Naturgesetze und Handlungskausalität - Symposium Rödermark, 10. Okt. 14 - Michael Esfeld

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Naturgesetze und Handlungskausalität - Symposium Rödermark, 10. Okt. 14 - Michael Esfeld
Symposium Rödermark, 10. Okt.
         14

         Naturgesetze und
         Handlungskausalität

Michael Esfeld
Université de Lausanne
Michael-Andreas.Esfeld@unil.ch

                                     1
Naturgesetze und Handlungskausalität - Symposium Rödermark, 10. Okt. 14 - Michael Esfeld
Wozu Wissenschaftsphilosophie?

1) Interpretation einzelner wissenschaftlicher Theorien
  Quantentheorie, Ursprung der Zeitrichtung, Neurobiologie des
  Bewusstseins
2) Zusammenhang der wissenschaftlichen Theorien
   und ihrer Gegenstandsbereiche
  Einheit der Natur, Reduktionismus vs. Eigenständigkeit der
  einzelnen Wissenschaften
3) Konflikte zwischen wissenschaftlichen Theorien und
   unserem Selbstverständnis
  Zeit in der speziellen Relativitätstheorie vs. Zeiterfahrung,
  Naturgesetze vs. Handlungskausalität
                    Philosophie nutzt!
                                                                  2
Naturgesetze und Handlungskausalität - Symposium Rödermark, 10. Okt. 14 - Michael Esfeld
Der Vortrag

1) Zwei Gedankenexperimente
2) Das Problem von Naturgesetzen und
  Handlungskausalität
3) Die funktionalistische Lösung

                                   3
Gedankenexperiment I

            identische
            Gehirne
            identische
            mentale
            Zustände?

                          4
Gedankenexperiment II

                    Welt w            Welt w*

               Psychologie
special sciences

                   Biologie

                   Chemie

                   Physik

                                                5
Einheit der Natur
z Zusammensetzung aus physikalischen
  Systemen
z keine Veränderung im chemischen,
  biologischen, psychologischen Bereich
  ohne Veränderung in der
  physikalischen Zusammensetzung

                                      6
Demokrit (ca. 460-370 v.Chr.)
               „… in dem Leeren zerstreut
               bewegen sich Substanzen,
               der Zahl nach unendlich
               wie auch unteilbar und
               unter-schiedslos und ohne
               Qualität und für Einwir-
               kung unempfänglich; wenn
               sie sich einander nähern
               oder zusammenstoßen
               oder verflechten, so treten
               einige dieser Anhäufungen
               als Wasser, andere als
               Feuer, andere als Pflanze
               und wieder andere als
               Mensch in Erscheinung.“
Newton, Optik (1704)
           „Nach allen diesen
           Betrachtungen ist es mir
           wahrscheinlich, dass Gott im
           Anfange der Dinge die Materie in
           massiven, festen, harten,
           undurchdringlichen und
           beweglichen Partikeln erschuf …
           Damit also die Natur von
           beständiger Dauer sei, ist der
           Wandel der körperlichen Dinge
           ausschliesslich in die
           verschiedenen Trennungen,
           neuen Vereinigungen und
           Bewegungen dieser
           permanenten Teilchen zu
           verlegen.“                     8
Vollständigkeit der Physik
  fundamentale und universelle physikalische
  Theorien
z kausal: Jedes physikalische Ereignis hat
  physikalische Ursachen, insofern es Ursachen hat.
z nomologisch: Jedes physikalische Ereignis fällt
  unter physikalische Gesetze, insofern es unter
  Gesetze fällt.
z explanatorisch: Für jedes physikalische Ereignis
  gibt es eine physikalische Erklärung, insofern es
  eine Erklärung gibt.
  andernfalls: physikalische Theorien falsch, nicht-
  physikalische Kräfte
  unabhängig von weiterer Entwicklung
  physikalischer Theorien                              9
Das Problem
1) Dualismus: Geistige Ereignisse sind keine
   physikalischen Ereignisse.
2) Handlungskausalität: Geistige Ereignisse
   verursachen physikalische Ereignisse.
3) Naturgesetze: Für alle physikalischen Ereignisse p
   gilt: insofern p Ursachen hat, Gesetzen untersteht
   und eine Erklärung erlaubt, hat p vollständige
   physikalische Ursachen, untersteht vollständigen
   physikalischen Gesetzen und hat eine vollständige
   physikal. Erklärung.
4) keine Überbestimmung: Es gibt keine
   Überbestimmung physikalischer Ereignisse durch
   vollständige physika-lische Ursachen und
   zusätzliche mentale Ursachen.                      10
Überbestimmung

                psy1   psy2

(hinreichend)               (hinreichend)

                p1     p2

                                            11
 Wirkungslosigkeit

                  psy1   psy2

  (hinreichend)               (hinreichend)

                  p1     p2

                                              12
Interaktionismus

    psy1   psy2

    p1     p2

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René Descartes (1596-1650)
z Geistige Ereignisse verändern die Richtung
  der Bewegung winziger Teilchen im Gehirn.
z Nur Summe der Bewegung
  Erhaltungsgrösse, Bewegungsrichtung
  unterliegt keinen Gesetzen.
kein Widerspruch zu physikalischen
Gesetzen
z Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716):
  Impulsrichtung ist ebenfalls
  Erhaltungsgröße
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Heutiger Interaktionismus
z Quantenphysik: statt Determinismus
  Wahrscheinlichkeitsgesetze
z radioaktiver Zerfall
z John Eccles (1903-1997): die mentale
  Absicht erhöht momentan die
  Wahrscheinlichkeit des Vorkommnisses
  einer grossen Anzahl bestimmter
  miteinander verbundener Quantenereignisse
  im Gehirn.

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Gegen den Interaktionismus

z inkompatibel mit Naturgesetzen
z Quantenphysik / Handlungskausalität:
  für diese physikalischen
  Gehirnereignisse geben die Gesetze
  der Quantenphysik nicht die korrekten
  Wahrscheinlichkeiten an.
 Die Quantenphysik ist falsch.

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Die Aufgabe der Philosophie

z Wie können unsere Gedanken und
  Absichten physikalische Wirkungen
  haben, gegeben die Kenntnisse, die wir
  durch die Naturwissenschaften
  erlangen?
z Wie können wir als fühlende, denkende
  und handelnde Wesen uns selbst als
  Teil der natürlichen Welt verstehen?
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Der Ausgangspunkt
3) Naturgesetze: nicht verhandelbar
2) Handlungskausalität: nicht verhandelbar
z Selbsterfahrung
z Erfahrung kann nicht festlegen, ob geistige
   Ereignisse verschieden von physikalischen
   Ereignissen sind
1) Dualismus: verhandelbar: theoretische
   Aussage, nicht Erfahrung

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Die Theorie der Identität
                          “ Psy”

p1 = psy1   p2 (= psy2)

                          “P”

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Der Funktionalismus

z Idee: alle Ereignisse sind kausal wirksam
z Indem geistige Ereignisse einen bestimmten
  Erlebnischarakter haben, einen bestimmten
  Inhalt haben, auf etwas gerichtet sind, sind
  sie darauf ausgerichtet, bestimmte
  Wirkungen hervorzubringen.
z Bestimmte Konfigurationen physikalischer
  (neuronaler) Ereignisse sind geistige
  Ereignisse, da kausale Identität.

                                             20
Identität statt Schichten

     psy

               ch
           b

                    physikalisch

                                   21
Der Funktionalismus

1) kausal-funktionale Definition
2) Suche nach Realisatoren
3) kausale Erklärung
z Erklärung, wieso es geistige Ereignisse in
   der Welt gibt
Wasser / H2O
Radio / Elektromagnetismus
Gene / DNA-Sequenzen
Bewusstsein, Gedanken, Absichten /
   neuronale Konfigurationen
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Handlungskausalität
z freier Wille:
  ohne Ursache?  zufällig
  Gründe als Ursachen?  kausale
  Bestimmung
z entscheidende Fragen:
  Welche bestimmenden Faktoren sind mit
  Willensfreiheit vereinbar, welche schließen
  sie aus?
  Wie sind diese Faktoren im Gehirn realisiert?

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Zusammenfassung
z Einheit der Natur: ein physikalisches
  Duplikat der Welt ist schlechthin ein
  Duplikat der Welt
z Naturgesetze
geistige Ereignisse können im
  physikalischen Bereich nur wirksam
  sein, wenn sie mit physikalischen
  Ereignissen identisch sind
z Funktionalismus, kausale Identität
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