Ostern: ein göttlicher Schubs für das Gartenfest des neuen Lebens - Bistum ...

Die Seite wird erstellt Levi Wichmann
 
WEITER LESEN
Ostern: ein göttlicher Schubs für das Gartenfest des neuen Lebens
  Predigt von Dr. Bertram Meier, Apostolischer Administrator, zu Ostern 2020

„Ich fühle mich wie in einem Käfig“, kommentierte Papst Franziskus seine Situation
im Vatikan. Der Hintergrund: Corona, doch wie mag sich der Papst auch sonst oft
fühlen, wenn er umgeben ist von Kardinälen und Prälaten, die sich ihm andienen, aber
vielleicht nicht immer seine Linie teilen? Ja, es ist ein einsames Ostern, nicht nur für
den Papst. Seit 35 Jahren dekoriert der niederländische Florist Paul Deckers den
Petersplatz und die Benediktionsloggia für den Ostersegen „Urbi et Orbi“, der Stadt
und dem Erdkreis, den Päpste im frühlingsfrohen Rom den Pilgern alle Jahre spenden.
Ich weiß noch, wie Papst Johannes Paul II. jedes Mal das Herz aufging, wenn der
ansonsten von Stein geprägte Petersplatz plötzlich in ein Blumenmeer verwandelt
wurde. Papst Franziskus hat sich letztes Jahr nach dem Segen sogar öffentlich bei Paul
Deckers für die „wunderschönen Blumen“ bedankt – und der mit zig-Tausenden von
Pilgern gefüllte Petersplatz jubelte. Heuer ist alles ganz anders: Der Platz ist leer, statt
Blumen alles Stein, der Päpstliche Segen ist nur per Live-Stream zu haben.
Und dennoch: Ostern fällt nicht aus. Das Halleluja ist zwar leiser, aber vielleicht umso
hoffnungsvoller und tiefer. Der Osterplärrer bei uns hier in Augsburg ist abgesagt,
Jahrmärkte und Tänze um den Maibaum dürfen nicht sein, selbst das Oktoberfest steht
auf der Kippe. Doch Ostern bleibt. Ausflüge und Familienfeiern müssen wir lassen,
aber nicht das Osterhalleluja und die Freude darüber, dass es ein Leben gibt, das noch
wichtiger ist als Gesundheit, Wellness und Fitness. Diese Freude kann uns keiner
nehmen. Und wir wollen sie teilen, auch mit diesem Gottesdienst.
Schauen wir auf das erste Osterfest bei Jerusalem, dann wird klar, was Ostern
eigentlich ist: Ostern ist ein Gartenfest auf das neue Leben! Am Karfreitag wird der
Garten vorbereitet, in dem dieses Leben sprießen soll: „An dem Ort, wo man Jesus
gekreuzigt hatte, war ein Garten, und in dem Garten war ein neues Grab, in dem noch
niemand bestattet worden war. Wegen des Rüsttages der Juden und weil das Grab in
der Nähe lag, setzten sie Jesus dort bei.“ (Joh 19,41-42).
Dieses Gartengrab dient als Bühne für das Osterfest. Als Maria Magdalena sich mit
anderen Frauen am frühen Morgen zum Garten aufmacht, um das Grab zu besuchen,
kommt es zu einer Verwechslung: Der Auferstandene begegnet ihr als Gärtner. Maria
2

ahnt nicht, wen sie vor sich hat. Und noch weniger ahnt sie, dass der Gärtner sie zur
Mitarbeiterin in seinem Garten berufen wird, zur „Apostolin der Apostel“. An dieser
Verwechslung merke ich, dass der Heilige Geist ein kleiner Schelm ist. Gottes
Pädagogik arbeitet mit einem echten Geistesblitz: Jesus ist nämlich wirklich ein
Gärtner; sein Bereich ist der Garten des Lebens. Er will den Menschen den Zugang
zum Garten Eden neu eröffnen. Bereits vom Kreuz herunter hat er es einem der
Schächer zugesichert: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43).
Damit korrigiert Jesus die Arbeit eines anderen Gärtners. Es ist Adam. Adam, so
erzählt die Geschichte aus dem Alten Testament, wird von Gott in den Garten Eden
gesetzt. Dort wird er mit einer wichtigen Aufgabe betraut: Er soll den Garten bestellen,
pflegen und schützen. Doch Adam, der Gärtner von Eden, überschreitet seine
Kompetenz. Er vertauscht die Rollen. Der Mensch will sein wie Gott, er will
entscheiden, was gut ist und was böse. Das Geschöpf schwingt sich auf zum Schöpfer.
Und so wird dem Gärtner Adam gekündigt, er muss den Garten verlassen und harte
Arbeit leisten. Das Lachen ist ihm vergangen, er und seine Frau Eva müssen schaffen
im Schweiße ihres Angesichtes. Seither fehlte dem Garten Eden ein Gärtner. Mit dem
Auftreten Jesu von Nazareth ist die Stelle des Gärtners in Eden wieder besetzt! Er
stellt die Ordnung in Gottes Garten wieder her. Jesus selbst verschweigt seine
Ahnenreihe nicht. Gern nennt er sich den „Menschensohn“, auf Hebräisch „Ben
Adam“, der Sohn, der Nachkomme des Adam. Jesus ist der neue Adam, der Gärtner,
dem es nicht um sich selbst geht, sondern nur um den Willen Gottes.
Noch in anderer Hinsicht legt die Verwechslung am Gartengrab eine tiefsinnige
Botschaft frei: Zum Gärtner gehört die Stechschaufel. Damit wendet er die Erde. So
wird sie neu fruchtbar und nimmt frischen Samen auf. Jesus, der Gärtner, setzt seinen
Spaten an bei der Geschichte vom Garten Eden. Er schlägt nicht nur ein neues Kapitel
auf, er wendet das Blatt wie ein Stück Erde: Danach bekommt die alte Geschichte von
Sünde und Schuld ein neues Gesicht, sie gleicht einem neu angelegten Garten. Unter
dem Einsatz des eigenen Lebens macht Jesus aus dem dornigen Erdengarten den
blühenden Garten Eden. Ist es nicht ein wunderschönes Wort, das Blaise Pascal im 17.
Jahrhundert prägte: „In einem Garten ging die Welt verloren, in einem Garten wurde
sie erlöst.“ Inmitten von all dem Schlechten und Schlimmen, auch von menschlichen
Verschwörungs- und göttlichen Straftheorien, die mit der Pandemie im Umlauf sind,
3

glaube ich fest, dass Gott etwas Neues und Gutes mit uns und seiner Kirche plant; dass
er mit Ostern den Startschuss setzt für den Weg einer wirklich geistlichen Erneuerung.
Die Zeit nach Corona birgt geistliches Potential. Eine meiner Lieblingsstellen aus den
Prophetenbüchern steht bei Jesaja: „Seht, ich mache etwas Neues. Schon keimt es auf.
Seht ihr es nicht? Ich bahne einen Weg durch die Wüste und lasse Flüsse in der Einöde
entstehen.“ (43,19) Manchmal muss Gott uns einen Schubs geben, um auf das
hinzuweisen, was er neu machen will. Wahrscheinlich deswegen, weil niemand von
uns in der Wüste, in der Dürre, im Niemandsland einen Aufbruch oder gar Durchbruch
erwartet. Corona ist für mich ein solcher Schubs: Bleibt nicht stehen! Geht nach vorn!
Der Auferstandene weist euch den Weg. Und vor allem: Habt keine Angst vor dem
Heiligen Geist! Beklagt euch nicht über die religiöse Steppe, freut euch darüber, dass
mit Ostern auch in der Kirche der Frühling kommt.
Deshalb feiern wir Ostern zu Recht als Gartenfest. Historiker haben festgestellt, dass
Jesus zur Hinrichtungsstätte durch das „Gennathtor“ ging, was übersetzt „Gartentor“
heißt. Seit er das Kreuz dorthin getragen hat, ist das Gartentor offen. Der neue Garten
Eden tut sich auf. Er grünt und blüht. Ich weiß, dass die Kirche nicht das Paradies auf
Erden ist. Aber schauen wir in unsere Klöster! Undenkbar ohne Garten: Kreuzgang,
Gemüsegarten, Bibelgarten. Orte, wo die Schöpfung lebt, wo Franziskanerinnen den
Sonnengesang anstimmen. Es braucht Menschen, die den Garten hegen und pflegen.
Das gilt auch im übertragenen Sinn. Ich finde, dass unsere Klöster eine prophetische
Funktion für die Kirche haben: als Biotope der Hoffnung. Wie viel Leben regt sich da,
doch oft merken wir es nicht oder wollen es nicht sehen. Es sind kleine Dinge, die
groß sind im Leben. Die Lebewesen im Biotop drängen sich nicht auf. Wer gibt sich
da nicht alles ein Stelldichein! Wasserflöhe, Mücken, Rückenschwimmer, zirpende
Grillen und hüpfende Heuschrecken, Schnecken mit und ohne Haus, tänzelnde
Libellen und summende Bienen, getupfte Marienkäfer und brummende Maikäfer,
dazwischen ein quäkender Frosch. Schon der Gärtner Jesus liebt die kleinen Dinge,
wenn er das Reich Gottes beschreibt. Er erzählt von Feldblumen und Samenkörnern,
von Spatzen und anderen Vögeln des Himmels, von Salz und Sauerteig, von Wasser
und Wein, nur selten vom Geld - und wenn, dann von den paar Pfennigen einer Witwe,
die für den Klingelbeutel kostbar sind. Ich wünsche uns an diesem Osterfest, das keine
4

großen Sprünge zulässt, neue Lebensfreude und Aufmerksamkeit für die kleinen
Dinge, die den Garten des Lebens so liebenswert machen!
Noch etwas lehrt uns das österliche Biotop der Kirche. Das Leben ist viel reicher als
wir meinen. Ich höre den Einwand: „Reichtum des Lebens kenne ich nicht“. Vielleicht
wurden Sie schon einmal richtig enttäuscht und fühlten sich alles andere als gelungen:
„Ach Gott, hättest du mich doch etwas intelligenter geschaffen oder einige Zentimeter
länger oder ein paar Pfunde leichter!“ Sie verstehen nicht, was an Ihnen so liebenswert
sein soll? Ich jedenfalls genieße es, dass die Kirche keine Monokultur ist. Zum Biotop
gehört Artenvielfalt. Monokulturen tun nicht gut. Wer sich auf die Kirche einlässt,
dem wird nicht langweilig. Bei uns sollen die Menschen erleben, wie unterschiedlich
sich Glauben, Hoffen und Lieben entfalten können. Im Garten Gottes sind nichts und
niemand gering. Adam und Eva mussten das Paradies verlassen; sie nahmen Blätter
vom Feigenbaum, weil sie ordentlich groß sind, um sich ihre Blöße zu bedecken. Seit
der Gärtner Jesus das österliche Biotop angelegt hat, brauchen wir keine Angst haben,
uns eine Blöße zu geben. Wir müssen uns des Lebens nicht schämen, auch wenn bei
uns nicht alles in voller Blüte steht. Eine zurechtgestutzte Monokultur sieht zwar
schön aus, ist aber auch ungesund. Das Biotop der Hoffnung, die katholische Kirche,
ist bunt. Kenner wissen, dass fleckige Äpfel oft geschmacklich die besten sind. Ob
Adam und Eva auf einen gespritzten Apfel mit roten Bäckchen hereingefallen sind? Im
Biotop der Kirche soll der Reichtum des Lebens blühen; die Menschen sollen spüren,
wie Leben kriecht und krabbelt, wie es fliegt und jubiliert. Ein solches Biotop zieht an,
ohne dass wir viel dazu tun müssten. Wo Leben ist, wirken wir einladend.
„In einem Garten ging die Welt verloren, in einem Garten wurde sie erlöst.“ Auf
dieses Wort von Blaise Pascal spielt Papst Johannes XXIII. an, wenn er uns Christen
sagt: „Wir sind nicht auf der Erde, um ein Museum zu hüten, sondern um einen Garten
zu pflegen, der von blühendem Leben strotzt und für eine schöne Zukunft bestimmt
ist.“ Wir haben Zukunft, wenn wir dem Leben trauen, das nie vor Überraschungen
sicher ist. Auch Maria Magdalena war ganz schön perplex, als Jesus vor ihr als Gärtner
stand. Bis heute ist er der Grund, dass wir Ostern feiern als Gartenfest. Schauen wir
noch einmal auf den Floristen Paul Deckers aus Holland. Er hatte eine gute Idee: In
der Krise wolle er versuchen, den Menschen eine Freude zu machen. Und so hat er die
Blumen für den Papst an Alten- und Pflegeheime sowie an Krankenhäuser in seiner
5

Umgebung gespendet. Blumen sollen schließlich nicht welken, sondern schmücken,
gute Laune schaffen und das Herz erfreuen.
Dieses Beispiel macht Schule: Ein großes Unternehmen hat jetzt bei Deckers mehrere
Hundert Sträuße für die Mitarbeiter im Homeoffice bestellt – als Dankeschön für den
besonderen Einsatz in diesen Wochen. Ein Blumengruß vom Chef – mit Osterglocken
oder kunterbunten Frühlingsprimeln. Denn eine Lieferung vor die Haustüre im Inland,
das funktioniert immer noch. Ich möchte nicht warten bis zum Oktoberfest, das
vielleicht gar nicht stattfinden kann. Die Osterfreude will ich mir auch heuer nicht
nehmen lassen und so stoße ich im Geiste mit Euch an: Prosit auf das Leben!
Sie können auch lesen