NDB-Artikel - Deutsche Biographie

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Deutsche Biographie – Onlinefassung

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Hohenlohe zu-Ingelfingen, Friedrich Ludwig Fürst zu| preußischer General,
* 31.1.1746 Ingelfingen, † 15.2.1818 Slawentzitz Kreis Cosel (Oberschlesien).
(lutherisch)

Genealogie
V Gf., seit 1764 Fürst Heinrich August (1715–96), Reichs-FM d. Fränk. Kreises,
Senior d. Gesamthauses seit 1781, Stifter d. Primogeniturordnung v. 1774, S d.
Gf. →Christian Kraft (1668–1743), Senior d. Neuensteiner Hauptlinie seit 1715,
Dir. d. Fränk. Reichsgfl. Kollegiums, u. d. Marie Gfn. v. Hohenlohe-Pfedelbach;
M Wilhelmine Eleonore (1717–94), T d. Gf., seit 1764 Fürst Joh. Friedrich zu
Hohenlohe-Neuenstein-Oehringen;
B Prinz →Friedrich Karl (1752–1815), k. k. FML (s. Wurzbach IX), Prinz →Georg
(1757–1803), preuß. Gen.-Major (s. Priesdorff II, S. 459 f., P);
- ⚭ Gleina 1782 (⚮ 1799) Amalie (1763–1840), T d. →Julius Gebhard Gf. v.
Hoym (1721–69), kursächs. GR, Industrieller (s. NDB IX ), u. d. Charl. Christiane
                                                           *

v. Dieskau;
7 K, u. a. August (s. Gen. 8), →Adolf (s. 1);
E →Hugo (s. 8).

Leben
Zum Ende des 7jährigen Krieges trat H. der Reichsarmee bei, wechselte
aber nach Friedensschluß als Major in preußische Dienste; 1786 wurde er
Generalmajor, 1791 Gouverneur von Breslau. Im 1. Koalitionskrieg zeichnete er
sich als Führer eines Armeekorps bei der Erstürmung der Weißenburger Linien
aus und siegte 1794 bei Kaiserslautern. Nach dem Baseler Frieden befehligte
er den Neutralitätskordon an der Ems und wurde als General der Infanterie
Statthalter in Ansbach-Bayreuth.

H., der den Zeitgenossen als Bewahrer friderizianischer militärischer Tradition
in einer Zeit des allgemeinen Umbruchs galt, kommandierte bei Ausbruch
des Krieges 1806 die Armee des rechten preußischen Flügels in Sachsen.
Zwar waren die Siegeszuversicht und der persönliche Einsatz des routinierten
Truppenführers von großer Einwirkung auf die Armee, doch mangelte es ihm
an einer klaren strategischen Konzeption. Sein Berater, der ideenreiche,
aber oft konfuse Generalquartiermeister von Massenbach, drängte ihn zu
Operationen, die der Strategie des preußischen Oberbefehlshabers, des greisen
Herzogs von Braunschweig, widersprachen, wodurch der ohnehin schwerfällige
preußische Aufmarsch noch unübersichtlicher wurde. Nach Vernichtung
seiner Vorhut unter dem Prinzen →Louis Ferdinand bei Saalfeld versuchte H.,
seine verstreute Armee bei Jena zu konzentrieren. Infolge schwerwiegender
Führungsfehler (Aufgabe des strategisch wichtigen Landgrafenberges) und
unglücklicher Umstände (Nebel, Verspätung der Reserve) wurde H. am
14.10.1806 durch die zahlenmäßig zunächst kaum überlegenen Truppen
Napoleons entscheidend geschlagen, da es letzterem gelang, in mehreren
Einzelgefechten bei Konzentration seiner Gesamtstärke jeweils Teile der etwa
50 000 Mann zählendenden H.schen Armee zu besiegen. Nach der tödlichen
Verwundung des Herzogs von Braunschweig führte H. das Oberkommando
über die Resttruppen, die er über Magdeburg nach Stettin zu führen gedachte,
um hinter der Oder den Widerstand neu zu organisieren. Bei Prenzlau wurde
er jedoch von den Franzosen gestellt, und es gelang Murat, H. glauben zu
machen, er sei vom Feinde eingeschlossen. Massenbach, der auf Grund
eigener, allerdings fehlerhafter Beobachtungen den Weg nach Stettin für
abgeschnitten hielt, riet – möglicherweise auch aus politischen Gründen –
zur Kapitulation. H. folgte diesem Rat, der von seinem Offizierskorps ohne
Widerspruch entgegengenommen wurde, und streckte am 28.10.1806 mit etwa
12 000 Mann die Waffen. Dieses Ereignis, das sich unter dem deprimierenden
Eindruck der Niederlagen von Jena und Auerstädt vollzog, löste weitere
Kapitulationen preußischer Befehlshaber und Festungskommandanten aus. Vor
der Untersuchungskommission erklärte sich H. später als allein verantwortlich
für die Fehler seiner Armeeführung. Ein militärisches Amt hat er nicht mehr
bekleidet und lebte auch während der Befreiungskriege zurückgezogen auf
seinen schlesischen Gütern, die seine Frau in die Ehe gebracht hatte.

Literatur
ADB XII;
Rühle v. Lilienstern, Ber. e. Augenzeugen v. Feldzug d. Fürsten H., 1807, 1809;
                                                                         2

Ch. v. Massenbach, Betrachtungen u. Aufschlüsse üb. d. Ereignisse d. J. 1805 u.
1806, 1808;
ders., Hist. Denkwürdigkeiten … nebst Tagebuch, 1809;
F. L. v. d. Marwitz, Aus d. Nachlaß, 2 Bde., 1852;
O. v. Lettow-Vorbeck, Der Krieg 1806/07, 4 Bde., 1891 ff.;
1806, Das preuß. Offz.korps u. d. Unters. d. Kriegsereignisse, 1906;
Priesdorff II, S. 211-17 (P).

Autor
Günter Richter

Empfohlene Zitierweise
Richter, Günter, „Hohenlohe-Ingelfingen, Friedrich Ludwig Fürst zu“, in: Neue
Deutsche Biographie 9 (1972), S. 9 489-490 [Onlinefassung]; URL: https://
www.deutsche-biographie.de/pnd116954647.html
ADB-Artikel

Hohenlohe: Friedrich Ludwig Fürst von H.-Ingelfingen aus der Waldenburg-
Bartenstein’schen, römisch-katholischen Linie, wurde 1746 als ältester Sohn
des Fürsten Johann Friedrich, dem er 1796 succedirte, geboren. Im Contingent
des fränkischen Kreises machte er bei der Reichsexecutions-Armee die letzten
Feldzüge des siebenjährigen Krieges, fast noch als Knabe, mit. 1768 trat
er in preußische Dienste, Friedrich der Große stellte ihn, mit Rücksicht auf
seine Geburt, als Major im Regiment Tauenzien zu Breslau an, 1775 wurde
er zum Oberstlieutenant befördert, zeichnete sich 1778 im baierischen
Erbfolgekriege aus und wurde Oberst. Wenige Monate vor dem Tode des Königs
erhielt der Erbprinz ein Regiment, das in Neiße seine Garnison hatte, und das
Patent als Generalmajor. Friedrich Wilhelm II. verlegte das Regiment nach
Breslau, der langjährigen, ihm liebgewordenen Garnison des Prinzen, der
1788 Brigadier wurde, 1790 den schwarzen Adlerorden erhielt und 1791 zum
Gouverneur von Berlin ernannt wurde. In den Rheinfeldzügen führte der Prinz
ein Armeecorps, nahm an den Treffen bei Oppenheim, Pirmasens, Hornbach,
Limbach, besonders am Sturm der Weißenburger Linien Theil, führte oft die
Avantgarde und siegte, an der Spitze des Heeres, in der dritten Schlacht bei
Kaiserslautern am 20. September 1794. Ueberall war der kühne und ritterliche
Prinz durch seine Herzensgüte, seine soldatische Offenheit, seine Freigebigkeit
und Gastfreundschaft beliebt. Blücher nennt ihn in seinem Tagebuch aus den
Rheinfeldzügen „einen Heerführer, auf den die preußische Armee stolz sein
könne“. Nach dem Frieden zu Basel kehrte er nach Breslau zurück, wurde
Inspecteur der niederschlesischen, der Ausbach-Baireuth’schen Infanterie und
1798 General der Infanterie. Durch seine 1782 erfolgte Vermahlung mit Amelie
Luise, Tochter des sächsischen Geheimraths Grafen von Hoym, kam er in den
Besitz der Güter Slawentzitz, Oppury etc., während er die Herrschaft Koschentin
Lassowitz etc. von seinem Vater ererbt hatte, dem er in der Regierung von
Ingelfingen und eines Theils von Oehringen nachgefolgt war. 1805 befehligte
er den Theil des Preußischen Heeres in Franken, 1806 die Armee des rechten
Flügels in Sachsen; Massenbach, der schon in den Rheinfeldzügen in seinem
Stabe gewesen, war sein Generalquartiermeister. Prinz Louis Ferdinand führte
die Avantgarde, die bei Saalfeld vernichtet wurde. Massenbach's scheinbar
wissenschaftliche Auffassung des Krieges und dessen Schulgelehrsamkeit
wußten dem gescheiten und tapferen, aber ungelehrten Manne zu imponiren,
er stand in Opposition zum Oberfeldherrn Herzog von Braunschweig, die
Massenbach zu verschärfen suchte. Die zersplitterte Ausstellung des Heeres
am 14. October war höchst ungünstig und trotz|bewiesener Tapferkeit wurde
H. bei Jena vernichtend geschlagen. Ihm stand Napoleon mit einem sehr viel
stärkeren Heere und mit einer weit überlegenen Taktik gegenüber, und keine
Kunst eines Feldherrn konnte unter den Verhältnissen jener Tage den Sieg an
die Preußischen Fahnen knüpfen. Höpfner sagt in seiner Geschichte des Krieges
1806/7: „In der Schlacht bei Jena wurden einige 50,000 Preußen und Sachsen
in Folge vorangegangener Fehler nach und nach in einem mehrstündigen
Kampfe dergestalt gegen den Feind geführt, daß die anderen Abtheilungen
nicht früher von den nachfolgenden aufgenommen werden konnten, bis daß
sie von dem vielfach überlegenen Feind völlig überwältigt und in die Flucht
geschlagen waren.“ H. suchte die Truppen am Webicht bei Weimar zu sammeln
und führte sie über Nordhausen, Quedlinburg, Magdeburg nach der Uckermark,
um von dort die Oder zu erreichen. Auch die Armce-Abtheilung unter Kalkreuth
war ihm unterstellt worden. Auf dem anstrengenden Marsche, bei ganz
unzureichender Verpflegung, schmolz sein Heer wie Schnee im Thauwetter.
Murat und Lannes verfolgten ihn und hatten ihn am 28. October fast erreicht.
Oberst Massenbach, der, um zu recognosciren, vorausgeritten war, glaubte sich
noch auf dem rechten Ufer der Ucker, während er schon auf dem linken war,
und wähnte die französische Avantgarde im Vormarsch gegen die Prenzlau-
Stettiner Straße. Obwol das sehr günstige Defilée eine gute Defensivstellung
für eine Armee bot, die sich über Löcknitz nach Stettin zurückziehen sollte,
gab H. doch der Autorität Massenbach's, der sich für umgangen hielt, nach,
um so mehr, als der tapfere Artillerieoberst Hüser ihm meldete, wie gering
der Vorrath an Munition sei. Der Fürst hätte sich am liebsten am jede Gefahr
hin durchgeschlagen; leider war Prinz August, der schon früher durch seine
energischen Worte Kalkreuth's Capitulation bei Weißensee verhindert hatte, im
Kriegsrath nicht gegenwärtig. So wurde denn am 28. October die Capitulation
von Prenzlau abgeschlossen. Viele Officiere und Soldaten verließen das Heer
noch vor und nach dem Abschlusse: im Ganzen fielen 10,000 Mann und 1800
Pferde in die Hände des Feindes. Diese traurige Capitulation gab das Signal
zu allen anderen, sie wirkte um so verderblicher, je höher der Fürst H. in der
Armee geachtet wurde. Er glaubte mit Unrecht an verrätherische Absichten bei
Massenbach: die hat der eitle, hochmüthige, beschränkte Mann nie gehabt,
aber sein militärisches Urtheil war befangen und seit Jahren sah er die Rettung
Preußens nur in der Allianz mit Frankreich. Mit tief verwundeter Seele zog
sich der Fürst, der sein ruhmreiches und thatenvolles Leben durch diese
schmachvolle Capitulation beschlossen, nach seinen schlesischen Gütern
zurück, legte seine Stelle nieder und ging dann als Kriegsgefangener nach
Frankreich, von wo er 1808 zurückkehrte. Sein durch die Rheinbundsacte
mediatisirtes Fürstenthum hatte er schon im August 1806 seinem ältesten
Sohn Friedrich August Karl übergeben, weil er nicht unter württembergischer
Souveränität stehen wollte. Er lebte auf seinem Schlosse Slawentzitz, nahm bei
seinem hohen Alter keinen Theil an den Freiheitskriegen; das Selbstvertrauen
des edlen Mannes war gebrochen. Er starb am 15. Februar 1818.

Autor
v. Meerheimb.

Empfohlene Zitierweise
Meerheimb, von, „Hohenlohe-Ingelfingen, Friedrich Ludwig Fürst zu“, in:
Allgemeine Deutsche Biographie (1880), S. [Onlinefassung]; URL: https://
www.deutsche-biographie.de/pnd116954647.html
1. September 2021
© Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
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