"Nudging im Kontext des digitalen Wandels" - DRESDEN-concept

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"Nudging im Kontext des digitalen Wandels" - DRESDEN-concept
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               Brown Bag Meeting
 „Nudging im Kontext des digitalen
            Wandels“

                       6. Februar 2019
     Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung
                           Dresden

Eine Veranstaltung im Rahmen des Scientific Area Network
  „Wandel durch Digitalisierung“ (SAN-III) innerhalb des
                    DRESDEN-concept
"Nudging im Kontext des digitalen Wandels" - DRESDEN-concept
Mathias Hofmann, TU Dresden, Medienzentrum
mathias.hofmann@tu-dresden.de

Nudging: Psychologische Grundlagen

CC-BY-4.0 Mathias Hofmann 2019, TU Dresden (soweit nicht anders angegeben)
"Nudging im Kontext des digitalen Wandels" - DRESDEN-concept
Nuding: Psychologische Grundlagen
Wirkung Situation → Verhalten:
Hintergründe
 Situation (Umwelt) ist Auslöser für
 gewohnheitsmäßiges Verhalten → starker Prädiktor
 für Verhalten
 gewohnheitsmäßige Verhaltensweisen entlasten uns
 von elaborierter Verarbeitung wiederkehrender
 Situationen
 viel Verhalten ist automatisiert, läuft
 gewohnheitsmäßig ab
"Nudging im Kontext des digitalen Wandels" - DRESDEN-concept
CC-BY-3.0: Николай Максимович. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:London_-_look_right_-_panoramio.jpg
"Nudging im Kontext des digitalen Wandels" - DRESDEN-concept
CC-BY-3.0-CH: Gustav Broennimann. https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Urinal_Fly.JPG
"Nudging im Kontext des digitalen Wandels" - DRESDEN-concept
Begriffsbestimmung
Nudges

  sind kleine Anstöße (wörtlich: »Stupser«)
  lenken das Verhalten von Menschen in eine Richtung
  … zum Vorteil der Gesellschaft
  … ohne Nachteil für die betreffende Person

Psychologische Ansatzpunkte
  Kognitive Defizite oder automatisierte mentaler Prozesse
  Unwissen, Ignoranz (z. B. freiwillge Altersvorsorge)
  Trägheit (z. B. Standard-Steuersätze)
  Willensschwäche
  Vermeidung unangenehmer Gedanken

Keine ganz neue Erfindung
  Wirtschaft nutzt solche Techniken schon lange
  Als politisches Instrument sind Nudges jedoch noch relativ jung.
Evaluation einer Nudging-Intervention

van Kleef, E., Otten, K., & van Trijp, H. C. (2012). Healthy snacks at the checkout counter: a lab and field study on the impact
of shelf arrangement and assortment structure on consumer choices. BMC Public Health, 12, 1072--1072, doi: 10/gbck63.
Evaluation einer Nudging-Intervention

van Kleef, E., Otten, K., & van Trijp, H. C. (2012). Healthy snacks at the checkout counter: a lab and field study on the impact
of shelf arrangement and assortment structure on consumer choices. BMC Public Health, 12, 1072--1072, doi: 10/gbck63.
Interventionen für Nachhaltigkeit
Nudging für Nachhaltigkeit: Green default rules
   Drucker-Voreinstellungen in Büros
   Ökostrom als Standard (Schönau/Schwarzwald; Energiedienst GmbH)

Sunstein, C. R. & Reisch, L. A. (2014). Automatically green: behavioral economics and environmental protection. Harvard
   Environmental Law Review, 38(1), 127-158.
Pichert, D. & Katsikopoulos, K. V. (2008). Green defaults: information presentation and pro-environmental behaviour. Journal
   of Environmental Psychology, 28(1), 63 - 73, doi: 10/drdvs2.
Ethisch sensibles Nudging

Nach: Hansen, P. G. & Jespersen, A. M. (2013). Nudge and the manipulation of choice: a framework for the responsible use
of the nudge approach to behaviour change in public policy. European Journal of Risk Regulation, 4(1), 3.28.
Institut für Geistiges Eigentum, Technikrecht und Medienrecht

https://tu-dresden.de/gsw/jura/igetem

                            Nudging –
                   eine juristische Perspektive

                                06.02.2019
Nudging

= „Aspekt der Entscheidungsstruktur, welcher das Verhalten der
Menschen in einem vorhersehbaren Maß verändert, ohne eine
Handlungsoption zu verbieten oder deren ökonomischen
Anreizstrukturen zu verändern.“

                                        Sunstein in: Thaler/Sunstein, Nudge, 2008, 6

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             29.01.2019
Wesentliche Anwendungsbereiche Big-Data-gestützter
Verhaltensbeeinflussung
•   Innerbetriebliche Steuerung
    - Uber Driver App
    - Standard-Einstellung der Universitätskopierer auf doppelseitig
•   Beeinflussung von Kunden
    Nudgr: soll Kund*innen möglichst lange auf den Webseiten von
    Online-Shops halten, z.B. durch Pop-Ups.
    Flugvermittlungsportale: „nur noch wenige Plätze verfügbar“
•   Selbstbeobachtung und Selbstbeeinflussung
    Wearables, Fitnesstracker
                                                                    Grafenstein/Hölzel/Irgmaier/Pohle,
                      Nudging – Regulierung durch Big Data und Verhaltenswissenschaften, 2018, S. 25 ff.

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„Libertärer Paternalismus“: Verhaltensbeeinflussung durch den Staat

-   UK: Behavioural Insights Team (BIT) als Teil des Cabinet Office 2010
    gegründet
-   Auch die deutsche Bundesregierung soll bereits seit 2014 Nudging zum
    Thema „wirksames Regieren“ erproben.

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                29.01.2019
„Libertärer Paternalismus“: Verhaltensbeeinflussung durch den Staat

Bsp. für verhaltensbasierte Regulierung und Kommunikation:
- Umstellung des freiwilligen Altersvorsorgeprogramms von Opt-in zu
  Opt-out in UK
- Personalisierte Kfz-Steuerbescheide: Wenn Foto des eigenen Autos
  abgebildet, stieg Rate der pünktlichen Zahler von 40% auf 49% in UK
- Hinweis auf Steuerbescheid, dass „die meisten Menschen“ pünktlich
  zahlen in UK
- Autobahn-Schilder

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Rechtliche Fragen
Bei staatlichen Maßnahmen:

Liegt ein Eingriff in Grundrechte vor (z.B. Art. 2 I GG)?

Nudges bewirken Änderung des Verhaltens, schränken
Entscheidungsfreiheit nicht ein, üben keinen Zwang aus.

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Rechtliche Fragen - bei staatlichen Maßnahmen:

Wenn Eingriff in Grundrechte:

- Grundsatz des Gesetzesvorbehalts; Rechtfertigung erforderlich

- Der Nudge ist grds. zulässig, wenn er verhältnismäßig ist, d.h. wenn das
mit dem Nudge verfolgte legitime Ziel gegenüber der individuellen
Entscheidungsfreiheit überwiegt.

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Rechtliche Fragen - bei staatlichen Maßnahmen:

Maßstäbe streitig, abhängig von Verhältnis zwischen Staat und
Individuum:

Nudge unter Umständen gegenüber klassischer Regulierung durch Ge-
und Verbote vorzugswürdig, da milderer Eingriff?

       Purnhagen/Reisch, “Nudging Germany”? Herausforderungen für eine verhaltensbasierte
                                      Regulierung in Deutschland, ZEuP 2016, 629 (650f.)

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                  29.01.2019
Rechtliche Fragen - bei staatlichen Maßnahmen:
Oder: „Der demokratische Rechtsstaat rechnet Verantwortung klar zu – mit der
Folge, dass politische Maßnahmen Handelnden zugeordnet werden und eine
Regierung – eine Politik – sodann abgewählt werden kann. Auch wenn der Staat
nur lockt und der Bürger handelt, darf ein Anreiz in aller Regel nicht im
Verborgenen und nicht im Unbewussten gesetzt werden. (…) „Nudging“ ist nicht
grundsätzlich freiheitsgerecht oder verfassungswidrig. Im Rechtsstaat muss es
aber die wohl begründete Ausnahme bleiben. Denn das Grundgesetz warnt
nachdrücklich vor einem „Schupsen“, das eine bewusste Gegenwehr ausschaltet,
dem Bürger das Recht raubt, jedenfalls im Privatbereich in Ruhe gelassen zu
werden, Staatsaufgaben und staatliche Handlungsmittel konturenlos werden lässt
und die Balance von Freiheit und Ordnung, von Gesellschaft und öffentlicher Hand
gefährdet.“            Kirchhof ZRP 2015, 136 ff.

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Rechtliche Fragen - bei staatlichen Maßnahmen:

Daher flankierend Maßnahmen erforderlich, um Transparenz zu schaffen?

Register über Nudging-Maßnahmen, damit Maßnahmen sowohl rechtlich
als auch politisch angegriffen werden können?
(so Grafenstein/Hölzel/Irgmaier/Pohle, o. Folie 3, S. S. 88, 109, 111ff.)

Aber: Praktikabilität?

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                IGETeM / Lauber-Rönsberg                  Folie 10
                29.01.2019
Rechtliche Fragen - bei Maßnahmen Privater:
z.B. Geschäftspraktiken: Lauterkeitsrecht

   Verboten sind „irreführende Handlungen“ (§ 5 UWG),
    z.B. unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben
    über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie
    Verfügbarkeit, … (§ 5 I Nr. 1 UWG)
   Verboten sind „aggressive geschäftliche Handlungen“
    (§ 4a UWG)
    aggressiv = erhebliche Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit
   Verbraucherleitbild: durchschnittlich informiert, aufmerksam und
    verständig!

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                 IGETeM / Lauber-Rönsberg                 Folie 11
                 29.01.2019
Rechtliche Fragen - bei Maßnahmen Privater:

z.B. Datenschutzrecht:

   Informierte Einwilligung
   Einschränkung der automatisierten Entscheidungsfindung
   Informationspflichten, bei automatisierter Entscheidungsfindung
    einschl. „aussagekräftiger Informationen über die involvierte Logik sowie
    die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen
    Verarbeitung für die betroffene Person“

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                 IGETeM / Lauber-Rönsberg                  Folie 12
                 29.01.2019
Nudging für eine nachhaltige
    Stadtentwicklung?

 Dresden Concept-Netzwerk SAN III
          Arbeitsgruppe
   „Wandel durch Digitalisierung“
            06.02.2019

      Dr. Kerstin Krellenberg
         Dr. Robert Hecht
Leitfragen
 Wie können „kluge“ Entscheidungen für eine
 nachhaltige Stadtentwicklung angestoßen
 werden?
       Wie können unterschiedliche gesellschaftliche
       Gruppen und Akteure einbezogen bzw. „gestupst“
       werden, ohne dass auf Ge- oder Verbote o.ä.
       zurückgegriffen wird?

www.ioer.de
06.02.2019
Aspekte nachhaltiger
                    Stadtentwicklung
               - das meinGrün Projekt (BMVI 2018-2021)

     Inwertsetzung ökosystemarer Dienstleistungen
          Qualität und Erreichbarkeit von Grünflächen
     Partizipation und Teilhabe
          Einbeziehung von Nutzungspräferenzen

Aufbau eines multi-kriteriellen Entscheidungssystems
          WebApp basierend auf Big-Data
 www.ioer.de
 06.02.2019
meinGrün: Konzept, Umsetzung und
                             Pilotierung

                                  Welche Grünflächen sind
                                  für mich geeignet?
                                  Und wie komme ich dort hin?

Quelle: https://openclipart.org                                                    Quelle: https://openclipart.org

     Pilotstädte: Dresden und Heidelberg                        http://meingruen.ioer.info/

              www.ioer.de
              06.02.2019
Nudging durch MeinGrün?
Nudges = „kleine Anstöße, die
Menschen in eine (für die
Gesellschaft und vermeintlich auch
für sie) vorteilhafte Richtung
«stupsen»“
Quelle: Thaler, R. H. & Sunstein, C. R. (2008). Nudge: improving decisions about
health, wealth, and happiness. New Haven: Yale University Press.

Einflussnahme auf das Verhalten
mittels veränderter Präsentation
durch Karten (z.B. gezieltes
Betonen/Priorisierung)                                                             Quelle: Monmonier, M (2018): How to Lie with Maps.
                                                                                   Third Edition University of Chicago Press

www.ioer.de
06.02.2019
Nudging durch MeinGrün?

„Beeinflussung“ der Nutzungsentscheidungen?

Mögliche positive Effekte?
    Zunahme der Nutzung von Grünflächen
         Erholung, Soziale Interaktion, Gesundheit (Kühlung, Sport), Tourismus

Mögliche negative Effekte?
    Re-bound-Effekte
         Im Extremfall: „Übernutzung“/Zerstörung ökosystemarer
         Dienstleistungen

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06.02.2019
Nudging durch MeinGrün?
Beispiel 1: Entscheidungsunterstützungssystem
mit vordefinierten Kriterien und Gewichten
(„Defaults“)
         Gezieltes „Vorenthalten“ von Informationen um
         z.B. Naturschutzbelange zu berücksichtigen oder
         Besucherströme zu lenken

Beispiel 2: Navigationsunterstützung nur für
nichtmotorisierte („gesunde“) Fortbewegung
         Gezielte Fokussierung auf Fuß-/Radverkehr

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06.02.2019
Offene Fragen zur Diskussion
Wie kann die „Legitimation“ des Einsatzes von
Nudges im Rahmen von meinGrün geprüft werden?
Wer kreiert Nudges? (Projektkonsortium oder
Stadt)
Wie kann die Wirksamkeit von Nudging evaluiert
werden?
Welche weiteren Nudges könnten experimentell
erprobt werden?
Welche „Gefahren“ gehen von Nudging aus?

www.ioer.de
06.02.2019
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