NET WORK von Lee Hall Satire nach dem gleichnamigen Film von Paddy Chayefsky Deutsch von Michael Raab - Schlosstheater Celle
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NET WORK von Lee Hall Satire nach dem gleichnamigen Film von Paddy Chayefsky Deutsch von Michael Raab
ERWARTBAR AKTUELL UND WAHNSINNIG KOMISCH Es hat fast religiöse Tiefe, Howard Beal beim Abdrehen zu begleiten, aber auch Gespräch zur Inszenierung mit Regisseur Andreas Döring die Liebesszenen der Figuren, die sich selbst zum Produkt kreieren, rühren mich und bringen mich zum Lachen zugleich. Doofheit ist einfach ein Fundus für NETWORK ist die Geschichte eines Nachrichtensprechers, der sich inhaltlich Humor. Und das Stück wimmelt von sympathischen Bruchstellen - es menschelt von seriösen, themenzentrierten Nachrichten verabschiedet hat - in einer Me- an allen Ecken. dienwelt, die zunehmend dem Marktgesetz der Erregung folgt. Das Theater- Interview: Andrea Hoffmann stück NETWORK ist 2017 nach dem Oskar-premierten Film aus den 1970ern geschrieben worden. Welche Welt sehen wir auf der Bühne des Schlosstheaters? Diese Medien Satire spielt in den 1970er Jahren, als auch der Film von Sidney ICH BIN SCHEISS-WÜTEND Lumet erschienen ist. Entsprechend bunt und in 1970er Retro-Optik verorten wir dieses sehr sinnliche Stück. Anne Manss hat ein Studio entworfen, das vor und hinter den Kulissen auch mit der Livekamera bespielt werden kann. Das Studio ist damit die Welt – die Welt der Nachrichten, der Werbung, der Produktion und UND HAB DIE SCHNAUZE VOLL der Schicksale. Tiana Kruškić hat sowohl Werbung und die Botschaft des Stoffes kongenial mit einem passenden Sound interpretiert. Wir bringen also TV-Anmu- tungen auf die Bühne und bespielen dieses Setting doch radikal als Theater. Das hat zur Folge, dass wir Film, Spiel und Sound live mischen und dabei zusammen mit Max Mund eine ganz eigene Erzählästhetik entwickeln. Über den Autor: Der 1967 geborene Lee Hall, mehrfach ausgezeichneter briti- Warum dieses Stück jetzt? scher Bühnen- und Drehbuchautor, wurde u.a. mit seinem Drehbuch zu “Billy Es ist brandaktuell. Und sehr komisch. Das Stück zeigt eine Welt, die dem Gesetz Elliot – I will dance“ und Romanverfilmungen wie „Stolz und Vorurteil“ berühmt. von Kommerz und Quote mit herrlich neoliberaler Dämlichkeit folgt, und sich Er hat dem Filmstoff der 1970er Jahre (Buch: Paddy Chayefski, Regie: Sidney Lu- damit in die Hörigkeit von Emotion und Beliebtheit begibt. Als seien die Markt- met) für die Bühne 2017 durchaus auch politische Aktualität verliehen. Urauffüh- gesetze alles. Die Welt der Medien schraubt sich in NETWORK immer weiter in rung war im November 2017 in London im Lyttleton Theatre am National Theatre. Ereignisspiralen und verliert dabei zunehmend ihre Funktion als vierte Macht der Die deutsche Uraufführung im Oktober 2020 am Thalia Theater Hamburg. Demokratie. Denn die Grundwerte des Journalismus und der Nachrichten wer- den auf dem Altar des Populismus geopfert. Ohne Bewusstsein. Was hier als Satire überspitz erzählt wird, ist leider sehr real. NETWORK zeigt einen Moderator, der in verzweifelter Selbstüberschätzung sein emotionales Sendungsbewusstsein als Wut-Plauderer so weit über die Kamera hin ausdehnt, dass er zur populistischen Mega-Star-Figur wird. Mit dem Satz „ich bin scheiß wütend“ entfesselt er den gesellschaftlichen Gefühlshaushalt, er wird zum agitierenden Propheten. Dass er dabei sogar die Abschaffung der Medien fordert, ist eine der vielen gesellschafts- kritischen Pointen des Stückes. Woran liegt für Dich der Reiz am Stück und am Stoff? Hier wird mit Mitteln von Humor und Satire wunderbar entlarvt, welche Ent- mündigung die mediale Gesellschaft gerade veranstaltet. Was ich als Bürger zum Teil als unerträglich empfinde und auch für demokratiegefährdend halte, ist im Licht des Theaters witzig, erträglich und angreifbar. Und es sind tolle Figuren:
„Wenn dort draußen irgendeiner ist, der mir beim Blick auf unser wahnwitziges Schlachthaus von Welt weismachen will, der Mensch sei ein edles Wesen, dann sage ich Ihnen, der Kerl steckt bis obenhin voller Bullshit.“ (Howard Beale)
MEDIALE AUFMERKSAMKEITSERREGUNG UND MEDIENKRITIK werden. Das Streben nach sozialer Geltung habe inzwischen das Streben nach materiellem Wohlstand überrundet. Formen medialer Aufmerksamkeitserregung haben in den letzten Jahren in Analysen wie diejenige von Franck arbeiten „Aufmerksamkeit“ als neues gesell- enger Koppelung mit ökonomischen Interessen zu Veränderungen in der ge- schaftliches Tauschgut bzw. als Regulationsmechanismus heraus und treffen damit sellschaftlichen Kommunikationskultur geführt, die sich mit Stichworten wie ein zentrales Strukturmerkmal der heutigen Medien- und Erlebnisgesellschaft. „Veroberflächlichung von Wahrnehmung“, „Emotionalisierung“, „narzisstische Selbstdarstellungskultur“, „Personalisierung“ charakterisieren lassen. Um Wahr- Aufmerksamkeitserregung als Währung: Die Orientierung an Quoten, die Mu- nehmung, Kommunikation und Kultur der Menschen in humaner Weise wei- tation des Kultur- und Kunstbetriebs zum Massengeschäft, die hemmungslose terentwickeln zu können, bedarf es einer stärkeren Entkoppelung von Medien Kommerzialisierung nahezu aller kulturellen Phänomene markieren eine neue und Wirtschaft, insbesondere einer Entflechtung von Sponsoring, Werbung und Stufe eines kulturellen Kapitalismus. „Kulturell“ deshalb, weil es weit über menta- Programmangeboten. le Dimensionen der Aufmerksamkeitslenkung und der Aufmerksamkeitsselektion hinausgeht. Die Aufmerksamkeitserregung ist zu einer „Währungseinheit“, zu Beispiel Talkshows: Diese sind mehr und mehr Inszenierungsmöglichkeit für einem gesellschaftlichen Tauschwert geworden, der in Verbindung von kognitiven, Leute, die sich im Fernsehen gut darstellen können; es werden die immer gleichen, emotional-affektiven und ästhetischen Dimensionen eine gesellschaftliche Kultur „bekannten Gesichter“ eingeladen. Sie leben von der Veröffentlichung und Offen- des Narzissmus befördert. Diese gesellschaftliche Kultur des Narzissmus scheint barung privater, intimer Details und stark emotionalisierender Kameraführung die gegenwärtige Antwort auf den allseits konstatierten Prozess der gesellschaft- (viele Detailaufnahmen von Körperteilen, Mimik, Gesten). Vielfach dienen sie lichen Individualisierung zu sein. Aufmerksamkeit wird erregt und zugleich von als Ersatz für qualifizierte Debatten in Parlamenten; politische „Häppchenkultur“, den Menschen abgezogen; vorhandene Bedürfnisse, Sehnsüchte und Wünsche Sprüche und „Duelle“ („Agitprop“-Theater der Postmoderne) statt vertiefte ar- werden aktiviert und für Zwecke öffentlicher Zurschaustellung absorbiert und gumentative Auseinandersetzung; teilweise entwürdigende „Anbrüll-Shows“ auf instrumentalisiert unterstem Niveau; Nach HORST NIESYTO, PH Ludwigsburg, bearbeitet von Andrea Hoffmann Ökonomie der Aufmerksamkeit: Georg Franck, Professor für EDV-gestützte Methoden in Architektur und Raumplanung an der TU Wien, veröffentlichte 1998 „Alle Medien krempeln uns völlig um. Sie sind so weitreichend in ihren persön- einen Beitrag über die „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ (FRANCK 1998). Eine lichen, politischen, wirtschaftlichen, ästhetischen, psychologischen, moralischen, seiner Thesen lautet, Information werde gegen Aufmerksamkeit getauscht. Durch ethischen und sozialen Konsequenzen, dass sie keinen Teil von uns unangetastet, die Messung der Auflage, der Zuschaltquote, der Reichweite werde die Aufmerk- unberührt und unverändert lassen. Das Medium ist die Massage [sic]. Jedes Ver- samkeit „aufs reine Quantum“ reduziert. „Die Ausrichtung auf dieses nur noch ständnis sozialer und kultureller Veränderungen ist unmöglich, wenn man nicht quantitative Maß der Aufmerksamkeit steckt hinter dem Übergang der elitären weiß, wie Medien als Umwelt funktionieren.“ Kultur zur Event- und Rating-Kultur, hinter der Transformation von Produkten Marshall McLuhan in Marken, hinter dem Wandel der Parteien- zur Mediendemokratie“. Die Konse- Nachweise quenz: „Die Reichen, die es auf den neuen Märkten zu etwas bringen, sind reich Celler Schlosstheater e.V. | Spielzeit 2021/2022 | Intendant: Andreas Döring | Geschäftsführerin Katharina Lohmann an Beachtung. Reich in der neuen Ökonomie ist, wer um Größenordnung mehr Redaktion: Andrea Hoffmann | Gestaltung: Christian Stych an Aufmerksamkeit einnimmt, als er ausgeben könnte. Arm ist, wer nicht genug Impressum Beachtung und Anerkennung bezieht, um sein Selbstwertgefühl intakt zu halten.“ Marshall McLuhan, Quentin Fiore: Das Medium ist die Massage. Ein Inventar medialer Effekte. Zusammengestellt von Jerome Agel 1967 (Ginko Press), (dt. Neuausgabe Stuttgart 2011), S. 28 Franck arbeitet heraus, dass heutzutage nahezu jeder prominent werden kann. Gespräch zwischen Andreas Döring und Andrea Hoffmann vom 25.01.2022 Während es früher das Privileg hoher Geburt, begnadeter Begabung oder hin- Horst Niesyto: Mediale Aufmerksamkeitserregung und Medienkritik. Aus: Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik, Ausgabe 6/2004, S.1-9, www.ph-ludwigsburg.de reißender Schönheit gewesen sei, könnten es die heutigen „Tellerwäscher“ zum „Beachtungsmillionär“ bringen und durch die Medien zur Massenattraktion
BESETZUNG HOWARD BEALE, Nachrichtenmoderator UBS.............. Klaus Beyer MAX SCHUMACHER, Nachrichtenchef UBS..................Thomas Wenzel LOUISE, Schumachers Frau...............................................Tanja Kübler FRANK HACKETT, Manager CCA..................................Jan Arne Looss DIANA CHRISTENSEN, Programmdirektorin UBS........Anne-Kristin Schiffmann JENSEN, CEO CCA............................................................Tiana Kruškić JACK SNOWDEN, Moderator...........................................Leon Nungesser HUNTER, Produzentin „Tonight“......................................Tanja Kübler Regisseur „Tonight“..........................................................Jan Arne Looss Assistentin „Tonight“........................................................ Anne-Kristin Schiffmann Aufnahmeleiter „Tonight“................................................. Max Mund Techniker „Tonight“........................................................... Max Mund Werbung............................................................................... Tiana Kruškić Regie...................................................................................... Andreas Döring Bühne und Kostüme........................................................... Anne Manss Musik ................................................................................... Tiana Kruškić Video..................................................................................... Max Mund Dramaturgie........................................................................ Andrea Hoffmann Regieassistenz und Abendspielleitung............................ Leon Nungesser Inspizienz............................................................................. Svenja Mayer Premiere am 04.02.2022 im Schlosstheater Aufführungsrechte Hartmann und Stauffacher GmbH Bild- und Tonaufnahmen während der Vorstellung sind nicht gestattet. Technischer Leiter Oliver Neumeyer Stellv. Technischer Leiter Achim Groffot Leiter der Werkstätten Sven Laudin Bühneninspektor Roberto Langenhan Ausstattungsassistentin Carina Laskowski Bühnentechnik Markus Dräger, Robert Hausmann, Ortwin Maahs, Christian Pohlmann, Jörg Ritzke Beleuchtung Marcel Sonnemann, Jan Feldmann, Götz Schoof, Kai Peter, Ulrich Hentschel Tonabteilung Moritz Bastam (Leitung), Timo Müller Requisite René Hohnsbein, Olaf Ulherr, Mareike Wilken Maske Carmen Bente (Leitung), Anna Bokareva, Janice Grote, Maruschka Steins Leitung Kostümabteilung Iris Wuthnow Schneiderei Anette Buhr, Hannah-Mareike Bruns, Barbara Frantz, Anke Jacobs, Ilse-Kathrin Ohlhof, Vivien Wojahn, Peter Finzelberg, Mia-Luisa Zühlke (Auszubildende) Ankleiderinnen Christa Brand, Nicole Käser, Lydia Knäusel, Aljona Mielke, Louise-Aradia Baum-Krüger Tischlerei Lutz Taxweiler Malersaal Birgit Bott (Leitung), Jan Wisniewski Polsterei Andrea Lüchau, Hans-Dieter Mehring
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