Nach dem Sturz der Regierung Österreich: ArbeiterInnenmacht
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Nach dem Sturz der Regierung Kurz in Österreich: Klassenkämpferische Perspektive! Michael Märzen, Neue Internationale 2019, Juni 2019 Nach dem Ibiza-Skandal am 17. Mai ging es sehr schnell – FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist zurückgetreten, die schwarz-blaue Regierung zerbrochen, der Bundeskanzler Sebastian Kurz gestürzt. Ein Grund zur Freude, keine Frage, aber schon mit den Neuwahlen im September droht die Fortsetzung der konservativ-rechtspopulistischen Allianz. Die sozialdemokratische Opposition steckt selbst in der Krise und scheint unfähig, die Regierungskrise für eine fortschrittliche Offensive zu nutzen. Was also tun? Ein Rückblick Das Ibiza-Video um Vizekanzler H. C. Strache und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus wird als einer der größten Skandale in die Geschichte der österreichischen Republik eingehen. Dort sieht man die beiden, wie sie mit einer angeblichen
Oligarchen-Nichte korrupte Deals aushandeln. Am brisantesten scheint, wie hier die verdeckte Einflussnahme von GroßkapitalistInnen auf die FPÖ beschrieben wird: in Form von Großspenden an gemeinnützige Tarnvereine. Mit einer solchen Indiskretion kann eine Regierung der herrschenden bürgerlichen Klasse selbstverständlich nicht leben. Strache und Gudenus mussten abtreten. Der folgende Machtkampf um das FPÖ-geführte Innenministerium kostete nicht nur dem Innenminister Herbert Kickl den Kopf, sondern schließlich dem Bundeskanzler selbst, dem die FPÖ gemeinsam mit der SPÖ und der Liste Jetzt das Misstrauen aussprach. Das Video Am Freitag, den 17.5., veröffentlichten Süddeutsche Zeitung und Spiegel Videoausschnitte, in denen der FPÖ-Parteiobmann und Vizekanzler Strache sowie der Klubobmann Gudenus gegenüber einer vermeintlichen russischen Investorin Einblicke in die korrupten Pläne und Spendenkonstruktionen ihrer Partei geben. Konkret steht der Vorschlag im Raum, die Frau solle die größte Tageszeitung Österreichs, die Kronen-Zeitung, übernehmen, unangenehme JournalistInnen entlassen und Wahlkampfhilfe für die FPÖ leisten. Außerdem solle sie über Tarnvereine Geld an
die Partei spenden, wie das angeblich auch einige österreichische KapitalistInnen tun würden. Strache spricht von Beträgen in der Höhe von 500.000 bis 2 Millionen Euro. Im Gegenzug würde die angebliche Nichte eines Oligarchen lukrative Staatsaufträge im Straßenbau erhalten, die im Moment an die STRABAG (an der ein Unterstützer der liberalen NEOS, Hans Peter Haselsteiner, beteiligt ist) gehen. Auch eine Privatisierung der österreichischen Wasserversorgung, gegen die sich die FPÖ offiziell ausspricht, wird angeboten. Zusammengefasst lassen Strache und Gudenus in dem Ausschnitt die Maske der „sozialen Heimatpartei“ fallen und sprechen Klartext über ihr wirtschaftsfreundliches und klientelpolitisches Programm. Eine vorsichtige Bilanz Eine tatsächliche Bilanz der Ereignisse ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wo sich Enthüllungen und parlamentarische Manöver halbtäglich ändern, nur begrenzt sinnvoll. Einige Aspekte der letzten Tage sind aber von entscheidender
Bedeutung. Am offensichtlichsten ist das politische Problem für die FPÖ, deren Führungsspitze zeigt, wie sie Politik für KapitalistInnen auf Kosten der lohnabhängigen Bevölkerung macht. Dazu kommen abstoßende Details wie die geplante Gleichschaltung der Medienlandschaft und die staatliche Auftragsvergabe an politische UnterstützerInnen. Schwerwiegend ist sicher, dass Strache ausplaudert, welche KapitalistInnen den rechten Umbau der Republik zahlungskräftig unterstützt haben. Mit Heidi Goess-Horten, René Benko und dem Glücksspielkonzern Novomatic nennt er hier SpenderInnen, die eher als ÖVP-nahe gelten. Diese Indiskretion wird ihn als Person für wichtige Teile der herrschenden Klasse untragbar machen (zumindest für einige Zeit). Die Reaktion von Kurz ließ auf sich warten, wohl weil er die Koalition gerne fortgeführt hätte. Schließlich kündigten sich Kurz und Kickl die Koalition gegenseitig und schrittweise auf. Der Bundeskanzler forderte den Abzug des FPÖ-Ministers Herbert Kickl vom Innenministerium, worauf die FPÖ mit ihrem geschlossen
Rückzug aus der Koalition antwortete. Die ÖVP versucht jetzt, in die Wahlkampfoffensive zu gehen, und hebt das „gelungene Projekt“ Schwarz-Blau hervor. Eine Neuauflage der Koalition, die die restlichen geplanten Reformen (Steuersenkungen für Reiche, Zerschlagung des Sozialversicherungssystems, Angriffe auf die ArbeiterInnenkammer) zu Ende führt, ist also alles andere als ausgeschlossen. Regierungssturz und SPÖ-Debakel Die Frage des Misstrauensvotums hat die Sozialdemokratie selbst in eine (kleine) politische Krise geworfen und sogar links davon Verwirrung gestiftet. Die SPÖ war und ist hin und her gerissen zwischen einer Fundamentalopposition zu Kurz‘ „neuer Volkspartei“ und einer staatstragenden, sozialpartnerschaftlichen Politik. Aus der Logik der Fundamentalopposition musste sie den Bundeskanzler stürzen, aus der staatstragenden Logik müsste sie ihn stützen. Letztlich scheint es der drohende Gesichtsverlust vor der eigenen Parteibasis gewesen zu sein, der sie zum Misstrauensantrag bewegte. Doch selbst noch im Misstrauensantrag hat sie ihre staatstragende Haltung nicht aufgegeben und ihr Misstrauen damit begründet, dass die ÖVP die restlichen Parlamentsparteien in
die Bestellung der Übergangsregierung nicht genügend einbezogen habe, somit keine stabilen Verhältnisse geschaffen hätte. Daher solle es eine neue „ExpertInnenregierung“ geben. Diese Argumentation war selbst für viele sozialdemokratische WählerInnen nicht nachvollziehbar, wenngleich hier eine gewisse opportunistische Angst mitschwang. Natürlich konnte und sollte die SPÖ die ÖVP-Übergangsregierung nicht unterstützen. Nicht aber weil sie nicht sozialpartnerschaftlich genug agierte, sondern weil sie die Behüterin der schon umgesetzten schwarz-blauen Verschlechterungen ist. Diese Verschlechterungen – 12-Stundentag, Kürzung der Mindestsicherung, Angriff auf die Sozialversicherung, diverse rassistische Maßnahmen – müssten jetzt mit der Krise des schwarz-blauen Projekts wieder zurückgenommen werden. Der richtige Weg dafür wäre eine klare klassenkämpferische Offensive unter Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse. Eine solche Strategie ist aber unvereinbar mit einer sozialpartnerschaftlichen Orientierung bzw. einer Zusammenarbeit von Sozialdemokratie und Gewerkschaften mit offen bürgerlichen Parteien – Stichwort Rot-Grün-NEOS. Das gilt ebenso für die „ExpertInnenregierung“, die hinter einer vorgeblichen unpolitischen Fassade den politischen Status quo zementiert.
Das Versagen links der SPÖ Die sich überstürzenden und politisch neuen Ereignisse haben offenbar auch die Kräfte links der Sozialdemokratie überfordert. Unter dem Motto „Neuwahlen sind gut, weil es besser werden könnte“ orientiert sich die KPÖ voll auf eine linke Opposition im Parlament. Dass sie diese Opposition nicht einfach so stellen wird (siehe EU-Wahlen) und dass die verzweifelte Hoffnung darauf kein Hebel ist, um jetzt etwas zu ändern, zeigt ihre Perspektivlosigkeit. Das andere Extrem beschwört den Aufbau von unmittelbarem oder langfristigem Widerstand auf der Straße und einer neuen revolutionären Kraft (RKOB, RSO, …). Wenngleich abstrakt richtig, fehlen hier konkrete Forderungen des „Widerstands“ (gegen was?) und konkrete Ansätze zum Aufbau einer revolutionären Partei. Die Perspektive wird zur inhaltslosen Formel. Die „Sozialistische Linkspartei“ gibt mit der Rücknahme der Verschlechterungen und darüber hinausgehenden Forderungen wie Arbeitszeitverkürzung und Mindestsicherung eine Perspektive für eine Bewegung, sie lehnt es aber ab, entsprechende Forderungen an die Sozialdemokratie zu stellen, denn von der dürfe man sich gar
nichts mehr erwarten. Damit wird ein wichtiger Ansatz ignoriert, über den wir die lähmende Dominanz der SPÖ über die ArbeiterInnenbewegung in Österreich brechen könnten. Auch wird keine klare Opposition zu einer „ExpertInnenregierung“ formuliert. Der „Funke“ schweigt dazu gänzlich und die SLP streut die Illusion, dass so eine Regierung angreifbarer wäre für die Rücknahme von Verschlechterungen. Ein Ansatz zur Offensive Trotz all dieser Schwächen wollen wir eine Forderung der SLP aufgreifen, nämlich die nach einer Konferenz noch im Juni für eine Kampagne, die mit Offensivforderungen in einem Aktionstag vor den Wahlen münden soll. Das würde die Klärung einer klassenkämpferischen Perspektive ermöglichen, insbesondere die Frage einer „linken Kandidatur“ (die uns gegenwärtig unrealistisch erscheint). Viel wichtiger wäre dabei, verschiedene soziale Bewegungen (Donnnerstagsdemos, Fridays for Future, Gleicher Lohn für gleiche Arbeit), Kräfte der radikaleren Linken und linke SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen in einer Einheitsfront gegen Schwarz-Blau zu vereinigen.
Wir schlagen daher allen AktivistInnen vor, eine Einheitsfront um die folgenden Forderungen zu bilden, die insbesondere auch an die Sozialdemokratie gerichtet werden müssen: Offenlegung aller politischen Spenden, um das Ausmaß der Klientelpolitik in der kapitalistischen Politik zu untersuchen. Ebenso Offenlegung der Geschäftsbücher der Konzerne und Banken für VertreterInnen der ArbeiterInnenbewegung. Rücknahme aller schwarz-blauen unsozialen und rassistischen Verschlechterungen – 12-Stunden-Tag, Sozialhilfe, Zerschlagung der Kassen, Abschieberegime, etc. -, gestützt auf Mobilisierungen auf der Straße und gewerkschaftlichen Kampf bis hin zum Generalstreik. Statt Steuergeschenken für die Reichen, Vermögenssteuern und Enteignung zur Finanzierung einer „sozialstaatlichen“ Offensive. Schluss mit der sozialpartnerschaftlichen Anbiederung, nein zu jeglicher Unterstützung der „ExpertInnenregierung! Deren Bildung muss durch den Aufbau einer klassenkämpferische Opposition und Mobilisierungen in den Betrieben und auf der Straße beantwortet werden. Kommunal- und Europawahlen in
Sachsen: Eine letzte Warnung REVOLUTION Sachsen, Neue Internationale 238, Juni 2019 Am 26. Mai waren auch in Sachsen rund 3,3 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, nicht nur für das EU-Parlament, sondern auch für die Kommunalwahlen ihre Stimmen abzugeben. Im vorläufigen Endergebnis wird unmissverständlich deutlich, wovor wir schon lange warnen: Es gibt einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Rechtsruck! Dieser äußert sich nicht nur im Wahlsieg der RechtspopulistInnen in Ländern wie Frankreich, Großbritannien und Italien, sondern schlägt sich auch im Ergebnis der „Alternative für Deutschland“ (AfD) nieder und tritt am heftigsten in Sachsen zum Vorschein: Die AfD ist in fast allen Landkreisen, in Chemnitz und fast auch in Dresden als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen. Lediglich im Vogtland und in Zwickau schaffte es die CDU, den ersten Platz zu verteidigen. In Leipzig konnten die Grünen die meisten Stimmen holen. In allen anderen Städten und Gemeinden erhielt die AfD die meisten Stimmen und ließ die CDU erstmals hinter sich. Nach dem derzeitigen Stand kommt die AfD bei der EU-Wahl insgesamt auf 25,3 % der
Stimmen in Sachsen und konnte somit ihr Ergebnis im Vergleich zu 2014 (10,1 %) mehr als verdoppeln. Die CDU hingegen hat seit der letzten Europawahl 11,5 % einbüßen müssen und kam damit gerade mal auf 23 %. Dahinter landete DIE LINKE mit 11,7 % (-6,6 %). Die Grünen kamen auf 8,6 % und die FDP konnte 4,7 % der Stimmen erreichen. Die SPD wurde ebenfalls abgestraft und hat mit aktuell 8,6 % fast die Hälfte ihrer WählerInnen verloren (2014: 15,6 %). Die Satirepartei „Die Partei“ schaffte es auch in Sachsen, vor allem von der Schwäche der Linken zu profitieren, und erzielte hier bemerkenswerte 2,9 %. Falls die AfD es schafft, ihr derzeitiges Ergebnis zur Landtagswahl im September zu verteidigen, oder schlimmstenfalls sogar noch zulegt, lässt sich eine Regierungsbildung durch CDU und AfD nicht ausschließen. Um dies zu verhindern, müsste die CDU gemeinsam mit den Grünen, der SPD und FDP eine Koalition eingehen, die jedoch knapp um die Regierungsmehrheit bangen müsste. Unter Umständen würde notfalls DIE LINKE für die nötige Mehrheit sorgen oder sogar eine Regierungsbeteiligung anbieten, um sozusagen eine „Demokratische Allianz“ gegen die AfD zu bilden. Eine solche Koalition würde zweifellos dem Image der AfD als einziger Anti- Establishment-Partei in die Hände spielen und SPD und DIE LINKE durch den Ausverkauf
der eigenen sozialen Basis schaden. Ob die CDU sich überhaupt darauf einlassen würde, ist allerdings ebenfalls fraglich. Es wäre auch denkbar, dass die CDU ihren derzeitigen Kurs ändert und sich doch auf Gespräche mit der AfD einlässt, welche zusammen eine stabilere Mehrheit im Landtag stellen könnten als die erstgenannte Regierungsoption. Die Folgen einer CDU-AfD Koalition in Sachsen wären schwerwiegend, gerade für uns Jugendliche und Menschen mit Migrationshintergrund. Es ist nicht nur so, dass dann eine rechtspopulistische, rassistische Partei mit in der Regierung säße und als stärkste Kraft womöglich sogar den Ministerpräsidenten stellen würde. Die AfD leugnet außerdem offen den Klimawandel, ist gerade in Sachsen eng mit faschistischen Strukturen und militanten Neonazis vernetzt. Zudem gilt als Sachsen als einer ihrer rechtesten Landesverbände. Neben einer Verschärfung der asylfeindlichen Politik und einer zunehmend rassistisch aufgeheizten Stimmung können wir uns im Falle einer CDU-AfD Koalition nach den Landtagswahlen auch auf Sozialkürzungen, den weiteren Ausbau des Polizei- und Überwachungsstaates, die zunehmende Einschränkung von Grundrechten und Kriminalisierung von Linken und der Fridays-for-Future-Bewegung einstellen. Mit dem am 1. Januar 2020 in Kraft tretenden neuen Polizeigesetz hätte eine solche Regierung auf alle Fälle ein großes Repertoire an Unterdrückungswerkzeugen
zur Hand. Es ist nicht übertrieben, davor zu warnen, dass gerade die klimafeindliche und zu Teilen ultrarechte sächsische AfD insbesondere antirassistische AktivistInnen, streikende SchülerInnen und linke Gruppen mit harter Repression überziehen würde. Daher ist es jetzt um so wichtiger, Widerstand gegen die AfD zu organisieren und eine antirassistische und soziale Bewegung gegen den Rechtsruck aufzubauen. Hierbei könnte die aktuelle Fridays-for-Future-Bewegung einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie auch offen gegen Rassismus und die AfD Stellung bezieht. Denn Umweltschutz bedeutet Kampf dem Rechtsruck! Deshalb organisieren wir zum 28. Juni einen antirassistischen Schul- und Unistreik. Unter dem Motto #FridayAgainstRacism rufen wir vor allem die SchülerInnen, die sonst freitags gegen den Klimawandel auf die Straße gehen, aber auch die Studierenden und Auszubildenden dazu auf, an diesem Tag ein deutliches Signal gegen Rassismus, Neoliberalismus, Sexismus und eine klimafeindliche Politik zu setzen. Wenn wir, statt im Unterricht oder in den Hörsälen zu sitzen, vor der Landtagswahl unsere eigenen Positionen auf die Straße tragen, können wir uns als Jugendliche Gehör verschaffen und ein deutliches Zeichen gegen den Rechtsruck setzen. Hierzu müssen wir uns weiter organisieren und vernetzen! Deshalb schreibt uns an, kommt zu
unseren Treffen, beteiligt euch an den Vorbereitungen, gründet an euren Schulen, in den Betrieben und an den Unis Streikkomitees und lasst uns unmissverständlich klarmachen, was wir Jugendlichen für eine Zukunft haben wollen: nämlich eine lebenswerte ohne Rassismus, Abschiebungen und Sozialabbau. Eine Zukunft, in der NS-Rhetorik, der Klimawandel und ein autoritärer Polizei- und Überwachungsstaat der Vergangenheit angehören. Also eine Zukunft ohne Rechtspopulismus, eine Zukunft ohne die AfD! Get organized 19. Juni, 17.00 Uhr, Dresden im Zentralwerk, Riesaer Str. 32, Seminarraum (1. Stock links): Diskussion „Umweltzerstörung & Rassismus“/ Streikvorbereitung 28. Juni, 12.00 Uhr, am Goldenen Reiter: #FridayAgainstRacism – Schulstreik Nach dem Ibiza-Video: Krise der Regierung, Aufgaben der Linken in Österreich Arbeiter*innenstandpunkt, Infomail 1055, 23. Mai 2019
Mit der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ eine Woche vor der EU-Wahl ist Österreich in die möglicherweise tiefste Regierungskrise der Zweiten Republik gestürzt. Ein nachhaltiges Ende der ÖVP-FPÖ- Koalition bedeutet das aber noch nicht, vor allem weil eine durchdachte Strategie des linken Widerstands fehlt. RevolutionärInnen und Linke müssen es jetzt schaffen, den berechtigten Unmut über die Korruption von Strache und Gudenus mit einer Kritik am gesamten korrupten kapitalistischen System und mit einem Kampf gegen alle schwarz-blauen Verschlechterungen zu verbinden. In erster Linie ist in diesem Skandal die Korruption der FPÖ offensichtlich geworden, ihre klare Parteinahme für die reichsten KapitalistInnen, von der die Linke seit Jahren schreibt und spricht. Aber auch der korrupte Charakter des ganzen politischen und wirtschaftlichen Systems ist hier aufgeblitzt. Steuersenkungen für Spendengelder, für mediale Unterstützung, arbeiterInnenfeindliche Reformen, Skandale um Bauaufträge, Inserataffären und so weiter – all das betrifft nicht nur die FPÖ, sondern alle bürgerlichen Parteien. Darin zeigt sich, dass nicht jede Stimme in der kapitalistischen Demokratie gleich viel wert ist. Diese Erkenntnis kann der Ansatzpunkt sein, um für eine sozialistische Alternative zu kämpfen. Bis dahin ist es aber ein weiter Weg, den die GegnerInnen der schwarz-blauen Machenschaften nur durch scharfe Analyse
und klassenkämpferische Strategie finden können. Das Video Am Freitag, den 17.5. veröffentlichten Süddeutsche Zeitung und Spiegel Videoausschnitte, in denen der FPÖ-Parteiobmann und Vizekanzler Strache sowie der Klubobmann Gudenus gegenüber einer vermeintlichen russischen Investorin Einblicke in die korrupten Pläne und Spendenkonstruktionen ihrer Partei geben. Konkret steht der Vorschlag im Raum, die Frau solle die größte Tageszeitung Österreichs, die Kronen-Zeitung, übernehmen, unangenehme JournalistInnen entlassen und Wahlkampfhilfe für die FPÖ leisten. Außerdem solle sie über Tarnvereine Geld an die Partei spenden, wie das angeblich auch einige österreichische KapitalistInnen tun würden. Strache spricht von Beträgen in der Höhe von 500.000 bis 2 Millionen Euro. Im Gegenzug würde die angebliche Nichte eines Oligarchen lukrative Staatsaufträge im Straßenbau erhalten, die im Moment an die STRABAG (an der ein Unterstützer der liberalen NEOS, Hans Peter Haselsteiner beteiligt ist) gehen. Auch eine Privatisierung der österreichischen Wasserversorgung, gegen die sich die FPÖ offiziell ausspricht, wird angeboten.
Zusammengefasst lassen Strache und Gudenus in dem Ausschnitt die Maske der „sozialen Heimatpartei“ fallen und sprechen Klartext über ihr wirtschaftsfreundliches und klientelpolitisches Programm. Eine vorsichtige Bilanz Eine tatsächliche Bilanz der Ereignisse ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wo sich Enthüllungen und parlamentarische Manöver halbtäglich ändern, nur begrenzt sinnvoll. Einige Aspekte der letzten Tage sind aber von entscheidender Bedeutung. Am offensichtlichsten ist das politische Problem für die FPÖ, deren Führungsspitze zeigt, wie sie Politik für KapitalistInnen auf Kosten der lohnabhängigen Bevölkerung macht. Dazu kommen abstoßende Details wie die geplante Gleichschaltung der Medienlandschaft und die staatliche Auftragsvergabe an politische UnterstützerInnen. Schwerwiegend ist sicher, dass Strache ausplaudert, welche KapitalistInnen den rechten Umbau der Republik zahlungskräftig unterstützt haben. Mit Heidi Goess-Horten, René Benko und dem Glücksspielkonzern Novomatic nennt er hier SpenderInnen, die eher als ÖVP-nahe gelten. Diese Indiskretion wird ihn als Person für wichtige Teile der herrschenden Klasse untragbar machen
(zumindest für einige Zeit). Die Reaktion von Kurz ließ auf sich warten, wohl weil er die Koalition gerne fortgeführt hätte. Schließlich kündigten sich Kurz und Kickl die Koalition gegenseitig und schrittweise auf. Der Bundeskanzler forderte den Abzug des FPÖ-Ministers Herbert Kickl vom Innenministerium, worauf die FPÖ mit ihrem geschlossen Rückzug aus der Koalition antwortete. Die ÖVP versucht jetzt, in die Wahlkampfoffensive zu gehen, und hebt das „gelungene Projekt“ Schwarz-Blau hervor. Eine Neuauflage der Koalition, die die restlichen geplanten Reformen (Steuersenkungen für Reiche, Zerschlagung des Sozialversicherungssystems, Angriffe auf die ArbeiterInnenkammer) zu Ende führt, ist also alles andere als ausgeschlossen. Mit dieser Inszenierung versucht Kurz, von den Parallelen des Ibiza-Videos zu seiner eigenen Politik abzulenken. Bisher hat sich ein ÖVP-Unterstützer (René Benko) und keine FPÖ-nahe Oligarchin bei der Kronenzeitung eingekauft. Großspenden aus Industrie, Hotellerie und Baubranche gingen an die Volkspartei, und die politischen Gefälligkeiten (60-Stunden- Woche, 12-Stunden-Tag, niedrigere Strafen für Sozialdumping) wurden von Kurz als seine Errungenschaften verkauft.
Weder die NEOS, die bei diesen politischen Verbrechen ohne Not mit der Regierung mitgestimmt hat, noch die SPÖ scheinen dem Gedanken abgeneigt, die Steigbügelhalterin für die nächste Regierung zu spielen. Beide Parteien rufen zur Stabilität (also der Stabilisierung von Kurz) auf, während sie sich gleichzeitig einen Misstrauensantrag offen halten. Dieser würde zum Abtritt des Bundeskanzlers und zu einer Regierungsneubildung führen. Die zögerliche Haltung der SPÖ zeigt ihr politisches KompromisslerInnentum. Statt sich der politischen Auseinandersetzung mit der ÖVP-Regierung zu stellen, wird die Debatte künstlich entpolitisiert. Statt die brutale Durchsetzung österreichischer Kapitalinteressen gegen die ArbeiterInnen und gegen Geflüchtete anzugreifen, stellt die SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner eine technokratische „ExpertInnenregierung“ in Aussicht. Gleichzeitig weigert sich die SPÖ-Spitze, sich offen für einen Misstrauensantrag gegen Kurz auszusprechen. Damit will sie sich „staatstragend“ die Option offen halten, nach den Wahlen als Juniorpartnerin in eine Koalition mit der ÖVP zu gehen! Jede Duldung einer ÖVP-Regierung und insbesondere die undemokratische Scharade einer technokratischen ExpertInnenregierung muss klar zurückgewiesen werden. Die SPÖ muss den schwarz-blauen Kanzler mit einem Misstrauensvotum
zu Fall bringen! Perspektive Neuwahlen Für die Euphorie nach dem Rückzug Straches bleibt kein nachhaltiger Anlass. Die rechte Mehrheit in Österreich ist nicht gebrochen, vor allem ein Absturz der ÖVP noch lange nicht erreicht, und willige SteigbügelhalterInnen für eine Kanzlerschaft von Kurz finden sich anscheinend in drei Parteien (FPÖ, SPÖ und NEOS). Eine große Koalition wird die bestehenden Verschlechterungen nicht zurücknehmen, sondern unter dem Vorwand der Abschwächung der schlimmsten Maßnahmen sogar vertiefen. Die politische Krise ist auch eine der bestehenden parlamentarischen Kräfteverhältnisse. Zu den strategischen Aufgaben gehört es jetzt auch, die richtige Antwort in Bezug auf die Neuwahlen zu geben. Denn diese werden von vielen WählerInnen als zentral für die Lösung des gegenwärtigen Chaos angesehen. Eine erfolgreiche Kandidatur links der SPÖ ist hier unwahrscheinlich. Entsprechende Kräfte sind wenig verankert und könnten allerhöchstens mit schwammigen links-sozialdemokratischen Konzepten (siehe KPÖ PLUS) einen PR-Erfolg im Wahlkampf erzielen.
Unabhängig davon besteht die zentrale Aufgabe der Kräfte links der SPÖ darin, die Spaltung in der Sozialdemokratie zwischen der kuschenden Führung und den zunehmend unzufriedenen Basismitgliedern voranzutreiben. Konkrete klassenkämpferische Forderungen in den Wahlkampf der Sozialdemokratie zu tragen und den Konflikt dort zuzuspitzen, woran sich noch immer die meisten fortschrittlichen österreichischen ArbeiterInnen orientieren, wird entscheidend für den Weg zu einer revolutionären Verankerung sein. Aufgaben der außerparlamentarischen Opposition Die Regierungskrise ist weder vom linken Widerstand auf der Straße noch von parlamentarischer Opposition oder parteipolitischer Aufdeckungsarbeit herbeigeführt worden. Das ist aus zwei Gründen wichtig für die aktuelle Situation. Erstens ist nicht gegeben, dass der berechtigte Unmut in Unterstützung für die Oppositionsparteien oder Ablehnung der schwarz-blauen Politik umschlägt. Zweitens hat sich auch nicht die Stärke der Linken über Nacht verbessert. Die gegenwärtige Krise in eine Offensive gegen die politischen Verschlechterungen der letzten Jahre zu verwandeln, wird sehr schwierig, aber möglich sein.
Ein zentrales Problem hier ist der Wahlkampfmodus, in dem die SPÖ angesichts der EU-Parlamentswahlen bereits steckt. Selbst angesichts himmelschreiender Widersprüche wirkt der Ruf nach Einigkeit im Wahlkampf traditionell als verlässliches Beruhigungsmittel auf linke und widerständige Teile der SPÖ. Eine politische Wende kann nur gelingen, wenn sich eine starke Bewegung „Klassenkampf statt SozialpartnerInnenschaft“ auf die Fahnen schreibt. Gleichzeitig müssen AntikapitalistInnen und außerparlamentarische Linke es schaffen, ein Bündnis mit den fortschrittlichen und kämpferischen Teilen in Sozialdemokratie und Gewerkschaften auf die Beine zu stellen. Einen zahnlosen Wahlkampf und die Rolle als Erfüllungsgehilfin wollen sich auch viele rote AktivistInnen nicht antun lassen. Das gemeinsame Anpacken von DonnerstagsdemonstrantInnen von SozialdemokratInnen und außerparlamentarischen Linken bei der Kundgebung am Ballhausplatz ist ein positiver Ansatz in diese Richtung. Klassenkämpferische Strategie Wir schlagen daher allen AktivistInnen, die gegen schwarz-blau und große Koalition von links ankämpfen wollen, vor, eine Einheitsfront um die folgenden Forderungen zu bilden, die insbesondere an die
Sozialdemokratie gerichtet werden müssen: Offenlegung aller politischen Spenden, um das Ausmaß der Klientelpolitik in der kapitalistischen Politik zu untersuchen. Ebenso Offenlegung der Geschäftsbücher der Konzerne und Banken für VertreterInnen der ArbeiterInnenbewegung. Rücknahme aller schwarz-blauen unsozialen und rassistischen Verschlechterungen – 12-Stunden-Tag, Sozialhilfe, Zerschlagung der Kassen, Abschieberegime, etc. – gestützt auf Mobilisierungen auf der Straße und gewerkschaftlichen Kampf, bis hin zum Generalstreik. Statt Steuergeschenke für die Reichen, Vermögenssteuern und Enteignung zur Finanzierung einer „sozialstaatlichen“ Offensive. Nieder mit der ÖVP-geführten Übergangsregierung! Die SPÖ darf die schwarz-blaue Politik nicht weiter tolerieren. Kritische Unterstützung für eine sozialdemokratische Minderheitsregierung, die sich die Rücknahme der arbeiterInnenfeindlichen und rassistischen Gesetze zur Aufgabe macht und der ArbeiterInnenbewegung die Untersuchung der korrupten Machenschaften ermöglicht. Schluss mit der sozialpartnerschaftlichen Anbiederung, nein zu jeglicher Regierung der Sozialdemokratie gemeinsam mit FPÖ oder ÖVP! Eine Neuauflage von Schwarz- Blau muss durch eine klassenkämpferische Opposition beantwortet werden.
Die Europawahlen und die Krise der EU Martin Suchanek, Neue Internationale 237, Mai 2019 Zwei Jahrzehnte nach der Tagung ihrer Staats- und RegierungschefInnen in Lissabon im März 2000 ist die Europäische Union zum „schwächsten Glied“ unter den Großmächten in der imperialistischen Weltordnung geworden. Tatsächlich wäre Unordnung ein besserer Begriff für eine Welt rivalisierender Mächte mit deren Handels- und anderen Kriegen sowie ihrer Weigerung, etwas Ernstes gegen Klimakatastrophe und globale Konflikte zu tun. Und innerhalb der Union sind offene Kämpfe um die Art und Zukunft der Vereinigung ausgebrochen (Brexit). Euro-Einführung Mit der Einführung des Euro um die Jahrhundertwende und dem Lissabon- Vertrag im Jahr 2009 sollte der größte Wirtschaftsraum der Welt zu einem gemeinsamen europäischen Kapitalblock werden. Das würde nichts Geringeres bedeuten als
die politische und militärische Vereinigung des Kontinents unter deutscher und französischer Herrschaft. Seine führenden PolitikerInnen erklärten, wenn auch vorsichtig, dass sie zu den USA aufschließen und ihre Rolle weltweit in Frage stellen wollten. Seit der großen Krise sind EU und Euro-Zone trotz Austeritätspolitik, trotz Versuchen der wirtschaftlichen Vereinheitlichung weiter hinter den USA und China zurückgeblieben. Das 21. Jahrhundert hat die tiefen Widersprüche, die das „europäische Projekt“ von Anfang an prägten, an die Oberfläche befördert. Millionen von ArbeiterInnen, Bauern/BäuerInnen und sogar große Teile der „Mittelschicht“ wurden von der Politik der Europäischen Kommission, der EZB, der Staats- und RegierungschefInnen und der SchlüsselministerInnen der europäischen Großmächte enttäuscht. Um die Jahrhundertwende galt die neoliberale Politik als untrennbarer Bestandteil dieser vermeintlichen neuen Weltordnung. Die Europäische Union erlebte eine Hinwendung zu dem, was bisher als „angelsächsisches“ Modell
galt, den „Reformen des freien Marktes“. Für Millionen wurden die alten Versprechungen eines „sozialeren Europas“, „wohlhabender“, „demokratischer“ und „humanitärer“ als dreiste Lügen offenbart. Seit der Agenda von Lissabon Die Lissabon-Agenda von 2000 mit ihren Schwerpunkten Sparsamkeit, „Arbeitsmarktreform“ und Wettbewerbsfähigkeit markierte auch eine Ablehnung von „Sozialstaat“ und Keynesianismus durch die europäischen Bourgeoisien. Die konservativen Parteien sowie Labour-Parteien und Sozialdemokratie passten sich dem Neoliberalismus an. Ohne Blairs „Dritten Weg“ oder Schröders „Neue Mitte“ wäre die Verabschiedung der neoliberalen Agenda unmöglich gewesen oder zumindest auf viel mehr Widerstand gestoßen. Die führenden Mächte und die EU-Kommission haben nicht nur die Lissabon- Agenda durchgesetzt, sondern zielten auch auf eine neoliberale Verfassung der Europäischen Union ab. Diese wurde jedoch in Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt.
Die Antwort der europäischen Regierungen und Institutionen war jedoch lehrreich. Dem massiven Widerstand und der Ablehnung der Verfassung wurde durch ihre Einführung als „Vertrag“ gegen den Willen des Volkes begegnet. Dies machte Millionen das „demokratische“ Defizit der EU ebenso deutlich wie „soziale“, ökologische und viele andere Mängel, die hinter diesem Manko an europäischer Demokratie stehen. Es unterstrich, dass die herrschenden Klassen den europäischen Kontinent nicht auf demokratische, geschweige denn auf „soziale“ Weise vereinen können und werden, stattdessen den „Willen des Volkes“ völlig ignorieren. Das Gleiche gilt umso mehr für die Bereiche Finanzen, Außenpolitik, Interventionen und Kriege. Die europäischen Regierungen haben „ihre“ Bevölkerung nie gefragt, ob sie Syrien oder Libyen bombardieren oder den Irak besetzen, ob sie in Mali oder anderen afrikanischen Staaten intervenieren oder ob sie sich in der Ukraine einmischen sollen. Sie haben auch nicht „ihre“ Völker konsultiert, ob sie neue europäische Militärverträge abschließen, die Osterweiterung der NATO unterstützen und Truppeneinsätze an den Grenzen Russlands durchführen und einen neuen Kalten Krieg beginnen sollen.
Das letzte Jahrzehnt hat jedoch gezeigt, mit welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen die EU konfrontiert ist. Globale Konkurrenz Wirtschaftlich fiel sie weit hinter die USA und China zurück. Nach der großen Rezession haben Deutschland und andere wettbewerbsfähigere Länder die Kosten der Krise auf die schwächeren europäischen Volkswirtschaften abgewälzt. Die Institutionen der Eurozone haben im Namen der Haushaltsdisziplin weite Teile Südeuropas mutwillig verarmt. Sie haben Griechenland und anderen Staaten brutale Sparpolitik auferlegt und damit noch anfälliger für die Verheerungen einer neuen globalen Rezession gemacht. Aber Deutschland und Frankreich zahlten dafür einen hohen Preis – die zentrifugalen Tendenzen innerhalb der EU und der Eurozone nahmen stark zu. Militärisch und geopolitisch bleibt die EU im Vergleich zu den USA, Russland oder China ein Zwerg. Die Versuche der europäischen Mächte, dies zu überwinden, sind alle halbherzig und spiegeln oft eher ihre inneren Spannungen als
eine klare Politik wider. Während die EU versuchte, eine Schlüsselrolle bei dem Regimewechsel in der Ukraine zu spielen, konnte sie nicht verhindern, dass die USA sie in einen neuen Kalten Krieg manövrierten und damit die Pläne Deutschlands für engere Wirtschaftsbeziehungen zu Russland und darüber hinaus zu China zunichtemachten. Putin begann, unangenehme EU-Regierungen wie Ungarn und rechtsextreme populistische Bewegungen auf dem ganzen Kontinent zu unterstützen. Gleichzeitig hat die aggressive „America First“-Politik der Trump- Administration nicht nur die Spannungen zwischen der EU und den USA in Bezug auf Handels-, Militär- und internationale Politik verschärft, sondern auch innerhalb der EU und sogar innerhalb der herrschenden Klassen der Großmächte. Die EU wird so auch zu einem potenziellen Schlachtfeld, auf dem ihre RivalInnen um politischen und militärischen Einfluss kämpfen. Italien unter seiner rechtspopulistischen Regierung hat gegen Macron in die inneren Angelegenheiten Frankreichs eingegriffen und ein Abkommen mit China geschlossen, dessen Projekt der „neuen Seidenstraße“ von anderen EU-Mitgliedern und den USA scharf abgelehnt wird. Die so genannte Flüchtlingskrise hat die Spannungen weiter verschärft.
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind zu einem echten Mittel geworden, um Massen von desillusionierten kleinbürgerlichen Schichten oder sogar rückständigen Teilen der Arbeiterklasse zu sammeln, die verarmt wurden oder es befürchten. Der Aufstieg des Nationalismus und der Anti-EU-Sektionen der Bourgeoisie und der Kleinbourgeoisie spiegelt die wachsenden Spannungen und inneren Widersprüche wider. Die EU ist kein europäischer Superstaat, sondern immer noch eine Föderation von Nationalstaaten mit ihren konkurrierenden Interessen. Kein Wunder, dass dies zur Entstehung von rechtspopulistischen und rassistischen, gegen die EU gerichteten Kräften auf dem gesamten Kontinent geführt hat, die versuchen, sich als Alternative zu einer deutsch oder deutsch-französisch dominierten Union zu präsentieren, die im Begriff ist zu scheitern. Sobald kleinbürgerliche Kräfte in die Szene eintreten, kann und wird diese Krise irrationale Formen annehmen – die extremsten wahrscheinlich in Großbritannien -, wo das ganze Land mit einem Brexit festsitzt, den die Mehrheit der Bevölkerung und der beiden Hauptklassen eigentlich nicht will.
Schicksalswahl? Vor diesem Hintergrund erscheint die Europawahl vom 23.-26. Mai als eine weitere Schicksalswahl. Dabei wird die Zukunft der EU sicherlich nicht dort entschieden – schließlich befinden sich die Machtzentralen der Union nicht im Europaparlament und selbst nicht in der EU-Kommission, sondern in Berlin und Paris. Aber diese Zentralen schwächeln – nicht zuletzt aufgrund der inneren Widersprüche in ihren Ländern, aufgrund einer fehlenden gemeinsamen „Europastrategie“, was eine Verschärfung der Konflikte, Gegensätze, ja ein Zerfallen der EU und selbst der Euro-Zone entlang nationaler Interessen wahrscheinlich macht. Die europäischen Bourgeoisien können offenkundig Europa nicht einigen, selbst wenn die Wirtschaft, der Austausch zwischen den Menschen längst über die Nationalstaaten hinausdrängen. Auch wenn es im eigentlichen Sinn keine europäischen Parteien gibt, so zeichnet sich doch eine klare Polarisierung bei den Wahlen ab und eine deutliche Verschiebung nach
rechts. Die europäischen rechts-populistischen Parteien werden mit Sicherheit einen deutlich größeren Block darstellen. Dabei zeichnet sich eine Umgruppierung bzw. Vereinigung der Rechten um „Europa der Nationen und Freiheit“ (ENF) mit „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ (EFFD) und „Europäischen Konservativen und Reformern“ (EKR) ab, was einer Verbindung von französischem „Rassemblement National“ (RN), italienischer Lega, der FPÖ, der AfD, der dänischen Volkspartei und der „Wahren Finnen“ gleichkäme. ENF umwirbt außerdem die ungarische Fidesz, die noch noch der „Europäischen Volkspartei“ (EVP) angehört, und die polnische PiS. Die Stärkung der ENF als Gravitionszentrum des Rechtspopulismus wird außerdem durch den wahrscheinlichen Austritt Britanniens aus der EU verstärkt, da die beiden konkurrierenden rechten Fraktionen (EFFD, EKR) mit den UKIP und Tories ihre mandatsstärksten Parteien verlieren würden. Gegen die Rechten treten gleich drei Fraktionen/Parteienbündnisse der „bürgerlichen Mitte“ an.
Die größte Fraktion des EU-Parlaments dürfte wieder die EVP werden. Ihr Erfolg gilt als ziemlich sicher – zugleich wird sie jedoch Stimmen und Mandate verlieren. Wahlprognosen vom April gehen davon aus, dass sie künftig 176 Mandate erhalten würde (bisher 217), bei einer Wahl in Britannien sogar nur 165. Aber die vereinigten rechten und rechtspopulistischen Parteien werden insgesamt etwa gleich stark wie die EVP, bei einer Wahl in Britannien womöglich sogar stärker. Neben der Volkspartei treten mit der „Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa“ (ALDE), der neben FPD und „Freien Wählern“ auch Macrons „La République en Marche“ angehört, und den „Die Grünen/Europäische Freie Allianz“ (DG/EFA) zwei weitere Fraktionen der bürgerlichen „Mitte“ an. Beide gerieren sich pro-europäisch und reden einem „demokratisch“ bemäntelten imperialistischen Europa das Wort, einmal in seiner offen neo-liberalen Variante, das andere Mal mit einem „Green New Deal“. So werden die Europawahlen vordergründig zu einem Kampf zwischen „pro- europäischen“ und
nationalistischen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien, zwischen Pest und Cholera. Die ArbeiterInnenbewegung? Das liegt jedoch auch daran, dass die Parteien der ArbeiterInnenbewegung und der Linken selbst wenig mehr als Anhängsel dieser beiden Lager bilden. Die Europäische Sozialdemokratie tourt weiter mit ihren Versprechungen von einem „sozialen Europa“. Nur glauben immer weniger daran. Sie führt ihren Wahlkampf erst gar nicht mit dem Ziel, die Politik der EU zu bestimmen, sondern als Koalitionspartnerin der „pro-europäischen“ offen bürgerlichen Parteien zu fungieren. Auch wenn niemand eine „Große Koalition“ in Europa wollen sollte, so steht die Sozialdemokratie dafür schon mal in den Startlöchern. Dass sie dabei für jede Schweinerei zu haben ist, dass ihre „sozialen“ Versprechungen auf europäischer Ebene noch wertloser als im nationalen Maßstab sind, hat sie hinlänglich bei der Erpressung Griechenlands bewiesen. Doch auch die
europäischen „Linksparteien“ vermögen keine Alternative zu präsentieren. Im Gegenteil. Während sich die europäische Sozialdemokratie fest dem „pro-europäischen“ Flügel der Bourgeoisie anschließt, hadern sie bezüglich ihrer Europastrategie. Ein Teil versucht es mit der Neuauflage eines „europäischen Reformprogramms“, das eine reformistische Reformstrategie für die EU vertritt. Da sich dafür keine Bündnispartnerin (offen bürgerlich oder Labour bzw. Sozialdemokratie) anbietet, kann sich dieser Flügel noch vergleichsweise „internationalistisch“ und kämpferisch geben und stellt sich zumindest in Worten der Wende zum Nationalismus in vielen Ländern entgegen. Der andere Flügel der europäischen Linken setzt hingegen auf eine Hinwendung zu nationaler Politik, auf den Austritt aus der EU, eine Abkehr von „Klassenfixierung“ hin zu einer linkspopulistischen Politik. Hierfür stehen Kräfte wie „La France insoumise“ oder „Aufstehen“ in Deutschland, die selbst – bei aller berechtigter Kritik an den utopischen Seiten des „pro-europäischen“ Reformismus – auf nationale Anpassung setzen und die reformistischen bürgerlichen ArbeiterInnenparteien durch linke „Volksparteien“, also klassenübergreifende Organisationen, ersetzen wollen.
Diese grundlegende Kritik bedeutet jedoch nicht, dass wir den Wahlen zur EU einfach den Rücken kehren dürfen. Ein Wahlsieg der Rechten, eine Stärkung der verschiedenen offen bürgerlichen Fraktionen wird auch das Kräfteverhältnis ungünstiger gestalten. Wo reformistische Parteien eine bedeutende Verankerung in der Klasse haben und Illusionen der Lohnabhängigen auf sich ziehen, sollten sie daher kritisch unterstützt werden (wie z. B. Labour in Britannien), ohne die Kritik an ihrem Programm und ihrer reformistischen, d. h. letztlich bürgerlichen Ausrichtung zu verschweigen. In Deutschland rufen wir zu einer kritischen Unterstützung der Linkspartei auf – trotz ihres reformistischen Programms und ihrer Illusionen in eine Reformierbarkeit nicht nur der EU, sondern auch des Kapitalismus. Unseren Aufruf verbinden wir mit der Forderung an die Linkspartei, sich aktiv am Widerstand und Mobilisierungen gegen die laufenden und kommenden Angriffe zu beteiligen und die Organisierung einer europaweiten Aktionskonferenz des Widerstandes aktiv zu unterstützen, die an die besten Seiten der europäischen Sozialforen anknüpft. Alternative Dabei gibt es
trotz des Aufstiegs der extremen Rechten keinen Mangel an Kämpfen. Die existenzielle Krise in der EU, der Ansturm auf die demokratischen Rechte in den Mitgliedsstaaten, hat ArbeiterInnen, Jugendliche und unterdrückte Minderheiten immer wieder zu Hunderttausenden, ja Millionen auf die Straße getrieben. Die nächste Rezession und die Verschärfung der interimperialistischen Rivalität sowohl in wirtschaftlicher als auch in militärischer Hinsicht werden dies noch verstärken. Dies ist keine Zeit, in der der Kapitalismus große Reformen zulassen kann, außer beim Ausbruch großer Klassenkämpfe, die zu eine revolutionären Zuspitzung führen könnten. Die derzeitigen Führungen der Gewerkschaften und reformistischen Parteien – rechten wie linken – sowie der „linken“ PopulistInnen haben zweifellos ihre Unfähigkeit bewiesen, dieser Herausforderung zu begegnen. Es bedarf vielmehr einer europaweiten revolutionären Alternative, neuer revolutionärer Parteien, die in einer Internationalen vereint sind. Natürlich kann ein solcher Prozess nicht ohne das Bestreben stattfinden, die antikapitalistischen und internationalistischen AktivistInnen der bestehenden reformistischen Parteien zu gewinnen. Eine solche Partei braucht jedoch Einheit im Handeln und damit ein Aktionsprogramm, das diese Kämpfe mit dem Kampf für die
Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa verbindet. Genau diese grundlegende Alternative zur imperialistischen Vereinigung wie zur nationalistischen Abschottung fehlt jedoch der ArbeiterInnenklasse wie auch der “radikalen” Linken. Ohne ein solches Programm, ohne eine solche Perspektive erweist sie sich regelmäßig als unfähig zur Lösung aller großen Probleme des Kontinents, verurteilt sich selbst zu Ohnmacht oder Nachtrabpolitik hinter einen Flügeln der herrschenden Klasse. Die Losung der „Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa“, eines Europas auf der Basis demokratischer Planung und von ArbeiterInnenregierung, stellt daher in der aktuellen Krise keine „abstrakte“ oder ferne Zukunftsvision dar, sondern die einzige realistische Alternative zu Nationalismus und Imperialismus – mag sie auch noch so schwer zu erkämpfen sein.
Ukraine nach den Präsidentschaftswahlen: Land vor dem Abgrund Paul Neumann, Neue Internationale 237, Mai 2019 Präsident Poroschenko hat auch die Stichwahl am 22. April 2019 haushoch verloren. Es erging ihm wie allen „HoffnungsträgerInnen“ des Westens vor ihm seit der Unabhängigkeit 1991. Mit fast 74 % der Stimmen siegte Wolodymyr Selenskyj, der „Comedian“, der in einer TV-Serie den wackeren Präsidenten im Kampf gegen die um sich greifende Korruption im Lande spielt. Das Wahlergebnis spiegelt vor allem die Enttäuschung aller Schichten der ukrainischen Gesellschaft über die wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung im Land wider. Poroschenkos Niedergang Die Wahl Poroschenkos 2014 war die Folge des Putsches vom 22. Februar 2014 unter Führung der ultrarechten Maidan-Bewegung, gestützt von den USA und der EU, gegen den damaligen Staatspräsidenten Wiktor Janukowytsch. Dieser hatte sich
geweigert, ein bereits ausgehandeltes Kooperationsabkommen mit der EU zu unterschreiben. Getragen wurde die anschließende Wahl Poroschenkos von der nationalistischen Euphorie der Maidan-Bewegung, die eine rosige Perspektive für die Ukraine im Bündnis mit den USA und der EU versprach. Davon sind heute nur die versteinerte Spaltung des Landes und ein perspektivloser Krieg im Osten der Ukraine übrig geblieben. Poroschenko war nicht in der Lage, auch nur eines der Probleme zu lösen, die durch die nationalistische Maidan- Bewegung und den umfassenden Zugriff des Westens auf das Land erst geschaffen oder verschärft wurden. Weder konnte er die Spaltung des Landes überwinden noch eine neue ökonomische Perspektive für die Ukraine schaffen. Im Gegenteil, das Land sitzt heute fest im Würgegriff der Staatsverschuldung von westlichen Staaten und IWF, die der Ukraine den Stellvertreterkrieg gegen Russland auf Kredit finanzieren und als GläubigerInnen die Bedingungen diktieren. Ökonomischer Niedergang Die Illusionen in den Westen, der wirtschaftliche Prosperität und eine „anständige“ Demokratie
versprach, sind ersatzlos geplatzt. Das BIP von 2017 (112,5 Mrd. USD) liegt deutlich unter dem von 2014 (133,5 Mrd. USD). Trotz der Umstellung industrieller Normen weg vom russischen zum europäischen System sind Investitionen weitgehend ausgeblieben, während ökonomische Verbindungen zum russischen Markt politisch zerstört wurden, mit einer Ausnahme: Die Einnahmen durch die russischen Öl- und Gas-Pipelines durch die Ukraine nach Westeuropa bilden nach wie vor den größten Posten im Staatshaushalt. Aber auch diese werden mit der Fertigstellung der neuen Pipeline „Nord Stream 2“ weitgehend wegbrechen. Westliche InvestorInnen und BankerInnen haben das Land zwar nach dem Maidan besucht und auf lohnende Investitionen begutachtet, sind aber meist wieder unverrichteter Dinge abgefahren, weil lohnende Geschäfte in einem günstigen Investitionsklima kaum gefunden wurden. Mit Ausnahme der fruchtbaren „schwarzen Böden“ in der Ukraine, die schon auf der Liste der Kriegsziele des Deutschen Kaiserreiches standen, die sich US- und EU-Agrarkonzerne nun ganz „friedlich“ mit der Macht ihrer Kapitale „angeeignet“ haben, wurde wenig Profitables gefunden. Diese „schwarzen Böden“ ernähren heute nicht mehr die Menschen in der Ukraine, sondern produzieren für den Weltmarkt. Ökonomisch betrachtet, hat es die Ukraine nicht
einmal in den Status einer verlängerten Werkbank der deutschen Exportindustrie geschafft, wie Polen oder Ungarn. Auch die mit der Westausrichtung versprochene EU-Mitgliedschaft rückte in weite Ferne. Wofür steht Selenskyj? Wolodymyr Selenskyj repräsentiert trotz seines überwältigenden Wahlergebnisses von 74 % vor allem sich selbst. Er hat bisher kein Programm vorgelegt, mit dem er den ausgemachten Übeln der ukrainischen Gesellschaft zu Leibe rücken will. Und auch kein/e WählerIn hat ein solches Programm im Wahlkampf von ihm eingefordert. Die Illusionen der Menschen sind auf Selenskyj projiziert worden – sei es als Akt der Resignation oder der Abrechnung mit Poroschenko. Selenskyjs größter Pluspunkt ist, dass er nicht zur alten korrupten Polit-Elite der Ukraine gehört. Auf der letzten großen Wahlveranstaltung am 19. April im Kiewer Olympiastadion, im Duell mit Poroschenko, hat er lediglich von sich gegeben, dass er die Westbindung beabsichtigt aufrechtzuerhalten, kriminelle OligarchInnen hinter Gittern und die korrupte Oberstaatsanwaltschaft sowie die Führungen von Polizei und Militär auswechseln will. Weiter will er mit Putin über die Beendigung des Krieges im
Osten und die Krim sprechen und über alle großen Fragen beabsichtigt er, Volksabstimmungen durchzuführen. Das scheint sein ganzes Programm zu sein. Tatsächlich verfügt er nicht einmal über eine politische Basis in der Rada, dem ukrainischen Parlament, weil seine Partei „Sluga Naroda“ (Diener des Volkes) erst vor einem Jahr gegründet wurde. Auch hier fragt es sich, auf welcher politischen und sozialen Basis hat sich diese konstituiert? Welche Klasseninteressen drückt sie aus? Wird sie nicht in der ersten ernsthaften politischen Auseinandersetzung genauso schnell zerbrechen, wie sie sich gegen Poroschenko gefunden hat? Selbst wenn Selenskyj die nationalen Wahlen vom Herbst 2019 vorziehen und er mit einer Mehrheit seiner Abgeordneten in der Rada sitzen sollte, was sogar möglich erscheint, sind seine parlamentarischen Möglichkeiten sehr begrenzt – wie die seines Vorgängers Poroschenko. Er bleibt ein Gefangener des ukrainischen Politsystems und der Abhängigkeit von den imperialistischen Mächten. Den „OligarchInnen-Kapitalismus“ wird er kaum mit 2/3-Mehrheit und Volksabstimmung beseitigen können. Selenskyj präsentierte sich als wackerer bürgerlicher Demokrat, mit ein bisschen Mut zu lästern über „die
da oben“, aber ohne Vorstellung von einer besseren Welt und die Mittel, diese zu erreichen. Sein Kniefall bei der ukrainischen Nationalhymne in Kiewer Olympiastation lässt eher vermuten, dass sein Herz auch für die nationale Sache schlägt. Als Medienunternehmer und Filmproduzent gehört er zudem auch zur nationalen Elite und ist eng mit dem Oligarchen Kolomojskyj verbunden, dem unter Poroschenko die Kontrolle des Öl- und Gaskonzerns Ukrnafta entzogen wurde. Er blieb jedoch Eigentümer eines Medienimperiums, darunter auch des Kanals „1plus1“, das Selenskyjs „Diener des Volkes“, namensgebende Show für dessen Partei, ausstrahlte. Der Hauptvorwurf gegen Poroschenko wie schon gegen seine Vorgänger lautet, er habe die Korruption nicht in den Griff bekommen oder, noch schlimmer, sie nicht ernsthaft bekämpfen wollen oder sei ihr selbst verfallen. Alle vorstellbaren Facetten der Korruption beherrschen seit Jahren die Diskussion in und über die Ukraine. Während US-Präsident Trump das Land eher als ein Nebenthema behandelt, hat sein Vorgänger Obama es über seinen Vize Biden sehr intensiv betreuen lassen und in dutzenden Vorsprachen bei Poroschenko ein konsequenteres Durchgreifen gegen Korruption und besonders die Unabhängigkeit der Justiz eingefordert – allerdings ohne nachhaltiges Resultat. Das wirft die Frage nach den sozialen Ursachen der Korruption auf.
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