OBRIGKEIT VON DER PREUSSISCHEN - Landkreistag NRW

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OBRIGKEIT VON DER PREUSSISCHEN - Landkreistag NRW
VON DER PREUSSISCHEN
OBRIGKEIT
ZUR BÜRGERLICHEN
SELBSTVERWALTUNG
2 0 0 J A H R E R H E I N I S C H E U N D W E S T FÄ L I S C H E K R E I S E
OBRIGKEIT VON DER PREUSSISCHEN - Landkreistag NRW
Die Karte wurde vom Katasteramt des Rhein-Kreises Neuss erstellt. Sie dokumentiert – bezogen auf das Territorium des heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen – die Einteilung der rheinischen und westfälischen
Kreise in den Jahren 1816/17. Nicht berücksichtigt wurden die heute überwiegend in Belgien liegenden Kreise Eupen, Malmedy und St. Vith sowie alle anderen Kreise der Provinzen Großherzogtum Niederrhein
und Jülich-Kleve-Berg, deren Territorium heute außerhalb Nordrhein-Westfalens liegt. Die im lippischen Landesteil von Nordrhein-Westfalen gelegenen Städte Bad Salzuflen, Lemgo und Detmold sind lediglich zu
Orientierungszwecken in die Karte aufgenommen worden. Sie gehörten nach dem Wiener Kongress nicht zu Preußen, sondern zum Fürstentum Lippe. Als Quelle für die Kreisgrenzen fungierte: Grundriß zur deutschen
Verwaltungsgeschichte, Reihe A, Bd. 7 und 8, Entwurf: W. Hubatsch, Kartographie: E. Fell, Druck: Institut für Angewandte Geodäsie (Frankfurt a. M.), Marburg 1977 und 1980.
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INHALTSVERZEICHNIS

                         6-7 Hannelore Kraft
                              Grußwort

                         8-9 Thomas Hendele
                              Geleitwort

                       10-11 Tillmann Lonnes
                              Einleitung

                       12-23 Wilhelm Grabe
                              „Mit der sorgfältigsten Schonung der
VON DER PREUSSISCHEN          bestehenden Verhältnisse“ – Die Einrichtung der
                              Kreise in Rheinland-Westfalen 1816
OBRIGKEIT              24-33 Gabriele Mohr
ZUR BÜRGERLICHEN              Wesen, Struktur und Aufgaben der Kreise
                              Mitte des 19. Jahrhunderts

SELBSTVERWALTUNG       34-43 Stephen Schröder
                              Die Kreisordnungen von 1886/87 und
                              die Entwicklung der Kreise bis 1933

                       44-53 Claudia Maria Arndt
                              Die Kreise während der Zeit des
                              Nationalsozialismus

                       54-63 Hansjörg Riechert
                              Die Kreisverwaltungen im neuen
                              Bundesland Nordrhein-Westfalen

                       64-73 Beatrix Pusch
                              Gebietsreformen

                       74-83 Martin Klein / Kai Friedrich Zentara
                              Kreise und Landräte behaupten die kommunale
                              Handlungsfreiheit – Jüngste Geschichte der
                              nordrhein-westfälischen Kreise 1990-2016

                       84-88 Endnoten

                          96 Impressum
OBRIGKEIT VON DER PREUSSISCHEN - Landkreistag NRW
GRUSSWORT

Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen

200 Jahre rheinische und westfälische Kreise – zu diesem       Nordrhein-Westfalens vor der Aufgabe, Hunderttausen-             Die rheinischen und westfälischen Kreise haben sich
stolzen Jubiläum gratuliere ich herzlich! Was für uns heute    den Flüchtlingen in kürzester Zeit eine Zuflucht und im          glänzend bewährt. Das Land Nordrhein-Westfalen wird
selbstverständlich ist, ist ein Ergebnis des Wiener Kongres-   besten Fall ein neues Zuhause zu bieten. Und auch bei der        nach Kräften dafür sorgen, dass dies so bleiben kann.
ses, in dem nichts weniger als die Neuordnung Europas          Bewältigung dieser Aufgabe, die noch lange nicht abge-
nach den Jahren der napoleonischen Herrschaft geregelt         schlossen sein wird, zeigen die Kreise ihre Stärken und die
wurde. Kurz danach wurden die Kreise im heutigen               Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kreisverwaltungen
Nordrhein-Westfalen gegründet. Und natürlich veränder-         nicht allein ihre Fähigkeit, sondern eine Einsatzbereitschaft,
ten sich über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg           ein Organisationstalent und eine Empathie, die weit über
ihre Gestalt und Größe, ihre Aufgaben und Zuständigkei-        das Erwartbare hinausgeht. Dafür sage ich ihnen auch an
ten. Geblieben ist den Kreisen über den Lauf der Zeit die      dieser Stelle meinen herzlichen Dank und Respekt.
Aufgabe, als eine leistungsstarke Verwaltungseinheit für       Danken möchte ich ihnen ausdrücklich auch für das, was
möglichst gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt      sie oft ganz unbemerkt tun und was für die meisten Bürge-        Hannelore Kraft
und Land zu sorgen.                                            rinnen und Bürger selbstverständlich geworden ist. Ob es
                                                               um die Organisation und die Finanzierung des öffentlichen
In den fast 70 Jahren seit der Gründung unseres Lan-           Personennahverkehrs geht, um die Abfallbeseitigung oder
des Nordrhein-Westfalen im August 1946 haben wir an            den Betrieb von Kindertagesstätten: Wir alle profitieren
vielen Stellen erfahren und erlebt, dass das eine überaus      von der Leistungskraft der Kreise. Für die Landesregierung
anspruchsvolle Aufgabe ist, schließlich mussten das Land       und besonders für die kreisangehörigen Städte und
und damit auch die Kreise tiefgreifende wirtschaftliche und    Gemeinden sind sie starke Partner, die gemeinsam mit
gesellschaftliche Veränderungen und Herausforderungen          ihnen das kommunale Leistungsspektrum ergänzen und
bewältigen. Heute stehen wir erstmals in der Geschichte        ausbauen.

6                                                                                                                                                                                       7
OBRIGKEIT VON DER PREUSSISCHEN - Landkreistag NRW
GELEITWORT                                                    Der in dieser Festschrift betrachtete Zeitraum ist von ext-     allem ein ausführendes Organ des preußischen Königs
                                                              remen Umbrüchen und Verwerfungen geprägt: Die Folgen            in Berlin, versteht er sich heute als Verteidiger und
Präsident des Landkreistages Nordrhein-Westfalen              der napoleonischen Besetzung waren nach der Übernahme           Vorkämpfer der kommunalen Selbstverwaltungsfreiheit.
Landrat des Kreises Mettmann                                  der Gebiete der Rheinlande und Westfalens durch Preußen         Das vorliegende Werk zeichnet diesen Weg von der
                                                              infolge des Wiener Kongresses noch gut zu spüren. Erst          preußischen Obrigkeit zur bürgerlichen Selbstverwaltung
„Wenn es die Landkreise nicht gäbe, müsste man sie            im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die dem König-             nach. Die Geschichte diverser Verwaltungsreformen auch
erfinden! Nur wenige Schöpfungen der Verwaltungskunst         reich Preußen angehörenden Gebiete mentalitätsmäßig             anderer Bundesländer belegt, dass die Kreisebene im
haben sich so glänzend bewährt.“                              und staatsrechtlich auch Teil eines Deutschen Reichs. Der       Staatsaufbau schlicht unverzichtbar ist.
                                                              Erste und Zweite Weltkrieg sowie die Zeit des National-
Diese Worte sprach Bundespräsident Johannes Rau – der         sozialismus brachten gewaltiges Leid, Elend und massive         Ich wünsche den Leserinnen und Lesern dieser Festschrift
langjährige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen –       Veränderungen für die Menschen und das Staatswesen mit          eine spannende Zeitreise durch 200 Jahre höchst lebendi-
bei der Landkreisversammlung des Deutschen Landkreis-         sich. Erst seit 1946 sind die Landesteile Rheinland – ohne      ge Kreisgeschichte.
tages am 9. November 2001 in Berlin. Bundespräsident          seinen südlichen Teil, der Rheinland-Pfalz und dem Saar-
Joachim Gauck machte sie sich in seiner Ansprache zur         land zugeordnet wurde – und Westfalen in einem Bundes-
13. Landkreisversammlung des Deutschen Landkreistages         land vereint. Die Kreise haben in all diesen Jahren existiert
am 11. Januar 2013 zu eigen.                                  und ihre Funktion als überörtliche Aufgabenträger effektiv
                                                              wahrgenommen. War der Aufgabenkreis in den Jahren
Ein Blick zurück in die Geschichte der Kreise, deren Grün-    unmittelbar nach 1816 noch so überschaubar, dass Frei-
dung sich im Rheinland und in Westfalen im Jahr 2016          herr vom Stein es hinreichend erschien, wenn dem Landrat
zum 200. Mal jährt, bestätigt, dass die Bundespräsidenten     lediglich wenige weitere Kräfte zur Seite standen, ist der
mit ihrer Einschätzung absolut richtig liegen. Die auf den    Kanon der zu erledigenden Tätigkeiten, die Größe der zu         Thomas Hendele
Freiherrn vom Stein zurückgehende Absteckung einer Ver-       verwaltenden Gebiete und die Zahl der zu versorgenden
waltungsebene zwischen den ländlichen Gemeinden und           Bürger so stark angewachsen, dass Landräte in unseren
dem Regierungsbezirk, die er selbst als Kreise bezeichnete,   Tagen zum Teil tausend und mehr Mitarbeiterinnen und
hat sich in den letzten 200 Jahren stets als erforderlich,    Mitarbeiter zu führen haben. War der Landrat in den
sinnvoll, effektiv und effizient erwiesen.                    Gründungsjahren und bis ins 20. Jahrhundert hinein vor

8                                                                                                                                                                                        9
OBRIGKEIT VON DER PREUSSISCHEN - Landkreistag NRW
EINLEITUNG

Tillmann Lonnes, Rhein-Kreis Neuss

„Ich wurde am 26. Oktober 1757 von sehr achtungswerten        setzte er sich unter dem Eindruck der französischen Besat-   (AKKA) beim Landkreistag Nordrhein-Westfalen bereit,           dem Zweiten Weltkrieg berichtet. Des Weiteren analysiert
Eltern geboren, unter dem Einfluss ihres religiösen, echt     zung und einer verkrusteten und ineffizienten preußischen    der Ausstellung und Publikation „200 Jahre rheinische und      Beatrix Pusch, Archivarin des Kreises Soest, die kommuna-
deutsch-ritterlichen Beispiels auf dem Lande erzogen:         Verwaltung sowie einem drohenden Staatsbankrott für den      westfälische Kreise“ Gestalt zu geben.                         len Gebiets- und Verwaltungsreformen vor allem der Jahre
Die Ideen von Frömmigkeit, Vaterlandsliebe, Standes- und      Zusammenschluss von Städten und Dörfern zu Kreisen                                                                          1929 und 1967 bis 1975. Abschließend befassen sich
Familienehre, Pflicht, das Leben zu gemeinnützigen Zwe-       ein, in denen die Bürgerschaft, organisiert in den Stän-     Wilhelm Grabe, Archivar des Kreises Paderborn, erinnert in     Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer, und Dr. Kai Zentara,
cken zu verwenden und die hierzu erforderliche Tüchtigkeit    den, selbst die Verantwortung für die Aufgabenerledigung     seinem Aufsatz an die Gründungsphase der Kreise und die        Hauptreferent des Landkreistages Nordrhein-Westfalen,
durch Fleiß und Anstrengung zu erwerben, wurde durch ihr      übernimmt. Die Kreise sollten über eine schlanke, an den     preußischen Reformen unter Berücksichtigung des                mit dem heutigen Selbstverständnis der Kreise und Land-
Beispiel und ihre Lehre tief in meinem jungen Gemüte ein-     Bedürfnissen der Bürger orientierte Verwaltung verfügen,     Freiherrn vom Stein. Gabriele Mohr, Archivarin des Rhein-      räte als Garanten kommunaler Handlungsfreiheit.
geprägt“. So beginnt Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr   die von einem von den Ständen gewählten Landrat geleitet     Erft-Kreises, befasst sich im Anschluss mit dem Wesen und
vom und zum Stein seine selbst verfassten Lebens-             wird. Die Verwaltung sollte einerseits Selbstverwaltungs-    der Struktur der Kreise im frühen 19. Jahrhundert, einer       Dem aufmerksamen Leser dieser Publikation wird nicht
erinnerungen. Er ist der Mann, der im Jahr 2016 „200          aufgaben insbesondere in den Bereichen Schule, Soziales,     Zeit, in der der Landrat stellvertretend für den preußischen   entgehen, wie sehr die übergeordneten historischen Er-
Jahre rheinische und westfälische Kreise“ symbolisiert und    Polizei und Gesundheitswesen wahrnehmen, andererseits        König hoheitlich tätig wurde. Dr. Stephen Schröder, Archi-     eignisse die Entwicklung der Kreise im Rheinland und in
damit an die Geschichte von 31 kommunalen Gebietskör-         als untere staatliche Verwaltungsbehörde Staatsaufgaben      var des Rhein-Kreises Neuss, stellt in seiner Abhandlung       Westfalen geprägt haben, wie sehr aber auch umgekehrt
perschaften erinnert, in denen heute mehr als zehn Millio-    umsetzen.                                                    die Zunahme der Selbstverwaltungsaufgaben und den Weg          die kommunale Selbstverwaltung den Verlauf der deut-
nen Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen leben.                                                                   der Demokratisierung des Kreiswesens beginnend mit den         schen Geschichte in den letzten 200 Jahren beeinflusst
                                                              Diese von ihm empfohlene Grundordnung einer kom-             Kreisordnungen von 1886/87 bis zum Beginn des „Dritten         hat. Aus den vor 200 Jahren geschaffenen preußischen
Auch wenn der erste Satz seiner Lebenserinnerungen nicht      munalen Kreisverwaltung hat sich in der wechselhaften        Reiches“ dar. Dr. Claudia Maria Arndt, Archivarin des Rhein-   Verwaltungseinheiten entwickelten sich die heutigen Kreise
auf eine tiefe demokratische Gesinnung hindeuten mag,         Geschichte des Rheinlands und Westfalens über die Jahr-      Sieg-Kreises, beschreibt sodann die schwierige Entwick-        zu leistungsstarken, bürgernahen Gebietskörperschaften,
wird dennoch die Erinnerung an die Entstehung der Kreise      zehnte erst entwickeln müssen. Um diesen langwierigen        lung der Kreise unter der nationalsozialistischen Diktatur,    die selbstbewusst und eigenverantwortlich die ihnen zu-
zu Recht auf das Wirken des Freiherrn vom und zum Stein       und windungsreichen Prozess darzustellen, erklärte sich      ehe Dr. Hansjörg Riechert, Archivar des Kreises Lippe, über    gewiesenen Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge,
zurückgeführt. In seiner Nassauer Denkschrift von 1807        der Arbeitskreis der nordrhein-westfälischen Kreisarchive    den mühevollen Neubeginn der Kreisentwicklung nach             aber auch die staatlichen Verwaltungsaufgaben erfüllen.

10                                                                                                                                                                                                                                                  11
OBRIGKEIT VON DER PREUSSISCHEN - Landkreistag NRW
„MIT DER SORGFÄLTIGSTEN SCHONUNG DER BE-
                                                                                                    STEHENDEN VERHÄLTNISSE“ – DIE EINRICHTUNG
                                                                                                    DER KREISE IN RHEINLAND-WESTFALEN 1816

                                                                                                    Wilhelm Grabe, Kreis Paderborn

                                                                                                    Die Kreise in Nordrhein-Westfalen werden 2016 zweihun-          Der einköpfige schwarze
                                                                                                                                                                    Adler als Symbol
                                                                                                    dert Jahre alt. Zweifellos ein Grund zum Feiern. Aber: Ein      preußischer Herrschaft.
                                                                                                                                                                    (Abb.: Preußenmuseum
                                                                                                    Blick in die Literatur lässt stutzig werden. So hat der Kreis   Minden)
                                                                                                    Unna – als Rechtsnachfolger des Kreises Hamm – schon
                                                                                                    2003 seinen zweihundertfünfzigsten Geburtstag began-
                                                                                                    gen. Im gleichen Jahr blickte man in Warendorf auf eine
                                                                                                    zweihundertjährige Kreisgeschichte zurück. 1966 feierten
                                                                                                    viele nordrhein-westfälische Kreise den hundertfünfzigsten
                                                                                                    Jahrestag ihrer Gründung, nicht allerdings der Kreis Soest,
                                                                                                    der dafür 1992 sein einhundertfünfundsiebzigstes Wiegen-        Im 18. Jahrhundert verschob der absolutistische Militär-
                                                                                                    fest bejubelte. Wie passt das zusammen? Wie erklären sich       staat die Gewichtungen zu seinen Gunsten. Auch wenn die
                                                                                                    die unterschiedlichen Geburtsjahre 1753, 1803, 1816 und         Institution des Landrats – dieser Titel wurde per Reskript
                                                                                                    1817? Und warum kann man 2016 mit guten Gründen auf             1702 für ganz Preußen eingeführt – adligen Interessen
                                                                                                    zwei Jahrhunderte Kreisgeschichte in NRW schauen?               Rechnung tragen sollte, wurde aus ihm nach und nach ein
                                                                                                                                                                    landesherrlicher Beamter, der den 1723 neu geschaffenen
                                                                                                    Eine preußische Erfindung – Die Vorgeschichte                   Provinzialbehörden, den Kriegs- und Domänenkammern,
                                                                                                                                                                    unterstellt wurde. In altpreußischer Zeit unterlagen Städte
                                                                                                    Kreise und Landräte sind eine „besondere preußische             und „plattes Land“ getrennten Verwaltungen; die Städte
                                                                                                    Schöpfung“,1 die sich allerdings weder planmäßig noch           bildeten „Kreise“ mit Kriegs- oder Steuerräten an der Spit-
                                                                                                    gradlinig vollzog. Die Ursprünge in der Mark Brandenburg        ze, das flache Land dagegen war in hiervon unabhängige
                                                                                                    reichen mindestens bis ins 14. Jahrhundert, wahrscheinlich      Kreise eingeteilt. Den hier zuständigen Landräten oblag die
     Preußen erhielt 1815 das Rheinland und Westfalen zugesprochen. (Abb.: Kreisarchiv Paderborn)   sogar in slawisch-wendische Zeiten zurück. Die auf alte         Handhabung der Polizei und die Aufsicht über die Gemein-
                                                                                                    Teillandschaften zurückgehenden Kreise bildeten die unte-       den und Gutsbezirke. Obwohl die Landräte zunehmend
                                                                                                    ren ständischen Wahl- und Verwaltungsbezirke, an deren          Aufgaben staatlicher Natur zugewiesen bekamen, blieb
                                                                                                    Spitze ein Kreisdirektor, Land- oder Kreiskommissar, später     ein Rest ständischer Selbstbestimmung erhalten, denn ge-
                                                                                                    ein Landrat stand, und zwar sowohl als gewählter Sprecher       wählt wurden sie nach wie vor von den Kreisständen. Aller-
                                                                                                    der Kreisstände wie als ernannter Vollzugsbeamter des           dings kam lediglich der Adel aktiv und passiv in Betracht,
                                                                                                    Landesherrn. Wenn man so will, reicht also die Doppelei-        denn die Mitgliedschaft bei den Kreisständen war auf
                                                                                                    genschaft des späteren preußischen Landrats zwischen            Rittergutsbesitzer beschränkt und die bürgerlichen Ritter-
                                                                                                    kommunaler Selbstverwaltung und staatlicher Herrschafts-        gutsbesitzer waren bereits 1769 von den Landratswahlen
                                                                                                    ausübung weit in die Vergangenheit zurück.                      ausgeschlossen worden.

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OBRIGKEIT VON DER PREUSSISCHEN - Landkreistag NRW
Auch in den 1802 hinzugewonnenen westfälischen Ge-            zusammen, dem auch die beiden neugeschaffenen Modell-
                                                                                                                                                      bieten begann man umgehend mit der Etablierung preußi-        staaten Großherzogtum Berg und Königreich Westphalen
                                                                                                                                                      scher Verwaltungsstrukturen. Die Eingliederung der Fürst-     angehörten. Hier wurde relativ rasch ein dreistufiges Ver-
                                                                                                                                                      bistümer Münster und Paderborn leitete Karl vom und zum       waltungssystem nach französischem Vorbild aus Depar-
                                                                                                                                                      Stein, der sogleich eine umfassende Bestandsaufnahme          tements, Arrondissements (Distrikte) und Munizipalitäten
                                                                                                                                                      veranlasste und bei der „Bildung der Landes Collegien“        mit Präfekten, Unterpräfekten und Maires installiert, im
                                                                                                                                                      eigene Akzente setzte. Die Landräte blieben zwar staatli-     Königreich Westphalen durch Verordnung vom 11. Januar
                                                                                                                                                      che Vollzugsbeamte, sie sollten aber „durch Besitzer adli-    1808, im Großherzogtum Berg per Dekret am 14. Novem-
                                                                                                                                                      cher Güther aus dem angesessenen Adel oder in Erman-          ber 1808. In den von Frankreich annektierten linksrheini-
                                                                                                                                                      gelung aus fähigen, im Lande angesessenen Subjecten           schen Gebieten hatte man das zentralistisch-bürokratische
                                                                                                                                                      gewählt“4 werden. Die Organisation der vier neu gebildeten    Präfektursystem bereits 1798 installiert. Mit der Expansion
                                                                                                                                                      Kreise im Münsterland trat mit Wirkung vom1. Januar 1804      des napoleonischen Kaiserreichs erhielt schließlich ganz
                                                                                                                                                      in Kraft. Hinsichtlich der Stellenbesetzungen wurden die      Nordwestdeutschland nördlich einer Linie von Wesel nach
                                                                                                                                                      „einländischen Beamten“, so Stein, „wenn sie irgend taug-     Lübeck Ende 1810 einen Behördenaufbau nach französi-
                                                                                                                                                      lich, beibehalten“.5 Allerdings hatte man ihnen als Kreis-    schem Muster.
Karl vom und zum Stein (1757-1831) und Karl August von Hardenberg (1750-1822).                                                                        schreiber erfahrene Beamte aus der Grafschaft Mark zur
Die preußischen Reformer wollten auf Provinzial-, Kreis- und Gemeindeebene staatliche                                                                 Seite gestellt. In Paderborn vollzog sich die Neuordnung      Die Katastrophe von 1806 hatte die strukturellen Un-
Bürokratie und kommunale Selbstverwaltung kombinieren. (Abb.: Kreisarchiv Paderborn)
                                                                                                                                                      ähnlich. Am 10. April 1803 wurde die Einteilung in die drei   zulänglichkeiten von Staat und Verwaltung in Preußen
                                                                                                                                                      Kreise Paderborn, Brakel und Warburg bekannt gegeben.         offengelegt. Im Augenblick der Niederlage öffnete sich
                                                                                                                                                      Die Landräte wurden jedoch nicht ernannt, sondern am          gewissermaßen ein Zeitfenster und für einen kurzen Mo-
Die ursprünglich auf die Mark Brandenburg beschränkte                                   entsprechend“2 offiziell abgesondert, gehörte faktisch aber   19. April 1803 durch die alten Landstände gewählt. Die        ment gewannen die Reformer in Bürokratie und Militär die
Einrichtung der Kreise und Landräte wurde nach und                                      zum Kreis Hamm. In einer „Instruction“ vom 6. Februar 1753    drei Kandidaten hatten außerdem Probearbeiten vorzu-          Oberhand über die konservativ-restaurativen Kräfte. Der
nach auf die übrigen preußisch-brandenburgischen                                        wurden die Aufgaben und Kompetenzen für die „Clev-            legen, der Paderborner Landrat Maximilian von Elverfeldt      Zwang zu Veränderungen ergab sich nicht zuletzt auch von
Provinzen ausgedehnt. Auch in den preußischen Westterri-                                Märkischen Land Räthe“ festgelegt. Der Landrat wurde          beispielsweise musste sich mit der – heute überaus aktuell    daher, dass in den Rheinbundstaaten zahlreiche Neuerun-
torien ging die Einführung des Landratsamtes schrittweise                               außerdem mit Unterbeamten ausgestattet, dem „Kreis-           klingenden – Frage „Wie ist die Bevölkerung im Erbfürsten-    gen nach französischem Vorbild umgesetzt wurden. Die
vonstatten. In Minden gab es bereits vor der Inbesitznahme                              calculator“ bzw. Kreisschreiber sowie dem „Kreisausreuter“    tum Paderborn zu befördern und die Entvölkerung zu ver-       Reformen in Preußen sind unauslöschlich mit den Namen
durch Brandenburg Landräte, die aber mit der preußischen                                als polizeilichem Exekutivorgan. Das neugeschaffene           hindern?“6 auseinandersetzen. Die Tätigkeit der Landräte      Hardenberg und Stein verbunden. Karl vom und zum Stein
Institution lediglich den Namen gemein hatten, da es sich                               Institut der Landräte entwickelte sich jedoch im „wilden      im Paderborner Land begann mit dem 1. Dezember 1803.          leitete vom Oktober 1807 bis zum November 1808 nur
um ein landständisches Organ handelte. Hier – wie auch                                  Westen“ Preußens keineswegs zu einem Erfolgsmodell.           Die dienstlichen Obliegenheiten waren in Münster wie          etwas mehr als ein Jahr die preußische Politik. In dieser
in den Grafschaften Ravensberg, Tecklenburg und Lingen                                  Zwar stellten die angesessenen Rittergutsbesitzer in der      Paderborn durch separate Instruktionen geregelt.              kurzen Zeit wurden einige bedeutende Reformvorhaben
– wurden zwar 1734 bei der Neuorganisation und Straf-                                   Hauptsache die Funktionsträger, gleichwohl entfaltete das                                                                   auf den Weg gebracht, darunter die gleichsam als „Magna
fung der unteren Verwaltungsstrukturen die alten Ämter                                  Amt für den einheimischen Adel kaum Anziehungskraft.          Der Zeit zu weit voraus – Die preußischen Reformen            Charta“ deutscher Kommunalpolitik geltende Städteord-
ernannten Landräten unterstellt, landrätliche Kreise im                                 Zu sehr wurde die Einrichtung als Eingriff in alte ständi-                                                                  nung. Karl August von Hardenberg wirkte zwar ab 1810
eigentlichen Sinne sind daraus jedoch nicht entstanden.                                 sche Gewohnheiten und Herrschaftsrechte angesehen.            Große Wirksamkeit konnte die neugeschaffene Behör-            länger als ein Jahrzehnt als Staatskanzler, konnte aber das
Nach ersten Anläufen unter Friedrich Wilhelm I. kam es                                  Zumeist überließen die Landräte die täglichen Verwal-         denstruktur jedoch nicht entfalten, da sich Preußen nach      Reformwerk nur teilweise fortführen. Spätestens mit sei-
in Kleve-Mark – allerdings ohne Moers und Geldern – erst                                tungsgeschäfte ihren Kreisschreibern, die sich einem zeit-    der katastrophalen Niederlage gegen Frankreich in der         nem Tod 1822 war die Reformära beendet. Ihren „Nimbus
1753 zur Installation von Kreisen und Landräten.                                        genössischen Bericht zufolge wie „kleine Landesregenten       Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober          der Einzigartigkeit“7 haben die mit Stein und Hardenberg
Der preußische Besitz am Niederrhein wurde in die Kreise                                über den müheseligen Bauern“3 aufführten. Mit einer           1806 und dem demütigenden Frieden von Tilsit am 9. Juli       verbundenen Umgestaltungen inzwischen allerdings in dem
Kleve, Emmerich und Wesel, die alte Grafschaft Mark in                                  erneuerten Instruktion suchte die Regierung 1764 die          1807 vollständig aus dem Westen Deutschlands zurück-          Maße eingebüßt, in welchem die Bedeutung der rheinbün-
die Kreise Hamm, Hörde, Altena und Wetter gegliedert.                                   Landräte zu energischerer Tätigkeit anzuhalten.               ziehen musste. Unter dem Druck Napoleons schlossen            dischen Reformen erkannt worden ist.
Das Gebiet der Stadt Soest blieb „altem Herkommen                                                                                                     sich die süd- und westdeutschen Fürsten zum Rheinbund

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OBRIGKEIT VON DER PREUSSISCHEN - Landkreistag NRW
Gemessen an den Zielen waren die Erfolge der Refor-             Dass eine umfassende Reorganisation von Kreisverfas-                                                                                                             Hardenbergs spätere Vorstöße verfielen der Ablehnung.11
mer eher bescheiden, und zwar sowohl in Preußen wie im          sung und -verwaltung ein zentraler Bestandteil des gesam-                                                                                                        Die große Chance der Reformzeit, durch Einführung der
Rheinbund. Aber auch wenn hier wie dort vieles in Ansät-        ten Reformwerks war, darin waren sich Stein und seine                                                                                                            Selbstverwaltung in Provinzen, Kreisen und Kommunen die
zen stecken und manches angesichts großer Widerstände           Mitstreiter einig. Die umfangreichen Vorarbeiten mündeten                                                                                                        Bürger einzubeziehen, verstrich ungenutzt.
und Gegenkräfte ganz auf der Strecke blieb, war doch das        in einen auf Staatsminister Leopold von Schroetter zurück-
Tor zur Modernisierung von Staat, Wirtschaft und Gesell-        gehenden, nicht weniger als 158 „Nummern“ umfassen-                                                                                                              Stadt, Land, Fluss – Die Einteilung der Kreise 1816
schaft aufgestoßen und der Weg in eine bürgerlich-moder-        den Entwurf einer Kreisordnung vom 13. Oktober 1808.
ne Gesellschaftsordnung bereitet. Die bleibende Bedeu-          Demnach stand an der Spitze eines Kreises ein königlicher                                                                                                        Nach der Niederlage Frankreichs in der Völkerschlacht bei
tung der preußischen Reformer manifestiert sich vor allem       Verwaltungsbeamter. Dieser Landrat sollte die Kreisverwal-                                                                                                       Leipzig im Oktober 1813 brach das napoleonische Herr-
in zwei Bereichen: Zum einen in der Reform der obersten         tung führen, teils selbständig, teils im Zusammenwirken mit                                                                                                      schaftssystem wie ein Kartenhaus zusammen. Die nachrü-
Staatsverwaltungsorgane, indem an die Stelle der unüber-        Kreisdeputierten. Die Kreise selbst sollten in Distrikte mit                                                                                                     ckenden Preußen richteten zunächst Übergangsbehörden
sichtlichen, teils sach-, teils provinzbezogenen Behörden       je 8000 Einwohnern unterteilt werden, an deren Spitze die                                                                                                        ein, da über das weitere Schicksal der besetzten Länder
ein nach dem Ressortprinzip gegliedertes Staatsministe-         Kreisdeputierten – eingesessene Grundbesitzer – standen,                                                                                                         noch nicht entschieden war. Allerdings wurden per Feder-
rium trat, zum anderen sollte vor allem die Idee der land-      die vom Kreistag den obersten Landesbehörden zur Bestä-                                                                                                          strich die französischen Amtsbezeichnungen ins Deutsche
schaftlichen und kommunalen Selbstverwaltung langfristige       tigung präsentiert werden sollten. Der Kreistag setzte sich                                                                                                      übertragen und somit die Maires zu Bürgermeistern, die
Wirksamkeit entfalten.                                          aus gewählten Mitgliedern zusammen. Den Vorsitz über die                                                                                                         Unterpräfekten zu Landräten oder Kreisdirektoren umde-
                                                                Kreisversammlung und die Ausführung seiner Beschlüsse                                                                                                            klariert. Europa wurde nach dem Sturz Napoleons auf dem
Die Veränderung von Verwaltungs- und Staatsstruktur hat-        übernahm ein Kreisdirektor, der aus den Reihen des Kreis-                                                                                                        Wiener Kongress neu geordnet. Durch die Schlussakte
te für die Reformkräfte besondere Bedeutung. Stein, der         tags zu wählen war. Der Landrat sollte dem Kreistag nicht                                                                                                        vom 8. Juni 1815 erhielt Preußen nun definitiv das Rhein-
sein Programm im Juni 1807 in der berühmten „Nassauer           angehören, ihm als königlicher Kommissar allerdings                                                                                                              land und Westfalen zugesprochen. Dabei war die West-
Denkschrift“ artikulierte, wollte auf Provinzial-, Kreis- und   beiwohnen und die Kreistagsbeschlüsse genehmigen.                                                                                                                erweiterung keineswegs Ergebnis zielorientierter Politik,
Gemeindeebene staatliche Bürokratie und Selbstverwal-                                                                                                                                                                            vielmehr betrachtete Berlin die westlichen Territorien zeit-
tung kombinieren. Er bezog sich dabei – seine langjährigen      Steins Rücktritt beendete die Diskussion um eine Kreisre-                                                                                                        weilig als Kompensationsmasse für anderweitige Gebiets-
rheinisch-westfälischen Erfahrungen übertragend – in            form keineswegs. Am 30. Juli 1812 brachte Hardenberg                                                                                                             arrondierungen. Allerdings konnte man sich im Konzert der
erster Linie auf Vorbilder der älteren Ständeverfassung. In     das „Edikt wegen Einrichtung der Kreisdirektorien und der                                                                                                        Großmächte nicht durchsetzen, die in einem starken
der ständischen Mitwirkung erblickte er ein stabilisierendes    Gendarmerie“ auf den Weg, ausgearbeitet von seinem Ver-                                                                                                          Hohenzollernstaat ein stabilisierendes Element inner-
und belebendes Element des Staatswesens. Sein zentrales         trauten Christian Friedrich Scharnweber. Das sogenannte                                                                                                          halb einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur
Anliegen mündete in das politisch-pädagogische Credo von        Gendarmerie-Edikt sah – neben der Errichtung einer Land-                                                                                                         erblickten. Die Grundlage für den späteren Aufstieg zur
der „Belebung des Gemeingeistes und des Bürgersinns“            gendarmerie nach französischem Vorbild – eine Aufteilung         Das sogenannte „Gendarmerie-Edikt“ vom 30. Juli 1812 sah eine Aufteilung Preußens in Kreise     Großmacht entstand also eher zufällig, denn dass sich
                                                                                                                                 vor, die teils Kommunalverbände, teils staatliche Verwaltungsbezirke waren. Der Landadel lief
durch die „Teilnahme der Eigentümer an der Provinzial-Ver-      des gesamten Königreichs in „geographisch abgerundete            Sturm gegen die neue Kreisordnung, deren Vollzug dann tatsächlich ausgesetzt wurde.             Rheinland-Westfalen schon bald zur ökonomisch bedeu-
waltung“.8 Alle drei Stände – Adel, Bürger und Bauern –         möglichst gleiche“ Kreise vor, die sich auf Stadt und Land                                                                                                       tendsten Region Preußens entwickeln würde, konnte zu
sollten in den Selbstverwaltungskörperschaften von den          erstreckten und lediglich die größeren Städte als eigene                                                                                                         diesem Zeitpunkt schließlich niemand ahnen.
Gemeinden über die Kreise bis hin zur Provinz vertreten         Kreise ausnahmen. Die Kreise waren teils Kommunalver-
sein. Hardenberg wollte zwar ebenfalls Nation und Selbst-       bände, teils staatliche Verwaltungsbezirke. Als Kommu-                                                                                                           Praktisch gleichzeitig mit der Inbesitznahme wurden mit
verwaltung zusammenbringen, er verfolgte aber in seiner         nalverbände sollten sie überall da eintreten, „wo die Be-        Rechte der Gutsherren wurden eingeschränkt. Der Land-                                           der „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der
„Rigaer Denkschrift“ vom September 1807 einen anderen,          friedigung der Bedürfnisse der öffentlichen Sozietät über        adel lief Sturm gegen die neue Kreisordnung, die ja in                                          Provinzialbehörden“ die Grundlagen für eine einheitliche
einen moderneren Ansatz, indem er für eine „Revolution          die Kräfte der Gemeinden hinausgeht, oder ein höheres            der Tat einen tiefgreifenden Angriff auf seine Privilegien                                      Neuorganisation der Verwaltung gelegt. Der preußische
im guten Sinne“ plädierte und die Umsetzung „demokra-           mehr in das Staatsverhältnis eingreifendes Interesse zu          bedeutete. Selbst Stein mochte sich mit den neuen Be-                                           Staat wurde in zehn Provinzen eingeteilt, diese wiederum
tische[r] Grundsätze in einer monarchischen Regierung“          gewahren ist“.10 An der Kreisspitze stand nicht mehr der         stimmungen nicht anfreunden. Obwohl Hardenberg scharf                                           in Regierungsbezirke. Die von Friedrich Wilhelm III. am
einforderte. Nach seiner Vorstellung „würden die Kommu-         adlige Landrat, sondern ein ernannter Kreisdirektor mit          gegen die Wortführer der Opposition vorging, wuchs der                                          30. April 1815 in Wien unterzeichnete, allerdings erst am
nitätsverwaltungen und Obrigkeiten bloß aus Gewählten           weitreichenden Vollmachten. Als Vertreter der Bevölkerung        Widerstand. Zugleich schwand der Einfluss der Reform-                                           8. Juli publizierte Verordnung gilt als „Geburtsurkunde“
bestehen; den Kreisvorstehern, den Verwaltungskammern,          kamen sechs gewählte Kreisdeputierte hinzu, je zwei aus          kräfte in Preußen nach dem Sieg über Napoleon zuse-                                             der zunächst drei preußischen Westprovinzen. Die Provinz
dem Ministerium neben dem König selbst würden Reprä-            den Städten, den Landgemeinden und den Rittergutsbe-             hends. Und tatsächlich ordnete Friedrich Wilhelm III. per                                       Großherzogtum Niederrhein umfasste die Regierungsbe-
sentanten beigegeben.“ Die Vorsteher der Kreise sollten         sitzern, die die Kommunalangelegenheiten unter Aufsicht          Kabinettsorder am 19. Mai 1814 eine nochmalige Prüfung                                          zirke Koblenz, Trier und Aachen, die Provinz Jülich-Kleve-
künftig nicht mehr aus dem Adel gewählt, sondern vom            und unmittelbarer Leitung der Staatsbehörden erledigten.         des Edikts an. Damit war die Kreisreform praktisch ge-                                          Berg die Regierungsbezirke Köln, Düsseldorf und Kleve;
König ernannt werden, und zwar „ohne Rücksicht auf den          Überdies wurden die Patrimonialgerichte des Adels durch          scheitert, lediglich die auf die Errichtung der Gendarmerie                                     beide Provinzen wurden durch Kabinettsorder vom 27. Juni
Stand“.9                                                        die staatliche Gerichtsbarkeit ersetzt, auch die polizeilichen   bezüglichen Teile des Edikts wurden umgesetzt. Auch                                             1822 zur Rheinprovinz vereinigt.

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OBRIGKEIT VON DER PREUSSISCHEN - Landkreistag NRW
Stein wie Hardenberg vorgesehene neuartige Form der           ab und legte den Entwurf anschließend den Ministerien
                                                                                                                                        Kreise, die sich gleichmäßig über Stadt- und Landgemein-      des Innern und der Finanzen vor. Mit der Veröffentlichung
                                                                                                                                        den erstreckten, wurde auf den Gesamtstaat übertragen.        im Amtsblatt am 10. August 1816 erlangte dann die neue
                                                                                                                                        An der Spitze eines jeden Kreises sollte ein Landrat als      Einteilung in zehn landrätliche Kreise ihre Wirksamkeit. Der
                                                                                                                                        Organ zur Vollziehung der Regierungsverfügungen stehen.       Bekanntmachung schloss sich eine weitere an, in der „die
                                                                                                                                        Der Gesetzgeber behielt sich aber die Organisation der        zur Wahrnehmung der Landraths-Stellen angeordneten
                                                                                                                                        Landratsämter und eine Instruktion für die Landräte aus-      landräthlichen Commissarien, ingleichen die Kreis-Secre-
                                                                                                                                        drücklich vor.                                                taire und Kreis-Copisten“ der Öffentlichkeit zur Kenntnis
                                                                                                                                                                                                      gebracht wurden. Die Regierung Minden gab zum 18. Ok-
                                                                                                                                        Am 3. Juli 1815 erließ Staatskanzler Hardenberg eine Aus-     tober 1816 die Einteilung ihres Sprengels in zwölf Kreise
                                                                                                                                        führungsverordnung mit konkreten Vorgaben zur Kreis-          bekannt, die Namen der kommissarischen Landräte waren
Die im Juli 1815 publizierte „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung                                                                 einteilung, die „mit der sorgfältigsten Schonung bestehen-    bereits eine Woche zuvor publiziert worden. Beide, Kreise
der Provinzialbehörden“ regelte nicht nur die Neuordnung der Provinzen
und Regierungsbezirke, sondern auch die der unteren Verwaltungsbezirke.                                                                 der Verhältnisse“ vorrangig unter Berücksichtigung alter      wie Landräte, nahmen zum 1. November ihre Tätigkeit auf.
Die Einteilung der Kreise sollte nach einer Vorgabe von Staatskanzler
Hardenberg vorrangig unter Berücksichtigung alter Territorialgrenzen
                                                                                                                                        Territorialgrenzen und unter Beachtung wirtschaftlicher und   Am 6. Oktober 1816 legte auch die Regierung in Arns-
und unter Beachtung wirtschaftlicher und kulturräumlicher Zusammen-                                                                     kulturräumlicher Zusammenhänge gebildet werden sollten:       berg einen Plan zur Einteilung in zwölf Kreise vor, der von
hänge erfolgen.
                                                                                                                                        „Es ist sehr zu wünschen, daß die Kreise, was Flächen-        Friedrich Wilhelm III. genehmigt wurde und zum 1. Januar
                                                                                                                                        raum und geographische Lage betriff, so gebildet werden,      1817 in Wirksamkeit trat. Mit der Zuordnung der beiden
                                                                                                                                        daß Niemand leicht weiter als zwei bis drei Meilen“, also     Kreise Siegen und Wittgenstein am 1. Juni gleichen Jahres
                                                                                                                                        15 bis 20 Kilometer, „zum Sitz der Kreisbehörde hat, und      war die Kreiseinteilung auch im Regierungsbezirk Arnsberg
                                                                                                                                        also, ohne auswärts zu übernachten, seine Geschäfte bei       abgeschlossen.
                                                                                                                                        derselben abmachen kann. Eben so ist sehr zu wünschen,
                                                                                                                                        daß in Rücksicht der Bevölkerung die Kreise, auch in sehr     In den drei preußischen Westprovinzen sind 1816 insge-
                                                                                                                                        bevölkerten Gegenden, nicht leicht über 36000 Einwohner       samt 101 landrätliche Kreise entstanden, umgerechnet auf
                                                                                                                                        enthalten, in unbevölkerten, aber doch auch nicht leicht      das heutige Nordrhein-Westfalen 74. Vor allem im Rhein-
                                                                                                                                        unter 20000 Menschen umfassen.“14 Mit der praktischen         land sind diese Verwaltungsräume in der Folge mehrfach
                                                                                                                                        Umsetzung der territorialen Aufteilung wie auch der Aus-      verändert worden. Hier hatten die mangelnden Ortskennt-
                                                                                                                                        wahl des Personals wurden Organisationskommissare der         nisse der Organisationskommissare, vor allem aber die Eile,
                                                                                                                                        neuen Bezirksregierungen beauftragt.                          mit der diese ihre Vorschläge ausarbeiten und einreichen
                                                                                                                                                                                                      mussten, „Unvollkommenheiten zur unvermeidlichen Fol-
Die Provinz Westfalen erhielt drei Regierungsbezirke,                     der einzelnen Landesteile erst nach und nach erfolgen         In beiden Rheinprovinzen kam die Kreiseinteilung ver-         ge“.16 Und so wurden in den Provinzen Großherzogtum Nie-
und zwar Münster, Minden und Hamm bzw. Arnsberg; ih-                      konnte, war es überhaupt nicht möglich, die preußische Be-    gleichsweise rasch zum Abschluss. Durch königliche            derrhein und Jülich-Kleve-Berg schon in den allernächsten
ren endgültigen Zuschnitt erhielt die Provinz, nachdem                    hördenverfassung sofort und gleichmäßig einzuführen. So       Verfügung vom 20. April 1816 entstanden – einschließlich      Jahren nicht weniger als 22 Kreise zusammengelegt. In
das Herzogtum Westfalen und die beiden Grafschaften                       endete die Übergangsverwaltung erst mehr als zwei Jahre       der Stadtkreise – im Regierungsbezirk Köln zwölf, im Re-      Westfalen waren dagegen weniger Nachbesserungen not-
Wittgenstein am 15. Juli 1816 vom Großherzogtum Hes-                      nach dem Abzug der Franzosen. Im Rheinland nahmen die         gierungsbezirk Düsseldorf elf, im Regierungsbezirk Kleve      wendig. Lediglich im Regierungsbezirk Arnsberg kam es
sen-Darmstadt an Preußen abgetreten worden waren.                         Oberpräsidenten und Regierungen am 22. April 1816 ihre        sechs, im Regierungsbezirk Aachen zwölf, im Regierungs-       1819 zu größeren Umgestaltungen, da man, insbesondere
Beide Provinzen, das Rheinland ebenso wie Westfalen,                      Tätigkeit auf, die Westfalen folgten am 1. August.            bezirk Koblenz 15 und im Regierungsbezirk Trier elf Kreise.   im Sauerland, die topographischen Gegebenheiten und
waren „Kunstgebilde“ und vereinigten zahlreiche ehemals                                                                                 Bereits zwei Tage später nahmen die Kreisverwaltungen –       die damaligen Verkehrsverbindungen nur unzureichend
eigenständige Territorien mit höchst unterschiedlichen poli-              Die „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Pro-       zeitgleich mit den beiden Oberpräsidenten und den sechs       berücksichtigt hatte. Den Zusammenlegungen und Grenz-
tischen, wirtschaftlichen und konfessionellen Verhältnissen.              vinzialbehörden“ vom 30. April 1815 regelte aber nicht nur    Bezirksregierungen – ihre Tätigkeit auf. In der Provinz       korrekturen sind dann erst in der zweiten Jahrhunderthälfte
Die Integration der Westprovinzen stellte eine schwierige                 die Neuordnung der Provinzen und Regierungsbezirke,           Westfalen wurden zunächst 34 Kreise eingerichtet. Hier        aufgrund von Urbanisierung und Industrialisierung zahlrei-
Aufgabe dar, war doch der Staat Preußen „grundverschie-                   sondern auch die der unteren Verwaltungsbehörden: „Je-        ließ man sich mehr Zeit. Die Regierung Münster beispiels-     che Teilungen gefolgt.
den von den Ländern am Rhein.“12 Da die Inbesitznahme                     der Regierungsbezirk wird in Kreise eingetheilt.“13 Die von   weise schloss erst Anfang August 1816 ihre Vorarbeiten

18                                                                                                                                                                                                                                                              19
Über Aktivitäten und Leistungen der ersten rheinisch-westfälischen Landräte ist wenig bekannt.    Georg von dem Bussche-Münch (1791-1874) war 26 Jahre alt, als er 1817 sein    Georg Bärsch (1778-1866) hatte in den „Befreiungskriegen“ im Freikorps Schill gekämpft. Nach      Joseph von Hartmann (1780-1859) war erster Landrat des Kreises Büren. Er entstammte einer
Zu den herausragenden Persönlichkeiten zählt zweifellos der erste Landrat des Kreises Coesfeld,   Amt im Kreis Rahden (Lübbecke) antrat. Die Dienstgeschäfte erledigte er von   1816 war er als Landrat in den Kreisen Lechenich, Solingen und Prüm tätig. 1856 veröffentlichte   alten, 1803 in den Adelsstand erhobenen Paderborner Beamtenfamilie. (Abb.: Kreisarchiv Pader-
Clemens von Bönninghausen (1785-1864), der allerdings weniger als Verwaltungsbeamter denn         seinem Gut Benkhausen aus. (Abb.: Kommunalarchiv Minden)                      er „Erinnerungen aus meinem vielbewegten Leben“. (Abb.: M. Rolef)                                 born)
als Botaniker und Arzt Bekanntheit erlangte. (Abb.: Kreisarchiv Coesfeld)

Diener des Königs – Der preußische Landrat                                                        Da über Bildung und Befugnisse der Kreisstände aber
                                                                                                  noch nicht entschieden war, kam deren Mitwirkung an den
Wahl und Anstellung der Landräte waren in der „Verord-                                            Stellenbesetzungen im Westen der Monarchie zunächst                           Die definitiven Ernennungen erfolgten in der Regel nach                                           der Landräte hatten durch eine Laufbahn beim Militär oder
nung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehör-                                          nicht zum Tragen. Bei der Erstanstellung 1816 galten                          kürzerer Bewährungszeit, mit wenigen Ausnahmen: Die                                               bei der Gendarmerie an höherer Stelle auf sich aufmerk-
den“ ausdrücklich offengeblieben. Durch Kabinettsorder                                            somit noch andere Bedingungen, da, wie es in besagter                         Landräte im Westmünsterland erhielten teils erst 1827 ihre                                        sam gemacht. Zu diesen zum Landrat umfunktionierten
vom 11. Juni 1816 bestimmte Friedrich Wilhelm III.                                                Kabinettsorder hieß, „bei der jetzigen ersten Organisation                    endgültige Bestallung – nach der endgültigen Feststellung                                         Offizieren gehörte beispielsweise auch der erste Landrat
anknüpfend an die altpreußische Praxis, dass der Landrat                                          der Kreisbehörden in den alten und neuen Provinzen nicht                      der Sonderrechte der in den Kreisen ansässigen mediati-                                           des Kreises Jülich, Carl von Bülow, ein stockpreußischer
als staatlicher Beamter künftig durch die Kreisstände                                             überall ein zum Landrat völlig qualifizierter, mit der Ver-                   sierten Standesherren.                                                                            Protestant, dem „das Rheinland lebenslang fremd bleiben
aus der Mitte der Rittergutsbesitzer zu wählen sei.                                               fassung genau bekannter Gutsbesitzer anzutreffen sein                                                                                                                           sollte.“21 Der Anteil der Landräte bürgerlicher Abkunft
Zu diesem Zweck sollten die Kreisstände der Regierung                                             dürfte“.18 Deshalb gestattete der König, dass für den Über-                   Die 1816 ernannten Landräte waren im Durchschnitt                                                 – oftmals Abkommen alter Beamten- und Juristenfami-
drei geeignete Bewerber vorschlagen; auf den Bericht                                              gang auch versorgungsberechtigte Militärpersonen oder                         knapp über vierzig Jahre alt, der älteste war Clemens                                             lien – betrug ziemlich genau ein Drittel, wobei regionale
der Ministerien des Innern und der Finanzen ernannte der                                          bewährte Verwaltungsbeamte ohne förmliches Verfahren                          August von Syberg, der als 62-jähriger sein Amt im Kreis                                          Unterschiede ins Auge fallen: Im Regierungsbezirk Arns-
König schließlich einen der Vorgeschlagenen zum Landrat.                                          zu Landräten bestellt werden konnten. In der ersten Deka-                     Gemünd antrat, mit 26 Jahren war Georg von dem Bus-                                               berg war das Verhältnis zwischen Adligen und Bürgerlichen
Die preußische Landaristokratie hatte sich also mit ihren                                         de wurden von der Staatsregierung überwiegend Beamte                          sche-Münch im Kreis Rahden der jüngste.20 Schaut man                                              sogar fast ausgeglichen. Nur etwa die Hälfte der ersten
rückwärtsgewandten Vorstellungen durchsetzen können,                                              berufen, die in den Kreisen beheimatet waren und sich mit                     sich die Biografien der zwischen 1816 und 1826 im Rhein-                                          Landräte-Generation war katholisch, was dem Anteil der
war es ihr mit dieser Regelung doch tatsächlich gelungen,                                         den lokalen Verhältnissen gut auskannten. Alle Anstellun-                     land und in Westfalen wirkenden Landräte – insgesamt 98                                           katholischen Bevölkerung im Rheinland und in Westfalen
„zwischen den staatlichen Behörden und den sozialen                                               gen geschahen zunächst provisorisch. Ein „Anspruch auf                        Personen – näher an, so wird deutlich, dass etwa zwei Drit-                                       nicht annähernd entsprach. Die evangelischen Landräte
Alltag der städtischen und ländlichen Gesellschaft … einen                                        die künftige Beibehaltung als Landrat“19 könne daraus                         tel auf langjährige Erfahrungen in Justiz und Verwaltung                                          wurden in katholischen Regionen nicht mit offenen Armen
quasiständischen Schirm einzuziehen“.17                                                           nicht abgeleitet werden, wie dem kommissarischen Landrat                      zurückblicken konnten. Mehr als die Hälfte der Landräte                                           aufgenommen.
                                                                                                  des Kreises Halle, Maximilian von Korff-Schmising-Kerßen-                     hatte sogar studiert, in den allermeisten Fällen Rechts-,
                                                                                                  brock, unmissverständlich mitgeteilt wurde.                                   Kameral- oder Staatswissenschaften. Gut 15 Prozent

20                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            21
David Wiethaus (1768-1854) war – wie mancher seiner
                                                                 Amtskollegen – Diener mehrerer Herren: Er wurde
                                                                 1804 zum Kriegs- und Domänenrat in Hamm ernannt,
                                                                 avancierte 1809 zum Unterpräfekt des Arrondissements
                                                                 Hamm und fungierte anschließend von 1816 bis 1836 als
                                                                 preußischer Landrat in Hamm. (Abb.: Kreisarchiv Unna)

                                                                 Bärsch sein gut einjähriges Zwischenspiel im Kreis             Zucht wirken und sich um das Schulwesen kümmern. Sie          beklagte vor allem die dürftige Personalausstattung der
                                                                 Lechenich mit den Worten: „Die Stelle des Landraths ist        sollten sich ferner um Gewerbe und Landwirtschaft sorgen,     Landratsämter, auch wollte er aus allen Steuerangelegen-
                                                                 gewiß die angenehmste in der Verwaltung.“23 Von den übri-      die Infrastruktur verbessern und Wirtschaftsförderung be-     heiten möglichst herausgehalten werden, da es ihm sonst
                                                                 gen Bediensteten in den Landratsämtern sind bestenfalls        treiben. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörte das Geschäft        unmöglich sei, „das Vertrauen der Kreis-Einwohner zu ge-
                                                                 die Namen bekannt. Gelegentlich sind aber auch bei den         der Rekrutenaushebung ebenso wie die Mitwirkung bei           winnen und dadurch wohltätig auf das Ganze zu wirken.“29
                                                                 Kreissekretären Karrieren zu beobachten: Alexander             der Feststellung der Steuern und Erledigung von Steuerre-     Obwohl die Instruktion vom Dezember 1816 niemals die
                                                                 Brandis, über viele Jahre zweiter Mann im Paderborner          klamationen. Der vorläufige Charakter der Dienstvorschrift    königliche Bestätigung erhalten hat, sollte sie sich in Er-
                                                                 Landratsamt, erhielt 1820 seine Ernennung zum Stadt-           kam in Paragraf 14 zum Ausdruck, in welchem die Bildung       mangelung einer endgültigen Bestimmung zum „Leitbild für
                                                                 direktor der Kreisstadt.                                       von Kreisständen und die Bestellung von Kreisdeputierten      die Handhabung der Verwaltungskunst“30 entwickeln, und
                                                                                                                                besonderer Bestimmung vorbehalten blieb. Der Landrat          zwar mindestens bis zum Erlass der provinziellen Kreisord-
                                                                 Zu dem Zeitpunkt, als die Kreise eingerichtet wurden           konnte seine Dienstgeschäfte von seinem Gut aus erledi-       nungen nach 1872. An einer bürokratischen Ausgestaltung
                                                                 und die landrätlichen Kommissare ihr Amt antraten, war         gen, musste dann aber in der Kreisstadt ein Büro unterhal-    des Landratsamtes war ohnedies niemandem gelegen.
                                                                 überhaupt nicht klar, nach welchen Ordnungen die Kreis-        ten und dort regelmäßig Sprechstunden abhalten. Die vor-      „Die beste Instruktion für die Landräte“, so der langjährige
                                                                 verwaltung vonstattengehen sollte. Den Landräten wur-          gesehene Ausstattung des landrätlichen Geschäftslokals        Landrat und nachmalige preußische Finanzminister Fried-
Über Aktivitäten und Leistungen der rheinisch-                   de lediglich mitgeteilt, dass man „zu seiner Zeit“24 eine      war ausgesprochen bescheiden.27 Die Instruktion bestimm-      rich von Motz 1823 in einer Denkschrift, „bleibt immer die,
westfälischen Landräte der „Pionierzeit“ weiß man                Dienstanweisung erteilen werde. Darüber hinaus empfahl         te als weitere Kreisbeamte die Bestellung eines Kreisse-      recht viele gute Dinge mit so wenigen Akten als möglich zu
insgesamt recht wenig. Es gibt einige wenige herausra-           man „fleißiges Studium der Gesetzgebung, welches bei den       kretärs, eines Kreisboten, eines Kreiskassenrendanten, bei    tun, die Sache ins Leben zu führen und nicht im Papier zu
gende Persönlichkeiten wie etwa Clemens von Bönning-             ausführlichsten Instructionen immer ein wesentliches und       größeren Kreisen auch die eines Kassenkontrolleurs; als       begraben.“31
hausen, der allerdings weniger als Verwaltungsbeamter            hauptsächliches Erfordernis bleibt“.25                         Gesundheitsbeamte sollten ein Kreisphysikus und ein
im Kreis Coesfeld denn als Arzt und Botaniker von sich                                                                          Kreischirurgus für jeden Kreis bestellt werden. Der allum-    Auch wenn sich ein konkretes „Gründungsdatum“ nicht
reden machte, oder Ernst von Bodelschwingh, der nach             Am 31. Dezember 1816 wurde den Bezirksregierungen              fassenden Zuständigkeit der Landräte entsprach die dürfti-    festmachen lässt, ist zumindest die Kreiseinteilung in
seiner Station als Landrat in Tecklenburg von 1822 bis           dann auf dem Dienstweg der Entwurf einer „Instruktion für      ge personelle und technische Ausstattung in keiner Weise.     Rheinland-Westfalen Ende 1816 abgeschlossen.
1831 zum Finanz- und Innenminister aufstieg.22 Karrieren         die Landräte und die ihnen untergeordneten Kreisoffizi-                                                                      Die damals geschaffenen gebietlichen Strukturen entwi-
dieser Art blieben aber die Ausnahme. Bemerkenswert              anten“ zugeleitet. Dieser insgesamt 56 Paragrafen umfas-       Die Dienstinstruktion vom 31. Dezember 1816 wurde an          ckelten vor allen Dingen in den eher ländlich geprägten
sind die nicht selten langen Dienstzeiten, teilweise über alle   sende Entwurf regelte die Ausbildungsanforderungen, den        die Bezirksregierungen versandt mit der Maßgabe, sie den      Regionen eine bemerkenswerte Beständigkeit und reich-
politischen Zäsuren hinweg. Heinrich Wilhelm von Holtz-          Rang, die Aufsichtsbefugnisse und die Amtsausstattung          Landräten als vorläufige Anweisung vorzugeben. Nach           ten als Identitätsraum nicht selten über die kommunale
brinck beispielsweise übernahm 1790 die Verwaltung des           des Landrats, er enthielt eine allgemeine Dienstordnung        Ablauf eines halben Jahres sollten Landräte und Regie-        Neugliederung der 1970er-Jahre hinaus. Die Kreise waren
märkischen Landratsamts Altena, avancierte 1809 zum              und Vorschriften über die besonderen Dienstverpflich-          rungen zum Entwurf Stellung nehmen. Es gab von Beginn         aber zunächst rein staatliche Verwaltungsbezirke, der Land-
Unterpräfekten des Arrondissements Hagen und erhielt             tungen. Demnach war der Landrat Organ der staatlichen          an starke Bedenken. Die Oberpräsidenten sprachen sich         rat war Staatsbeamter. Es gab keine Kreisverfassung und
im Januar 1817 seine neuerliche Ernennung zum Altenaer           Verwaltung. „Die Landräte“, so heißt es weiter, „haben         auf einer Zusammenkunft in Berlin am 18. April 1817 ent-      auch keinerlei Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung
Landrat. Maximilian von Elverfeldt war zunächst Domherr in       gegen die Kreiseingesessenen Glimpf, Bescheidenheit und        schieden gegen die Instruktion aus, sie vermissten Klarheit   bei der Verwaltung des Kreises. Von einem kommunalen
Paderborn, dann von 1803 bis 1806 preußischer Landrat,           Geduld, aber auch – wo die Pflicht es erheischt – Ernst        und Bestimmtheit, man erhalte im Westen, wo Landräte          Leben im Kreis, ganz zu schweigen von einer kommunalen
von 1807 bis 1813 westphälischer Unterpräfekt und von            zu beweisen, sich überall rechtschaffen zu benehmen,           unbekannt seien, keinen Begriff von deren Wirkungskrei-       Selbstverwaltung, konnte bei seiner Einrichtung nicht
1816 bis 1830 erneut Landrat in Paderborn. Dass Landrä-          tätig und überlegt zu handeln, auf alles, was in ihrem Kreis   sen.28 Auch die Regierung in Minden äußerte Vorbehalte        gesprochen werden. Die reformorientierten Kräfte hatten
te mehr als zwanzig oder dreißig Jahre an einem Ort tätig        vorgeht, acht zu haben, sich von allem und jedem Notiz zu      gegen den Entwurf, den sie den Landräten gar nicht erst       sich mit ihren zukunftweisenden Vorstellungen nicht durch-
waren, war keineswegs die Ausnahme; die 41 Dienstjahre           verschaffen, dazu die ohnehin nach der Natur der Geschäf-      zur Begutachtung weitergereicht hatte. Auf Anweisung          setzen können. Ganz umsonst waren die Bemühungen
von Emil August von Bernuth aus dem Kreis Lennep ragen           te vorkommenden Reisen im Kreise fleißig zu nutzen und         des Innenministers musste die Dienstanweisung aber An-        freilich nicht: Viele ihrer Denkanstöße wurden Jahrzehnte
allerdings deutlich heraus. Mit Peter Eberhard Müllensiefen      sich dadurch des in sie gesetzten vorzüglichen Vertrauens      fang 1818 dann doch einigen ausgewählten, besonders           später aufgegriffen und fanden Eingang in die Kreisord-
und Georg Bärsch haben immerhin zwei Landräte autobio-           wert zu erhalten.“26 Die Landräte sollten bei den unteren      erfahrenen Landräten zur Stellungnahme zugesandt wer-         nung von 1872.
grafische Aufzeichnungen hinterlassen. So resümierte             Bevölkerungsklassen für sittliche Besserung und kirchliche     den. Der Paderborner Landrat Maximilian von Elverfeldt

22                                                                                                                                                                                                                                                      23
Der Kreistag:                                                 werden, damit der Großgrundbesitz einschließlich der Rit-
                                                                                                                             Organisation, Zusammensetzung und Tätigkeit                   tergutbesitzer fünf Vertreter erhielt.“12

                                                                                                                                                                                           Der Kreistag Soest hatte beispielsweise 1829 insgesamt
                                                                                                                             Das neue Organ „Kreistag“ hatte den Zweck, die „Kreis-        19 Abgeordnete. Davon stammten aus dem ersten Stand
                                                                                                                             verwaltung des Landrates in Kommunal-Angelegenheiten          zehn Abgeordnete,13 aus dem zweiten Stand drei Abgeord-
                                                                                                                             zu begleiten und zu unterstützen“.4 Damit konnten die         nete und aus dem dritten Stand sechs Abgeordnete. Die
                                                                                                                             Landratsämter erstmals offiziell die den Kreis betreffenden   ständische Besetzung war nicht unumstritten, da die Be-
                                                                                                                             Kommunalangelegenheiten wahrnehmen.5 Gleichzeitig             fähigung für das Amt an Grundeigentum gebunden war.14
                                                                                                                             sollte der Kreistag bei der Umsetzung der Staatsaufgaben      Im Kreis Höxter wurde deshalb in den 1840er-Jahren von
                                                                                                                             behilflich sein.6 Der Kreisversammlung wurde ebenfalls das    den Kandidaten das Ehrenwort verlangt, dass ihr Besitz
                                                                                                                             Recht auf Mitwirkung bei der Besetzung der Landratsstelle     im Kreis kein „Scheinbesitz“ sei, um sich den Abgeordne-
                                                                                                                             zugestanden. Sie konnte drei Kandidaten benennen.             tenstatus zu erschleichen.15 Die Rheinländer lehnten den
                                                                                                                             Die Kreistage waren ständisch besetzt. „Jeder Kreistag        durch Adel und Grundbesitz begünstigten Stand ab,16 da
                                                                                                                             setzte sich aus drei Ständen, welche die Besitzmassen         dies dem Rheinischen Recht widersprach, das als wichtig-
                                                                                                                             Großgrundbesitz, Kleingrundbesitz und Kapitalbesitz re-       stes Prinzip die staatsbürgerliche Gleichheit vor dem
                                                                                                                             präsentierten“7 zusammen. Der erste Stand bestand in          Gesetz zu Grunde legte. Obwohl auch Preußen durch
                                                                                                                             Westfalen und im Rheinland aus den Besitzern „der im          neue Steuer-, Agrar- und Gewerbegesetzgebungen
                                                                                                                             Kreis gelegenen ehemals reichsunmittelbaren Landesteile,      Rahmenbedingungen für eine moderne Gesellschaft auf
                                                                                                                             welche auf die nach der Verordnung vom 30. Mai 1820           den Weg gebracht hatte, wurde – trotz der Angreifbarkeit
                                                                                                                             ihnen zustehenden Regierungsrechte verzichtet hatten,         dieses Systems – auf die alten Strukturen der Stände
                                                                                                                             und auf dem Provinziallandtage im Stande der Fürsten und      gebaut.
                                                                                                                             Herren mit einer Virilstimme Beliehenen, sowie aus den        Die Wahl der Kandidaten zum Kreistag erfolgte auf sechs
                                                                                                                             Rittergutbesitzern“.8 In den Rheinprovinzen9 und in West-     Jahre. Nach drei Jahren wurden per Losverfahren die Kan-
                                                                                                                             falen konnten Deputierte dieses Standes durch Familien-       didaten der Gemeinden ausgetauscht.17 Die Kandidaten
                                                                                                                             mitglieder oder durch eine Person, die zur Ritterschaft des   des Kreistages sollten zudem einer christlichen Kirche
                                                                                                                             preußischen Staates gehörte, vertreten werden. Den zwei-      angehören, das 24. Lebensjahr vollendet haben und einen
                                                                                                                             ten Stand bildeten die städtischen Abgeordneten. Je Stadt     unbescholtenen Ruf besitzen.18
WESEN, STRUKTUR UND AUFGABEN DER KREISE                        Im Zusammenhang mit der Verfassungsberatung im Jahr           wurde ein Mitglied für den Kreistag von dem Gemeindevor-
MITTE DES 19. JAHRHUNDERTS                                     1820 wurde dem preußischen Staatsrat ein Kreisord-            stand und Gemeinderat gewählt. Die Gewählten mussten          Die Stände verhandelten auf dem Kreistag gemeinschaft-
                                                               nungsentwurf für ganz Preußen vorgelegt. Die Umsetzung        zudem Mitglied des jeweiligen Gemeindevorstandes oder         lich. Beschlüsse wurden nach einfacher Mehrheit gefasst.
Gabriele Mohr, Rhein-Erft-Kreis                                dieses Entwurfes scheiterte aber an den politischen Ver-      der Gemeindevertretung sein.10 Es war möglich, dass grö-      Der Landrat hatte kein Stimmrecht, sondern nur, wenn er
                                                               hältnissen der damaligen Zeit. So wurden erst ab 1824         ßere Städte auf Antrag mehrere Abgeordnete zum Kreistag       zugleich Kreisstand war. Bei Stimmengleichheit zählte die
Die Kreisordnung vom 13. Juli 1827                             Kreisordnungen für die preußischen Provinzen erlassen.3       entsenden konnten. Der dritte Stand waren Vertreter der       Stimme des Vorsitzenden und, wenn dieser nicht stimmfä-
                                                               Für das Rheinland und Westfalen brachte die Kodifizie-        Landgemeinden, die sich aus den Bürgermeistern und Ver-       hig war, die Stimme des ältesten Kreisdeputierten.19 Eben-
Bis 1827 wurden die Besetzungen der rheinischen und der        rung des Kreisverfassungsrechts die Kreisordnung für die      tretern der Samtgemeinden zusammensetzten. Für jeden          falls konnte ein Stand, wenn er sich in einem Beschluss
westfälischen Landratsämter ausschließlich nach der „Vor-      Rheinprovinzen und Westfalen vom 13. Juli 1827.               Vertreter der Städte und Landgemeinden war ein Stellver-      nicht entsprechend vertreten sah, dagegen Einspruch
läufigen Instruktion für die Landräte und Kreisoffizianten“    Die Kreisordnung von 1827 diente in erster Linie der Ein-     treter zu wählen. 1836 wurde ergänzend bestimmt, dass         einlegen.
vom 31. Dezember 1816 vorgenommen.1 Die Kreise zähl-           richtung von Kreistagen. Dies war gegenüber der vorläu-       „in der Rheinprovinz für die Stadtgemeinden nur solche
ten damals im Durchschnitt 20.000 bis 36.000 Einwohner                                                                       Personen zu den Kreistagen abgeordnet werden sollen, die      Der Kreistag tagte mindestens einmal im Jahr auf Einla-
                                                               figen Dienstinstruktion von 1816 ein erster Fortschritt, da                                                                 dung des Landrats. Bei Bedarf waren mehrere Tagungen
und hatten an ihrer Spitze einen vom preußischen König         nun ein neues Kreisorgan neben dem Landrat eingeführt         in der Stadt ein Haus besitzen“.11 Durch die Novelle vom
ernannten Landrat.2 Dieser kam meist aus der ansässigen                                                                      26. März 1839 wurden zudem für die Rheinprovinz die Re-       möglich. Die Sitzungen der Kreisverwaltungen fanden bei-
                                                               wurde. Die bisherigen landrätlichen Kreise blieben beste-                                                                   spielsweise in Gaststätten wie im Kreis Bergheim zwischen
Gutsbesitzerschicht. Er sollte besonders angesehen sein        hen und bildeten gleichzeitig die Bezirke der Kreisstände,    gularien für den ersten Stand dahingehend geändert, dass,
und das öffentliche Vertrauen besitzen. Ihren Dienst leiste-                                                                 sollten auf dem Kreistag nicht wenigstens fünf stimmfähi-     1839 und 1842 in den Räumlichkeiten „der Witwe Nelles
                                                               die in den Kreistagen vertreten waren.                                                                                      in Bergheim“20 statt.
ten die Landräte vom eigenen Grundbesitz aus. Sie hatten                                                                     ge Rittergutbesitzer vorhanden sein, „nach dem Reglement
für die Unterbringung des Kreisbüros zu sorgen und die                                                                       vom 17. März 1828 zum Landratsamte qualifizierte Vertre-
Geschäftszeiten zu regeln.                                                                                                   ter des meistbegüterten ländlichen Grundbesitzes gewählt

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