Wahlprogramm Das unbekannte Wesen?! - Die Wahlprogramme der deutschen Parteien Julia Metz, Kirsten Schmidt und Mirsad Zulic | Universität ...

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Wahlprogramm Das unbekannte Wesen?! - Die Wahlprogramme der deutschen Parteien Julia Metz, Kirsten Schmidt und Mirsad Zulic | Universität ...
Julia Metz, Kirsten Schmidt und Mirsad Zulic | Universität Duisburg-Essen
          | Praxisprojekt Wählerinformationssystem (WIS), SS 2003 |
                     Prof. Dr. Schmitt-Beck, Herr Schwarz

Wahlprogramm
Das unbekannte Wesen?!
Die Wahlprogramme der deutschen Parteien
Inhaltsverzeichnis:

Einleitung                                                                              3

1. Rechtliche Grundlagen des Parteienwettbewerbs von Mirsad Zulic                       3
1.1 Parteien                                                                            3
1.2 Parteiprogramme                                                                     4

2.    Parteiprogrammatik von Mirsad Zulic                                               4
2.1   Einleitung                                                                        4
2.2   Parteitypen                                                                       5
2.3   Funktion von Parteiprogrammen                                                     6
2.4   Das Modell der Konkurrenzdemokratie                                               6
2.5   Das Modell der Programmkonformen Politik                                          6
2.6   Verschiedene Arten von Programmen                                                 7

3.    Wozu eigentlich Wahlprogramme? von Kirsten Schmidt                                8
3.1   Wie entstehen Wahlprogramme?                                                      8
3.2   Welche Konfliktregelungsstrategien gibt es?                                       8
3.3   Wann steht eine Partei „links“, wann steht sie „rechts“?                          9
3.4   Wie lang waren und sind die Wahlprogramme der Parteien der BRD?                  10

4.    Wie werden Wahlprogramme analysiert? von Kirsten Schmidt                         10

5.    Wahlprogrammanalyse – Beispiele und Ergebnisse von Julia Metz                    12

5.1 Worin unterschieden sich die Wahlprogramme der Parteien?
    Welche Gemeinsamkeiten gibt es?                                                    12
5.2 Welche Themen und Trends bestimmen die Wahlprogramme?                              13
5.3 Welchen Stellenwert haben Wahlprogramme für die politischen Parteien in der BRD?   15
5.4 Wie weit sind die Parteien programmatisch voneinander entfernt?                    17
5.5 Wie ist es um das Koalitionspotential zwischen den Parteien bestellt?              18

Zusammenfassung und Fazit „Wahlprogramm, das unbekannte Wesen?“                        19

Literaturverzeichnis                                                                   22

Julia Metz, Mat. 748820, e-mail: juliametz@yahoo.de
Kirsten Schmidt, Mat. 748821, e-mail: kirsten.schmidt@gmx.de
Mirsad Zulic, Mat. 749208, e-mail: gorcin@web.de
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                       3

Einleitung

Parteien in der Bundesrepublik Deutschland haben ihre politischen Ziele in Programmen
abzufassen und diese in schriftlicher Form dem Bundeswahlleiter vorzulegen. (Parteiengesetz
von 1967, §1, Satz 3, Part G) Dem Wähler bieten die vor Wahlen veröffentlichten
Wahlprogramme die Möglichkeit, sich über die Zielsetzungen der verschiedenen Parteien zu
informieren, die verschiedenen Positionen untereinander und mit seinen eigenen Interessen zu
vergleichen.

In diesem Essay werden wir zunächst die rechtlichen Grundlagen des Parteienwettbewerbs,
die Parteientypen und Funktion von Parteiprogrammen darstellen, sowie zwei Modelle zur
Parteiprogrammatik vorstellen. Dadurch wollen wir die Rolle der Wahlprogramme für die
Parteien selber verdeutlichen.

Danach thematisieren wir das Wahlprogramm an sich: Wozu dient es und wie entsteht es? Da
Wahlprogramme auch Gegenstand politikwissenschaftlichen Forschungsinteresses sind, er-
läutern wir außerdem die Methode der quantitativen Inhaltsanalyse, mit der Wahl- und andere
Programme wissenschaftlich untersucht werden.

Anschließend stellen wir Ergebnisse zweier Untersuchungen von Andrea Volkens und Hans-
Dieter Klingemann zum Thema Wahlprogramme vor. Die Wissenschaftler beschäftigten sich
u.a. mit folgenden Fragen: Worin unterschieden sich die Wahlprogramme der Parteien? Wel-
che Gemeinsamkeiten gibt es? Welche Themen und Trends bestimmen die Wahlprogramme?
Welchen Stellenwert haben Wahlprogramme für die politischen Parteien in der BRD? Wie
weit sind die Parteien programmatisch voneinander entfernt? Wie ist es angesichts unter-
schiedlicher Zielsetzungen um das Koalitionspotential zwischen den Parteien bestellt?
Zur Beantwortung all dieser Fragen wurden stets die Wahlprogramme der deutschen Parteien
herangezogen.

1. Rechtliche Grundlagen des Parteienwettbewerbs

1.1 Parteien
Die wichtigste rechtliche Grundlage für das deutsche Parteiensystem ist im Grundgesetz
festgelegt. Artikel 21, Absatz 1: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des
Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen
entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr
Vermögen öffentlich Rechenschaft geben. “In Absatz 2 steht, dass Parteien, die die
freiheitlich-demokratische Ordnung und den Bestand der BRD gefährden, verfassungswidrig
handeln. Sie können vom Bundesverfassungsgericht verboten werden. Weitere rechtliche
Details zu Parteien sind im Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz) festgelegt.
Im Paragraph 1 des Parteiengesetzes steht: “Die Parteien sind ein verfassungsrechtlich
notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“. Und weiter in
Paragraph 2 wird der Begriff der Partei erläutert: “Parteien sind Vereinigungen von Bürgern,
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die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die
politische Willensbildung Einfluss nehmen wollen und an der Vertretung des Volkes im
Deutschem Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen.“

1.2 Parteiprogramme
Das Parteiengesetz schreibt vor, dass Parteien verpflichtet sind, ihre Ziele schriftlich in
Programmen darzulegen. Parteiengesetz §1, Absatz 3: „Die Parteien legen ihre Ziele in
politischen Programmen nieder.“ Im Parteiengesetz, §6, Abschnitt 1 steht unter anderem:
„Die Parteien müssen eine schriftliche Satzung und ein schriftliches Programm haben.“ Diese
müssen dem Bundeswahlleiter mitgeteilt werden. Die Änderungen in den Satzungen und
Programmen müssen bis zum 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres dem
Bundeswahlleiter mitgeteilt werden. Die Abschriften dieser Unterlagen sind für jedermann
zugänglich und können gebührenfrei angefordert werden. Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass
Parteiprogramme auf Parteitagen verabschiedet werden.

Das Grundgesetz ist 1949 durch die Entscheidung der westlichen Besatzungsmächte
entstanden. Im Interesse der Besatzungsmächte war es, ein robustes, zuverlässiges politisches
System zu entwickeln, das überschaubar und vorhersehbar ist. Man wollte die Fehler aus der
Zeit der Weimarer Republik nicht wiederholen. Gemäßigte Parteien wurden bevorzugt. Das
Parlament sollte überschaubar, Parteien koalitionsfähig sein. Außerdem vertrauten die
Besatzungsmächte, so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, der deutschen Bevölkerung nicht.
Aus diesen Gründen konnten sich auch die Volksbefragungen nie durchsetzen. Parteien
sollten in der Lage sein, die eigene Führung kontrollieren zu können, um zu verhindern, dass
Populisten die Macht ergreifen. Da Abgeordnete sich in der Regel an die Beschlüsse ihrer
Parteien bei den Abstimmungen halten, ist es möglich, auch bei dünnen Mehrheiten eine
funktionsfähige Regierung zu stellen (wie es jetzt bei der Rot-Grünen Regierungskoalition
unter G. Schröder der Fall ist). Dadurch verliert die Politik an Spannung. Politische
Diskussion hat keine Bedeutung, wenn schon vorher klar ist, wie abgestimmt wird.
Politisches Desinteresse in der Öffentlichkeit und Mangel an kreativen Ideen in der
politischen Gestaltung sind die möglichen Folgen. (Bundestag, http//www.bundestag.de;
Klingemann/Volkens, 2001: 510)

2. Parteiprogrammatik

2.1 Einleitung
„Programmatik ist ein konstitutives Merkmal politischer Parteien. Durch ihre Programmatik
gewinnt und sichert eine Partei ihre politische Identität.“ (Klingemann 1989: 99)
Die in den politischen Programmen verfassten Texte gelten für Parteimitglieder als
verbindlich und für den Wähler als Informationsquelle. Falls die Partei an die Macht kommt,
wird erwartet, dass sie sich an ihrem Programm orientiert. Die Bedeutung von politischen
Programmen wird von den Klassikern der Parteiensoziologie unterschiedlich bewertet.
Burke, Mohl, Neumann, usw. geben der Programmatik der Parteien eine hohe Bedeutung.
Dagegen vertreten Schumpeter, Downs, Kirchheimer, usw. eine ganz andere Meinung. Für sie
ist Programmatik nur eine Funktion des Machtkampfes. (Klingemann, Volkens 1989: 508)
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Umstritten ist auch die Frage wer die programmatische Positionen einer politischen Partei
bestimmen bzw. für gültig erklären soll. Ostrogorski traut den Berufspolitikern nicht, da sie
aus kurzfristigen wahltaktischen Gründen zu sehr auf Forderungen der Bürger eingehen
könnten und dadurch den Staat überlasten. Michels ist der Meinung, dass alle Parteimitglieder
in die Formulierung der Parteipolitik eingebunden werden sollen. (Klingemann, Volkens
1989: 508).

 2.2 Parteitypen
In der Parteienforschung unterscheidet man grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen
Parteitypen: Wettbewerbspartei (auf Wahlerfolg bezogen) und Programm-und
Mitgliederpartei (auf innerparteiliche Einigkeit bezogen). Für die verschiedenen Parteitypen
hat die politische Programmatik eine unterschiedliche Bedeutung.

Wettbewerbsparteien versuchen in erster Linie ein gutes Wahlergebnis zu erzielen und damit
möglichst viele Machpositionen mit eigenem Führungspersonal zu besetzen (office-seeking).
Alle Mitglieder sind diesem Ziel verpflichtet, wobei politische und ideologische
Einstellungen des Einzelnen wenig Bedeutung haben und oft sogar als hinderlich angesehen
werden. Wettbewerbsparteien haben weder Stammwähler noch Stammthemen, sie sprechen
die Wählergruppen an von denen sie die meisten Stimmen erwarten und besetzen die Themen
die, gerade aktuell sind. Die innerparteiliche Demokratie ist grundsätzlich niedriger als bei
den Programm- und Mitgliederparteien. Das demokratische Prinzip wird also nicht innerhalb
der Partei, sondern durch den Wettbewerb zwischen Parteien gewährleistet. (Klingemann,
Volkens 1989: 509)

Programm- und Mitgliederparteien legen Wert auf innerparteiliche Einigkeit, Tradition und
Überzeugungen der eigenen Mitglieder. Wahlerfolge und somit das Erreichen der
Machtpositionen dien in erster Linie der Vermittlung von politischen Inhalten (policyseeking).
Solche Parteien haben in der Regel eine höhere Anzahl Mitglieder und Stammwähler Als die
Wettbewerbsparteien. Die politischen Inhalte werden „von unten“, also von der breiten Basis
bestimmt, was eine hohe innere Demokratisierung der Programm- und Mitgliederparteien
voraussetzt. (Klingemann, Volkens 1989: 509)

 Politische Parteien bewegen sich zwischen diesen beiden Modellen und versuchen eine
Balance zu erreichen. Auf der einen Seite will man so viele Wähler wie möglich für sich
gewinnen, auf der anderen aber auch eigene Identität bewahren und ein klares
programmatisches Profil schaffen. Politische Systeme, in denen Wettbewerbsparteien
dominieren, haben einen niedrigen Polarisierungsgrad. Parteien versuchen mit ihren
Wahlprogrammen ein möglichst breites Publikum anzusprechen was dazu führt, dass sich
Programme weniger unterscheiden. In einem durch Programm- und Mitgliederparteien
gekennzeichneten Politischen System ist die Polarisierung wesentlich höher, da solche
Parteien ihre ideologischen Ansichten nur schwer aufgeben und eine niedrigere
Kompromissbereitschaft zeigen. Wettbewerbsparteien formulieren ihre Programme, so dass
sie möglichst viele Wähler ansprechen und gerade aktuelle Themenbereiche betonen.
Programm- und Mitgliederparteien sind bemüht, in ihren Programmen Überzeugungen
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eigener Mitglieder zusammenzufassen, sie sind mehr an Parteiprinzipien orientiert.
(Klingemann,Volkens 2001: 508-509); (http://www.wz-berlin.de)

2.3 Funktion von Parteienprogrammen:
Die folgende Tabelle zeigt, welche Funktion Parteienprogramme haben. Es werden drei
Wirkungskreise der Parteienprogramme unterschieden:
    • intraorganisatorisch (innerhalb der Partei)
    • interorganisatorisch (innerhalb des Parteiensystems)
    • extraorganisatorisch (innerhalb der Gesellschaft)
In den Spalten Akteur und Funktion werden die Akteure bzw. die Funktion der
Parteienprogramme in den genannten Wirkungskreisen angegeben.

                        Funktion von Parteienprogrammen
Wirkungskreis                 Akteur                        Funktion

intraorganisatorisch          Partei    /Parteifunktionäre/ Integrationsfunktion/    Ver-
                              Parteimitglieder              bindlichkeit

interorganisatorisch          Konkurrierende Parteien       Wettbewerbsfunktion/ Kon-
                                                            kurrenz

extraorganisatorisch/         Medien/    Massenkommuni- Vermittlungsfunktion
                              kation
Umwelt
                              Wähler                        Mobilisierungsfunktion
Quelle: http://www.wz-berlin.de

2.4 Das Modell der Konkurrenzdemokratie:
Parteienkonkurrenz ist die wichtigste Voraussetzung für ein lebendiges, funktionierendes
politisches System. Damit der Wähler wirklich wählen kann, sollen die Parteien inhaltlich
klare, sich von der Konkurrenz unterscheidende Alternativen anbieten. Auch vom Wähler
wird „vernünftiges Handeln“ erwartet. Er soll sich gut informieren und die Partei wählen, die
am Besten seine Interessen vertritt. gute Wahlergebnisse erzielen kann. Somit haben die
Inhalte der Wahlprogramme einen immer geringeren Einfluss auf den Wahlausgang.
(Volkens: 1989 116-117)

2.5 Das Modell der programmkonformen Politik
In seinem Modell der programmkonformen Politik versucht Heiner Flohr, die
Konkurrenzdemokratie auf die Programmatik der Parteien zu beziehen. Er geht hier von
einem Idealfall aus, bei dem Parteien ihre Regierungsabsichten vor den Wahlen in den
Programmen deutlich vorstellen so das der Wähler in der Lage ist zu beurteilen, welche
Wahlentscheidung für ihn die beste ist. Dabei muss der Wähler nicht nur den Inhalt des
Wahlprogramms bewerten sondern auch wie realistisch seine Realisierung ist im Falle des
Wahlsieges der jeweiligen Partei. Regierungspartei hat natürlich bessere Möglichkeit ihr
Programm umzusetzen als die Opposition. Damit steigt aber auch die Gefahr, dass man von
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der Programmtreue abweicht und die nächsten Wahlen verliert. Die Aufgabe, realistische
Wahlprogramme aufzustellen und dabei gleichzeitig möglichst viele Wähler anzusprechen
und für sich zu gewinnen, erweist sich als äußerst schwierig. Die Parteien sind bemüht, innere
Spannungen zu vermeiden und Geschlossenheit zu demonstrieren. Besonders für die großen
„Volksparteien“ ist es schwierig alle Gruppen zu einigen. Das führt dazu, dass in den
Programmen oft unklare, zu allgemeine Absichtserklärungen stehen. Programme sind das
Aushängeschild der Parteien und somit auch ein Teil der Werbung, so dass ihre Inhalte
entsprechend angepasst werden. Dies ist besonders der Fall, wenn wichtige Wahlen
bevorstehen. Werbeeffekt geht vor Funktionalität, innerparteiliche Einigung vor Klarheit.
Man muss berücksichtigen, dass die Parteien, um Mehrheiten zu bilden, meistens einen
Koalitionspartner brauchen, der wiederum seinen Wählern etwas ganz anderes versprochen
hat. Dies bezieht sich besonders auf die kleinen Parteien, die in der Regierung wesentlich
weniger Entscheidungsmacht haben. Eine gegenseitige Anpassung wird notwendig und
dadurch auch Änderungen in den Wahlprogrammen. (Volkens: 1989:116-117) ; (Flohr:
1968:52)

2.6 Verschiedene Arten von Programmen
Die Programme der politischen Parteien kann man nach folgenden Kriterien unterscheiden:
    1. nach dem Konkretisierungsgrad der politischen Ziele
    2. nach dem Grad der Handlungsorientierung
    3. nach der Weite ihres Zeithorizontes
    4. nach der Zahl der behandelten Politikbereiche
    5. nach dem Grad der Verbindlichkeit.
(Klingemann 1989: 99)

In Deutschland haben sich vor allem drei Typen von Parteiprogrammen etabliert:
    1. Grundsatzprogramm (politische Identität einer Partei, langfristig, gesamtpolitische
       Richtlinien, hoher Verbindlichkeitsgrad, sehr umfassend).
    2. Wahlprogramm (handlungsorientiert, zeitlich begrenzt, relativ umfassend).
    3. Aktionsprogramm ( beschränkt auf ausgewählte Politikbereiche,
       niedrige Verbindlichkeit, sehr handlungsorientiert). (Klingemann 1989: 99)

Im Folgenden wird das Wahlprogramm an sich, seine Bedeutung sowohl für Parteien als auch
für Wähler sowie der Entstehungsprozess von Wahlprogrammen näher erläutert.
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3. Wozu eigentlich Wahlprogramme?

Vor Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen veröffentlicht jede Partei, die zur Wahl
antritt, ein Wahlprogramm. Dieses wurde zuvor auf einem Parteitag verabschiedet, d.h. es
wird von der Mehrheit der Parteimitglieder getragen. Ein Wahlprogramm dient als Leitfaden
für die kommende Legislaturperiode: Die Partei nimmt zu konkreten politischen Fragen
Stellung, sagt, in welchen Bereichen sie Handlungsbedarf sieht und welche Ziele sie erreichen
will. Die Partei bestimmt so ihre Position und macht gleichzeitig dem Wähler
Politikangebote, für die sie im Wahlkampf wirbt (Klingemann/Volkens 2001: 513). Der
Wähler hat damit die Möglichkeit, sich vor der Wahl über die Zielsetzungen der
verschiedenen Parteien zu informieren, die verschiedenen Positionen untereinander und mit
seinen eigenen Interessen zu vergleichen. Nach der Wahl kann er das Handeln der Parteien an
den von ihnen selber gesetzten Maßstäben messen: Setzen die Partei das um, was sie in ihren
Programm angekündigt haben?

3.1 Wie entstehen Wahlprogramme?
Wahlprogramme für Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahlen entstehen auf ähnliche
Weise, der Entstehungsprozess läuft innerhalb einer Partei nur auf anderen Ebenen ab. Vor
einer Bundestagswahl werden erste Entwürfe für ein Wahlprogramm in Programmgremien
oder Fachausschüssen erarbeitet. Danach berät der Parteivorstand über das Programm und
schließlich wird es auf einem Parteitag den Delegierten zur Verabschiedung vorgelegt. Die
Verabschiedung erfolgt meist einstimmig, “um die Einheit und Geschlossenheit der Partei zu
demonstrieren” (Klingemann/Volkens 2001: 513). In den Programmgremien sitzen Politiker
aller wichtigen Flügel bzw. Gruppierungen, damit alle in der Partei vertretenen Positionen in
die Diskussion einfließen können. Die Gremien beraten über die aktuellen und
grundsätzlichen Themen des jeweiligen Ressorts und erstellen Thesenpapiere, die dann in das
Wahlprogramm einfließen.
Während der Beratungen entstehen oft Konflikte in Hinblick auf Themenschwerpunkte und
Zielsetzungen, da die Politiker der verschiedenen Flügel unterschiedliche Positionen
vertreten. Welche Möglichkeiten hat nun eine Programmkommission, diese Konflikte zu
lösen und sich auf einen Inhalt zu einigen?

3.2 Welche Konfliktregelungsstrategien gibt es?
Andrea Volkens beschreibt in ihrem Aufsatz “Parteiprogrammatik und Einstellungen
politischer Eliten: Konsens- und Konfliktstrukturen in Wahlprogrammen” (Volkens 1989:
Seite 120) vier verschiedene Strategien, wie Konflikte geregelt werden können und eine
Einigung in einer Sachfrage herbeigeführt werden kann:

1.Konfliktregelung durch das Mehrheitsprinzip:
   Es wird über die strittige Sachfrage abgestimmt, und die Mehrheitsmeinung setzt sich
   gegenüber der Minderheitsmeinung durch.
2.Konfliktregelung durch Minimalkonsens:
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   Es wird versucht, die unterschiedlichen Standpunkte aneinander anzupassen, d.h. die
   verschiedenen Interessen der einzelnen Gruppierungen einander so anzunähern, dass alle
   die Lösung vertreten können.
3.Konfliktregelung durch Handel:
   Interessenausgleich kann darüber stattfinden, dass man aushandelt, welche Meinung sich in
   welcher Frage durchsetzt, d.h. einmal werden der einen Position Zugeständnisse gemacht,
   einmal der anderen.
4.Konfliktregelung durch Nicht-Thematisierung:
   Strittige Fragen können auch ganz aus der Diskussion und dem Programm ausgeklammert
   werden, d.h. sie werden überhaupt nicht thematisiert.

Im Entstehungsprozess von Wahlprogrammen werden wahrscheinlich Konsensmechanismen
vorherrschen, d.h. die Programmgremien werden versuchen, sich zu einigen und
Kompromisse zu schließen. Schließlich will jede Partei versuchen, vor einer Wahl möglichst
geschlossen aufzutreten. Bisher haben alle im Bundestag vertretenen Parteien vor den
Bundestagswahlen Wahlprogramme vorgelegt. Die einzige Ausnahme bildet die FDP: Im
Wahljahr 1965 gelang es der Partei nicht, ihre Mitglieder auf ein Programm zu verpflichten.
Erst zwei Jahre später konnte ein mehrheitlich getragenes Programm verabschiedet werden
(Klingemann 1989: 99-100).

3.3 Wann steht eine Partei „links“, wann steht sie „rechts“?
Spricht man von Positionen der Parteien, meint man oft ihren Standpunkt innerhalb der Links-
Rechts-Dimensionen der Politiklandschaft. Aber woran wird inhaltlich festgemacht, dass die
eine Partei links, die andere Partei rechts steht? In ihrem Aufsatz “Struktur und Entwicklung
von Wahlprogrammen in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1998” geben H.-D.
Klingemann und A. Volkens einen Überblick über die klassischen fünf linken und rechten
Positionen:

   Politikbereich      Linke Position                        Rechte Position
1 Staatspolitik        Demokratie und Demokratisierung       Freiheit und Menschenrechte
2 Wirtschaftspolitik Planwirtschaft                          Soziale Marktwirtschaft
3 Gesellschaftspolitik Multikulturalismus                    Sozialer Konservatismus
4 Gesellschaftspolitik Ausbau des Wohlfahrtstaates           Begrenzung des Wohlfahrtstaates
5 Außenpolitik         Frieden und Abrüstung                 Militärische Sicherheit
(Klingemann/Volkens 2001: 514-515)

Diese Positionen werden bei der Bestimmung der klassischen Links-Rechts-Dimension
herangezogen. Hierbei ist allerdings zu bemerken, daß die jeweils linke Position nicht
unbedingt immer das genaue Gegenteil der rechten Position darstellt und umgekehrt, wie es
z.B. im Bereich Staatspolitik der Fall ist: „Demokratie und Demokratisierung“ als die
klassische linke Position und „Freiheit und Menschenrechte“ als die klassische rechte Position
schließen einander nicht grundsätzlich aus.
Betrachtet man die Gegenüberstellung der linken und rechten Positionen in den anderen
Politikbereichen, so werden allerdings grundlegende Unterschiede in der Zielsetzung oder der
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                        10

Wahl der Mittel deutlich: Im Politikbereich Wirtschaftspolitik drücken sich in den beiden
Positionen „Planwirtschaft“ und „Soziale Marktwirtschaft“zwei vollkommen unterschiedliche
Vorstellungen aus, wie Wirtschaft funktioniert und wie sie gestaltet werden kann. Im Bereich
Außenpolitik ist die klassische linke Position bestimmt als „Frieden und Abrüstung“: Diese
Position behinhaltet, daß zur Lösung weltweiter Konflikte Abrüstung oder die Einschränkung
von militiärischen Ausgaben vorgeschlagen werden. Sicherheit soll durch Frieden erreicht
werden. Die klassische rechte Position ist bestimmt als „Militärische Sicherheit“. Hier wird
der Standpunkt vertreten, daß die äußere Sicherheit des Staates durch Militär, Militärallianzen
und Verteidigungsausgaben gewährleistet und aufrecht erhalten werden soll.
Wie in Kapitel 6.2 gezeigt werden wird, ist es auch durchaus möglich, daß Parteien nicht nur
„links“ oder nur „rechts“ sind, sondern in ihren Wahlprogrammen sowohl linke als auch
rechte Positionen beziehen.

3.4 Wie lang waren und sind die Wahlprogramme der Parteien der BRD?
Die Wahlprogramme der Parteien unterscheiden sich nicht nur in ihren
Themenschwerpunkten sondern auch in ihrer Länge. Betrachtet man die Wahlprogramme, die
CDU, SPD und FDP zu den elf Bundestagswahlen von 1949 bis 1987 vorgelegt haben,
ergeben sich folgende Zahlen:
    • Zusammen hatten diese insgesamt 33 Wahlprogramme 807 Druckseiten.
    • Die kürzesten Wahlprogramme umfassten lediglich zwei Seiten: SPD 1949, FDP
       1972, CDU 1961, 1965.
    • Das längste Wahlprogramm in diesem Zeitraum hatte 116 Seiten, es wurde 1965 von
       der SPD vorgelegt.
    • Im Durchschnitt umfassten die Wahlprogramme der CDU 15 Seiten, die der FDP 21
       Seiten und die der SPD 36 Seiten.
    • Seit Mitte der siebziger Jahre veröffentlichen die Parteien ausführlichere
       Wahlprogramme.
(Klingemann 1987: 30; Klingemann 1989: 100)

4. Wie werden Wahlprogramme analysiert?

Wahlprogramme sind auch Gegenstand politikwissenschaftlichen Forschungsinteresses. Im
Bereich der Wahlforschung wurden und werden Untersuchungen über Wahlprogramme
durchgeführt. Wie wir bereits gesehen haben, spiegeln Wahlprogramme die
Mehrheitsmeinung einer Partei wider, sie werden so zum Maßstab politischen Handelns und
eignen sich zum Vergleich der Parteien untereinander, aber auch zum Vergleich der
Positionen, die eine Partei im Laufe der Zeit bezogen hat. Fragestellungen, die die
Wissenschaftler interessieren, sind z.B. folgende: Was stand auf der politischen
Tagesordnung? Welche politischen Prioritäten äußern die Parteien in den Wahlprogrammen?
Wie haben sie die Wichtigkeit der großen Politikbereiche eingeschätzt? Boten sich dem
Bürger politische Alternativen? Wie steht es um das Koalitionspotential zwischen den
Parteien? (Klingemann 1989: 100). Im Folgenden wird die wissenschaftliche Methode, mit
der man Wahl- und andere Programme untersucht, vorgestellt:
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                      11

Man kann Programme mit Hilfe der quantitativen Inhaltsanalyse erschließen. Die Quantitative
Inhaltsanalyse ist eine Methode zur systematischen Beschreibung inhaltlicher und formaler
Merkmale von Textinhalten. Anhand von Kategoriensystemen werden die Merkmale nach
festgelegten Regeln klassifiziert, d.h. in Kategorien eingeordnet. Gleichzeitig werden den
Inhalten Zahlenwerte zugewiesen, die den entsprechenden Kategorien zugeordnet sind. Dieser
Vorgang wird als Codierung oder Verschlüsselung bezeichnet. (Schmitt-Beck 2003: 8) Durch
diese Quantifizierung von Informationen können auch umfangreiche Texte umfassend
dargestellt werden, außerdem werden Vergleiche erleichtert.
Bezogen auf die Wahlprogramme sieht das Vorgehen also folgendermaßen aus: Die
Wahlprogramme werden anhand eines Klassifikationsschemas verschlüsselt (Klingemann /
Volkens 2001: 507). Die Einheit der Verschlüsselung ist das einzelne, von den Parteien in den
Wahlprogrammen benannte politische Problem. Dieses ist folgendermaßen definiert:

Ein politisches Problem ist entweder
    • eine Aussage über ein Defizit: es wird festgestellt, dass etwas Gewünschtes nicht oder
       zu wenig vorhanden ist;
    oder
    • die Feststellung eines Handlungsbedarfs: es wird benannt, in welchen Bereichen
       gehandelt oder aber auch nicht gehandelt werden soll;
    oder
    • die Äußerung einer Handlungsabsicht: die Partei formuliert, in welchen Bereichen sie
       etwas unternehmen oder unterlassen will.
(Klingemann 1998: 100)

Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht über die Anzahl der identifizierten und
klassifizierten Probleme in den Bundestagswahlprogrammen von CDU, FDP und SPD
von1949 bis 1987:
Wahljahr               CDU                     FDP                    SDP
1949                   147                     107                    49
1953                   121                     89                     81
1957                   18                      69                     68
1961                   43                      107                    172
1965                   17                      212                    439
1969                   118                     150                    115
1972                   175                     26                     180
1976                   179                     235                    202
1980                   264                     645                    285
1983                   137                     275                    237
1987                   273                     205                    281
(Klingemann 1989: 102)
Jedes so bestimmte politische Problem wird dann einem Politikbereich und innerhalb des
Politikbereichs einem Politikfeld zugeordnet. Darüber hinaus ist noch die Zuordnung eines
Problems zu einem bestimmten Politikthema möglich.
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                               12

5. Wahlprogrammanalyse – Beispiele und Ergebnisse

5.1. Worin unterscheiden sich die Wahlprogramme der Parteien?
     Welche Gemeinsamkeiten gibt es?
Bei der Analyse von Wahlprogrammen kann man auf eine Vielzahl von Fragestellungen
eingehen. Die naheliegendste ist wohl die nach in den Programmen behandelten Thematik,
ihrer Gewichtung und den Unterschieden zwischen den einzelnen Parteien.
Andrea Volkens und Hans-Dieter Klingemann differenzieren in ihrem Text „Struktur und
Entwicklung von Wahlprogrammen in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1998 zwischen
vier großen Politikbereichen, deren Gewichtung in den Wahlprogrammen der CDU/CSU, der
SPD, der PDS, der FDP und der GRÜNEN von 1949 bis 1998 mittels quantitativer
Inhaltsanalyse von ihnen
untersucht wird.
Dabei gehen sie davon aus,
dass die Häufigkeit, mit
der ein Thema in einem
Wahlprogramm behandelt
wird, als ein Indikator für
seine Wichtigkeit dienen
kann.
(Klingemann/       Volkens
2001: 516)

Anhand      nebenstehender
Tabelle      ergibt    sich
folgendes Bild für die
programmatischen Profile
der untersuchten Parteien:

Alle Parteien behandelten
die Wirtschafts- und die
Gesellschaftspolitik    mit
durchschnittlich 30 Pro-
zent doppelt so oft wie die
Staats- und Außenpolitik.
Es wurden also häufig
Inhalte mit direktem Bezug
zum Alltagsleben der
Wähler thematisiert.
Im Weiteren zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Parteien.
   • Der Bereich Staatspolitik wurde am häufigsten von der FDP thematisiert (23,6%),
        darauf folgten PDS (17,8%) und GRÜNE (17,3%), sowie die SPD mit 14,2%.
   • Die CDU behandelte staatspolitische Themen mit 12,9% fast nur halb so häufig wie
        die FDP.
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     •   Bei der Wirtschaftspolitik lagen GRÜNE (28,2%), SPD(31.8%), FDP(33,5%) und
         CDU/CSU (36,9%) relativ nah beieinander, während die PDS wirtschaftspolitischen
         Themen mit 16,7% deutlich weniger Gewicht beimaß, als die anderen Parteien.
     •   Mit Abstand am Häufigsten behandelte die PDS das Thema Gesellschaftspolitik
         (54,7%), gefolgt der SPD (37,5%), den GRÜNEN (35,1%), der CDU/CSU (31,6%)
         und schließlich der FDP (27,7%).
     •   Auch bei außenpolitischen Themen setzten die Parteien unterschiedliche
         Schwerpunkte. Sie wurden von der FDP (24%) öfter aufgegriffen als von der PDS
         (18%), den GRÜNEN (17%), der SPD (16%) und der CDU/CSU (13%).

 Daraus ergibt sich folgende Rangfolge für die Wichtigkeit der jeweiligen Politikbereiche bei
 den einzelnen Parteien:

                       CDU/CSU       SPD          PDS           FDP            GRÜNE
Gesellschaftspolitik    2. (31,6%)   1. (37,5%)   1. (54,7%)    2. (27,7%)     1. (35,1%)
Staatspolitik          4. (12,9%)    4. (14,2%)   3. (17,8%)    4. (23,6%)     3. (17,3%)
Wirtschaftspolitik     1. (36,9%)    2. (31,8%)   4..(16,7%)    1. (33,5%)     2. (28,2%)
Außenpolitik           3. (13%)      3. (16%)     2. (18%)      3. (24%)       4. (17%)

 Anhand der Untersuchung Klingemanns und Volkens lässt sich feststellen, dass die von den
 Parteien gesetzten politischen Schwerpunkte der Alltagserfahrung entsprechen: starke
 Gewichtung der sozialen Marktwirtschaft bei CDU/CSU und FDP, Engagement für den
 Ausbau des Wohlfahrtsstaates bei der SPD, Umweltschutz als Hauptanliegen der GRÜNEN
 und wohlfahrtsstaatliche Politik für Ostdeutschland als wichtigstes Thema der PDS.
 (Klingemann/Volkens 2001: 515-520)

  5.2 Welche Themen und Trends bestimmen die Wahlprogramme?
 Die bisherige Analyse stützt sich auf Durchschnittwerte eine Zeitraumes von fast 50 Jahren.
 Anhand der Standardabweichung (SD) lässt sich aber erkennen, dass die untersuchten
 Themen bei den verschiedenen Wahlen in unterschiedlichem Maße behandelt wurden.
 In einer im Rahmen des Textes „Die programmatischen Profile der politischen Parteien in der
 Bundesrepublik Deutschland“ erschienenen Studie beschäftigt der Autor Hans-Dieter
 Klingemann sich mit der im Laufe der Jahre veränderte Gewichtung der „vier großen
 Politikbereiche“. (Klingemann, 1989: 110)
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                    14

(Klingemann, 1989: 110)

1. Staatspolitik
Seit der Schaffung stabiler demokratischer Institutionen und der Lösung grundlegender
ordnungspolitischer Fragen nimmt die Bedeutung des „Demokratiethemas“ und „Allgemeinen
Staatspolitik“ bei allen Parteien ab. Diese Fragen hatten in der Anfangsphase der BRD einen
hohen Stellenwert in der öffentlichen Aufmerksamkeit und damit auch in den
Parteiprogrammen. Mit ihrer Klärung nahm im Bereich der Staatspolitik das Interesse an der
„Rechts- und Verfassungspolitik“ zu.
2. Wirtschaftspolitik
Im Laufe der Zeit haben Fragen der Energie- und Umweltpolitik in diesem Politikbereich bei
allen Parteien mehr und mehr Vorrang vor anderen Themen.
3. Gesellschaftspolitik
Im Bereich Gesellschaftspolitik nimmt vor allem die Bedeutung der „Bildungspolitik“ zu und
die der „Allgemeinen Gesellschaftspolitik“ ab. Diese Entwicklung wird verständlich, wenn
man bedenkt, dass die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend Wohnraum ein wichtiger
Aspekt der „Allgemeinen Gesellschaftspolitik“ ist. Nach der Befriedigung dieses
Bedürfnisses in den Nachkriegsjahren verlor dieses Thema stark an Bedeutung. Dagegen
wurde die Bildungspolitik vor allem durch die große Bedeutung der Bildung für den Erfolg
auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger.
4. Außenpolitik
(Anm. des Verfassers: Hans-Dieter Klingemann beschäftigte sich in seiner Untersuchung nur
mit Daten aus den Jahren 1949-1987) Hier nahm mit dem Abfall des öffentlichen Interesses
an Fragen der Ost- und Deutschlandpolitik auch die Gewichtung dieses Themas in den
Parteiprogrammen ab.
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                        15

Die Veränderungen in den Parteiprogrammen bilden also den veränderten Problemhaushalt
der Bundesrepublik Deutschland ab. Dabei wird die Wechselwirkung zwischen öffentlichem
Interesse und Parteiprogrammatik sichtbar. Dies ist verständlich, da eine Partei Chancen hat,
gewählt zu werden, wenn sie die Bürger davon überzeugen kann sich für die Lösung ihrer
akuten Probleme einzusetzen. (Klingemann, 1989: 110)

Als Abschluss dieser ersten Bestandsaufnahme der inhaltlichen Gewichtung der
Parteiprogramme lässt sich also feststellen, dass die programmatischen Profile der CDU/CSU,
SPD, FDP, PDS und der GRÜNEN sich deutlich unterscheiden.

5.3 Welchen Stellenwert haben Wahlprogramme für die politischen Parteien in der
BRD?
Angesichts der Tatsache, dass Parteien, die für beim Wähler populäre Themen eintreten, eine
größere Chance haben, viele Stimmen zu bekommen, stellt sich die Frage, ob und inwieweit
Parteien in der BRD ihre ideologische Grundeinstellung zugunsten von beim Wähler
beliebten Themen vernachlässigen. Hans-Dieter Klingemann und Andrea Volkens
unterscheiden in ihrem Artikel „Struktur und Entwicklung von Wahlprogrammen in der
Bundesrepublik Deutschland 1949-1998“ ( Klingemann, Volkens 2001, 521)
in Bezug auf dieses Thema zwischen zwei Parteitypen:

1. Die wettbewerbsorientierte Partei
2. Die programmorientierte Partei

Diese beiden Parteitypen unterscheiden sich vor allem in Bezug auf den Stellenwert, den sie
der Programmatik zumessen, der programmatischen Konsistenz, wie bereits in Kapitel 1.1
erläutert wurde. Während eine programmorientierte Partei keine zwei ideologisch
gegensätzlichen Positionen vertreten sollte, auch wenn diese bei der Wählerschaft gleich
beliebt sind, ist dieser Fall bei einer wettbewerbsorientierten Partei durchaus wahrscheinlich,
da sie bestrebt ist, mit ihrem Programm möglichst viele verschiedene Interessen
anzusprechen.

Volkens und Klingemann beantworten die Frage nach dem Grad der politischen Konsistenz,
indem sie feststellen, wie häufig Parteien gleichzeitig eher als „links“, bzw. „rechts“
eingestufte Positionen in ihren Programmen vertreten. Zu diesem Zweck haben sie innerhalb
der vier großen Politikbereiche fünf klassische „linke“ und fünf klassische „rechte“
Politikpositionen definiert, die bereits in Kapitel 4.3 vorgestellt wurden.

Bei der Untersuchung der Wahlprogramme auf die Häufigkeit, mit der diese Themen
vorkommen, ergab sich folgendes Ergebnis:
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                        16

( Klingemann, Volkens 2001, 521)

Die Parteiprogramme der PDS und der GRÜNEN weisen in Bezug auf Themen des Friedens
und der Abrüstung, sowie des Wohlfahrtsstaates sehr hohe Konsistenz auf. Beide Parteien
treten nahezu ausschließlich für den Ausbau des Wohlfahrtsstaates (PDS 100%, GRÜNE
99,4%) und Frieden und Abrüstung (PDS 99,8%, GRÜNE 99,9%) ein. In Bezug auf den
Wohlfahrtsstaat sieht das Bild bei den alten Parteien ähnlich aus. Weder SPD, noch CDU oder
FDP propagieren eine Begrenzung des Wohlfahrtsstaates. Im sicherheitspolitischen Bereich
argumentieren diese drei Parteien jedoch inkonsistent. Dies deutet darauf hin, dass sie
militärische   Sicherheit     und    Frieden     und     Abrüstung,    in   unterschiedlichen
Mischungsverhältnissen, für miteinander vereinbar ansehen.

Freiheit und Menschenrechte werden offenbar von allen Parteien als kompatibel betrachtet,
wobei sich, je nach Partei, wieder Unterschiede in der Gewichtung ergeben. Im
wirtschaftspolitischen Bereich plädieren CDU und FDP eindeutig für die soziale
Marktwirtschaft (CDU 99,1%, FDP 99,3%). Die SPD spricht sich weniger deutlich (87,4%)
für diese Position aus, gefolgt von den GRÜNEN (73%), während bei der PDS fast ein
Gleichgewicht zwischen sozialer Marktwirtschaft (55,4%) und Planwirtschaft (44,6%)
besteht. Vertritt eine Partei den Multikulturalismus, macht sie sich, möglicherweise auf kosten
traditioneller Werte, für die Interessen kultureller und ethnischer Minderheiten stark.
Vertritt sie sich dagegen eine sozial konservative Position, steht der Schutz traditioneller
moralischer Werte in der Politik, aber auch in der Familie, der Religion und der inneren
Sicherheit auf ihrem Programm. CDU und mit Abstrichen auch die SPD vertreten eher sozial
konservative Positionen (CDU 98,3%, SPD 87,8%). Bei der FDP und den GRÜNEN ist das
Verhältnis ungefähr ausgewogen (FDP: Konservativismus 54,4%, Multikulturalismus 45,5%,
GRÜNE 40,2%, 59,8%). Die PDS vertritt zwar größtenteils (60,9%) multikulturalistische
Positionen, aber die Konsistenz ist deutlich niedriger als zum Beispiel in Bezug auf den
Wohlfahrtsstaat.

Bei dieser Analyse wurden allerdings nur die klassischen Politikpositionen betrachtet. Für den
neu hinzugekommenen Bereich „Umweltpolitik“ lässt sich vor allem für die GRÜNEN eine
hohe Konsistenz erwarten. Am Anfang dieser Analyse stand die Frage, ob in der BRD
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                                   17

wettbewerbs- oder programmorientierte Parteinen vorherrschen. Klingemann und Volkens
stellten nach Abschluss ihrer Untersuchung eine Tendenz zur gemäßigten Programmpartei
fest. (Klingemann, Volkens 2001, 520)

5.4. Wie weit sind die Parteien programmatisch voneinander entfernt?
In ihrer Untersuchung zur „Struktur und Entwicklung von Wahlprogrammen“ gingen Andrea
Volkens und Hans-Dieter Klingemann auch der Frage nach, wie weit die einzelnen Parteien
programmatisch voneinander entfernt sind. (Klingemann, Volkens, 2001)

Zu diesem Zwecke fassten sie die vorher getrennt betrachteten Informationen über die linken
und rechten Positionen der Parteien zusammen, um die Parteiprogramme so auf einer
links/rechts Achse einordnen zu können.
Sie zogen dafür die Summe der Prozentanteile für die linken Positionen von denen der rechten
ab. So ergaben sich Werte zwischen +100 (maximale rechte Position) und –100 (maximale
linke Position. Um zu bestimmen, wie weit die einzelnen Parteien programmatisch
voneinander entfernt waren, bildeten sie den Mittelwert aus den absoluten Distanzen
zwischen den Links-Rechts-Positionen.

 Die Ergebnisse fassten
sie in der folgenden
Tabelle zusammen:

(Mittelwerte der absoluten
Distanzen zwischen den Links-Rechts- Positionen der Parteien 1949-1998 Klingemann, Volkens,2001 523)

Im Verlauf der Jahre ergibt sich die größte programmatische Distanz zwischen der CDU/CSU
und den beiden „neuen linken“ Parteien. Zum linken Lager gehört mit Abstrichen auch die
SPD. Zwischen PDS, den GRÜNEN und der SPD ergeben sich nur geringe Distanzen.
Daraus resultieren für diese Parteien Vor- und Nachteile. Die auf ihrer programmlichen Nähe
begründete Koalitionsfähigkeit zwischen den drei linken Parteien ist sicher vorteilhaft,
während die mangelnde programmatische Distanz gewisse Risiken birgt. Je näher die Parteien
einander sind, desto austauschbarer drohen die Parteien für den Wähler zu werden.
Die FDP ist von PDS und GRÜNEN relativ weit entfernt (PDS: 43, GRÜNE: 30), von
CDU/CSU und SPD dagegen deutlich weniger weit (CDU/CSU: 15, SPD 18). Sie belegt im
gesamten Beobachtungszeitraum nur selten eine politische Extremposition und hält sich damit
programmatisch weitgehend in der „Mitte“ auf.
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                    18

Betrachtet man die Distanzen zwischen der jeweils linken und rechten Partei im Verlauf der
Jahre, lässt sich feststellen,
dass die Unterschiede 1975,
1994 und 1998 Höchstwerte
erreichen.

(Klingemann, Volkens, 2001, 525)

1957 dominierten Themen der
Sicherheits- und Verteidigungspolitik (SPD) und der Wirtschaftspolitik (CDU), 1994 spielten
Fragen der inneren Sicherheit und der Finanzierung der deutschen Einheit die größte Rolle.
1998 bezog die PDS verstärkt linke Positionen, um sich deutlicher von der SPD und den
GRÜNEN abzuheben. Für die CDU/CSU sind Fragen der inneren Sicherheit nicht mehr ganz
so bedeutsam wie 1994, weswegen die Partei ein wenig nach links rückt und so die Distanz
zur PDS gleich bleibt. Die SPD bewegte zu diesem Zeitpunkt in die Mitte des politischen
Spektrums, um vermehrt Wähler mit gemäßigten politischen Interessen anzusprechen.
Im Vergleich mit anderen Parteiensystemen des Westens ist in der betrachteten Zeit die
Polarisierung in der BRD eher gering. Außerdem ist der Polarisierungsgrad starken
Veränderungen unterworfen: War er in den Nachkriegsjahren stark, nahm er danach ab und
stieg nach 1969 wieder deutlich an.

 5.5 Wie ist es um das Koalitionspotential zwischen den Parteien bestellt?
In der Bundesrepublik
Deutschland          spielen
Koalitionen eine große
Rolle, da es einer Partei in
der Bundespolitik bisher
noch nie gelungen ist, die
absolute Stimmenmehrheit
zu erlangen. Hans-Dieter
Klingemann untersucht in
seinem        Text     „Die
programmatischen Profile
der politischen Parteien in
der          Bundesrepublik
Deutschland“
die Politikdistanzen und
Koalitionspotentiale                           (aus Klingemann, 1989, 112)
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                     19

der SPD, der CDU/CSU und der FDP. (Klingemann, 1989)
Je höher die Zahl, desto größer ist die Distanz zwischen den Parteien. Die Werte kamen
zustande, indem Klingemann verglich, wie häufig die Parteien auf ein Thema eingingen.
Dabei geht er davon aus, dass die Häufigkeit der Thematisierung in direktem Bezug zu der
Wichtigkeit steht, die die Partei dem jeweiligen Thema beimisst. Für jede mögliche Koalition
zeigt die Tabelle die Differenz zwischen den beiden Parteien an. Für eine Koalition zwischen
FDP und SPD sprachen also besonders die ähnlichen Meinungen zum Thema „Demokratie“,
„Energie- und Umweltpolitik“, „Soziale Gemeinschaft“ und „West- und Bündnispolitik“. Bei
CDU und FDP begünstigen die gemeinsamen Auffassungen zur „Rechts- und
Verfassungspolitik“, zur „Allgemeinen Wirtschaftspolitik“ und mit Abstrichen zum
„Wohlfahrtsstaat“, zur „Arbeits- und Beschäftigungspolitik“, sowie zur „West- und
Bündnispolitik“ eine Koalition. Eine große Koalition würde vor allem durch
Gemeinsamkeiten bei der „Agrarpolitik“ und der „Arbeits- und Beschäftigungspolitik“
getragen. Bei den sechs folgenden Themen waren die Parteien am stärksten voneinander
getrennt (Distanz größer/gleich 40): „Soziale Gemeinschaft“, „Freiheit“, „Demokratie“,
„Wohlfahrtsstaat“, „Bildungspolitik“ und „Soziale Marktwirtschaft“. „Die Themen, die den
Gestaltungsprinzipien der großen Politikbereiche am nächsten kommen, waren es also, die
sich in besonderer Weise als distanzgenerierend erwiesen haben.“ (Klingemann 1989, 113)
Bei jedem dieser Themen ergab sich ein klares Distanzmuster: Zwei Parteien mit relativ
kleiner Distanz waren durch eine große Politikdistanz von der dritten Partei getrennt.
Für diese sechs Themen hat der Autor die Distanzen in folgender Grafik noch einmal
dargestellt:

                                 (Klingemann, 1989, 113)

FDP und CDU stimmten in Bezug auf „Freiheit“, „Wohlfahrtsstaat“ und „Soziale
Marktwirtschaft“ weitgehend überein. FDP und SPD standen sich bei „Sozialer
Gemeinschaft“ und „Demokratie“ relativ nahe. Die niedrigste Distanz zwischen SPD und
CDU ergab sich im Bereich „Bildungspolitik“.

Zusammenfassung und Fazit – Wahlprogramm, das unbekannte Wesen?

Nur wenige Wähler haben jemals Auszüge eines Wahlprogrammes, geschweige denn ein
vollständiges gelesen. Dieses Essay sollte einen Einblick in Geschichte, Grundlagen und
Inhalte von Wahlprogrammen geben. Zunächst wurden die rechtlichen Grundlagen des
Parteienwettbewerbs sowie Parteitypen und zwei Modelle zur Parteiprogrammatik
dargestellt. Dadurch wurde deutlich, welche Bedeutung Wahlprogramme zum einen für die
Parteien selber und zum anderen für die Wähler haben.
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                      20

Danach wurde der Frage nachgegangen, wie Wahlprogramme als Gegenstand
wissenschaftlicher Forschung mit Hilfe der quantitativen Inhaltsanalyse untersucht werden.
Im Anschluss daran folgten einige Ergebnisse zweier Studien von Andrea Volkens und Hans-
Dieter Klingemann. Die Wissenschaftler sind u.a. folgenden Fragen nachgegangen:

   •   Worin unterscheiden sich die Wahlprogramme der Parteien?
       Welche Gemeinsamkeiten gibt es?
   •   Welche Themen und Trends bestimmen die Wahlprogramme?
   •   Welchen Stellenwert haben die Wahlprogramme die politischen Parteien in der BRD?
   •   Wie weit sind die Parteien programmatisch voneinander entfernt?
   •   Wie ist es angesichts unterschiedlicher Zielsetzungen um das Koalitionspotential
       zwischen den Parteien bestellt?

Zur Beantwortung dieser Fragen analysierten und verglichen sie die anlässlich der
Bundestagswahlen von 1949 bis 1987 bzw. 1998 veröffentlichten Wahlprogramme der
großen deutschen Parteien. Bezüglich der Unterschiede und Gemeinsamkeiten von
Wahlprogrammen ließ sich feststellen, dass alle Parteien die Wirtschafts- und die
Gesellschaftspolitik ungefähr doppelt so oft wie die Staats- und Außenpolitik behandeln.
Sie thematisieren also häufig Inhalte mit direktem Bezug zum Alltagsleben der Wähler.
Im weiteren Verlauf der Untersuchung Klingemanns und Volkens wurde deutlich, dass die
von den Parteien gesetzten politischen Schwerpunkte der Alltagserfahrung entsprechen:
starke Gewichtung der sozialen Marktwirtschaft bei CDU/CSU und FDP, Engagement für den
Ausbau des Wohlfahrtsstaates bei der SPD, Umweltschutz als Hauptanliegen der GRÜNEN
und wohlfahrtsstaatliche Politik für Ostdeutschland als wichtigstes Thema der PDS.
Wie die deutsche Regierung im Laufe der Jahre unterschiedliche Probleme zu lösen hatte, so
veränderten sich entsprechend auch die in den Wahlprogrammen behandelten Themen. Diese
Wechselwirkung zwischen politischer Tagesordnung und Programminhalten wird
verständlich, wenn man bedenkt, dass eine Partei, die die Wähler davon überzeugen kann,
sich angemessen um ihre aktuellen Probleme zu kümmern, gute Aussichten hat, viele
Stimmen zu bekommen. Andrea Klingemann und Hans-Dieter Volkens gingen ebenfalls der
Frage nach, ob und inwieweit Parteien in der BRD ihre ideologische Grundeinstellung
zugunsten von beim Wähler beliebten Themen vernachlässigen. Hierbei unterrschieden die
Wissenschaftler zwischen programm- und wettbewerbsorientierte Parteien. Während eine
programmorientierte Partei keine zwei ideologisch gegensätzlichen Positionen vertreten
sollte, auch wenn diese bei der Wählerschaft gleich beliebt sind, ist dieser Fall bei einer
wettbewerbsorientierten Partei durchaus wahrscheinlich, da sie bestrebt ist, mit ihrem
Programm möglichst viele verschiedene Interessen anzusprechen. Volkens und Klingemann
beantworten die Frage nach dem Grad der politischen Konsistenz, indem sie feststellen, wie
häufig Parteien gleichzeitig eher als „links“, bzw. „rechts“ eingestufte Positionen in ihren
Programmen vertreten. Sie stellten fest, dass die deutschen Parteien bei Themen, die für ihre
politische Identität wichtig sind, konsistent argumentieren, bei allgemeineren Themen
dagegen durchaus rechte und linke Politikpositionen für miteinander vereinbar halten.
Die größte programmatische Distanz ergibt sich im Laufe der Jahre zwischen CDU/CSU und
den „beiden neuen linken Parteien“, der PDS und den GRÜNEN. Zu diesem „linken Lager“
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                     21

gehört mit Abstrichen auch die SPD. Die FDP belegt im gesamten nur selten eine politische
Extremposition; sie hält sich weitgehend in der Mitte des politischen Spektrums auf.
Da es einer Partei in der Bundesrepublik Deutschland selten gelingt, die absolute
Stimmenmehrheit zu erreichen, spielen Koalitionen eine große Rolle. Das Koalitionspotential
zwischen den Parteien ist stark abhängig von den aktuellen Themen. Nehmen zwei Parteien
bezüglich darauf ähnliche Positionen ein, ist eine Koalition wahrscheinlich. Die Veränderung
der Hauptthemen einer Wahl hat also auch einen Einfluss auf die Koalitionsmöglichkeiten.

Wahlprogramme sind für den mündigen Wähler ein unabdingbares Werkzeug zur politischen
Orientierung.
Die Autoren hoffen, dass dieses Essay im Rahmen des Wählerinformationssystems WIS einen
besseren Zugang dazu ermöglicht.
Wahlprogramm – das unbekannte Wesen?                                                     22

Literaturverzeichnis

Klingemann, Hans-Dieter 1987: Electoral Programmes in West Germany 1949-1980:
      Explorations in the Nature of Political Controversy, in:
      Budge, Ian/Robertson, David, Hearl, Derek (Hrsg.): Ideology, Strategy and Party
      hange: Spatial Analyses of Post-War Election Programmes in 19 Democracies,
      Chambridge u.a., S. 294-323.

Klingemann, Hans-Dieter 1989: Die programmatischen Profile der politischen Parteien in
      der Politischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland. Eine quantitive
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      Herzog,     Dietrich/Wessels,     Bernhard      (Hrsg.):    Konfliktpotentiale und
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Klingemann, Hans-Dieter/Volkens, Andrea, 2001: Struktur und Entwicklung von
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      Gabriel,Oscar W./Niedermayer, Oskar/Stöss, Richard (Hrsg.): Parteiendemokratie in
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Schmitt-Beck, Rüdiger, 2003: Folien mit Politikfeldern im Rahmen des Praxisprojekt WIS
im Kommedia-Studiengang an der Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg

Volkens, Andera 1989: Parteiprogrammatik und Einstellungen politischer Eliten: Konsens-
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      (Hrsg.): Konfliktpotentiale und Konsensstrategien. Beiträge zur politischen Soziologie
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Volkens, Andrea, 2002: Handbuch zur Inhaltsanalyse programmatischer Dokumente von
      Parteien und Regierungen in der Bundesrepublik Deutschland, FS III 02-203, Berlin:
      Wissenschaftszentrum

http://www.bundestag.de
http://www.wz-berlin.de
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