Mit virtuellen Räumen real Mehrwert schaffen - hegias

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Mit virtuellen Räumen real Mehrwert schaffen - hegias
Digitalisierung

Mit virtuellen Räumen
real Mehrwert schaffen
Mit neuen Anwendungen und Weiterentwicklungen von Hard- und Software steht Virtual Reality in
der Baubranche vor dem Durchbruch. Von der möglichen Breitenwirkung der Technik erfasst wird der
gesamte Lebenszyklus von Gebäuden. Ein Schweizer Unternehmen gehört mit seiner Lösung auch
international zu den Trendsettern.
Von Stefan Schmid

D        as zweistöckige Apartment mit
         bester Aussicht auf den Vierwald-
         stättersee ist bereits eingerichtet.
Für die Begehung des virtuellen Raums
kommt der Controller in der rechten Hand
                                                in der Wohnung. Verblüfft bewegt man
                                                sich in der fotorealistisch anmutenden Re-
                                                alität des virtuellen Raums, der sich mit
                                                der Oculus-Brille in alle Richtungen und
                                                von jedem Standort betrachten lässt. Die
                                                                                             Akzente setzen. Die Auswahl dazu bietet
                                                                                             die Bibliothek eines virtuellen Tablets, das
                                                                                             mit dem Controller in der linken Hand
                                                                                             im Blickfeld verschoben werden kann. Um
                                                                                             im Menu der Bibliothek blättern zu kön-
zum Einsatz. Per Knopfdruck teleportiert        Inneneinrichtung wäre vor dem Einzug         nen, erzeugt der Controller in der rechten
sich der Besucher an jede beliebige Stelle      aber noch anzupassen, Shabby Chic müsste     Hand einen imaginären Lichtstrahl, mit

16  baublatt
Mit virtuellen Räumen real Mehrwert schaffen - hegias
BRANCHE

                                                                                                                     Obwohl es sich um virtuelle Wohnräume
                                                                                                                     handelt, erhalten erste Ideen für das
                                                                                                                     Erscheinungsbild von Wänden, Böden
                                                                                                                     und Möblierung mit einem Blick durch die
                                                                                                                     VR-Brille konkretere Gestalt.

                                                                                                                     und was sie kosten könnten. «Man muss
                                                                                                                     sich nichts mehr vorstellen, denn alle se-
                                                                                                                     hen das Gleiche», sagt Marty.

                                                                                                                     VR-Technik erhält Schub
                                                                                                                     Noch Anfang des letzten Jahrzehnts war
                                                                                                                     viel von VR die Rede, gleichwohl liessen
                                                                                                                     dann für Branchen nutzbare Anwendun-
                                                                                                                     gen auf sich warten. Es fehlte an Inhalten,
                                                                                                                     obwohl Hard- und Software auf dem Markt
                                                                                                                     erhältlich waren, erzählt Marty. Als nach-
                                                                                                                     teilig erwiesen hätten sich Unklarheiten
                                                                                                                     über die Vorteile der VR-Technik, etwa im
                                                                                                                     Vergleich zu 3D-Anwendungen. VR sei ein
                                                                                                                     Feld für Spezialisten gewesen. Und Marty
                                                                                                                     verweist in einer Analogie auf die Entwick-
                                                                                                                     lung des Internets, das anfangs noch sehr
                                                                                                                     statisch war. Für Veröffentlichungen oder
                                                                                                                     Veränderungen von Inhalten musste man
                                                                                                                     praktisch Programmiererfahrung haben.
                                                                                                                     Erst Content Management Systeme (CMS)
                                                                                                                     vereinfachten die Publikation von Inhal-
                                                                                                                     ten. Von Anfang an stand daher für die
                                                                                           Bild: Marty Architektur

                                                                                                                     Entwickler der Hegias AG die Idee im
                                                                                                                     Vordergrund, ein CMS für die VR zu kon-
                                                                                                                     zipieren. «Wir sind überzeugt, dass VR zu

dem die Kacheln angewählt werden kön-
nen. In ein paar Minuten findet man sich
mit Tablet und Controllern zurecht.

Objekt für subjektive Vorstellungen
«Wir haben die Handhabung bewusst ein-
fach gehalten, sodass auch Laien die Tech-
nik rasch anwenden können», sagt Patrik
Marty, Mitgründer und CEO der Hegias AG.
Das Unternehmen bietet Anwendungen auf
dem Feld der Virtual Reality (VR) an. Allzu
oft sind die Vorstellungen von Bauherr-
schaften und Architekten nicht deckungs-
gleich. Die Vermittlung von Ideen, die
erst auf Plänen existieren, kann mitunter
schwierig sein. Fehlentscheide wegen
Missverständnissen können Baukosten in
die Höhe treiben. Die auf echten Plänen
basierende Lösung des Jungunternehmens
ist die gemeinsame visuelle Plattform, auf
der sich die beteiligten Parteien austau-
                                                                                                                                                                 Bild: zvg

schen können. Bauherrschaft, Architekt
und Innendekorateurin diskutieren dann        Das virtuelle Tablet bietet eine Musterauswahl an Parkett- und Riemenböden und vielen weiteren
etwa gemeinsam über Änderungswünsche          Materialien, deren Wirkung im Raum simuliert werden kann.

                                                                                                                                                      baublatt  17  
Mit virtuellen Räumen real Mehrwert schaffen - hegias
BRANCHE

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Bilder: zvg

                                                                                                                  meint Marty. Und mit der möglichen Brei-
                                                                                                                  tenwirkung verbindet er auch den An-
                                                                                                                  spruch einer Demokratisierung von VR-
                                                                                                                  Anwendungen. Jeder Anwender sollte mit
                                                                                                                  wenig Aufwand und zu vergleichsweise
                                                                                                                  geringen Kosten Inhalte in die VR hoch-
                                                                                                                  laden und bearbeiten können.

                                                                                                                  Ein CMS für Virtual Reality
                                                                                                                  Erreicht werden soll der niederschwellige
                                                                                                                  Zugang zur VR-Welt durch einen hohen
                                                                                                                  Automatisierungsgrad, sodass Daten rasch
                                                                                                                  für Begehungen virtueller Räume zur Ver-
                                                                                                                  fügung stehen. Das Produktdesign ist zu-
                                                                                                                  dem auf eine Weise ausgelegt, dass drei-
                                                                                                                  dimensionale Pläne und IFC-Formate im
                                                                                                                  Kontext von BIM unkompliziert mittels
                                                                                                                  Browser in die Cloud transferiert werden
                                                                                                                  können, wo die Daten jeweils auf dem
                                                                                                                  aktuellen Stand sind. Über einen Link ver-
                                                                                                                  schafft man sich Zugang.
                                                                                                                     Dank der Cloud-Lösung braucht es lokal
              Virtual Reality ermöglicht auch einen Blick auf die Leitungssysteme, was bei baulichen Eingriffen   nur minimale Rechnerleistung. Die Instal-
              im Bestand vorteilhaft ist.                                                                         lation einer Software ist nicht erforder-
                                                                                                                  lich. Auch können mehrere Nutzer eine Be-
                                                                                                                  sprechungsgruppe bilden. Das Hin und Her
                                                                                                                  mit dem Austausch von Dokumenten könn-
                                                                                                                  te so bald der Vergangenheit angehören.
                                                                                                                     Zentrales Element der Hegias-Lösung
                                                                                                                  bildet schliesslich die Editierbarkeit. Da-
                                                                                                                  mit wird die Möglichkeit umschrieben,
                                                                                                                  über verschiedene Funktionen virtuelle
                                                                                                                  Räume in unendlich vielen Varianten ver-
                                                                                                                  ändern zu können. Die Navigation über
                                                                                                                  Kacheln auf dem virtuellen Tablet ist laut
                                                                                                                  Marty bewusst eine Anlehnung an das Nut-
                                                                                                                  zerverhalten in der realen Welt, an das
                                                                                                                  sich viele Nutzerinnen und Nutzer ge-
                                                                                                                  wöhnt haben. «Was sich bewährt, nutzen
                                                                                                                  wir und kombinieren es mit den Vorteilen
                                                                                                                  von VR», lautet das Credo des Unterneh-
                                                                                                                  mens beim VR-Design.

                                                                                                                  Offene Lösung hat Priorität
                                                                                                                  Die Hegias-Umgebung ist als offene und
                                                                                                                  herstellerunabhängige Lösung konzipiert,
                                                                                                                  in die neue Schnittstellen eingefügt wer-
                                                                                                                  den können. «Wenn etwas komplementär
                VR, AR und MR: Die Unterschiede                                                                   ist zur Hegias-Lösung, bauen wir das auch
                Virtual Reality (VR) ist eine Technik, mit der ein komplett künstlicher Raum berech-              ein», betont Marty. Die Lösungen der Kon-
                net werden kann, den es physisch noch nicht gibt, aber in dem man sich unab-                      kurrenz basierten dagegen oft auf Game
                hängig von Ort und Zeit bewegen kann. Die Begriffe Augmented (AR) oder Mixed                      Engines, die für VR-Anwendungen gekauft
                Reality (MR) umschreiben etwas Ähnliches, der virtuelle Raum enthält aber auch                    und installiert werden müssen. Im Gegen-
                Elemente aus der echten Realität wie die Abbildung eines echten Raums, in den vir-                satz zu Hegias mit lediglich je zwei akti-
                tuell eine Küche platziert wird. AR- und MR-Anwendungen basieren auf der realen                   ven Bedienknöpfen bei den Controllern,
                Umgebung. Während die VR-Technik vor allem bei Neubauten Verwendung findet,                       seien bei diesen Lösungen alle Buttons der
                werden AR- und MR-Anwendungen zukünftig bei Bestandsbauten oder im Facility                       Controller mit Funktionen ausgestattet,
                Management eingesetzt.                                                         (sts)             was die Handhabung ohne Gamer-Erfah-
                                                                                                                  rung gewöhnungsbedürftig mache.

              18  baublatt
Mit virtuellen Räumen real Mehrwert schaffen - hegias
BRANCHE

VR-Anwendungen ermöglichen es Betrach-

                                                                                                                                                  Bild: zvg
tern, in virtuellen Innen- und Aussenräu-
men rumzulaufen. Teleportation ist eine
zusätzliche Funktion, mit der Treppen oder
lange Strecken auf grossen Arealen über-
wunden werden können. Für Diskussio-
nen im Zusammenhang mit Bauprojekten
und die Entwicklung eines Raumgefühls
hält Marty den Ansatz für zweckmässig.

Einsicht dank Blick in VR-Brille
Seit der Gründung 2017 haben sich viele
neue Anwendungsfelder ergeben. Marty
hat aber beobachtet, dass beispielsweise
Musterbauten immer noch auf traditionelle
Weise physisch erstellt werden. Bei einen
Museumsbau konnten sich beispielsweise
Bauherrschaft und Architekt während an-
derthalb Jahren nicht über die Deckenhöhe     Über die VR-Lösung von Hegias können auch ganze Areale in der Entwicklung mit unterschiedlichen
des zentralen Ausstellungsraums einigen,      Skalierungen begangen werden. Damit können klassische Architekturmodelle ersetzt werden.
sodass schliesslich für 300 000 Franken ein
Musterbau im Massstab 1 : 1 in Erwägung
gezogen wurde. Die Spezialisten der He-       bewerben, schätzt Marty. Ein virtuelles 3D-      Die VR-Entwicklung steht damals in der
gias AG bereiteten die Daten innerhalb        Gipsmodell von der aktuellen Situation           Schweiz erst am Anfang, weshalb die He-
eines Tages für die VR-Anwendung auf –        könnte als Grundlage dienen für virtuelles       gias AG Pionierarbeit leisten muss. Der Test
samt virtuellen Bildern an der Wand. Kos-     Prototyping. Die Eingaben im VR-Format           einer VR-Brille ist für beide gleichsam ein
ten: einige hundert Franken. Mehrere Va-      stünden Jurys rasch zur Verfügung, was           Blick auf ein neues Betätigungsfeld. Ein
rianten der Kubatur standen zur Auswahl,      auch den logistischen Aufwand senken             erstes VR-Projekt im Baubereich entwickelt
was bei einem realen Musterbau wohl           könnte. Doch auch bei kleineren Eingrif-         die Agentur für das Architekturbüro von
nicht möglich gewesen wäre. Die defini-       fen in Bauten könnte VR bei Abklärungen          Martys Bruder. Über ein weiteres VR-Pro-
tive Raumhöhe war in einer halben Stunde      im Vorfeld helfen, die Nerven von Bauherr-       jekt im Zusammenhang mit der Eröffnung
gefunden.                                     schaften zu schonen. Das kann bei der            des Gotthard-Basistunnels erfährt Andreas
   Anwendungen für die Hegias-Lösung          Positionierung eines Steamers sein oder          Schmeil von den Aktivitäten des Duos.
sind praktisch über den gesamten Lebens-      bei der Ausstattung von Nasszellen. Auch         Als sich herausstellt, dass er langjährige
zyklus von Gebäuden denkbar, sowohl bei       Architekten sehen VR mittlerweile weni-          Forschungserfahrung im VR-Bereich vor-
Neu- als auch bei Bestandsbauten (siehe       ger als Bedrohung denn als Chance. In vir-       weisen konnte, geriet das Verkaufsgespräch
Seite 21 «Nachgefragt»). Potenzial sieht      tuellen Räumen liesse sich über Varianten        für den neu entwickelten Browser-basier-
Marty auch bei der Entwicklung von Are-       diskutieren, an die vorher noch niemand          ten 3D-Editor zur Nebensache. Die Grün-
alen. Und er nennt ein weiteres Beispiel      gedacht hat. Es entstehe Raum für eine           dung des Startups zu dritt ist danach rasch
einer praktischen Anwendung. Auf einer        vielfältigere Architektur, wie Marty einen       vollzogen.
Industriebrache war unter anderem der         Kunden zitiert.                                     Während sich Marty bei der Hegias AG
Umbau einer denkmalgeschützten Fabrik-                                                         um finanzielle und administrative Belange
halle vorgesehen, in der Schiffscontainer     Dritte Finanzierungsrunde läuft                  sowie ums Marketing kümmert, sind die
als Hotelzimmer aufeinandergestapelt wer-     «Wir haben darauf geachtet, dass für un-         Gründerkollegen vor allem in der Entwick-
den sollten. Nach eingehender Begutach-       sere Zielgruppen ein realer Mehrwert ent-        lung und im Support tätig. Ein Grossteil
tung des Projekts mittels VR-Brille liess     steht», beschreibt Marty den praktischen         der rund 30 Mitarbeiter ist in der Entwick-
sich die zuständige Denkmalpflege davon       Fokus bei der Entwicklung der Lösung. Da-        lungsabteilung in Lugano beschäftigt. Soft-
überzeugen, dass der historische Charak-      bei pocht Betriebswirt Marty auf Praxis-         ware-Entwicklungen im VR-Umfeld er-
ter des Industriebaus auch nach dem Um-       tauglichkeit und Bedienerfreundlichkeit          fordern hohe Investitionen. In der dritten
bau lesbar bleibt und daher behörden-         der Lösungen. Im Austausch mit Kunden            Finanzierungsrunde, die kurz vor dem
seitig keine Einwände bestanden.              erfasst er Bedürfnisse, die bei der Entwick-     Abschluss steht, konnte die Hegias AG
                                              lung als Basis für konzeptionelle Anforde-       1,8 Millionen einsammeln.
Wettbewerbe mit VR-Technik                    rungen dienen. Als Kunde der Agentur von
Auch Schattenwürfe bei Hochhäusern            Tuan Nguyen hat Marty den späteren Mit-          In Standalone-VR-Brillen integriert
können mittels VR simuliert werden mit        gründer kennengelernt. Sie erkennen ge-          Von den Einschränkungen, die Corona mit
Berechnung der Sonneneinstrahlung im          meinsame Interessen und entwickeln bald          sich bringt, ist auch das Startup betroffen.
Tages- und Jahresverlauf, was Diskussio-      zusammen für unterschiedlichste Bran-            Letztes Jahr war vorgesehen, das Produkt
nen eine gemeinsame visuelle Basis gibt.      chen und Unternehmen Multimedia-Pro-             auf Fach- und Publikumsmessen einem
Künftig vermehrt eine wichtige Rolle spie-    jekte und trendige Gewinnspiele. VR wäre         breiten Publikum zu präsentieren. Den-
len dürfte die VR-Technik auch bei Wett-      eine mögliche Ergänzung des Angebots.            noch sollen das Momentum des Corona-

                                                                                                                                 baublatt  19  
Mit virtuellen Räumen real Mehrwert schaffen - hegias
BRANCHE

                                                                                                                     soll aber auch lokal tätigen Kleinunterneh-
                                                                                                                     men wie Schreinern oder Küchenbauern
                                                                                                                     eine Plattform bieten. Ein langfristiges
                                                                                                                     Projekt ist die Erhöhung des Automati-
                                                                                                                     sierungsgrads, indem zweidimensionale
                                                                                                                     Pläne für Anwendungen bei Bestandsbau-
                                          Bei VR-Brillen der neusten Generation                                      ten in 3D-Formate umgewandelt werden.
                                        ist die Rechnerleistung bereits integriert,                                  Was momentan noch als Service angebo-
                                     sodass Inhalte ohne externen PC direkt aus der                                  ten wird, soll mittels Machine Learning
                                            Cloud gestreamt werden können.
                                                                                                                     automatisiert werden. Auch sollen Avatare
                                                                                                                     mittels Machine Learning und Artificial
                                                                                                                     Intelligence (AI) fit gemacht werden für
              bedingten Digitalisierungsschubs sowie die         sche Veränderungen an Gewerken im                   den Einsatz in virtuellen Räumen.
              finanziellen Mittel für Weiterentwicklun-          Rahmen von BIM können als BCF-Daten                    Zudem ist geplant, die Zusammenarbeit
              gen genutzt werden. Zu den anstehenden             gespeichert und in der Fachplanung mit              mit Nomoko zu intensivieren. Das Schwei-
              Projekten gehört die Intensivierung der            CAD abgearbeitet werden. Ein weiteres               zer Startup schafft mit sogenannten «Di-
              Kundenbetreuung über App für sogenann-             Projekt sind Plugins für die CAD-Software,          gital Twins» detailgetreue Abbilder der
              te Standalone-VR-Brillen inklusive einer           welche die Arbeit mit der Hegias-Software           physischen Welt samt Immobiliendaten zu
              Streaminglösung.                                   weiter vereinfachen soll.                           Standort, Preisen oder bau- und zonen-
                 Weil bei der aktuellsten Entwicklung der                                                            rechtlichen Aspekten und 3D-Modellen für
              VR-Brille mit der «Oculus Quest 2» die             Hersteller einbeziehen                              Visualisierungen und Analysen.
              Rechenpower bereits integriert ist, können         Ein Ausbau der Bibliothek ist ebenfalls vor-
              Inhalte und zusätzliche Rechenleistung             gesehen. Diese könnten Hersteller künftig           Standard etablieren
              direkt aus der Cloud gestreamt werden, so-         nutzen, um eigene Objekte und Materia-              Aufgrund der anwenderfreundlichen Aus-
              dass es keinen externen PC mehr braucht.           lien hochzuladen und für die Umgestal-              richtung mit Automatisierung, Cloud-Spei-
              Im Fokus steht auch der Ausbau des Issue           tung virtueller Räume zur Verfügung zu              cherung und Editierbarkeit unterstellt
              Managements, über das Informationen hin-           stellen. Der namhafte Hersteller Villeroy &         Marty der Hegias-Lösung weltweit eine
              terlegt und in die Autorensoftware zurück-         Bloch hat vor kurzem Interesse an einer             gewisse Einzigartigkeit. VR habe das Po-
              transferiert werden können. Architektoni-          solchen Lösung bekundet. Die Bibliothek             tenzial, sich in der Immobilienbranche als
Bilder: zvg

              Mit dem Blick durch die VR-Brille in berechnete Räume lassen sich vorab die Wohnbedürfnisse von potenziellen Mietern oder Käufern visualisieren, was zu
              einer grösseren Vielfalt architektonischer Gestaltungen beitragen könnte.

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Mit virtuellen Räumen real Mehrwert schaffen - hegias
BRANCHE

Standard zu entwickeln. Beim Einsatz der      passungen bei den Bibliotheksinhalten            sich Mitgründer Nguyen vom Pult nebenan
VR-Technik könnte sich allmählich ein         kann die Basissoftware für eine Fülle wei-       für die Begehung zugeschaltet. Der Zutritt
Standard entwickeln, den das Startup mit-     terer Anwendungen eingesetzt werden,             in die Wohnung wäre aber praktisch von
prägen will. «Als Bauherr will ich mich       vom Blick in die Organe des Körpers oder         überall auf der Welt möglich. Das Gestal-
von Anfang an im Objekt bewegen können.       in Verbrennungsmotoren bis hin zum De-           tungsspiel mit Komplementärfarben an
Ich würde das als Bauherr nie mehr akzep-     sign von Konsumgütern.                           Wänden oder der Wahl des Parketts kann
tieren, wenn ich diese Möglichkeit nicht                                                       von vorne beginnen. Heller kanadischer
hätte. Irgendwann wird niemand mehr           Avatar bittet zur Besichtigung                   Ahorn wäre passend im Wohnzimmer.
bauen, ohne vorher das Objekt virtuell be-    In der virtuellen Wohnung über dem Vier-         Oder doch nicht? Getreu dem Hegias-Motto
gutachtet zu haben», ist Marty überzeugt.     waldstättersee, die mit einigen Klicks leer-     «Building Imagination» braucht sich der
   Die Kräfte konzentriert die Hegias AG      geräumt wurde, steht nun ein Avatar. Am          Besucher nichts mehr vorstellen. Dafür
auf Anwendungen im Baubereich und in          Hauptsitz des Unternehmens, einem win-           aber bleibt die Qual der Wahl – auch in
der Immobilienwirtschaft. Doch mit An-        zigen Büro im Zentrum von Zürich, hat            der berechneten Realität. ■

  Nachgefragt                                                                                                   … bei Patrik Marty

  Wo kommen die Produkte der Hegias                                                            welche VR-Brille jemand verwendet. Wir
  AG zum Einsatz?                                                                              sind offen gegenüber allen marktgängi-
  Mittlerweile decken die Anwendungen                                                          gen Soft- und Hardware-Lösungen.
  den gesamten Lebenszyklus von Ge-
  bäuden ab. Das beginnt bei einem virtu-                                                      Welches sind die Trends bei VR?
  ellen Gipsmodell für Arealentwicklun-                                                        Corona hat den grundsätzlichen Trend
  gen über die Entwurfsplanung bis hin                                                         zur Digitalisierung beschleunigt. Das
  zu Fachplänen. Möglich sind auch BIM-                                                        gilt auch für die Baubranche, die dies-
  Kollaborationsmeetings mit gemeinsa-                                                         bezüglich bisher eher zurückhaltend
  mer Begehungen mehrerer Personen. Bei                                                        war. Dann gibt es den Trend zu digita-
  der Inneneinrichtung geht es um die                                                          len Twins. Dabei handelt es sich um ein
  Auswahl von Materialien oder die Pla-       Patrik Marty ist Mitründer der Hegias AG sowie   virtuelles Gebäude, das aktiv Informati-
  nung von Küchen und Bädern. Beim            deren CEO und Chief Marketing Officer.           onen vermittelt und sozusagen mit Nut-
  Verkauf oder der Vermietung können                                                           zern redet und so auch während jeder
  Interessierte einen ersten Eindruck vom                                                      Lebensphase einer Immobilie virtuell
  echten Raum erhalten oder dann in           Seite der Bauherrschaften bestehen oft           begangen werden können. Ein wichtiger
  der virtuellen Wohnung Umbauten und         Schwierigkeiten, sich auf Basis von              Trend ist die Kollaboration, bei der man
  Renovationen planen.                        zweidimensionalen Plänen die räumli-             von dezentralen Standorten aus Bau-
                                              chen Dimensionen eines Objektes vor-             projekte begehen und Details bespre-
  Wer sind Ihre Kunden?                       stellen zu können. Denn grundsätzlich            chen kann. Es lässt sich viel Zeit und
  Ziel ist es, dass unsere Kunden die Lö-     gibt es zwei Möglichkeiten, bei einem            Geld sparen, denn heute erfordern Bau-
  sung über den gesamten Lebenszyklus         Bauprojekt räumliche Eindrücke zu ver-           projekte noch viele Sitzungen und Be-
  von Gebäuden nutzen können. Die Im-         mitteln. Entweder man erstellt aufwen-           sprechungen vor Ort. Es braucht aus un-
  plenia AG zum Beispiel hat sie beim Pro-    dig einen teuren Musterbau. Oder man             serer Sicht keine Musterbauten mehr,
  jekt «Lokstadt» in Winterthur von der       macht es virtuell. Virtual Reality ist da-       was Baumaterial spart. Die Lösung bie-
  Arealentwicklung über die Ausführung        her schneller und günstiger, aber auch           tet bei Gestaltung und Bauausführung
  und teilweise bis hin zur Vermarktung       nachhaltiger, weil es weniger Ressour-           die Möglichkeit, Fehler früh zu erken-
  eingesetzt. Zu unseren Kunden gehören       cen braucht.                                     nen und auszumerzen. Denn laut Schät-
  grosse Bauinvestoren und private Bau-                                                        zungen sind in der Schweiz rund zehn
  herrschaften sowie General- und Total-      Mit welcher Hard- und Software                   Prozent der Baukosten auf Planungsfeh-
  unternehmen, aber auch Architekten, In-     arbeitet die Hegias AG?                          ler zurückzuführen. Zwar können mit
  genieure und Immobilienmakler.              Wir wollen Virtual Reality demokratisie-         Kollisionschecks im Rahmen von BIM
                                              ren, denn Technik und Kommunikati-               Bauten frühzeitig optimiert werden,
  Was sind für Anwender die Vorteile?         onskanäle sollen für alle zugänglich sein,       doch mit Begehungen in virtuellen Räu-
  Der grosse Vorteil ist, dass sich niemand   unabhängig von der verwendeten Soft-             men wird man auf mögliche Baufehler
  mehr etwas vorstellen muss, denn jeder      und Hardware. Es spielt keine Rolle, mit         und Missverständnisse aufmerksam, die
  sieht das Gleiche. Dadurch entstehen        welcher CAD-Software jemand arbeitet             der automatisierte Kollisionscheck nicht
  weniger Missverständnisse. Gerade auf       und mit welchem 3D-Programm oder                 erkennt.(sts)

                                                                                                                             baublatt  21  
Mit virtuellen Räumen real Mehrwert schaffen - hegias Mit virtuellen Räumen real Mehrwert schaffen - hegias
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