Neue Schutzziele und alte Bauwerke - der Hochwasserschutz in Bremen und Bremerhaven
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WASSER Anne Scholz, Christian Pabst und Heiko Spekker Neue Schutzziele und alte Bauwerke – der Hochwasserschutz in Bremen und Bremerhaven In Bremen und Niedersachsen werden die Landesschutzdeiche, Kajen und Hafenanlagen für kommende Hochwasserereignisse erhöht und verstärkt. Da die Deichanlagen nicht nur der Nutzung durch den Hochwasserschutz, sondern auch einer Vielzahl anderer Anforderungen unterliegen, ergeben sich hier immer wieder neue technische Fragestellungen, die anhand von Bauvorhaben erläutert werden. 1. Einleitung deiche angewiesen. Diese mussten in den Eine Vielzahl dieser Bauwerke wie auch letzten Jahrzehnten auf Grund einschlä- viele Kajeneinfassungen weisen bereits Im Land Bremen liegen rund 89 % der Lan- giger Erfahrungen mit aufgetretenen heute eine lange Nutzungsdauer auf. Ob desfläche, das entspricht rund 360 km², Sturmf luten, insbesondere denen der eine dauerhafte Erhöhung dieser Anlagen so niedrig, dass die Flächen ohne Hoch- Jahre 1962 und 1976, wiederholt erhöht überhaupt möglich ist, muss im Einzelfall wasserschutzbauwerke bei Sturmfluten und verstärkt werden. untersucht werden. Dabei ist neben der ge- überflutet würden. Bremen und Bremer- Seit 1973 wird die Landesschutzdeich- nerellen Überprüfung der Ertüchtigungs- haven sind daher auf die Landesschutz- linie auf Basis einer die Bundesländer fähigkeit auch immer eine auf Bauwerks- übergreifenden Grundlage, dem „Gene- untersuchungen basierende Prognose zur ralplan Küstenschutz Niedersachsen/ Restnutzungsdauer abzugeben, sowie be- Bremen“ (GPK), den jeweils aktuellen Er- reits in der Vorplanung eine Kostenver- kenntnissen angepasst [1]. Eine aktuelle gleichsrechnung durchzuführen (s. u.). Fassung wurde 2007 vorgelegt, die 2008 Weitere Aspekte in diesem Zusammen- auf Grund neuester wissenschaftlicher hang sind durch Strukturwandel geänder- Erkenntnisse (IPCC-Report) nochmals te Nutzungsansprüche an die Bauwerke. angepasst wurde [2]. Nicht alle Bauwerke müssen oder können Die Bestickhöhen, d. h. die Schutzhö- ertüchtigt werden, oftmals sind sie auch hen für sofort und zukünftig herzustel- geänderten Nutzungsansprüchen wegen lende Bauwerke wurden nach einheitli- ganz oder teilweise rückzubauen, umzu- chen Bemessungsmethoden festgelegt, bauen oder zu erweitern. Im Folgenden um so bundeslandübergreifend einheit- werden mehrere Projekte vorgestellt, an- liche Sicherheitsniveaus einzuführen. Je hand derer diese spezifischen Fragestel- nach Lage und Exposition liegen die ak- lungen erläutert werden. tuell herzustellenden Bestickhöhen im Land Bremen nun bei gleicher Sicherheit zwischen +7,00 mNN (Nordschleuse 2. Kaiserschleuse Ostfeuer Bremerhaven) und +8,80 mNN (Deut- sches Schifffahrtsmuseum, Bremerha- In den Jahren 2007 – 2011 wurde die ehe- ven). In der Stadt Brenen betragen die malige Kaiserschleuse (Bj. 1893) durch Sollhöhen rd. +8,00 mNN. einen an fast gleicher Stelle errichteten In der Folge des GPK wurden und wer- Ersatzneubau erneuert. Dies beinhaltete den in Bremen rund 80 % der Deiche, auch die deutliche Vergrößerung des Kajen und Hochwasserschutzwände um Osthafens mit den Schlepperliegeplätzen. bis zu 1,60 m erhöht. Im Zuge dessen musste auch das vorhan- Neben diesen Linienbauwerken sind dene, denkmalgeschütze Ostfeuer der aber auch Sonderbauwerke wie z. B. Kaiserschleuse (Bild 1) ertüchtigt werden. Schleusen, Schöpf- und Sperrwerke an die Hintergrund war, dass der 1899 erbaute Bild 1: Historisches Leuchtfeuer gestiegenen Anforderungen des Küsten- Leuchtturm auf einer Holzpfahlgrün- Kaiserhafen-Ost schutzes anzupassen. dung unbekannter Länge und Tragfähig- 54 WASSER UND ABFALL 6 | 2012
WASSER keit gegründet war. Durch die Ramm Hochwasserschutzniveaus sowie für arbeiten der östlichen Vorhafenwand Schiffe der PanMax-Klasse (Schiffe mit konnte eine Schiefstellung des Ostfeuers einer Größe, die gerade noch durch die nicht ausgeschlossen werden. Um dies zu Schleusen des Panama-Kanals passen) vermeiden, wurde der Leuchtturm vor angepasst wurde. Beginn der Rammarbeiten durch eine Tiefgründung mittels Mikropfählen 3.2. Zukünftige Anforderung an den (Bohrpfähle mit kleinem Durchmesser) Hochwasserschutz unterfangen. Die erforderliche zukünftige Bestickhöhe Vorgesehen wurden acht Bohrpfähle, an der Schleuse Oslebshausen beträgt die die vertikalen Lasten des Leuchtfeuers +7,90 mNN, bereichsweise +8,00 mNN. in ausreichender Tiefe in den Baugrund Für die Planungen an der Oslebshauser leiten. Dafür wurden sie mittels Kernboh- Schleuse (vgl. Bilder 3a, 3b) waren neben rung von ca. +5,00 mNN (Durchstoß- den Anforderungen aus dem Hochwasser- punkt Außenkante Leuchtturm) durch schutz folgende Planungsparameter maß- die vorhandene Bausubstanz bis auf gebend: +1,80 mNN (Oberkante Kellersohle) ge- Bild 2: Saniertes und in die neue ■■Aufrechterhaltung des Schleusenbe- führt und von dort aus auf der erforder Umgebung integriertes Leuchtfeuer triebs, um direkt nach Ablaufen auch lichen Endtiefe von -20,5 mNN abgesetzt. Kaiserhafen-Ost extremer Hochwasserereignisse Schleu- Neben der ausreichenden Tragfähig- sungen vornehmen zu können, keit musste auch die Knickstabilität der ■■Zugänglichkeit des Betriebsgebäudes Pfähle im weichen Untergrund nachge- 3. Oslebshauser Schleuse, Bremen und des Steuerstandes im Sturmflutfall wiesen werden. im Schutz der 1. Deichlinie, Oberhalb der Pfahlköpfe wurde ein 3.1. Ausgangslage ■■Nutzung des weserseitigen Liegeplatzes Stahlbetonring angeordnet, der die Spreiz- Die Entwicklung des Industriehafens für hafenbetrieblichen Schiffsverkehr kräfte der geneigten Pfähle aufnimmt. Die Bremen geht zurück auf die ersten Korrek- (Lotsen, Schlepper, Hafenunterhaltung) vorhandenen Pfeilernischen unter dem tionen der Unterweser in den 1880er-Jah- und als Notliegeplatz für Binnenschiffe, historischen Kappengewölbe wurden aus- ren. Die erste Industriehafenschleuse wur- ■■Vermeidung von Schäden an Bauwer- betoniert, um die Lasteinleitung von den de 1910 in Betrieb genommen. Planungs- ken/baulichen Einrichtungen auf dem Turmwänden direkt in den Bewehrungs- grundlage war u. a. der sog. „7 m Ausbau“ Schleusengelände. ring sicherzustellen. Rippenverdübelun- der Unterweser, mit dem bei mittlerem gen stellen den Kraftschluss zwischen den Tidehochwasser (MT hW) ein zulässiger 3.3. Machbarkeitsprüfung vorhandenen Gewölberippen und dem Tiefgang von 7 m sichergestellt wurde. Vor allem die Belastungen infolge Stahlbetonring her. Die folgende Vertiefung des „9 m Aus- Schwall und Sunk auf die vorhandene Die für den Einbau der Mikropfähle baus“, jetzt bezogen auf das Seekarten- Konstruktion am Außenhaupt hat in den erforderlichen Kernbohrungen (Ø Null (SKN), hatte – in Verbindung mit der vergangenen Jahren umfangreiche Sanie- 35 cm) wurden nach Einbau der Pfähle Ertüchtigung der Schleuse für zukünftige rungs- und Unterhaltungsmaßnahmen wieder verschlossen, sodass das denk- Hochwasserereignisse – Umbauten an der für Massiv- und Stahlwasserbauteile er- malgeschütze Bauwerk äußerlich fast Schleuse in den 1980er- und 90er- Jahren forderlich gemacht. Im Zuge der Prüfung vollständig unverändert erhalten bleiben zur Folge, bei denen das Bauwerk für die grundsätzlich verschiedener Lösungsan- konnte (Bild 2). Anforderungen des seinerzeit geltenden sätze zur Erhöhung war davon auszuge- Bild 3a, b: Ertüchtigung und Neubau für den Hochwasserschutz Oslebshauser Schleuse WASSER UND ABFALL 6 | 2012 55
WASSER hen, dass die Lasten auf die vorhandenen 4. Geestesperrwerk, Bremerhaven 4.4. Variantenuntersuchungen Schienensysteme nicht weiter vergrößert In einer Vorstudie wurde 2010 die Mög- werden können. 4.1. Ausgangslage lichkeit einer Erhöhung des vorhandenen Für die anstehende Ertüchtigung für Im Südwesten Bremerhavens befindet sich Sperrwerkes untersucht. Im Ergebnis ist höhere Sturmflutwasserstände war des- das Geestesperrwerk. Das 1962 fertig eine weitere Erhöhung/Ertüchtigung für halb die Machbarkeit der beiden folgen- gestellte Sturmflutsperrwerk dient dem die nunmehr erforderlichen Bestickhö- den Planungsansätze zu überprüfen: Hochwasserschutz der Länder Niedersach- hen nicht darstellbar. Dementsprechend ■■Verstärkung der Tore bei gleichzeitiger sen und Bremen und wird, um Überflutun- wurden 2011/2012 folgende Varianten Erhöhung der Auftriebskräfte und Si- gen im Hinterland zu vermeiden, ab einem zum Neubau des Geestesperrwerks un- cherstellung der Schwimmstabilität, so Wasserstand von +2,50 mNN geschlossen. tersucht: dass die Schienen/Unterwagen nicht zu- Es muss – wie der gesamte Einfahrtsbereich ■■Variante 1: Neubau eines Sperrwerks we- sätzlich belastet werden, der Geeste – im Rahmen des Generalplans serseitig vor dem bestehenden Bauwerk ■■Standsicherheit der vorhandenen Mas- Küstenschutz auf die zukünftigen Sturm- ■■Variante 2: Verkürzung der Hochwasser- sivbaukonstruktion bei Aufnahme der flutwasserstände angepasst werden. schutzlinie durch Neubau eines Sperr- zusätzlichen Horizontalkräfte in Folge Das Sperrwerk ist mit zwei doppelwan- werkes im Bereich des derzeitigen Fähr- Hochwasser sowie der Kräfte, die aus digen Stahl-Stemmtorpaaren ausgerüstet. anlegers dem Torkörper in den Massivbau einge- Die 13 m breiten und 12 m hohen Tore ■■Variante 3: Verkürzung der Hochwasser- leitet werden. sind für eine Ballastierung mit Schwimm- schutzlinie durch Neubau eines Sperr- Für die Untersuchungen der Torkörper bzw. Frischwasserzellen ausgestattet, der werkes im Bereich der Geestehalbinsel wurden die Tore – aufbauend auf den vor- Antrieb der 90 t schweren Tore erfolgt ■■Variante 4: Verkürzung der Hochwasser- liegenden statischen Berechnungen aus über Elektromotoren. schutzlinie durch Neubau eines Sperr- den 1980er-Jahren – mit der Methode der Das Sperrwerk selbst wurde als tiefge- werkes im Bereich der Molen (Hafenein- Finiten Elemente (FEM) berechnet und gründetes Massivbauwerk errichtet. Die fahrt). die Tore dabei mit Schalen-, Balken- und lichte Breite der Sperrwerksöffnung beträgt Bei Betrachtungen der einzelnen Varian- Stabelementen idealisiert. 24 m. In das Bauwerk ist eine sechsspurige ten waren neben den Aspekten des Hoch- Für die Standsicherheitsuntersuchun- Brücke, die Kennedybrücke integriert. wasserschutzes folgende Anforderungen gen der Massivbaukonstruktionen wur- zu berücksichtigen: den die Nachweise entsprechend des zum 4.2. Geestekaje ■■Erhalt des Stadtbildes und Sicherstellung Zeitpunkt der Errichtung gültigen Nor- Südlich des Sturmflutsperrwerks schließt der touristischen Nutzung der Geeste- menkonzeptes geführt, d. h. nach dem der Bereich der Geestekaje an. Dahinter mündung, z. B. für Gastronomie Sicherheitskonzept der globalen Sicher- schließt sich die außendeichs liegende Be- ■■kurze Anbindung für (Fußgänger-) Ver- heiten. Die Ergebnisse des FEM-Modells bauung der Bussestraße an. Auf einer kehre von der Geestemündung an die wurden verwendet und die Nachweise Länge von rd. 150 m dient die Geestekaje sog. Havenwelten, ein touristisch ge- der Kippsicherheit und der Gleitsicher- als Liegeplatz für Binnenschiffe. Die Kaje nutztes Hafengebiet heit geführt. wurde Anfang der 1920er-Jahre errichtet ■■erweiterte Nutzung der Liegeplätze des und besteht aus einer auf Holzpfählen ge- Wasser- und Schifffahrtsamtes für zu- 3.4. Ergebnisse gründeten Trassbeton/Mauerwerkskaje sätzliche (Arbeits-)Schiffe Die Erhöhung der Hochwasserschutzein- über einer 1:2,5 geneigten Böschung. Sie ■■nicht hochwassergeschützter Liegeplatz richtungen an der Schleuse Oslebshausen wurde bereichsweise durch eine vorge- für das geplante Mehrzweckschiff des wurde in weiten Teilen als machbar be- rammte Stahlspundwand mit Holmab WSA erforderlich (u. a. zur Feuerbe- wertet. deckung ersetzt. kämpfung) ■■Folgende bauliche Maßnahmen werden ■■Sicherstellung eines Fährverkehres Bre- umgesetzt: 4.3. Doppelschleuse Fischereihafen merhaven – Blexen bis zu einem Wasser- ■■Erhöhung der vorhandenen Uferwände/ Der südliche Bereich der Geestemündung stand von ca. NN+4,0 m sowie Berück- Hochwasserschutzwände durch Aufset- wird wesentlich durch die Nutzung als sichtigung des Fährschiffs- bzw. Fahr- zen von Spundwandprofilen Vorhafen bzw. Ein- und Ausfahrtsbereich gastbetriebs Weserfähre (Bremerhaven ■■A npassung der Massivbaukonstrukti- für die Doppelschleuse zum Fischereiha- – Nordenham) on der Häupter durch Herstellung von fen geprägt. Die erste Doppelschleuse ■■B eibehaltung des Binnenschiffsliege- Stahlbetonwänden wurde in den 1920er-Jahren errichtet und platzes an der Geestekaje, ■■Verstärkung und Ergänzung der vorhan- von 1997 bis 2001 grundlegend erneuert ■■Berücksichtigung von Gastronomie und denen Torkonstruktion und Anordnung und umgestaltet. Bei diesem Umbau blieb Wohnnutzung zusätzlicher Stauwände die kleinere Schleusenkammer aus den ■■Berücksichtigung der öffentlichen Ein- ■■In einem weserseitigen Teilbereich ist der 1920er-Jahren bestehen, die größere richtungen und Verwaltung: WSA, Zoll, Neubau einer Ufereinfassung notwen- Kammer wurde in ihren Dimensionen Lotsenbrüderschaft, Wasserschutzpoli- dig, da bei der Erhöhung des Bestandes erweitert. Die Schleusenkammerwände zei u. a. m. hier mit erheblichen Einschränkungen/ sind in Spundwandbauweise errichtet, die Basierend auf diesen vielfältigen Anforde- Auswirkungen auf die Nutzbarkeit des Häupter wurden als Stahlbetonkonstruk- rungen wurden in Abstimmung mit der Steuerstandes und des ehemaligen tionen ausgebildet. Als Verschlussele- Stadt, den betroffenen Ämtern und den Betriebsgebäudes zu rechnen ist. (vgl. mente sind Schiebetore einschließlich Anwohnern vier Lagevarianten zum Neu- Bild 3a) Hubdecken installiert. bau des Sperrwerks entwickelt. 56 WASSER UND ABFALL 6 | 2012
WASSER Dabei musste den auf Grund der unter- te HWS-Linie – also das Außenhaut mit fußläufige Anbindung der Weserfähren schiedlichen Exponiertheit des zukünfti- Schleusentor – kann auf die erforderliche an die Havenwelten Bremerhaven. gen Sperrwerks unterschiedlichen Wellen- Bestickhöhe erhöht werden. Die zweite und Seegangsparametern Rechnung ge- HWS-Linie, Schleusenkammer mit Bin- Variante 4: Neubau eines Sperrwerks tragen werden. Diese wurden im Rahmen nenhaupt, wird auf Grund des dort gerin- an der Hafeneinfahrt einer numerischen Seegangs-Modellsimu- geren Wellenauflaufs nicht erhöht. Variante 4 untersucht eine Verlegung des lation (SWAN) ermittelt und Wellenvor- Sturmflutsperrwerks in den Bereich der hersagen nach CERC und BISHOP gegen- Variante 2: Neubau eines Sperrwerkes im Hafeneinfahrt. Um einen ausreichenden übergestellt. Im Ergebnis sind Bestickhö- Bereich des derzeitigen Fähranlegers Aktionsradius für die Schlepperunterstüt- hen zwischen +7,75 mNN und +8,85 mNN Das neue Sperrwerk wird zwischen der zung großer Schiffe zu gewährleisten, wird zu berücksichtigen. WSA-Kaje und der Geestekaje errichtet. die Durchfahrtsbreite des Sperrwerks für Der Anschluss an die landseitige HWS- die Variante 3 entsprechend dem Abstand Variante 1: Neubau eines Sperrwerks Wand wird mit einem Fangedamm her- der vorhandenen Molenköpfe auf 90 m er- weserseitig vor der Kennedybrücke gestellt, um eine freistehende Ankerkon- weitert. Als Verschlusselemente für eine Bei Variante 1 wird ein neues Sperrwerk struktion der Wand zu vermeiden (auf- Durchfahrtsöffnung dieser Abmessungen weserseitig direkt vor dem heutigen Sperr- wändiger Anfahrschutz führt zu höheren werden nach unten öffnende Segmenttore werk errichtet (vgl. Bild 4). Das neue Bau- Kosten) und die Kajenbelegung so we- als Verschlüsse vorgesehen. werk wird als tiefgegründetes Massivbau- nig wie möglich einzuschränken. Der Die Variante 4 weist hinsichtlich der werk in Stahlbetonbauweise errichtet. Als Vorteil dieser Variante ist, dass das alte Anforderungen des Hochwasserschutzes Verschlusssystem werden Stemmtore aus Sperrwerk den Hochwasserschutz wäh- eine Vielzahl von Vorteilen auf. So ergibt Stahl gewählt. rend der Bauphase sichert, dass es keine sich eine zusätzlich gegen Hochwasser ge- Das bewegliche Klappteil für die Ken- Beeinflussung des bestehenden Fährver- schützte Fläche von rd. 9 ha. Die HWS-Li- nedybrücke bleibt erhalten, um die Be- kehrs gibt und dass die derzeitige Deich- nie wird nur in einem Bereich und nur mit rufsschifffahrt auf der Geeste nicht einzu- linie um rd. 500 m verkürzt wird. Dem- der minimal erforderlichen Breite geöff- schränken und die Unterhaltung der Was- gegenüber stehen städtebauliche Ein- net, was die Deichsicherheit des Bereiches sertiefen weiterhin zu ermöglichen. Die schränkungen durch Errichtung des zusätzlich erhöht. Weiterhin sind keine Erhöhung der vorhandenen HWS-Linie Sperrwerkes und angrenzender HWS- baulichen Maßnahmen im Bereich der nördlich und südlich des heutigen Sperr- Wände mit einer OK 4 m über Gelände Doppelschleuse notwendig. werks erfordert die Errichtung von Hoch- (eingeschränkte Sichtbeziehung) und ein Demgegenüber stehen bei Umsetzung wasserschutzwänden entlang der öffentli- Eingriff in das Kajenbelegungskonzept von Variante 4 erhebliche Nachteile sei- chen Flächen. Die starke Verflechtung der des WSA. tens der hohen Investitions- und Unter- neuen HWS-Anlagen mit der örtlichen haltungskosten, aber auch seitens des Ha- Bebauung macht einen Neubau von Variante 3: Neubau eines Sperrwerkes fenbetriebs, so etwa Einschränkungen für 25 Deichscharten (Öffnung im Deichkör- im Bereich der Geestehalbinsel WSA, Zoll, Wasserschutzpolizei, Lotsen, per, durch die ein Verkehrsweg führt) er- Variante 3 sieht den Neubau des Geeste- Fährbetrieb und Berufsschifffahrt, da das forderlich. Daraus ergeben sich zusätzli- sperrwerks im Bereich der Geestehalbin- Sperrwerk ab einem Wasserstand von che Personalkosten von rd. 12.000 €/a. sel vor. Der Neubau eines Sperrwerkes im +2,50 mNN geschlossen werden muss Südlich des Wohnquartiers Bussestraße Bereich der Geestehalbinsel bedingt eine und der Hafen ab diesem Wasserstand befindet sich die Doppelschleuse. Die Ers- Verlegung des vorhandenen Fähranlegers. nicht mehr erreichbar ist. Entsprechender Als neuer Standort wurden zwei Unterva- Ausgleich (außendeichs angeordnete Lie- rianten – Verlegung des Anlegers in den geplätze etc.) wären erforderlich. Weiter- alten Vorhafen sowie Verlegung auf die hin ergeben sich die Notwendigkeit der Geestehalbinsel – betrachtet. Ertüchtigung bzw. Erneuerung der denk- Die aufwändige Sicherung des Geeste- malgeschützen Nordmole sowie ggf. zu- quartiers mit der hohen Anzahl an Deich- sätzlich erforderliche Maßnahmen zur scharten entfällt bei Variante 3, die neue Reduzierung des Strömungs- und See- HWS-Linie schließt im Bereich der Fi- gangseinflusses auf die Schifffahrt vor schereihafenschleuse an die bestehende dem Bauwerk. Linienführung an. Zusätzlich werden rd. 8 ha außendeichs liegender Flächen, die Kostenvergleichsrechnung und heute durch private HWS-Anlagen gesi- Wirtschaftlichkeit der Varianten chert werden, in den Bereich des Landes- Für die Bewertung von HWS-Maßnah- schutzdeiches integriert. Zudem wird die men ist im Rahmen der Variantenunter- heutige Deichlinie um rd. 700 m verkürzt. suchung eine Wirtschaftlichkeitsbetrach- Dies alles steuert zur Erhöhung der Deich- tung durchzuführen. Im Allgemeinen wird sicherheit bei. hierzu eine dynamische Kostenvergleichs- Weitere Vorteile der Variante 3 sind zu- rechnung nach LAWA erstellt. Dabei wer- dem die landseitige Verkehrsentlastung den Investitions-, Reinvestitions- sowie Bild 4: Neubau des Geestesperrwerks für den Stadtteil Bremerhaven-Geeste- Unterhaltungskosten jeweils gemäß ihrem (Variante 1) münde, sowie die touristisch attraktive, jeweiligen Investitionszeitpunkt finanz- WASSER UND ABFALL 6 | 2012 57
WASSER Bild 5a, 5b: Hochwasserschutzwand aus Stahlspundbohlen vor und nach Erhöhung mathematisch aufbereitet und miteinan- bringen von Spundwandprofilen Lars- eine Richtung Wasser ausgeführte Rück- der verglichen. Im Fall des Geestesperr- sen 600 (Bilder 5a und b). verankerung mit Mikropfählen sicherge- werks ergab sich nach Auswertung der Im Spundwandtal wurde eine Holm stellt (Bild 6). Kostenvergleichsrechnung unter Berück- halterung angeschweißt, auf welche ein Einen besonderen Aspekt für reine sichtigung der erhöhten Betriebskosten werkseitig hergestelltes Bauteil bestehend HWS-Wände stellt der Nachweis auf der Variante 1 (Unterhaltung und Betrieb aus einem U-Profil und dem Profil Lars- Umströmung des Spundwandfußes dar, von 25 Deichscharten) eine Kostengleich- sen 600 aufgebracht und mit der Holmhal- welcher für dieses Projekt durch eine heit der Varianten 1, 2 und 3. Variante 4 terung verschraubt wurde. Im Hochwas- FEM-Berechnung erfolgte. Trotz der ver- schied wegen des hohen Projektkosten- serfall gewährleistet eine Dichtung die gleichsweise geringen Einbindetiefe der barwertes und der bereits oben dargestell- Dichtigkeit zwischen bestehendem und Bestandswand konnte eine ausreichende ten Nachteile aus. aufgesetztem Bauteil. Eine geschweißte Sicherheit gegen Umströmung nachge- Die Rahmenplanung mit Bestimmung Verbindung wurde auf Grund der Vorga- wiesen werden. einer Vorzugsvariante wird im Sommer be des Bauherrn nach einer abnehmba- Da die Beschichtung der Bestandswand 2012 abgeschlossen sein. Die Vorzugsva- ren Konstruktion nicht ausgeführt. Die hohe PAK-Gehalte aufwies, erfolgte aus riante wird nach Fertigstellung der Pla- Standsicherheit der Wand für den neuen Umwelt- und Gesundheitsschutzgründen nungen und Durchführung des Planfest- Bemessungswasserstand von +6,90 mNN zunächst eine Entschichtung mit an- stellungsverfahrens voraussichtlich ab und die zusätzlich zu berücksichtigenden schließendem Neuaufbau der Beschich- 2015 umgesetzt werden. Wellen- und Treibgutlasten werden durch tung. Nach Strahlen des Untergrunds mit 5. Hochwasserschutzwand Bremen-Farge/Deichschart B74 Im Jahr 2010 erfolgte termingerecht und unter Einhaltung der Qualitäts- und Kostenvorgaben die Anpassung der in den 60er-Jahren errichteten Landes- schutzdeichlinie in Bremen-Farge. Die vorhandenen HWS-Wände (Spund- wandprofil Hoesch I) und Deichscharte, u. a. für die Bundesstraße 74, wurden um 1,05 m auf eine Sollhöhe von +7,80 mNN bei einer Geländehöhe um +4,50 mNN erhöht. Untersuchungen zu den Rest- wanddicken der Spundwandprofile aus dem Jahr 1964 ergaben keine bedeuten- den Korrosionsraten. Daher erfolgte die Erhöhung im Bestand durch das Auf- Bild 6: Ausgeführte Erhöhung der Hochwasserschutzwand 58 WASSER UND ABFALL 6 | 2012
WASSER Quarzsand erfolgte eine Grundierung der Bestandsunterlagen der vorhandenen in Stahlbetonbauweise zu erhöhen und und Deckbeschichtung (Schichtdicke Wände stellt diese vergleichsweise margi- anschließend die vorhandene Sandstein- 550 µm). Sämtliche Spundwandschlösser nale Erhöhung auch aus städtebaulichen abdeckung wieder aufzubringen. wurden zudem entweder verschweißt Gründen auf Grund der intensiven Gast- oder versiegelt, da sich in der Vergangen- ronomienutzung landseitig der HWS- heit insbesondere in den Schlössern Kor- Wand für die Architekten und Planer eine 7. Hochwasserschutz am rosion zeigte. Herausforderung dar (Bild 8). Berechnun- Weserbahnhof Die HWS-Spundwand wurde von zwei gen waren für die unterschiedlichen Ufer- Deichscharten, u. a. für die Bundesstra- wandabschnitte, u. a. Sandsteinmauer, Im Rahmen der Vorplanung zur Erhö- ße B 74 und die Zufahrt zum Kohlekraft- Winkelstützwände, Böschungen durch hung der HWS-Linie wurde festgestellt, werk Farge unterbrochen. Untersuchun- zuführen. In Bereichen, in denen keine dass die ausreichende Standsicherheit der gen zu den Massivbauwerken führten zu Angaben über den Bestand vorlagen, wur- vorhandenen Ufereinfassung im Bereich der Entscheidung, die Deichscharte im den Bestandsuntersuchungen, z. B. Kern- des „Weserbahnhofs I“ nicht mehr ge- Bereich der B 74 neu zu errichten (Bil- bohrungen durchgeführt, und in der Ma- währleistet werden kann. Daraufhin wur- der 7a und b). Die Gradiente der B 74 inkl. terialprüfanstalt Bremen untersucht. de eine land- und wasserseitige Sperrung des seitlichen Geh- und Radweges wurde Am rechten Weserufer werden neben der Kaje veranlasst. Der Weserbahnhof um 1,05 m erhöht. Dadurch konnten die der Bemessung neuer Hochwasserschutz- liegt am nördlichen Ende der Uferprome- vorhandenen Sperrtore des Scharts wie- wände statische Nachrechnungen aller nade Schlachte und grenzt an das städte- derverwendet werden und es wurde ver- Bestandteile der Landesschutzdeichlinie bauliche Entwicklungsgebiet „Übersee- mieden, die Verschlusstore mit elektri- auf einer Länge von rd. 1.500 m durchge- stadt Bremen“. Eine Variantenuntersu- schen Antrieben auszustatten. Ein großer führt. Dafür wurden zusätzliche Bau- chung mit Kostenvergleichsrechnung Vorteil für den Unterhaltungspflichtigen grunduntersuchungen durchgeführt. Be- ergab, dass ein Ersatzneubau der Uferein- ist zudem, dass die Tore durch die Anhe- sondere Bedeutung kommt dabei der äu- fassung (Bild 9) gegenüber dem Erhalt der bung der Drempelhöhe zukünftig deutlich ßeren Standsicherheit zu. Uferspundwand aus dem Jahr 1929 mittels seltener oder später zu schließen sind. Ein generelles Problem stellen die Si- Vorschüttung die wirtschaftlichste Me- cherstellung der Unterströmungssicher- thode zur langfristigen Sicherung der heit und der Grundwasserstand landseitig Ufereinfassung ist. 6. Hochwasserschutz für Dom der Uferwand dar. Die immer höher anzu- Rd. 2,0 m vor der heutigen Uferwand an und Rathaus/Hochwasserschutz- setzenden Bemessungshochwasserstände der Weser wird eine kombinierte Spund- wand Schlachte in Verbindung mit den flach gegründeten wand als neue Ufereinfassung errichtet. Elementen der Hochwasserschutzlinie Sie wird aus Gründen des Lärm- und Er- Die festgelegte Bestickhöhe von +7,70 mNN und dem gut durchlässigen Baugrund er- schütterungsschutzes vollständig im Rüt- erfordert in einigen Bereichen der Schlach- fordern eine genaue Betrachtung, ob die telverfahren eingebracht. Um einen ein- te, der historischen Uferpromenade Bre- Sicherheit gegen Unterströmung noch ge- deutigen Lastabtrag in vertikaler Richtung mens, eine Anpassung der Hochwasser- geben ist. Hierfür wurden instationäre sicherzustellen, wird eine Pfahlfußverstär- schutzwände. Die Höhendifferenz zwi- Sickerlinienberechnungen an vertikal ebe- kung vorgesehen. Mit Hilfe von Pfahlpro- schen Ist- und Sollhöhe variiert örtlich nen Systemen durchgeführt. bebelastungen wird der Lastabtrag im und beträgt ca. 20 bis 40 cm. Neben der Im Zuge der Hochwasserschutzmaß- Vorfeld des Baus überprüft. Neben dem Berücksichtigung des Alters und fehlen- nahmen ist geplant, die Wand um 20 cm Neubau der Uferwand wird eine Winkel- Bild 7a, 7b: Deichschart an der B74 – Neubau des Betonbauwerks und Erhöhung der Gradiente der B74 um 1,05 m WASSER UND ABFALL 6 | 2012 59
WASSER Autoren Dipl.-Ing. Anne Scholz Projektleiterin Bremenports GmbH & Co. KG E-Mail: anne.scholz-joura@bremenports.de Dipl.-Ing. Christian Pabst Teamleiter Bremenports GmbH & Co. KG E-Mail: christian.pabst@bremenports.de Dr.-Ing. Heiko Spekker Projektleiter Inros Lackner AG, NL Bremen E-Mail: heiko.spekker@inros-lackner.de Literatur [1] N LWKN: Generalplan Küstenschutz Nieder- sachsen/Bremen – Festland, Küstenschutz, Band 1, Norden, 2007 [2] Bleck, M., Krebs, H., Scholz, A., Spekker, H.: “Hochwasserschutz im Land Bremen – Anpassungen an prognostizierte Klimaände- Bild 8: Bestehende Hochwasserschutzwand an der Schlachte in der Altstadt Bremens rungen”, Bautechnik, 86. Jahrgang (2009), Heft 8 stützwand in Ortbetonbauweise rd. 6,0 m wie solche Anforderungen aussehen kön- hinter der heutigen Uferwand hergestellt. nen, und es werden Lösungsmöglichkei- Diese übernimmt zwei Funktionen: einer- ten für die dargestellten Fragestellungen seits fängt sie den landseitigen Gelände aufgezeigt. sprung ab, andererseits stellt sie mit ihrer Oberkante den Hochwasserschutz her. Aktuell wurden Kampfmittelbeprobun- gen und dynamische Pfahlprobebelastun- gen durchgeführt, zeitgleich erstellt die Hafengesellschaft Bremenports die Aus- führungsplanung und die Ausschreibungs- unterlagen. Die Bauoberleitung sowie die örtliche Bauüberwachung wird sie ab Juli 2012 ausüben. 8. Zusammenfassung In Bremen und Niedersachsen werden zurzeit die Landesschutzdeiche erhöht. Teile dieser Hochwasserschutzanlagen weisen bereits heute ein hohes Alter auf. Diese alten Bauwerke zu erhöhen und teil- weise auch zu ertüchtigen, stellt immer wieder neue Anforderungen an Planer und Ausführer. Bereits die Erfassung des aktuellen Sicherheitsniveaus unter Be- rücksichtigung der altersbedingten Mate- rialveränderungen ist anspruchsvoll und beeinflusst die heutigen Umplanungen maßgeblich. Durch die Anforderungen des Hochwasserschutzes rücken noch wei- tere Aspekte wie Restnutzungsdauer, Un- terhaltungsaufwand oder Tragverhalten des Bauwerks bei Überflutung verstärkt in den Vordergrund. An sehr unterschied Bild 9: Querschnitt im Bereich des Weserbahnhofs mit neuer Kajenwand, Promenade lichen Bauwerken wird veranschaulicht, und Hochwasserschutzwand 60 WASSER UND ABFALL 6 | 2012
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