Neue Entwicklungen in der Wettervorhersage: Potential und Anforderungen für Anwender

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Neue Entwicklungen in der Wettervorhersage: Potential und Anforderungen für Anwender
Forum für Wissen 2007: 19–23                                                                                                    19

Neue Entwicklungen in der Wettervorhersage:
Potential und Anforderungen für Anwender
Mathias W. Rotach
Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, MeteoSchweiz, Krähbühlstrasse 58, CH-8044 Zürich
mathias.rotach@meteoswiss.ch

Der Artikel erklärt Ansätze und Methoden der modernen Wettervorhersage, ins-           betreffen Wettersysteme, die zum Pro-
besondere die Veredelung der numerischen Wetterprognosen durch die Progno-             gnosezeitpunkt möglicherweise in ei-
stiker. Seit einiger Zeit wird die Unsicherheit, die jeder Prognose für ein natürli-   ner Entfernung von mehreren hundert
ches System anhaftet, mit so genannten Ensemble-Vorhersagen quantifiziert.             Kilometern entstehen. Das Vorher-
Diese liefern neben dem eigentlichen Prognosewert («Morgen wird das Wetter-            sagegebiet umfasst damit ganze Konti-
element X den Wert Y annehmen») zusätzlich die Zuverlässigkeit der Prognose            nente und allenfalls Ozeane. Die
(«Der Wert trifft mit einer Wahrscheinlichkeit von Z Prozent ein»). Dieses neue        Mittelfristprognose schliesslich bedarf
Element erfordert nicht nur eine neue Arbeitsmethodik auf Seiten der Prognosti-        direkt globaler Information1, da sich
ker. Auch die Anwender müssen lernen, die Methode und ihre Resultate zu ver-           die relevanten Luftmassen für das
stehen sowie mit diesen Zusatzinformationen in der Praxis umzugehen.                   Wettergeschehen in 5 bis 10 Tagen
                                                                                       noch weit weg befinden und lange ent-
                                                                                       wickeln können. Das Vorhersagegebiet
                                                                                       umfasst deswegen immer den ganzen
                                                                                       Globus.
1 Einführung                               sondern zum Beispiel, dass «der Folge-
                                           monat statistisch signifikant kälter als
Naturgefahren / Naturkatastrophen –        die Klimatologie (der Durchschnitt)         2 Wettervorhersage
mit Ausnahme der Erdbeben – stehen         sein wird».
praktisch immer im direkten Zusam-            Auf der anderen Seite der Zeitskala      Seit dem Beginn der wissenschaft-
menhang mit aussergewöhnlichen Wet-        steht das so genannte Nowcasting mit        lichen Wetterprognose zu Beginn des
ter- oder Klimasituationen. Sei es die     einer Vorhersagedauer von maximal           20. Jahrhunderts (BJERKNES 1904) gibt
Wetterlage selbst, die zum Ereignis        sechs Stunden. Im Gegensatz zu den          es eine fundamentale Zweiteilung für
wird (Stürme wie Lothar oder Kyrill),      Kurz- und Mittelfristprognosen, die         die Wettervorhersage:
sei es das Auftreten seltener klima-       sich im Wesentlichen auf die gross-         1. Analyse des gegenwärtigen Zu-
tischer Ereignisse (die Hitzewelle im      räumige synoptische Situation abstüt-          stands der Atmosphäre
Sommer 2003, siehe z. B. BADER 2004;       zen («Wie entwickeln sich Hoch- und         2. Vorhersage der Entwicklung
SCHÄR et al. 2004) oder sei es eines der   Tiefdruckgebiete?, wie bewegen sich
«nachgelagerten Elemente» (Wasser –        Fronten, wo entstehen neue?», usw.),        Die Analyse basiert auf Beobachtun-
Überschwemmungen; Feuer – Wald-            geht es beim Nowcasting vor allem           gen und Messungen – weltweit führen
brände; Erde – Rutschungen, Luft –         darum, die kurzzeitige Entwicklung          unzählige so genannte synoptische
Aufwirbelung von Sand in einem Sand-       bereits bestehender Wetter-Systeme          Stationen ein vorgeschriebenes Mess-
sturm, Schneeverfrachtung etc.), das in    vorauszusagen. Typische Fragen sind:        programm für die Meteorologie durch.
aussergewöhnlicher Weise reagiert und      «Wie wird sich eine Gewitterzelle in        Zu vorgegebenen Zeiten speisen sie
damit zum Naturereignis wird. Die          den nächsten Stunden entwickeln             ihre Information ins Global Telecom-
Warnung vor Naturgefahren ist damit        (Wachstum, Zugbahn)?» oder «Gibt es         munication System (GTS) – ein globa-
immer direkt mit der Wettervorhersa-       lokal starke Böen im Zusammenhang           les Datennetz, auf das alle nationalen
ge verknüpft.                              mit dem Eintreffen einer bestimmten         Wetterdienste zugreifen können. In
   Wetterprognosen unterscheiden sich      Störung?»                                   Abbildung 1 ist die Analyse der
grundsätzlich nach deren Zeithorizont:        Abhängig vom Zeithorizont der Vor-       MeteoSchweiz für den europäischen
Kurzfristprognose (1 bis 3 Tage) und       hersage betrachten die Meteorologen         Raum wiedergegeben, wobei jede der
Mittelfristprognose (4 bis 10 Tage).       unterschiedliche geographische Gebie-       kleinen Zahlengruppen die Meldung
Längere Vorhersagen wie die Monats-        te. Nowcasting beruht wie erwähnt im
prognose oder die saisonale Prognose       Wesentlichen auf der Beobachtung be-
gelten bereits als «klimatologische        stehender Wettersysteme. Damit liegt
Vorhersagen». Diese prognostizieren        das Gebiet des Nowcasting in der Nähe       1
                                                                                           Das gilt, streng genommen, natürlich
nicht, dass in 30 Tagen nachmittags in     des Gebiets des interessierenden                auch für die kürzeren Prognosezeiträume,
Zürich starke Schneefälle zu erwarten      Wettersystems und ist in der Regel              da die globalen Prozesse die lokalen be-
sind (dies ist theoretisch unmöglich),     eher kleinräumig. Kurzfristprognosen            stimmen.
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einer synoptischen Station darstellt.
Diese Zahlen enthalten neben meteo-
rologischen Stationsdaten auch ausge-
klügelte Parameter, die bestimmte
Tendenzen der Atmosphäre beschrei-
ben. Natürlich ist es eine gewaltige
Aufgabe, all diese Informationen
gleichzeitig zu verarbeiten. Deshalb
nehmen die Meteorologen seit einigen
Jahrzehnten vermehrt die numerische
Wetterprognose, also die Unterstüt-
zung durch Computer, zu Hilfe. Die
Computer gestützten Wettermodelle
überziehen die Erde (globale Modelle)
oder die interessierende Region mit
einem Modellgitter (Abb. 2) und lösen
auf jedem der Gitterpunkte fundamen-
tale physikalische Erhaltungsgleichun-
gen (Erhaltung der Energie, des Impul-
ses und der Masse).
  Damit sind Wetterprognosemodelle
zumindest theoretisch korrekt – aller-
dings ergeben sich durch die räumliche
Auflösung (Abstand der Gitterpunkte)                                                                       Abb. 1. Beispiel der synop-
und durch die Anfangsbedingungen                                                                           tischen Analyse der Me-
(die Analyse) erhebliche Unsicherhei-                                                                      teoSchweiz für den 9.
ten. Globale Wettermodelle haben                                                                           August 2007.
heute eine horizontale Auflösung von
ca. 25 km, während regionale Modelle
ca. 10 km Auflösung aufweisen2. Die
Schweizer Alpen jedoch sind komplex.                                                       Die Bahn brechenden Arbeiten von
Das (regionale) Modell der Meteo-                                                        LORENZ (1963) haben dann gezeigt,
Schweiz ist daher immer etwas höher                                                      dass kleinste Variationen in den
aufgelöst als der weltweite Durch-                                                       Anfangsbedingungen dazu führen kön-
schnitt – gegenwärtig sind es 7 km, ab                                                   nen, dass sich die Atmosphäre völlig
Januar 2008 werden es 2,2 km sein. Die                                                   unterschiedlich     entwickelt. Diese
numerische Wetterprognose allein                                                         «Sensitivität auf die Anfangsbedingun-
kann auch mit den besten Computern                                                       gen» ist eine zentrale Eigenschaft des
die Prognostiker nicht ersetzen. Aber                                                    so genannten deterministischen Chaos.
sie trägt dazu bei, die Arbeit der                                                       Eine Strategie in der numerischen
Prognostiker zu optimieren und ihre                                                      Wettervorhersage war es deshalb in
Erfahrung bestmöglich auszunutzen.                                                       der Folge, aus der Not eine Tugend zu
Das Stichwort «Man Machine Mix»                                                          machen: Neben dem konventionellen
beschreibt wohl am besten das gegen-                                                     Ziel, mit «möglichst genauen» An-
wärtig optimale Zusammenspiel der                                                        fangsbedingungen eine «möglichst ge-
                                         Abb. 2. Modelgitter eines globalen atmo-
verschiedenen Möglichkeiten in der                                                       naue» deterministische Vorhersage zu
                                         sphärischen Modells mit darin eingebette-
Wetterprognose.                          tem regionalen Modell (am Beispiel des          erreichen3, verfolgten die Meteorolo-
                                         COSMO Modells der MeteoSchweiz, das
                                         Europa abdeckt). Typischerweise hat ein         2
                                                                                             Für ein Gebiet von 10 × 10 km Ausdeh-
3 Die Atmosphäre –                       atmosphärisches Modell 40 bis 60 vertikale          nung kann ein solches Modell also eine
  ein chaotisches System                 Schichten, die die Troposphäre («Wetter-            Temperatur, eine Windgeschwindigkeit,
                                         schicht», ca. unterste 10 km der Atmosphä-          etc. voraussagen. Man kann sich vorstel-
                                         re) sowie den untersten Teil der darüber lie-
Wie bereits erwähnt, ist die Analyse                                                         len, dass dies eine drastische Limitierung
                                         genden Stratosphäre abdecken.
(Bestimmung des gegenwärtigen Zu-                                                            in der Präzision der Vorhersage darstellt
stands der Atmosphäre) eine wichtige                                                         – insbesondere wenn Oberflächennut-
Grundlage für die Wetterprognose. Bis    nen Zeitraum von ca. 14 Tagen vorher-               zung und Topographie stark variieren.
vor wenigen Jahrzehnten galt das Para-   sagbar. Danach machen die zahl-                 3
                                                                                             Dies wird selbstverständlich immer noch
digma: «Die Atmosphäre ist unter         reichen nicht-linearen Prozesse in der              gemacht – je nach Anwendung ist die
idealen Bedingungen (also bei optimal    Atmosphäre eine Vorhersage unmög-                   deterministische oder die probabilistische
bekanntem Anfangszustand) über ei-       lich».                                              Vorhersage besser.
Neue Entwicklungen in der Wettervorhersage: Potential und Anforderungen für Anwender
Forum für Wissen 2007                                                                                                                21

gen nun auch das Ziel, mehrere Vor-        ten Zeitpunkt und ein bestimmtes                lichkeitskarte» für den 72-Stunden-
hersagen mit leicht veränderten An-        Gebiet Niederschlag vorhersagen, be-            Niederschlag während des Unwetters
fangsbedingungen zu berechnen und          deutet dies, dass sich dieses Nieder-           vom August 2005 (MeteoSchweiz
deren Ergebnisse zu analysieren. In        schlagsereignis relativ zuverlässig vor-        2006). In einem Band entlang der
Abbildung 3 stellt jeder Pfeil eine ein-   hersagen lässt (das Vertrauen in die            Alpen zeigt die Karte eine grosse
zelne Vorhersage dar. Am Anfang            Prognose ist gross). Wenn umgekehrt             Wahrscheinlichkeit (60–90 %) für
(kurzfrist) liegen die Prognosen eher      ein einzelner oder nur wenige Läufe             Niederschlagssummen grösser als
nahe beisammen. Mit der Zeit begin-        ein solches Ereignis vorhersagen, ist           100 mm/72 h und immer noch be-
nen sie jedoch auseinanderzudriften.       die Vorhersagbarkeit gering (das Er-            trächtliche Wahrscheinlichkeiten für
Wichtig ist festzustellen, dass die Vor-   eignis aber trotzdem nicht unmöglich).          Niederschlagssummen grösser als
hersagen nach einer gewissen Zeit          Abbildung 4 zeigt eine «Wahrschein-             150 mm/72 h. Dies entspricht recht ge-
auch wieder grössere Übereinstim-
mung aufweisen können (nicht müs-
sen!). So kann zum Beispiel zwischen
den meisten Modellläufen Einigkeit
darüber herrschen, dass eine Störung
in ca. fünf Tagen eintreffen wird (rela-
tiv grosses Vertrauen in die Vorhersa-
ge). Der Übergang in diese Phase kann
dagegen ungewiss und mit vergleichs-
weise grossen Unsicherheiten behaftet
sein.
   Die Strategie, mehrere Vorhersagen
mit unterschiedlichen Anfangsbedin-
gungen zu rechnen, wird Ensemble
Vorhersage oder auch probabilistische
Vorhersage genannt. Das globale
System des Europäischen Zentrums
für Mittelfristprognose (ECMWF) be-        Abb. 3. Schematische Darstellung der prognostizierten Entwicklung des «Wetterzustandes»
                                           als Funktion der Zeit in einem Ensemble-Vorhersagesystem. Jeder Pfeil entspricht einer
rechnet täglich 50 Prognosen über 10
                                           einzelnen Prognose. Wenn alle Pfeile übereinander liegen, sagen alle Modell-Läufe eine
Tage (MOLTENI et al. 1996). Aufgrund       ähnliche Entwicklung voraus – die Prognose gilt als relativ zuverlässig. Je weiter die Linien
der enormen Computer-Ressourcen,           von einander abweichen, desto grösser sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Pro-
die für ein solches Unterfangen nötig      gnosen. Die Zuverlässigkeit nimmt ab.
sind, ist die Auflösung gegenüber der
entsprechenden deterministischen Pro-
gnose reduziert. Gegenwärtig wird das
«EPS» (Ensemble Prediction System)
des ECMWF um 00 und 12 UTC ge-
startet und für jeweils 10 Tage in die
Zukunft gerechnet.
   MeteoSchweiz beteiligt sich am Be-
trieb bzw. der Weiterentwicklung eines
regionalen Ensemble-Vorhersagesy-
stems, COSMO-LEPS (MARSIGLI et al.
2005; MOLTENI et al. 2001; WALSER und
ROTACH 2006), das mit 10 km horizon-
taler Auflösung ein ähnliches Modell-
gebiet abdeckt, wie in Abbildung 2
gezeigt. Als Randfelder benutzt es das
globale System des ECMWF. Dieses
System wird nur einmal täglich (00
UTC) für jeweils 5 Tage in die Zukunft
gerechnet.
   Mit Hilfe der Ensemble-Vorhersage-
technik lassen sich nicht nur bestimmte
Wetterentwicklungen prognostizieren,
sondern auch die Wahrscheinlichkeit        Abb. 4. Vorhersage der Niederschlags-Wahrscheinlichkeiten für das «August 2005 Ereignis»
ihres Eintreffens, bzw. die Zuverlässig-   mit dem COSMO-LEPS Modellsystem (MOLTENI et al. 2001; WALSER and ROTACH 2006).
keit der Prognose. Wenn die meisten        Vorhersage vom 19.8.2005 12 UTC für die 72 h-Periode 20.8.2005, 0600 – 23.8.2005 0600
der 50 Modellläufe für einen bestimm-      (aus MeteoSchweiz 2006).
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nau den Beobachtungen. Tatsächlich             Prognose auch noch eine Informa-           mm Niederschlag → Gefahrenstufe rot
fielen örtlich sogar über 250 mm/72 h          tion über die Zuverlässigkeit der In-      → Handlungsanweisung» zu kennen.
(MeteoSchweiz 2006).                           formation.                                 Die Interpretation der probabilisti-
   Wichtig ist zu beachten, dass eine      –   Mit Hilfe der Ensemble-Vorhersage          schen meteorologischen oder hydrolo-
Prognose mit geringer Prognose-                lassen sich schon einige Tage im Vor-      gischen Information erfordert hohe
Zuverlässigkeit keine schlechtere Pro-         aus potentiell gefährdete Gebiete          Prozesskenntnis, über die nur die Fach-
gnose darstellt, sondern ein schwieri-         ausmachen und entsprechende Vor-           leute der entsprechenden Dienste ver-
ger vorherzusagendes Ereignis zu               bereitungen treffen.                       fügen. Entscheidungsträger müssen
prognostizieren versucht. Vor dem tat-     –   Für die Lagebeurteilung im Kata-           also auf Fachleute zurückgreifen kön-
sächlichen Prognosezeitraum, d. h. vor         strophenfall ist es äusserst wichtig zu    nen, die sie in kritischen Situationen
dem Eintreten des Ereignisses, ist auch        wissen, wie genau sich die Situation       unterstützen. Aber – und das ist wich-
nicht bekannt, welche der 50 Progno-           vorhersagen lässt: ist es klar, dass ein   tig im Zusammenhang mit der weite-
sen nun tatsächlich «die Richtige» ist:        zeitlich und örtlich recht gut ein-        ren Entwicklung der entsprechenden
Alle Einzelprognosen sind gleich               grenzbares Ereignis bevorsteht?            Warnsysteme – auch die Entschei-
wahrscheinlich. Und schliesslich ist die       Oder müssen möglicherweise noch            dungsträger müssen lernen «die proba-
Prognostizierbarkeit nicht überall auf         andere Gebiete / längere Zeiträume         bilistische Sprache zu verstehen und zu
der Welt gleich einfach4.                      in Betracht gezogen werden?                sprechen».
   Ensemble-Vorhersagen sind wie           –   Eine Entscheidung kann auch – je              Im Rahmen des internationalen For-
oben erwähnt immer noch sehr auf-              nach Art und Ort der Gefährdung –          schungsprogramms MAP D-PHASE
wändig herzustellen, und damit ist die         von der prozentualen Überschrei-           ist die MeteoSchweiz massgeblich an
enorme Computerleistung nur von                tung eines Grenzwerts abhängig             der Entwicklung und dem Test von
grossen Zentren zu bewältigen. Die             gemacht werden. So mag die Regu-           Systemen beteiligt, die zum Ziel haben,
MeteoSchweiz benutzt die Produkte              lierung eines Seebeckens bereits           die Vielzahl an wissenschaftlichen und
des «Europäischen Zentrums für Mit-            sinnvoll sein, wenn die Wahrschein-        technischen Informationen in die Spra-
telfristprognose» (ECMWF) sowie die            lichkeit, dass der entsprechende           che der Anwender zu übersetzen. Dies
Prognosen mit dem höher aufgelösten            Grenzwert überschritten wird, 70 %         umfasst optimale Kombinationen von
COSMO-LEPS System für die eigenen              ist. Im Gegensatz dazu sollte die          Informationen und leicht verständliche
Prognosen. Insbesondere wird in Bälde          Evakuierung eines ganzen Stadtteils        Darstellungsformen (ROTACH and
ein Index für die Prognose-Zuverläs-           vielleicht erst bei 90 % Eintretens-       ARPAGAUS 2006). Das Kernstück des
sigkeit für die allgemeinen Prognosen          wahrscheinlichkeit angeordnet wer-         Projekts, das «Demonstration of
der MeteoSchweiz auf dem Internet              den.                                       Probabilistic Hydrological and Atmo-
verfügbar sein. Dieser basiert dann na-    –   Schliesslich kann die probabilistische     spheric Simulation of Flood Events in
türlich auf solchen Ensemble-Vorher-           Information aus der meteorolo-             the Alpine Region» heisst, ist eine
sagen.                                         gischen Vorhersage auch an die             Visualisierungsplattform, auf der eine
                                               nachgelagerten Systeme, z. B. die          Vielzahl von deterministischen und
                                               hydrologische Vorhersage, weiterge-        probabilistischen Vorhersagemodellen
4 Potential für Anwender                       geben werden. Erfahrungen mit pro-         zusammen mit neuesten Messinforma-
                                               babilistischen Abflussvorhersagen          tionen aus verschiedenen europäischen
Die Anwendung meteorologischer                 (z. B. VERBUNT et al. 2006; JAUN et al.    Messnetzen und weiteren Nowcasting-
Prognosen im Zusammenhang mit                  2006) sind äusserst viel verspre-          Instrumenten zusammengestellt sind.
Umweltrisiken ist in der Regel mit             chend. Dieses Vorgehen erlaubt, die        Während der DOP (D-PHASE Opera-
Entscheidungsprozessen verbunden.              kombinierte Unsicherheit der ver-          tions Period) vom Juni bis November
Dabei mag es auf den ersten Blick              schiedenen Systeme (Atmosphäre             2007 nutzen unzählige «Endbenutzer»
wenig sinnvoll erscheinen, eine Wahr-          und Hydrosphäre, in diesem Fall),          aus dem gesamten Alpenraum sowie
scheinlichkeitsangabe («mit 80 %               aber auch deren Interaktion in Be-         meteorologische und hydrologische
Wahrscheinlichkeit werden im Gebiet            tracht zu ziehen. Letztendlich betrifft    Prognostiker diese Plattform und ge-
XY mehr als 120 mm in 24 h fallen»)            die Wahrscheinlichkeitsaussage dann        ben ihr Feedback auf strukturierten
statt einer deterministischen Aussage          direkt die den Anwender interessie-        Formularen – eine Evaluation, die
(«in den nächsten 24 h werden im Ge-           rende Grösse («Der Abfluss an der          dann mit der objektiven Modellverifi-
biet XY 120 mm Niederschlag fallen»)           Messstelle XY wird mit 80 % Wahr-          kation verglichen werden kann. Auf
zu erhalten. Tatsächlich muss bei Um-          scheinlichkeit einen bestimmten
weltrisiken die letztendliche Entschei-        Schwellenwert überschreiten»).
dung immer eine eindeutige sein.
Trotzdem bringt die probabilistische       Für den Anwender bedeutet die pro-             4
                                                                                              Das banale Beispiel stellt hier die Pro-
Prognose wertvolle Zusatzinforma-          babilistische Information also einen               gnose «morgen wird es im Gebiet der
tion:                                      Gewinn – aber auch eine Herausforde-               Sahara heiss und trocken» dar, die mit
– Während die deterministische Pro-        rung. Die Ausbildung der Entschei-                 sehr grosser Zuverlässigkeit gemacht
   gnose «nur» die Vorhersage selbst       dungsträger ist von grosser Bedeutung,             werden kann – aber gerade deshalb von
   liefert, erhält man bei der Ensemble-   da es nicht reicht, die Zuordnung «XX              geringem Wert ist.
Forum für Wissen 2007                                                                                                                  23

diese Art soll einerseits die objektive     LORENZ, E.N., 1963: Deterministic Non-            ROTACH, M.W.; BOUTTIER, F.; BUZZI, A.;
Qualität der Modellvorhersagen über-          periodic Flow. J. Atmos. Sci. 20, 2: 130–141.     DORNINGER, M.; FRUSTACI, G.; MYLNE,
prüft werden, andererseits Erkenntnis       MARSIGLI, C.; BOCCANERA, F.; MONTANI, A.;           K.; RANZI, R.; RICHARD, E.; SCHÄR, C.;
darüber gewonnen werden, inwieweit            PACCAGNELLA, T., 2005: The COSMO-                 STAUDINGER, M.; VOLKERT, H.; WULF-
die objektive Modellqualität allein die       LEPS mesoscale ensemble system:                   MEYER, V., 2005: MAP D-PHASE: A
Nützlichkeit in der Anwendung be-             Validation of the methodology and verifi-         Forecast Demonstration Project in the
stimmt. Die Weltorganisation für              cation. Nonlinear Process. Geophys. 12:           framework of MAP, Proposal to Scientific
Meteorologie WMO (World Meteoro-              527–536.                                          Steering Committee of World Weather
logical Organisation) unterstützt das       MeteoSchweiz, 2006: Starkniederschlagser-           Research Programme (WWRP-SSC) of
Projekt als Forecast and Demonstration        eignis August 2005, Arbeitsberichte der           WMO.
Project (ROTACH et al. 2005). Erste           MeteoSchweiz. 211: 63. Erhältlich auf           SCHAER, C.; VIDALE, P.; LUETHI, D.; FREI, C.;
konkrete Resultate der Auswertungen           www.meteoschweiz.ch (> Forschung >                HAEBERLI, C.; LINIGER, M.; APPENZEL-
sind im Verlauf von 2008 zu erwarten.         Publikationen).                                   LER, C., 2004: The role of increasing
                                            MOLTENI, F.; BUIZZA, R.; PALMER, T.N.;              temperature variability for European
                                              PETROLOAGIS, T., 1996: The ECMWF en-              summer heat waves. Nature 427: 332–336.
5 Literatur                                   semble prediction system: Methodology           VERBUNT, M.; WALSER, A.; ZAPPA, M.;
                                              and validation, Q. J. R. Meteorol. Soc.           AHRENS, B.; GURTZ, J.; SCHÄR, J., 2006:
BADER, S., 2004: Die extreme Sommerhitze      122: 73–119.                                      Ensemble Flood Forecasting in Switzer-
  im aussergewöhnlichen Witterungsjahr      MOLTENI, F.; BUIZZA, R.; MARSIGLI, C.;              land: Selected case studies of extreme
  2003, Arbeitsberichte der MeteoSchweiz,     MONTANI, A.; NEROZZI, F.; PACAGNELLA,             events, Proceedings CHR Workshop
  209: 25 S.                                  T., 2001: A strategy for high-resolution          “Ensemble Prediction and uncertainties
BJERKNES, V., 1904: Das Problem der Wet-      ensemble prediction. Part I: Definition of        in flood forecasting”, Bern, March 30/31
  tervorhersage, betrachtet von Stand-        representative members and global-                2006. 61–64.
  punkte der Mechanik und der Physik.         model experiments, Q. J. R. Meteorol.           WALSER, A.; ROTACH, M.W., 2006: The
  Meteorol. Z. 21: 1–7.                       Soc. 127: 345–371.                                Benefit of a Limited-Area Ensemble
JAUN, S.; WALSER, A.; ZAPPA, M.; AHRENS,    ROTACH, M.W.; ARPAGAUS, M., 2006:                   Prediction System with Respect to flood
  B.; GURTZ, J.; SCHÄR, C., 2006: On          Demonstration of Probabilistic Hydro-             forecasting, Proceedings CHR Workshop
  Evaluation Strategies for a coupled         logical and Atmospheric Simulation of             “Ensemble Prediction and uncertainties
  atmospheric-hydrologic ensemble pre-        flood Events in the Alpine region (D-             in flood forecasting”, Bern, March 30/31
  diction system, Procedings 1st D-PHASE      PHASE), Proceedings Second THOR-                  2006. 31–36.
  Scientific Meeting, 6–8 November 2006,      PEX International Scientific Symposium,
  Vienna. S. 94.                              4–8 December 2006 Landshut (D). 54–55.

Abstract
New developments in weather forecasting: potential and requirements for users
In this contribution recent methods and approaches in weather prediction are
presented and discussed. A particular focus is given to upgrading of products from
Numerical Weather Prediction by the forecasters. For some years the uncertainty,
which is intrinsically inherent in any forecast for a natural system, is being
quantified using so-called Ensemble Predictions. These yield besides the usual
forecast (“Tomorrow, weather element X will assume the value Y”) additional
information concerning the reliability of this prediction (“This value can be
expected with a probability of Z percent”). This new approach not only requires
adaptations in the forecast methodology on the side of the forecasters themselves.
End users as well will have to get familiar with the methodology and its potential,
and they will have to find strategies on how to include this additional information
in the context of their practical work.
Keywords: weather prediction, ensemble prediction, reliability of forecast, natural
hazards, deterministic chaos
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