für Kinder nicht direkt international survey. British Medical Journal übernommen werden, da ihr BMI wachstums 320:1240-3.
8 Monitoring der Gewichtsdaten der schulärztlichen Dienste der Städte Basel, Bern und Zürich – Schuljahr 2019/20 7 Quellen Impressum [1] H urrelmann, K. (1994). Lebensphase Jugend. Herausgeberin Weinheim/München: Juventa. Gesundheitsförderung Schweiz [2] L ampert, T. & Richter, M. (2006). Gesundheit liche Ungleichheit bei Kindern und Jugend Autorinnen und Autoren der Studie lichen. In M. Richter & K. Hurrelmann (Hrsg.). • Hanspeter Stamm, Lamprecht und Stamm Sozial- Gesundheitliche Ungleichheit (S. 199–220). forschung und Beratung AG Zürich Wiesbaden: VS. • Michela Ceschi, Schulärztlicher Dienst der Stadt [3] Lohaus, A., Jerusalem, M. & Klein-Hessling, J. Zürich (Hrsg.) (2006). Gesundheitsförderung im Kindes- • Angela Gebert, Lamprecht und Stamm Sozial- und Jugendalter. Göttingen: Hogrefe. forschung und Beratung AG Zürich [4] Gesundheitsförderung Schweiz (2016). Positives • Lisa Guggenbühl, Gesundheitsförderung Schweiz Körperbild. Grundbegriffe, Einflussfaktoren und • Susanne Stronski, Gesundheitsdienst der Stadt Auswirkungen. Themenblatt (S. 2). Bern und Bern Lausanne: Gesundheitsförderung Schweiz. • Sandra Walter, Gesundheitsförderung Schweiz [5] Delgrande Jordan, M., Schneider, E., Eichen- • Eva Würfel, Kinder- und Jugendgesundheits- berger, Y., Kretschmann, A., Schmidhauser, V. & dienst Basel-Stadt Masseroni, S. (2020). Habitudes alimentaires, activité physique, statut pondéral et image du Projektleitung Gesundheitsförderung Schweiz corps chez les élèves de 11 à 15 ans en Suisse. • Lisa Guggenbühl, Leiterin Wirkungsmanagement Résultats de l’enquête «Health Behaviour in • Sandra Walter, Projektleiterin Wirkungsmanage- School-aged Children» (HBSC) 2018 et évolution ment au fil du temps. Rapport de recherche no 109. Lausanne: Addiction Suisse. Reihe und Nummer [6] Schär, M. & Weber, S. (2015). Das Körperbild von Gesundheitsförderung Schweiz, Faktenblatt 56 Jugendlichen in der Deutschschweiz. Ergebnisse einer Befragung. Arbeitspapier 35. Bern und © Gesundheitsförderung Schweiz, Mai 2021 Lausanne: Gesundheitsförderung Schweiz. [7] Gesundheitsförderung Schweiz (2017). Positives Auskünfte/Informationen Körperbild bei Jugendlichen in der Schweiz. Fak- Gesundheitsförderung Schweiz tenblatt 25. Bern und Lausanne: Gesundheits Wankdorfallee 5, CH-3014 Bern förderung Schweiz. Tel. +41 31 350 04 04, Fax +41 31 368 17 00 office.bern@promotionsante.ch www.gesundheitsfoerderung.ch/publikationen 02.0367.DE 05.2021 Wankdorfallee 5, CH-3014 Bern Avenue de la Gare 52, CH-1003 Lausanne www.gesundheitsfoerderung.ch Tel. +41 31 350 04 04 Tel. +41 21 345 15 15 www.promotionsante.ch office.bern@promotionsante.ch office.lausanne@promotionsante.ch www.promozionesalute.ch
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