Notwendigkeit einer 380 kV-Salzburgleitung - Evaluierung des öffentlichen Interesses aus Sicht des Landes Salzburg - Land Salzburg
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Notwendigkeit einer 380 kV-Salzburgleitung Evaluierung des öffentlichen Interesses aus Sicht des Landes Salzburg
380 kV-SALZBURGLEITUNG Evaluierung des öffentlichen Interesses aus Sicht des Landes Salzburg Thomas Gallauner Jürgen Schneider Wien, 2014
AutorInnen Thomas Gallauner (Projektleitung) Jürgen Schneider (inhaltliche Gesamtverantwortung) Lektorat Maria Deweis Satz/Layout Manuela Kaitna Umschlagphoto © Eyematrix – fotolia.com Wir danken folgenden ExpertInnen für die Mitarbeit und den Review der Ergebnisse (in alphabetischer Reihenfolge): Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Gawlik (TU-Wien) DI Dr. Christine Materazzi-Wagner (E-Control) Mag. Johannes Mayer (E-Control) Mag. Thomas Mördinger (ÖKOBÜRO) Dr. Wolfgang Urbantschitsch (E-Control) Diese Publikation wurde im Auftrag der Salzburger Landesamtsdirektion erstellt. Weitere Informationen zu Umweltbundesamt-Publikationen unter: http://www.umweltbundesamt.at/
380 kV-Salzburgleitung – Inhalt INHALT ZUSAMMENFASSUNG ..........................................................................5 1 EINLEITUNG...........................................................................................9 1.1 Fragestellung .........................................................................................9 1.2 Ziele Salzburg ........................................................................................9 1.3 Globale Herausforderungen...............................................................10 1.4 Schwerpunkte der Evaluierung .........................................................13 1.5 Einbindung externer ExpertInnen .....................................................13 1.6 Aufbau der Evaluierung......................................................................14 2 KLIMAPOLITISCHE NOTWENDIGKEIT .............................................15 2.1 20/20/20-Ziele .......................................................................................15 2.2 Energiestrategie Österreich ...............................................................16 2.3 Ziele für 2030 .......................................................................................17 2.4 Energiefahrplan 2050 ..........................................................................18 2.5 Salzburg 2050 ......................................................................................19 2.6 Welche Bedeutung hat die Salzburgleitung für die Senkung der THG-Emissionen? ..................................................20 2.7 Welche Bedeutung hat die Salzburgleitung für die Erhöhung des Anteiles erneuerbarer Energieträger? .....................20 2.8 Welche Bedeutung hat die Salzburgleitung für die Steigerung der Energieeffizienz? ................................................21 3 ENERGIEPOLITISCHE RAHMENBEDINGUNGEN ............................22 3.1 Netzstabilität ........................................................................................23 3.2 Österreichisches Ringnetzwerk ........................................................24 3.2.1 Aufbau des Netzwerkes ........................................................................26 3.2.2 Ausbau des Netzwerkes .......................................................................27 3.2.3 Geplanter Ausbau .................................................................................27 3.3 Stromaufbringung in Österreich........................................................28 3.3.1 Wie erfolgt die Stromaufbringung in Österreich? ..................................28 3.3.2 Welchen Beitrag leisten die erneuerbaren Energieträger? ...................30 3.3.3 Was sind die Auswirkungen der volatilen Stromeinspeisung aus Erneuerbaren? ...............................................................................37 3.4 Stromspeicher in Österreich ..............................................................40 3.4.1 Wo befinden sich relevante Stromspeicher in Österreich? ...................40 3.4.2 Welche zusätzlichen Speicherpotenziale bestehen in Österreich? ........................................................................................41 3.4.3 Gibt es alternative Speichertechnologien? ...........................................41 3.4.4 Gibt es Alternativen zur Nutzung von Stromspeichern? .......................44 Umweltbundesamt Wien, 2014 3
380 kV-Salzburgleitung – Inhalt 3.5 Gewerbliche Verbraucher in Salzburg ..............................................45 3.5.1 Wer sind die relevanten gewerblichen Verbraucher in Salzburg? ..........................................................................................45 3.5.2 Welche Voraussetzungen müssen für Gewerbe- und Industriestandorte gewährleistet sein?..................................................46 3.6 Energieaustausch mit dem Ausland .................................................46 3.6.1 In welchem Ausmaß erfolgt derzeit ein Energieaustausch mit dem Ausland? .......................................................................................46 3.6.2 Welche Auswirkungen hat der derzeitige Energieaustausch auf die Übertragungsnetze? ..................................................................48 3.6.3 In welchem Ausmaß ist zukünftig mit einem Energieaustausch mit dem Ausland zu rechnen?.................................50 3.7 Integration volatiler Stromerzeugung ...............................................50 3.7.1 Windkraft ...............................................................................................50 3.7.2 Photovoltaik ...........................................................................................52 3.7.3 Welche internationalen/europäischen Pläne/Strategien bestehen?..............................................................................................54 3.8 Welche alternativen Übertragungstopologien bestehen? ...............54 3.9 Gesetzliche Vorgaben und Verpflichtungen der Netzbetreiber .................................................................................55 3.9.1 Welche nationalen Verpflichtungen bestehen?.....................................55 3.9.2 Welche internationalen Verpflichtungen bestehen?..............................57 3.9.3 Kann der Netzbetreiber ohne die 380 kV-Salzburgleitung seine Verpflichtungen erfüllen? .............................................................59 4 WIRTSCHAFTLICHE ASPEKTE..........................................................60 4.1 Welche Auswirkungen hat die Salzburgleitung auf den Wirtschaftsstandort Salzburg? ..................................................60 4.2 Welche Effekte hätte ein Verzicht auf die 380 kV- Salzburgleitung? .................................................................................60 4.2.1 Kosten durch Redispatching und Intraday-Handelsstopps ...................61 4.2.2 Kosten durch unzureichende Kuppelleitungen .....................................61 4.2.3 Kosten eines Blackouts .........................................................................64 5 NULLVARIANTE ..................................................................................67 5.1 Ist ein Verzicht mit der klimapolitischen Notwendigkeit vereinbar? ............................................................................................67 5.2 Ist ein Verzicht mit den energiepolitischen Rahmenbedingungen vereinbar? ......................................................68 5.3 Ist ein Verzicht aus wirtschaftlicher Sicht möglich? .......................69 6 LITERATURVERZEICHNIS ..................................................................70 7 RECHTSNORMEN UND LEITLINIEN ..................................................75 4 Umweltbundesamt Wien, 2014
380 kV-Salzburgleitung – zusammenfassung ZUSAMMENFASSUNG Im koalitionären Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP, Grünen und Team Stro- koalitionäres nach im Bundesland Salzburg (LAND SALZBURG 2013a) für den Zeitraum 2013 Arbeitsüberkommen bis 2018 hat u. a. den Ausbau der Energieinfrastruktur zum Thema. Vor dem Hintergrund des derzeit laufenden UVP-Verfahrens zum geplanten Ausbau einer 380 kV Starkstrom-Freileitung (380 kV-Salzburgleitung) findet sich auch der Punkt: „Zur Evaluierung des öffentlichen Interesses aus Sicht des Landes Salzburg wird die Notwendigkeit der 380 kV-Leitung im Auftrag des Landes wissen- schaftlich geprüft. Das Ergebnis soll in das Verfahren einfließen.“ Diese Evaluierung wurde vom Umweltbundesamt mit der vorliegenden Studie durchgeführt. Vereinbarungsgemäß wurden bestimmte Aspekte der geplanten Leitung nicht behandelt, wie etwa die Frage, ob die Leitung als Freilandleitung oder Erdkabel ausgeführt wird, die potenziellen Auswirkungen elektromagnetischer Felder oder die Auswirkungen unterschiedlicher Trassenvarianten auf das Landschaftsbild. Der Fokus der Studie wurde auf energie- und klimapolitische Notwendigkeiten ge- legt. Ausgangspunkt der Analysen war die Vision „Salzburg 2050 klimaneutral. energieautonom.nachhaltig“ (SZBG. LR), in der ein Zielpfad mit ambitionierten Zwischenzielen festgelegt wurde. Diese sind wegweisend und orientieren sich ambitionierte an den Anforderungen, die aus wissenschaftlicher Sicht zur Erreichung des Klimaziele 2 °C-Zieles unerlässlich sind. Zudem sind die Zielsetzungen, insbesondere was das Jahr 2020 betrifft stringenter als die nationalstaatlichen Zielsetzungen. Ein Einschwenken auf einen nachhaltigen Energiepfad mit deutlich sinkenden Treib- hausgasemissionen ist vor dem Hintergrund der dramatischen Auswirkungen des Klimawandels zweifelsohne im öffentlichen Interesse. Wesentliche Eckpunkte sind, neben der unabdingbaren deutlichen Steigerung der Energieeffizienz und Anstrengungen zum Energiesparen, eine Forcierung erneuerbarer Energiequellen, um fossile Energieträger sukzessive zu ersetzen. Eine maßgebliche Schlüsselrolle kommt hierbei dem Stromsektor zu, für den – gemäß Energiefahrplan 2050 der Europäischen Kommission (KOM/2011/885) – ein fast vollständiger Ersatz fossiler Energieträger bis zum Jahr 2050 als not- Unabhängigkeit wendig angesehen wird. Salzburg sieht in Übereinstimmung damit für das Jahr von fossilen 2050 eine nachhaltige, vollständig klimaneutrale Energiebereitstellung vor, d. h. Brennstoffen eine vollständige Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Die erforderliche Umstellung wird ohne massiven Einsatz neuer Technologien nicht gelingen, macht aber auch Veränderungen im Lebensstil der Menschen notwendig. Es ist die Aufgabe und Verantwortung der politischen Handlungsträ- gerInnen, die unerlässlichen gesellschaftlichen Veränderungen in die Wege zu leiten und zu unterstützen. Umweltbundesamt Wien, 2014 5
380 kV-Salzburgleitung – zusammenfassung Zur Darstellung möglicher zukünftiger Entwicklungen wurden u. a. die energie- wirtschaftlichen Inputdaten und Szenarien des Umweltbundesamtes sowie Sze- narien und Modellierungen aus anderen Quellen herangezogen. Allen Szenarien Stromnachfrage ist gemeinsam, dass selbst bei sinkendem Gesamtenergieverbrauch die Strom- steigt weiter nachfrage steigen wird, unter anderem deshalb, weil Strom z. T. fossile Energie- träger (etwa in der Mobilität) ersetzen wird. Windkraft und Unter der Voraussetzung, dass Strom weder aus fossilen Anlagen (mit oder ohne Photovoltaik CCS-Technologie1) noch aus Atomkraft bereitgestellt wird, sind die großen Hoff- nungsträger Windkraft und Photovoltaik. Diese Technologien besitzen aus heu- tiger Sicht die größten Potenziale, um den zukünftigen Energiebedarf nachhaltig zu decken (der Wasserkrafterzeugung und der Nutzung von Biomasse sind v. a. ökologische Grenzen gesetzt). Da es sich hierbei allerdings um eine schwanken- de (volatile) Stromerzeugung handelt, welche kaum steuerbar und nur schwer prognostizierbar ist, ergeben sich technologische Herausforderungen bezüglich der Stromübertragungs- und Speichersysteme. Schwerpunkte Unter den oben angeführten Gesichtspunkten wurde die Notwendigkeit der des Berichtes 380 kV-Salzburgleitung hinsichtlich des öffentlichen Interesses aus Sicht des Landes Salzburg beleuchtet. Hauptaugenmerk wurde dabei auf die Fragestel- lung gerichtet, ob und in welchem Ausmaß die Errichtung der 380 kV-Übertra- gungsleitung notwendig ist, um die zusätzliche nachhaltige, aber volatile, Strom- erzeugung zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die in- ternationalen, nationalen und regionalen Gegebenheiten und Anforderungen ein- gegangen. Die Gewährleistung einer zuverlässigen und sozial verträglichen Stromversorgung, einer ausreichenden Übertragungskapazität sowie wirtschaft- liche Aspekte für den Raum Salzburg und das gesamte österreichische Bundes- gebiet stellen weitere Themenschwerpunkte dar. Ringschluss auf Zusammenfassend zeigt sich, dass eine zukünftige Energieversorgung, welche 380 kV-Ebene maßgeblich auf der Stromerzeugung aus volatilen erneuerbaren Quellen basiert, hohe Anforderungen an die Übertragungsnetze stellt. Die Salzburgleitung stellt dabei einen wesentlichen Teil des zukünftig geplanten Ringschlusses auf der 380 kV-Ebene dar. Dieser Ringschluss weist im Vergleich zu einem anders ver- maschten Netz vergleichsweise wenige Leitungskilometer auf. Unterschiedliche Studien zeigen die Notwendigkeit eines ausgebauten Übertra- gungsnetzes auf 380 kV-Ebene, um die zu erwartenden Übertragungsleistun- gen zuverlässig bewältigen zu können. Diese Übertragungskapazitäten wer- den einerseits aufgrund der zunehmenden Ortsunabhängigkeit (über das ge- samte kontinentaleuropäische Verbundnetz verteilt) von Stromerzeugung und -verbrauch notwendig. Andererseits allerdings auch deshalb, um nachhaltig er- zeugten Strom europaweit effizient speichern und wieder bedarfsgerecht zur Ver- fügung stellen zu können. Project of Die 380 kV-Salzburgleitung wurde daher im internationalen Kontext als ein Pro- Common Interest jekt von gemeinsamem europäischem Interesse (PCI, Project of Common Inte- rest) identifiziert, welches zur Umsetzung des europäischen Strombinnenmark- tes und für den geplanten Ausbau der nachhaltigen Stromerzeugung notwendig ist. 1 Carbon Capture and Storage: Reduzierung von CO2-Emissionen durch die technische Abscheidung am Kraftwerk und Einlagerung in unterirdische Lagerstätten. 6 Umweltbundesamt Wien, 2014
380 kV-Salzburgleitung – zusammenfassung Auf nationaler Ebene sind die Netzbetreiber verpflichtet, durch den entsprechen- den Betrieb und Ausbau der Übertragungsnetze den Anforderungen des euro- päischen Binnenmarktes nachzukommen sowie die national benötigten Lei- tungskapazitäten bei Gewährleistung der Versorgungssicherheit zur Verfügung zu stellen. Demand-Side-Management (d. h. die bessere Abstimmung von Stromnachfrage Demand- und -erzeugung) wird in den nächsten Jahren nicht das Potenzial zugeschrie- Side-Management ben, um den Ausgleich von Stromspitzen über das Übertragungsnetz überflüs- sig zu machen. Einer vollständigen Regionalisierung einer nachhaltigen Stromversorgung stehen in den nächsten Jahr(zehnt)en u. a. Probleme bei einer gesicherten, preiswer- ten Speicherung von (lokal) erzeugtem Strom entgegen. Eine Nicht-Umsetzung der 380 kV-Salzburgleitung würde den notwendigen Aus- Konsequenzen einer bau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren in Österreich voraussichtlich er- Nicht-Umsetzung schweren und einen ineffizienteren, mit zusätzlichen Kosten und Emissionen verbundenen Einsatz fossiler Kraftwerke bedingen. Aufgrund des europäischen Elektrizitätsbinnenmarktes würde – neben rechtlichen Implikationen – der zu- nehmende europäische Stromaustausch die österreichischen Netze vermehrt bis an die Grenzen belasten und häufige nationale und internationale Ausgleichs- maßnahmen zur Folge haben. Dies würde weitere Kosten und Emissionen her- vorrufen und die Netzstabilität gefährden. Des Weiteren könnte ein mangelnder Ausbau der Übertragungsnetze auch zu wirtschaftlichen und sozialen Konse- quenzen führen, da durch eine unzureichende Anbindung an den europäischen Markt, in Verbindung mit den notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, langfristig mit einer Steigerung des Strompreises für sämtliche Verbraucher zu rechnen ist. Umweltbundesamt Wien, 2014 7
380 kV-Salzburgleitung – Einleitung 1 EINLEITUNG 1.1 Fragestellung Im Rahmen eines Arbeitsübereinkommens wurden die Grundlagen der Zusam- koalitionäres menarbeit zwischen ÖVP, Grünen und Team Stronach im Bundesland Salzburg Arbeitsüberkommen für den Zeitraum 2013 bis 2018 festgelegt (LAND SALZBURG 2013a). Darin finden sich zum Thema Energie zahlreiche Vorgaben, in welchen u. a. der Ausbau der Ausbau der Energieinfrastruktur behandelt wird. Vor dem Hintergrund des derzeit 380 kV-Leitung laufenden UVP-Verfahrens zum geplanten Ausbau der 380 kV-Salzburgleitung finden sich folgende Punkte: „Für die Errichtung von Energieinfrastruktur werden bei der Abwägung öffent- licher Interessen des Landes Salzburg die Belange des Klima- und Natur- schutzes sowie der Ausgleich von Nutzungskonflikten gewissenhaft erhoben und bewertet. Dies gilt auch für die Tauerngasleitung und das eingereichte Projekt der 380 kV-Leitung.“ „Zur Evaluierung des öffentlichen Interesses aus Sicht des Landes Salzburg wird die Notwendigkeit der 380 kV-Leitung im Auftrag des Landes wissen- schaftlich geprüft. Das Ergebnis soll in das Verfahren einfließen.“ „Das Land Salzburg spricht sich im Fall der Errichtungsnotwendigkeit für eine Teilverkabelung nach dem neuesten Stand der Technik aus.“ Mit der Evaluierung des öffentlichen Interesses aus Sicht des Landes Salzburg hinsichtlich der Notwendigkeit der 380 kV-Salzburgleitung wurde das Umwelt- bundesamt von der Salzburger Landesamtsdirektion beauftragt. Aspekte, die für die Beurteilung von Relevanz sind, umfassen umwelt- und kli- relevante Aspekte mapolitische Notwendigkeit, wirtschafts- und energiepolitische Zielsetzungen so- wie Fragen der Versorgungssicherheit. 1.2 Ziele Salzburg Übergeordnete, für die Fragestellung relevante, Zielsetzungen zur Ausrichtung ambitionierte der Salzburger Politik wurden in der Vision „Salzburg 2050 klimaneutral.energie- Klimaziele autonom.nachhaltig“ (SZBG. LR) festgehalten. Zur Erreichung dieser ambitionier- ten Zielsetzungen wurde ein Zielpfad mit entsprechenden Zwischenzielen fest- gelegt (siehe Abbildung 1). Umweltbundesamt Wien, 2014 9
380 kV-Salzburgleitung – Einleitung Zielpfad „Salzburg 2050 klimaneutral.energieautonom.nachhaltig“ Quelle: Szbg. LR, Salzburg 2050 Abbildung 1: Zielpfad „Salzburg 2050 klimaneutral.energieautonom.nachhaltig“. Es ist festzuhalten, dass die für Salzburg 2050 abgeleiteten Zielsetzungen we- sentlich über nationale Ziele und Vorgaben hinausgehen. 1.3 Globale Herausforderungen Die genannten Aspekte (mittel- bis langfristige Zielsetzungen bis Mitte des 21. Jahrhunderts) sind stimmig und reflektieren etliche der großen Herausforderun- gen, denen entwickelte Volkswirtschaften gegenüberstehen. In einer Bewertung aller relevanten globalen Risiken wurden vom World Economic Forum für das Klimawandel Jahr 2014 – wie für die Jahre zuvor – mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehende Risiken als eine der größten Bedrohungen angesehen (WORLD ECO- NOMIC FORUM 2014). 10 Umweltbundesamt Wien, 2014
380 kV-Salzburgleitung – Einleitung Übersicht globaler Risiken Quelle: World Economic Forum 2014 Abbildung 2: Übersicht globaler Risiken Umweltbundesamt Wien, 2014 11
380 kV-Salzburgleitung – Einleitung Diese, durch Umfragen bei relevanten Stakeholdern erhaltenen, Ergebnisse re- flektieren auch die Erkenntnisse des 5. Sachstandsberichtes des Weltklimarates. Dieser Bericht fasst die aktuelle Wissenslage zum anthropogen verursachten Klimawandel zusammen. Ohne weitreichende Minderung der Emissionen von Treibhausgasen werden in den nächsten Jahrzehnten Änderungen im Klima – wie etwa bei der globalen Durchschnittstemperatur – auftreten, deren Auswirkun- gen nicht mehr bewältigbar scheinen. Änderung der globalen Oberflächentemperatur in unterschiedlichen Emissionsszenarien Quelle: Stocker et al. 2013 Abbildung 3: Änderung der globalen Oberflächentemperatur in unterschiedlichen Emissionsszenarien. THG-Emissionen Aus wissenschaftlicher Sicht ist es zur Erreichung des 2 °C-Zieles unerlässlich, verringern dass die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80–95 % des heutigen Wertes reduzieren. Dies bedeutet, dass das Energiesystem in Zu- kunft fast zu Gänze ohne Öl, Gas und Kohle auskommen muss. Die europäi- schen Staats- und Regierungschefs haben sich dieser Empfehlung angeschlos- sen (EUROPÄISCHER RAT 20092). Fossile Energieträger werden mehr und mehr aus dem Energiesystem gedrängt werden müssen; einerseits wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die natürli- chen Lebensgrundlagen, andererseits aber auch aufgrund ihres begrenzten Vor- kommens. 2 Brüssel, den 30. Oktober 2009 15265/09 CONCL 3 12 Umweltbundesamt Wien, 2014
380 kV-Salzburgleitung – Einleitung 1.4 Schwerpunkte der Evaluierung Im Rahmen dieser Evaluierung werden – in Übereinstimmung mit den langfristi- gen Zielen der Salzburger Landesregierung – die inhaltlichen Schwerpunkte auf die klimapolitische Notwendigkeit, zukünftigen Herausforderungen auf Basis aktueller Energie- und Treibhausgasprojektionen sowie energiepolitischen Rahmenbedingungen gelegt. In Hinblick auf die klimapolitische Notwendigkeit werden relevante Implikationen klimapolitische hinsichtlich der 380 kV-Salzburgleitung abgeleitet, welche sich aufgrund unter- Notwendigkeit schiedlicher klimapolitischer Vorgaben und Ziele ergeben. Dies erfolgte sowohl im europäischen Kontext als auch auf regionaler Ebene. Dazu wurde u. a. auch auf aktuelle Energie- und Treibhausgasprojektionen zurückgegriffen. Diese wurden auch zur Bewertung der zukünftigen Herausforderungen der Elekt- Energie- und rizitätsversorgung herangezogen, um Aussagen über die Einflüsse treffen zu THG-Projektionen können, welche sich durch die zunehmende Koexistenz aus zentraler und de- zentraler Erzeugung in Form erneuerbarer Energiequellen, wie Photovoltaik und Windkraft, ergeben. Des Weiteren werden die energiepolitischen Rahmenbedingungen ausführlich energiepolitische erörtert. Diese umfassen u. a. die Bewertung der Relevanz des österreichischen Rahmenbedingungen Ringnetzwerkes hinsichtlich der nationalen und europäischen Vernetzung und der damit verbundenen Anforderungen hinsichtlich des Betriebes und eines mög- lichen Ausbaus. Zusätzlich werden wirtschaftliche Interessen und Rahmenbedingungen, die mit wirtschaftliche dem Bau der 380 kV-Salzburgleitung verbunden sind, dargestellt. Die gesetzli- Interessen chen Vorgaben für den Netzbetrieb (Versorgungssicherheit) werden ebenfalls behandelt. Hierzu werden nach Möglichkeit auch die Konsequenzen, die ein Verzicht des Ausbaus der Salzburgleitung bewirken würde, erörtert. 1.5 Einbindung externer ExpertInnen Um im Rahmen dieser Evaluierung sicherstellen zu können, dass alle relevan- Einbindung externer ten Aspekte ausreichend berücksichtigt und korrekt dargestellt wurden, erfolgte Organisationen eine Einbindung von ausgewählten ExpertInnen folgender Institutionen: E-Control Austria als Regulator, der zudem die Förderung der nachhaltigen Energieerzeugung zum Ziel hat; TU-Wien – Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe als Vertreter der Wissenschaft; ÖKOBÜRO als Vertreter der Zivilgesellschaft. Des Weiteren erfolgte eine Einladung zur Mitarbeit an das Institut für Technik- folgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaft, welches allerdings keine Möglichkeit sah, zu den im Rahmen der Evaluierungen vorge- gebenen Fragestellungen einen Beitrag zu liefern. Umweltbundesamt Wien, 2014 13
380 kV-Salzburgleitung – Einleitung E-Control Austria Die E-Control Austria hat als Regulator die Aufgabe, die Notwendigkeit und Ver- hältnismäßigkeit der Kosten zu prüfen und die jährlichen Zehnjahresnetzentwick- lungspläne der Übertragungsnetzbetreiber zu genehmigen. TeilnehmerInnen sei- tens der E-Control waren Frau DI Dr. Christine Materazzi-Wagner (Leiterin der Abteilung Strom), Herr Mag. Johannes Mayer (Leiter der Abteilung Volkswirt- schaft) und Herr Dr. Wolfgang Urbantschitsch (Leiter der Abteilung Recht). TU-Wien Das Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU-Wien unterhält u. a. Forschungsaktivitäten in den Bereichen Versorgungssicherheit, Zuverläs- sigkeit und Simulationen von elektrischen Netzen. Ansprechpartner in dem ge- genständlichen Projekt war Herr Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Gawlik. ÖKOBÜRO Das ÖKOBÜRO ist eine Allianz österreichischer Umweltorganisationen, darun- ter u. a. der WWF, Greenpeace und Global 2000. Vertreter des ÖKOBÜRO war Herr Mag. Thomas Mördinger. Die Einbindung der externen Organisationen erfolgte im Rahmen von Interviews zu Beginn des Projektes sowie eines abschließenden Workshops am Ende der Evaluierung. Inhalte, die im Rahmen dieser Evaluierung nicht näher behandelt wurden, umfassen eine Bewertung hinsichtlich des Stands der Technik von Technologien zur Verkabelung, die Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf Umwelt und Gesundheit sowie Auswirkungen der Leitung auf das Natur- und Landschaftsbild. 1.6 Aufbau der Evaluierung Der vorliegende Bericht gliedert sich in die folgenden Abschnitte: Klimapolitische Notwendigkeit Energiepolitische Rahmenbedingungen Wirtschaftliche Aspekte Darstellung der Nullvariante Die klimapolitischen Notwendigkeiten behandeln die Bedeutung von Vorgaben und Zielen auf europäischer, nationaler und Landesebene für den Ausbau des österreichischen Übertragungsnetzes. Unter den energiepolitischen Rahmenbedingungen werden u. a. Grundlagen zum Aufbau und geplanten Ausbau des österreichischen Übertragungsnetzes, die Entwicklung und Integration der Stromerzeugung aus Erneuerbaren sowie Stromspeicher und Alternativen zur geplanten 380 kV-Salzburgleitung diskutiert. Im Rahmen der wirtschaftlichen Aspekte werden die Bedeutung der 380 kV-Salz- burgleitung für den Wirtschaftsstandort Salzburg sowie die möglichen wirtschaft- lichen Auswirkung eines Verzichtes auf den Ausbau behandelt. Abschließend werden, aufbauend auf den vorhergehenden Kapiteln, die Kon- sequenzen einer Nicht-Umsetzung der 380 kV-Salzburgleitung zusammenfas- send dargestellt. 14 Umweltbundesamt Wien, 2014
380 kV-Salzburgleitung – Klimapolitische Notwendigkeit 2 KLIMAPOLITISCHE NOTWENDIGKEIT Aufgrund der Notwendigkeit, das Ausmaß des Klimawandels und der damit ver- bundenen Risiken in ausreichendem Maße zu beschränken (2 °C-Ziel) wurden von der Europäischen Kommission unterschiedliche europäische Ziele und Vor- gaben festgelegt, aus denen in weiterer Folge nationale Anforderungen abgelei- tet wurden. Darauf aufbauend wurden nationale und regionale Strategien entwi- ckelt, um den klima- und energiepolitischen Herausforderungen in effizienter und effektiver Weise begegnen zu können. 2.1 20/20/20-Ziele Im Rahmen des Klima- und Energiepaketes der europäischen Union wurden die EU-weite folgenden Ziele für den Zeitraum bis 2020 festgesetzt (Bezugsjahr 1990), wel- Zielvorgaben che im Allgemeinen als die 20/20/20-Ziele bezeichnet werden: Reduktion der Treibhausgasemissionen um 20 %, Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energieträger auf 20 % des Bruttoendenergieverbrauchs, Erhöhung der Energieeffizienz um 20 % gegenüber einer Baseline. Die wesentlichen Instrumente, um diese Zielvorgaben zu erreichen, sind dabei der Emissionshandel, die Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RL 2009/28/EG) sowie die Effort-Sharing-Entscheidung (Entscheidung 406/2009/EG). Aus diesen EU-weiten Vorgaben wurden die folgenden nationalen Zielvorgaben nationale für Österreich abgeleitet: Zielvorgaben Reduktion der Treibhausgase um 16 % in Sektoren, welche nicht vom Emis- sionshandel erfasst sind (Effort-Sharing-Bereich), bezogen auf das Jahr 2005, Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien auf insgesamt 34 %. In der aktuellsten Version der „Energiewirtschaftlichen Inputdaten und Szenarien“ Szenarien- (UMWELTBUNDESAMT 2013a, b) wurde mit dem Szenario With-Additional-Measures berechnungen (WAM) der mögliche Pfad zur Erreichung der 20/20/20-Ziele dargestellt. Dies- bezüglich wurde gegenüber dem Basis-Szenario With-Existing-Measures (WEM) im Bereich der Industrie und Energieaufbringung u. a. von einem Ausbau der Windkraft (+ 2.000 MW) sowie der Photovoltaik (+ 1.200 MW) ausgegangen. Weitere wesentliche Punkte hinsichtlich der Erreichung der Ziele stellen die Ener- gieeffizienz sowie Maßnahmen im Verkehr und bei Gebäuden dar. Das im Masterplan 2030 der Austrian Power Grid AG (APG 2013a) abgeleitete LEIT-Szenario orientiert sich u. a. an den Zielvorgaben des Klima- und Energie- paketes. Es wird davon ausgegangen, dass diese Vorgaben erreicht und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Auf europäischer Ebene wird die Bedeutung der Stromübertragungsnetze zur Erreichung der 20/20/20-Ziele u. a. in der Verordnung zu Leitlinien für die trans- europäische Energieinfrastruktur (VO 347/2013/EU) direkt genannt. Umweltbundesamt Wien, 2014 15
380 kV-Salzburgleitung – Klimapolitische Notwendigkeit 2.2 Energiestrategie Österreich Die Energiestrategie Österreich (BMWFJ & BMLFUW 2010a) baut auf den Vorga- ben des Energie- und Klimapaketes der Europäischen Union auf und nennt die zukünftigen Schwerpunkte der österreichischen Energie- und Klimapolitik. Davon 3 Strategiesäulen ausgehend wurden drei Strategiesäulen abgeleitet: Konsequente Steigerung der Energieeffizienz in allen wesentlichen Sektoren, Ausbau erneuerbarer Energien, langfristige Sicherstellung der Energieversorgung der Gesellschaft. In Bezug auf den Ausbau der erneuerbaren Energien wird für die Stromversor- gung konkret die Nutzung der Potenziale im Bereich Wasserkraft, Windkraft, Bio- masse und Photovoltaik angeführt. Hinsichtlich der langfristigen Sicherstellung der Energieversorgung werden als wesentliche Punkte die notwendigen Anpassungen der Übertragungs- und Ver- teilnetze sowie Stromspeicher genannt. Diese sind insbesondere aufgrund der verstärkten dezentralen Produktion und der damit erhöhten Übertragungsleistun- gen notwendig. Aufgrund der geografisch zentralen Lage stellt Österreich einen zentralen Knotenpunkt für die europäische Energieversorgung dar. nachhaltige Im Wesentlichen wird der verstärkte Einsatz einer nachhaltigen Energieversor- Energieversorgung gung als Kernpunkt der zukünftigen Energiepolitik gesehen. Die zentralen Ele- mente dafür stellen die Nutzung der vorhandenen Ausbaupotenziale erneuerba- rer Energien sowie der damit verbundene Ausbau der Stromnetze und -speicher dar, um die Integration der Erneuerbaren zu gewährleisten. Im Detail werden diesbezüglich die folgenden Schwerpunkte angeführt. Die Importabhängigkeit reduzieren und die Versorgung mit inländischen Energieträgern erhöhen, die österreichischen Übertragungs- und Verteilernetze und den europäischen Netzverbund ausbauen (Vollendung des europäischen Binnenmarktes), die Position im internationalen Marktumfeld stärken, die Energieeffizienz entlang der gesamten Bereitstellungskette erhöhen, den Anteil der erneuerbaren Energien signifikant erhöhen, die erneuerbaren Energien in bestehende Netzinfrastrukturen integrieren, die nachgefragten Energiemengen rechtzeitig bereitstellen, die Speicher ausreichend dimensionieren. Daraus wird abgleitet, dass eine Netzverstärkung, der Leitungsbau sowie der Ausbau der Pumpspeicher erforderlich sind, um bereits bestehende Engpässe zu entlasten und den zukünftigen Ausbau der nachhaltigen Stromerzeugung in großem Maße zu ermöglichen. 16 Umweltbundesamt Wien, 2014
380 kV-Salzburgleitung – Klimapolitische Notwendigkeit 2.3 Ziele für 2030 Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung (KOM/2014/15) vom 22. Jän- ner 2014 vorgeschlagen, ein EU-weites Ziel zur Treibhausgasreduktion von 40 % bis 2030 gegenüber 1990 festzulegen. Dies steht im Einklang mit dem in der Low Carbon Roadmap 2050 (KOM/2011/112) und dem Energiefahrplan 2050 (KOM/2011/885) ausgewiesenen kosteneffizienten Pfad zu einer wettbewerbs- fähigen und kohlenstoffarmen Wirtschaft 2050. Für erneuerbare Energieträger ist ein Anteil von 27 % vorgesehen. Im Strombereich sind in dem Impact Assess- ment der Europäischen Kommission (EK 2014) insbesondere die im Folgenden genannten Punkte relevant. Bei den erneuerbaren Energien hat die EU ihre Zwischenziele erreicht, doch müssen die Mitgliedstaaten noch mehr tun, wenn das 20 %-Ziel bis 2020 er- reicht werden soll.3 […] Die mittel- bis langfristige Energieversorgungssicherheit der EU bleibt ein heik- ler Punkt, da die EU dauerhaft von Energieeinfuhren aus zum Teil politisch instabilen Regionen abhängt und auf den Einsatz fossiler Brennstoffe ange- wiesen ist, was auf lange Sicht mit den Klima- und Energiezielen der EU nicht vereinbar ist. Die allmähliche Erschöpfung der EU-Vorkommen an kon- ventionellen fossilen Brennstoffen und die gleichzeitig zu erwartenden hohen und volatilen Einfuhrpreise fossiler Brennstoffe setzen Teile der EU-Industrie unter Druck. Das EU-Energiesystem braucht umfangreiche Investitionen in die Energie- infrastruktur und die Stromerzeugung, um mittel- bis langfristig rentabel und nachhaltig zu sein. In naher Zukunft finanzierte Infrastruktur wird 2030 und danach noch immer bestehen. […] Bei der Sicherstellung eines sicheren, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Zugangs zu Energie werden die Mitgliedstaaten zunehmend voneinander ab- hängig. Außerdem kostet der Übergang zu einem anderen Energiesystem we- niger, wenn die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. […] Auf Basis unterschiedlicher Szenarien wurden u. a. die folgenden Konsequenzen mit Bezug zum Stromsektor abgeleitet: Im Stromsektor (einschließlich Fernwärme und Kraft-Wärme-Kopplung) wird mit 48–66 % die höchste THG-Emissionsminderung gegenüber 2005 erwar- tet, was das Potenzial dieses Sektors für eine kosteneffiziente Emissionsmin- derung widerspiegelt. Durch die geringere Verwendung fossiler Brennstoffe geht auch die Luftver- schmutzung deutlich zurück. Die geringere Sterblichkeit lässt sich auch wirt- schaftlich beziffern: Der durch die verringerte Luftverschmutzung bewirkte Rückgang von Gesundheitsschäden wird mit 2,9–35,5 Mrd. € veranschlagt, je nach Szenario und dem zugrunde gelegten „Wert des verlorenen Lebens- jahres“. Die Kosten der Bekämpfung der Luftverschmutzung sinken durch die Änderung des Energiemix und die geringere Emission von Luftschadstoffen ebenfalls um 0,9–7 Mrd. € jährlich. Die Szenarien mit ehrgeizigen Energieef- fizienzmaßnahmen und Maßnahmen für erneuerbare Energien sehen deutlich höhere positive Auswirkungen für die Umwelt und Gesundheit vor (besonders ausgeprägt bei der Minderung von Feinstaub und Stickstoffoxiden). 3 Siehe den „Fortschrittsbericht Erneuerbare Energien“ der Kommission (KOM/2013/175) Umweltbundesamt Wien, 2014 17
380 kV-Salzburgleitung – Klimapolitische Notwendigkeit Die durchschnittlichen Änderungen des Strompreises bis 2030 reichen von –1,1 % bis 11,3 % gegenüber dem Referenzszenario, wobei der niedrigste Preis in dem Szenario prognostiziert wird, das eine THG-Zielvorgabe von 40 % mit ehrgeizigen Energieeffizienzmaßnahmen kombiniert. Alle Szenarien, bei denen eine Minderung der THG-Emissionen um 40 % erzielt wird, führen zu einem relativ geringfügigen Anstieg des Strompreises gegenüber dem Refe- renzszenario. 2.4 Energiefahrplan 2050 THG-Emissionen Um die durch den Klimawandel verursachte Erwärmung auf ein Ausmaß von we- um 80–95 % senken niger als 2 °C zu beschränken, hat sich die Europäische Union dazu verpflich- tet, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 insgesamt um 80–95 % ge- genüber jenen im Jahr 1990 zu senken (KOM/2011/885; EK 2009). Im Rahmen des Fahrplans für den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO2- armen Wirtschaft bis 2050 (KOM/2011/112) hat die Europäische Kommission untersucht, welche Implikationen sich aus diesem Ziel ableiten. Auf Basis mo- dellbasierter Untersuchungen mit mehreren möglichen Szenarien wurde analy- siert, wie die Vorgaben im Detail erreicht werden können. Es stellte sich heraus, dass der kostengünstigste Weg darin liegt, bereits ambitionierte Zwischenziele einzuhalten – d. h. eine Absenkung der THG-Emissionen um 40 % bis 2030 und um 60 % bis 2040 (Referenzjahr 1990). Der Pfad zur Erreichung dieses Zieles ist in Abbildung 4 dargestellt. Die rote Linie zeigt die zukünftige Entwicklung auf Basis der bestehenden Maßnahmen (20/20/20-Ziele). Pfad zur Verringerung der THG-Emissionen in der EU um 80 % Quelle: KOM/2011/112 Abbildung 4: Pfad zur Verringerung der THG-Emissionen in der EU um 80 % (gegenüber dem Jahr 1990). 18 Umweltbundesamt Wien, 2014
380 kV-Salzburgleitung – Klimapolitische Notwendigkeit Eine Aufschlüsselung nach den einzelnen Sektoren zeigt, dass THG-Emissio- nen aus der Stromerzeugung bis zum Jahr 2030 um 54–68 % abnehmen müss- ten. Für das Jahr 2050 ist vorgesehen, die Emissionen um 93–99 % gegenüber dem Wert aus dem Jahr 1990 zu mindern. Dem Stromsektor kommt damit eine Schlüsselrolle zu, um das Gesamtziel im Jahr 2050 erreichen zu können. Um die oben angeführten Herausforderungen bewerkstelligen zu können, ist ein maßgeblicher Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen und ein da- mit verbundener Ausbau der Netze, um diese integrieren zu können, unabdingbar. 2.5 Salzburg 2050 Aufbauend auf einem Grundsatzbeschluss zur Energiewende der Salzburger Landesregierung wurde im Rahmen einer Arbeitsgruppe ein Klimaschutz- und Energieeffizienzprogramm für Salzburg entwickelt (SZBG. LR). Das Ergebnis stellt der Zielpfad „Salzburg 2050 klimaneutral.energieautonom.nachhaltig“ dar. Im Rahmen dieses Pfades wurden Zwischenziele für die Jahre 2020, 2030 und 2040 festgelegt, welche zusammen mit einem Maßnahmenprogramm von der Salz- burger Landesregierung beschlossen wurden (siehe Abbildung 5). Zielpfad „Salzburg 2050 klimaneutral.energieautonom.nachhaltig“ Quelle: Szbg. LR, Salzburg 2050 Abbildung 5: Zielpfad „Salzburg 2050 klimaneutral.energieautonom.nachhaltig“. Wie aus Abbildung 5 ersichtlich, stellen die vereinbarten Zwischenziele Heraus- Eckpunkte des forderungen dar, welche weit über die Österreichischen Ziele und Vorgaben hi- Zielpfades nausgehen. Hinsichtlich der beschlossenen Maßnahmen mit Bezug zur Strom- erzeugung und -übertragung sind u. a. die folgenden Punkte enthalten (SZBG. LR): Energetische Optimierung von Wasserkraftwerken, Einsatz von Photovoltaik alternativ zu thermischen Solaranlagen bei Fernwärme-Versorgung, Umweltbundesamt Wien, 2014 19
380 kV-Salzburgleitung – Klimapolitische Notwendigkeit Landesgebäude zur regenerativen Stromerzeugung, Schaffung der rechtlichen Grundlagen für den Ausbau erneuerbarer Energien im Land Salzburg. Gemäß der Szenarioanalyse von TRETTER et al. (2013) werden Zuwächse an Stromerzeugung aus Erneuerbaren von 80–100 MW aus Wasserkraft, rund 20 MW aus Windkraft und 110 MWpeak aus Photovoltaik erwartet. In Bezug auf die Photovoltaik wird davon ausgegangen, dass dadurch im Jahr 2020 rund 3 % am gesamten Stromverbrauch abgedeckt werden können. 2.6 Welche Bedeutung hat die Salzburgleitung für die Senkung der THG-Emissionen? Ein wesentlicher Beitrag, den der Energiesektor für die Senkung der THG-Emis- sionen leisten kann, liegt in erster Linie in einer möglichst hohen Steigerung des Anteils erneuerbarer Energiequellen für die Stromproduktion. Um diese Steige- ausreichende rung gewährleisten zu können ist es notwendig, dass eine ausreichende Über- Übertragungs- tragungskapazität zur Verfügung steht, um sowohl den lokal erzeugten Strom zu kapazität den entsprechenden Verbrauchern abführen zu können, als auch bei entspre- chendem Bedarf nachhaltig produzierten Strom aus anderen Regionen beziehen zu können. Stromspeicher In diesem Zusammenhang spielen auch Stromspeicher eine wesentliche Rolle, da sie es ermöglichen, überschüssigen Strom aus Erneuerbaren zu speichern und bei Bedarf die Energie zeitlich entkoppelt zur Verfügung zu stellen. Dazu ist eine ausreichende Anbindung der Speicherstandorte notwendig, um einen un- gehinderten Stromtransport zwischen Erzeugern, Speichern und Verbrauchern zu gewährleisten. 2.7 Welche Bedeutung hat die Salzburgleitung für die Erhöhung des Anteiles erneuerbarer Energieträger? Neben der Stromerzeugung aus Wasserkraft und Biomasse, deren weiterer Aus- bau nur noch in begrenztem Maße möglich ist, werden als wesentliche Säulen der Energiewende die Photovoltaik und Windkraft gesehen. Im Gegensatz zu den Wasserkraft- und Biomassekraftwerken erfolgt die Strom- erzeugung aus Photovoltaik und Windkraft volatil und ist außerdem nur schwer prognostizierbar. Um die zukünftige Stromproduktion zum Großteil aus Erneuer- baren zu ermöglichen, ist es notwendig, lokal überschüssige Strommengen zu Orten mit gegebenem Bedarf bzw. zu Speichern zu transportieren. Aufgrund der ausreichende installierten Kapazitäten können dabei signifikante Erzeugungsspitzen auftreten. Übertragungs- Daher müssen ausreichende Übertragungskapazitäten zur Verfügung stehen, kapazität um einen stabilen Netzbetrieb zu gewährleisten. Dies trifft auch auf die Netze der Salzburg AG zu, für die eine leistungsfähige Anbindung an die 380 kV-Ebene notwendig ist, um den aus Erneuerbaren erzeugten Strom abführen zu können. 20 Umweltbundesamt Wien, 2014
380 kV-Salzburgleitung – Klimapolitische Notwendigkeit In Hinblick auf die Ziele 2020, deren Erreichung im Rahmen der Energiewirt- schaftlichen Inputdaten und Szenarien (UMWELTBUNDESAMT 2013) im Szenario With-Additional-Measures (WAM) dargestellt wurde, steigen die installierten Ka- pazitäten für Photovoltaik auf rund 1.300 MWpeak und für Windkraft auf rund 2.900 MW (vergleiche auch Kapitel 3.3.2). Auch hinsichtlich der weiteren EU-weiten, österreichischen und regionalen Ziele Ausbau der ist der zukünftige Ausbau der Stromproduktion aus nachhaltigen Quellen we- nachhaltigen sentlich. Mit dem Ausbau ist eine entsprechende Anpassung der Übertragungs- Stromproduktion netze unabdingbar, um einen zuverlässigen Energieaustausch im gesamten eu- ropäischen Stromnetz sicherzustellen. In den Studien von BOXLEITNER et al. (2011) und GROIß (2013), ergeben sich auch für einen vollständig geschlossenen 380 kV-Ring Stromflüsse, welche das Netz bis an die Grenzen (unter Einhaltung des (n-1)-Kriteriums; siehe Kapitel 3.2) belasten. In Hinblick auf das europäische Marktgebiet, in dem es aufgrund der volatilen und lokal unterschiedlichen Stromerzeugung aus Erneuerbaren zu stark steigen- den internationalen Stromflüssen kommen wird, sind entsprechende Übertra- gungskapazitäten ebenfalls notwendig. Ohne die Möglichkeit, national erzeugte Strommengen effizient und zuverlässig in Speicher oder zu internationalen Verbrauchern übertragen zu können bzw. – umgekehrt – den in Europa verteilten, nachhaltig erzeugten Strom zu nationalen Verbrauchern leiten zu können, wird es weder möglich sein, den Strombedarf nachhaltig zu bedienen noch eine sichere und qualitative hochwertige Stromver- sorgung zu gewährleisten. 2.8 Welche Bedeutung hat die Salzburgleitung für die Steigerung der Energieeffizienz? Maßgeblich für einen effizienten Einsatz der zur Verfügung stehenden Energie- quellen ist es, sie dem Bedarf entsprechend zur Verfügung stellen zu können. Bestehen zwischen dem Ort der effizienten und nachhaltigen Stromproduktion und dem Verbraucher keine ausreichenden Übertragungskapazitäten, muss der Bedarf durch lokale Anlagen gedeckt werden. Da es sich in diesem Fall meist um konventionelle Kraftwerke handelt, die ansonsten nicht in Betrieb wären, führt dies neben einem zusätzlichen Energieverbrauch an fossilen Energieträgern auch zu erhöhten Emissionen sowie zusätzlichen Kosten. Ebenfalls nachteilig hinsichtlich der Energieeffizienz ist die diskutierte Alternative, Hochtemperatur- die bestehende Salzburgleitung mittels Hochtemperaturleiterseilen auszustatten. leiterseile Durch den Einsatz dieser Leiterseile, welche bis zu einer Temperatur von 200 °C betrieben werden können, kann die Übertragungsleistung ungefähr verdoppelt werden (DENA 2012, MOLLY et al. 2010). Diese liegt aber noch immer wesentlich unter der Leistung der geplanten 380 kV-Leitung (RITTER & VEIGL 2007). Auf- grund der hohen Betriebstemperatur stellt der höhere Widerstand einen wesent- lichen zu berücksichtigenden Faktor dar. Umweltbundesamt Wien, 2014 21
380 kV-Salzburgleitung – Energiepolitische Rahmenbedingungen 3 ENERGIEPOLITISCHE RAHMENBEDINGUNGEN Obwohl Strom aktuell nur einen Beitrag von 19,8 % am energetischen Endver- brauch in Salzburg hat (Österreich: 20,5 %), ist eine sichere, leistbare und nach- haltige Stromversorgung zentrales Element einer erfolgreichen Energiepolitik. europäisches Die öffentliche Stromversorgung in Österreich erfolgt durch ein kontinentaleuro- Verbundnetz päisches Verbundnetz. In diesem Verbundnetz sind sämtliche Erzeuger und Ver- braucher über unterschiedliche Verteil- und Übertragungsnetze miteinander ver- bunden. Dabei bedingen die physikalischen Eigenschaften elektrischer Netze, dass zu jedem Zeitpunkt die Stromeinspeisung und der Verbrauch (inkl. Spei- cher) aufeinander abgestimmt sein müssen, um einen stabilen und zuverlässi- gen Netzbetrieb zu gewährleisten (für Details siehe auch Kapitel 3.1). Im Rah- men des europäischen Verbundnetzes ist dies mit einem entsprechend hohen Aufwand verbunden. Die Verteilung und Übertragung von elektrischer Energie erfolgt in den Strom- netzen auf unterschiedlichen Spannungs- und Leistungskategorien. Spannungsnetze Im Höchstspannungsnetz mit Spannungen von 220 kV und 380 kV sowie im Hochspannungsnetz mit 110 kV erfolgt die Übertragung und Verteilung über wei- te Distanzen. In das Höchstspannungsnetz speisen große Kraftwerke ein (Was- serkraft, fossile Kraftwerke). Auf der Ebene der Verteilnetze mit 110 kV erfolgt die Einspeisung aus industriellen und kleineren Kraftwerken sowie zum Teil aus Windkraftanlagen (Windparks). Direkte Abnehmer stellen in dieser Leistungska- tegorie große industrielle Anlagen dar. Auf Basis der Mittelspannungsnetze (1–50 kV) erfolgt die Verteilung der Ener- gie auf lokaler Ebene in Form von Stadt- oder Ortsnetzen. Eine Einspeisung auf dieser Spannungsebene erfolgt meist durch Windkraft und Solaranlagen. Direk- te Abnehmer stellen industrielle Betriebe dar. Auf der Niederspannungsebene (400 V) erfolgt die Versorgung der Kleinver- braucher (z. B. Haushalte). Eine Einspeisung erfolgt meist durch kleine Solaran- lagen. Zur Gewährleistung eines zukunftsfähigen Energiesystems ist eine ausreichen- de gegenseitige Berücksichtigung im energiepolitischen Dreieck Versorgungs- sicherheit – Wirtschaftlichkeit – Umweltverträglichkeit notwendig (Interview mit W. Gawlik am 23.01.2014, VGB POWERTECH 2005; siehe Abbildung 6). 22 Umweltbundesamt Wien, 2014
380 kV-Salzburgleitung – Energiepolitische Rahmenbedingungen Zieledreieck der Energiewirtschaft Umweltverträglichkeit Wirtschaftlichkeit Versorgungssicherheit Quellen: Interview mit W. Gawlik am 23.01.2014, VGB PowerTech 2005 Abbildung 6: Zieledreieck der Energiewirtschaft. Hinsichtlich der Umweltverträglichkeit ist eine Reihe von Aspekten zu betrachten: Umwelt- Eingriffe in die Natur sind zu begrenzen, Ressourcen (dies inkludiert auch erneu- verträglichkeit erbare Ressourcen wie Biomasse oder Wasserkraft) sind zu schonen und der Ausstoß von Schadstoffen in die Umwelt ist zu minimieren. Insbesondere sind Emissionen von klimaschädlichen Gasen schrittweise zu vermindern und mittel- bis langfristig zu vermeiden. Dies ist nur durch eine hohe Steigerung der Effizienz, Nutzung von Einsparmöglichkeiten und einen parallelen Ausbau erneuerbarer Energiequellen wie Photovoltaik und Windkraft möglich, um den Einsatz fossiler Brennstoffe und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen zu minimieren. Die Wirtschaftlichkeit muss gegeben sein, um marktfähige und leistbare Strom- Wirtschaftlichkeit preise bei gleichzeitig hoher Versorgungsqualität zu gewährleisten. Dies ist not- wendig, damit sowohl die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrie- und Gewerbebetriebe als auch eine sozial verträgliche Energieversorgung der Be- völkerung (Vermeidung von Energiearmut) gewährleistet werden können. Bei der Versorgungssicherheit ist die langfristig gesicherte Energieversorgung von Versorgungs- Bedeutung, wie sie durch eine nachhaltige Stromproduktion gewährleistet werden sicherheit kann. Hier gilt es nicht nur, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern sukzes- sive zu vermindern, sondern auch Voraussetzungen zu schaffen, um die volatile Aufbringung mancher erneuerbarer Energieträger verlässlich managen zu können. Unter anderem ist dafür auf Basis ausreichender Erzeugungs- und Übertragungs- kapazitäten eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen. 3.1 Netzstabilität Hinsichtlich der Stabilität von Stromnetzen wird zwischen Frequenz- und Span- nungsstabilität unterschieden. Zur Gewährleistung der Frequenzstabilität ist es notwendig, dass die Menge an Frequenzstabilität bereitgestelltem Strom genau dem aktuellen Verbrauch entspricht. Wird dieses Gleichgewicht aufgrund geänderter Erzeugung oder verändertem Bedarf gestört, führt dies in erster Linie zu einer Energiezufuhr bzw. -entnahme an den Schwung- Umweltbundesamt Wien, 2014 23
380 kV-Salzburgleitung – Energiepolitische Rahmenbedingungen massen der Generatoren („Rotierende Massen“) und beeinflusst damit die Rota- tionsgeschwindigkeit sowie in weiterer Folge die Frequenz des erzeugten Stro- mes. Eine Steigerung des Verbrauches führt somit zu einer Energieentnahme aus den Schwungmassen und damit zu einer Absenkung der Netzfrequenz. Auf eine Änderung der Rotationsgeschwindigkeit wird mittels automatischer Prozess- steuerungen in Kraftwerken innerhalb von Sekunden reagiert. Primär-, Sekundär- Diese Regelung wird als Primärregelung bezeichnet. Um die nur sehr begrenzt & Tertiärregelung zur Verfügung stehende Primärregelung zu entlasten, werden umgehend vor- gehaltene Kraftwerksreserven aktiviert, welche als Sekundärregelung bezeich- net werden. Zur Gewährleistung eines stabilen Betriebes werden die Schwan- kungen im Stromverbrauch, welche temporär durch Primär- und Sekundärrege- lung abgefedert wurden, anschließend durch eine Anpassung der Stromerzeu- gung im Rahmen der Tertiärregelung (Minutenreserve) ausgeglichen. Zur Stabi- lisierung der Netzfrequenz stellt das Verbundnetz einen wesentlichen Faktor dar, da dadurch jederzeit eine große Anzahl an Kraftwerken in das Netz ein- speisen und so Schwankungen beim Bedarf gut abfedern können. Dies stellte daher bereits vor dem Energiebinnenmarkt einen wesentlichen Treiber für den Aufbau des Verbundnetzes dar (Interview mit W. Gawlik am 23.01.2014). Während bisher immer die Erzeugung an den bestehenden Bedarf abgestimmt wurde, ist in Zukunft von einer Umkehrung auszugehen. Aufgrund der signifikan- ten Zunahme der Stromerzeugung aus volatilen erneuerbaren Quellen wird es zukünftig notwendig sein, den Verbrauch an die gegebene Stromerzeugung an- zupassen (z. B. mittels Demand-Side-Management). Spannungsstabilität Im Gegensatz zur Netzfrequenz, die über das gesamte Verbundnetz gleich ist, stellt die Spannung eine lokale Größe dar, die zwischen den einzelnen Knoten- punkten sehr unterschiedlich sein kann und von den Eigenschaften des Netzes beeinflusst wird. Wesentlichen für die Spannung sind Blindleistungsflüsse, wel- che beispielsweise durch den Betrieb und insbesondere die Inbetriebnahme gro- ßer Motoren verursacht werden (SPRINGER 2009). Zur Stabilisierung der Span- nung sind in solchen Fällen Gegenmaßnahmen durch lokale Kraftwerke (Blind- leistungseinspeisung) zu ergreifen (Interview mit W. Gawlik am 23.01.2014). 3.2 Österreichisches Ringnetzwerk Übertragungsnetze weisen im Allgemeinen eine vermaschte Struktur auf, insbe- sondere auf der 380 kV-Ebene, welche die höchste Spannungsebene im ENTSO- E-Netz (Netzwerk der europäischen Übertragungsnetzbetreiber) darstellt. Die ver- maschte Struktur, bei der die Einspeise- und Entnahmepunkte über viele Knoten verbunden sind, dient hauptsächlich Redundanzgründen. Fällt eine Leitung in- nerhalb des Netzes aus, können die Ströme über die anderen Leitungen umge- leitet werden, ohne dass es zu relevanten Auswirkungen auf die gesamte Strom- (n-1)-Kriterium versorgung kommt. Insbesondere ist hier das sogenannte (n-1)-Kriterium zu er- wähnen, das von den Netzbetreibern gewährleistet werden muss. Dieses Krite- rium besagt, dass auch bei Ausfall einer Anlage oder Leitung die verbleibende Infrastruktur einen sicheren Betrieb gewährleisten muss (siehe Abbildung 7). Ei- ne der Hauptaufgaben der Netzbetreiber besteht deshalb darin, mögliche (n-1)- Verletzungen bereits im Vorfeld zu identifizieren und rechtzeitig Gegenmaßnah- men zu setzen, um einen Betriebszustand ohne Redundanzen zu verhindern. 24 Umweltbundesamt Wien, 2014
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