PÄDAGOGISCHE PERSPEKTIVEN - Band 8 - Hugendubel
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PÄDAGOGISCHE PERSPEKTIVEN Band 8 Herausgegeben von der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule der Diözese Graz-Seckau Graz 2020 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 1 12.03.20 08:35
LUISE HOLLERER & ELFRIEDE AMTMANN (HG.) SCHULTÜTENKINDER reloaded Entwicklungspsychologische und didaktische Aspekte 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 3 12.03.20 08:35
3., überarbeitete Auflage, 2020 Layout: Maria Anna Pötscher Umschlagfoto und -gestaltung: Johannes Pötscher Gesamtherstellung: Leykam Buchverlag – www.leykamverlag.at © by Leykam Buchverlagsgesellschaft m.b.H. Nfg. & Co. KG, Graz 2015 Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Ver- fahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektro- nischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. ISBN 978-3-7011-0452-9 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 4 12.03.20 08:35
Inhalt Vorwort .............................................................................................................................. 7 PSYCHOLOGISCHE, PÄDAGOGISCHE, BILDUNGSPOLITISCHE ZUGÄNGE Luise Hollerer Reife – Fähigkeit – Bereitschaft: Schuleingang im Spannungsfeld zwischen Entwicklungspsychologie und Bildungsbürokratie ................................................................. 11 Birgit Parz-Kovacic / Ingeborg Schmuck Bildungswege von Kindern oder Bildung von Anfang an Transition vom Kindergarten in die Schule ........................................................................... 23 Wolfgang Pojer Schulstart NEU – Visionen für den Schuleingang aus der Sicht der Schulaufsicht ................... 35 Josef Zollneritsch Die österreichische Schule: Von der Selektion zur Inklusion? ............................................... 39 Ilse Schmid Hurra, ich komme in die Schule! Gelingender Übertritt aus Elternsicht .................................................................................. 45 Eva Haubner Elementarpädagogik: Beste Bildung von Anfang an .............................................................. 49 Alexandra Strohmeier-Wieser / Daniela Greimel / Hannelore Knauder Einstellung der KindergartenpädagogInnen und VolksschullehrerInnen zur inklusiven Bildung. Eine Vergleichsstudie in der Steiermark ................................................... 55 PÄDAGOGISCH-DIDAKTISCHE ZUGÄNGE Emotion und Soziales Elfriede Amtmann / Verena Kerbl / Verena Kurzmann / Florian Pichler ELLA – ein Projekt zur Förderung der emotionalen und sozialen Kompetenz im Vorschulalter ................................................................................................................. 67 Friederike Hofer / Kerstin Zechner Erste Schritte zu einer Haltung der Achtsamkeit Ein Auftrag für den Übergang Kindergarten und Schule ........................................................ 79 Veronika Schweiger-Mauschitz Bildungsauftrag: interkulturelle Kompetenz!? Eine doppelte Herausforderung an alle professionell pädagogisch Handelnden! .................................................................... 91 Alexandra Strohmeier-Wieser / Walter Prügger Global Citizenship Education Über kindliche Auseinandersetzung mit der Welt und die Rolle der Bildung .......................... 99 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 5 12.03.20 08:35
6 Sinnesentfaltung & Kreativität Christine Guttmann Textile Lernwerkstätte als Sprungbrett zur Entfaltung der Sinne .......................................... 111 Franziska Pirstinger Vom Nutzen und Schaden kunstpädagogischer Bemühungen ............................................ 121 Werner Rohrer Rhythmusarbeit als leib-haftes Musizieren. Gestalten mit Hand-, Fuß- und Stimmtönen ...... 131 Sprache Marie-Theres Hofer Sprachsensibler Fachunterricht – durchgängige sprachliche Bildung – Sprache im Fach ......... 145 Katharina Ogris Von Beginn an viele Sprachen. Von der Notwendigkeit der Anerkennung eines vielsprachigen Repertoires in elementaren Bildungseinrichtungen ...................................... 153 Lisa Reicher-Pirchegger / Michaela Reitbauer Kinder zu Wort kommen lassen – Kinder zur Schrift kommen lassen. Potenziale in der erweiterten Schuleingangsphase am Beispiel des (Schrift-)Spracherwerbs ............................ 161 Kerstin Waldmüller Spielend zur Schriftsprache. Wann beginnt die Reise ins Buchstabenland? ............................ 171 Heterogenität und Unterstützung Luise Hollerer Transition: Beobachtung, pädagogische Diagnostik und Entwicklungsgespräche ................... 185 Karin Landerl Früherkennung und Diagnostik von Lernschwächen .......................................................... 193 Anneliese Franz Gruppenscreening zur Erfassung der phonologischen Bewusstheit ..................................... 199 Ursula Grasser Das Zählen ist der Eingang in die Welt der Zahlen ............................................................ 213 Norbert Holzer / Sybille Mick Geometrie als Grundlage für Lesen, Schreiben und Rechnen ............................................ 225 Ganzheitliches Lernen Rosina Haider Frühes naturwissenschaftliches Lernen – ein Prozess im Dialog .......................................... 245 Eleonore Krenn Bewegung = Entwicklung = Bildung ................................................................................ 253 Daniela Schwarzl Alltagsmaterial trifft Bewegung und Kunst .......................................................................... 261 Hollerer / Albrecht / Amtmann (2018) BOB-Schuleingang – ein Beobachtungszugang für PädagogInnen und Eltern ........................ 271 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 6 12.03.20 08:35
7 Vorwort der Herausgeberinnen „Jeder Mensch ist dazu bestimmt, ein Erfolg zu sein, und die Welt ist dazu bestimmt, diesen Erfolg zu ermöglichen.“ Quelle: Unesco Bericht 1972; Faure, E. u. a. (Hrsg.). (1972). Apprendre a être. Paris (dt. Wie wir leben lernen. Der Unesco-Bericht über Ziele und Zukunft unserer Erziehungsprogramme. Hamburg: Reinbek, 1973 Der Übergang vom Kindergarten in die Schule fällt in einen Entwicklungszeitraum, in dem Kinder sehr unterschiedliche Zugänge zum Lernen haben. Als Gegenpol zu systemischen Normierungs- vorgaben, die nach dem Zeitpunkt der Schulreife, -fähigkeit und -bereitschaft fragen, rücken wir entwicklungsorientierte Aspekte für das Kind in den Mittelpunkt. Wir fragen, wie die personalisierte Begleitung des Lernens gestaltet sein kann. Es ist an der Zeit, die Lernbiografien der Kinder zu sehen und lernprozess-begleitende „Pädagnostik“ einzusetzen, weg von punktueller Selektionsdiagnostik. Es ist an der Zeit, auf die Ressourcen des sozialen Umfeldes zu achten und Angebote zu erweitern. Denn Bildungsinstitutionen haben einen Auftrag zu erfüllen: Es gilt, Kinder zur Teilhabe an der Gesellschaft zu befähigen. Dafür wird es wich- tig sein, Schultüten neu zu füllen: mit Lebendigkeit und Freude am Erkunden, mit Lernmotivation und dem Maß an Herausforderung, bei dem jedes Kind sein Begabungspotential entfalten und seine individuelle Lernfähigkeit erweitern kann. Dazu braucht es den Austausch zwischen Pädagoginnen und Pädagogen, Kind und Eltern, über die Lernzugänge jedes Kindes – vor allem die emotionalen und motivationalen. Es braucht den Austausch über Lernziele und Lernschritte und die Form der pä- dagogischen Unterstützung, damit sich das Kind dem leistungsorientierten Lernen und dem Erwerb gesicherten Wissens nähern kann, wie im Volksschullehrplan beschrieben. Die KPH Graz beforscht Zugänge und partizipative Instrumentarien, die diese Kooperation der Bil- dungspartner stärken. Seit 2005 haben sich die Lehrenden aller Fachbereiche mit Individualisierung und Altersheterogenität auseinandergesetzt und mit Stakeholdern innovativer Bildung diskutiert. Unser großer Dank geht an alle Autorinnen und Autoren, die in ihren Forschungen und didaktischen Zugängen das Kind im Mittelpunkt haben und individuelle Zugänge zum Lernen erschließen, sowie an alle, die diese Publikation unterstützt haben: das Rektorat der Kirchlichen Pädagogischen Hoch- schule der Diözese Graz-Seckau, die Institute für Aus-, Fort- und Weiterbildung, das Institut für Forschung, Maria Petek für die sorgfältige Lektorierung und Maria Anna Pötscher für die umsichtige Layoutierung. Alle Beiträge dieses Buches wurden einem Review durch Expertinnen und Experten aus den Bereichen Hochschule und Universität unterzogen. Wir danken den Beteiligten für die Rückmeldungen. Die Ergebnisse 15-jähriger Forschung und pädagogischer Erkundung liegen vor und bieten Pädagoginnen und Pädagogen aus Volksschule und Kindergarten Impulse für den Umgang mit He- terogenität im Übergangsbereich, entwicklungspsychologische und didaktische sowie systemische Aspekte. Luise Hollerer und Elfriede Amtmann 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 7 12.03.20 08:35
9 PSYCHOLOGISCHE, PÄDAGOGISCHE, BILDUNGSPOLITISCHE ZUGÄNGE 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 9 12.03.20 08:35
Reife – Fähigkeit – Bereitschaft 11 Luise Hollerer Reife – Fähigkeit – Bereitschaft: Schuleingang im Spannungsfeld zwischen Entwicklungspsychologie und Bildungsbürokratie Summary Gesellschaftliche Bildungserwartungen verändern sich über die Entwicklungsspanne vom Kleinkind zum Schulkind. Als Gegenpol zu institutionellen Normierungsvorgaben, die nach dem Zeitpunkt der Schulreife, -fähigkeit und -bereitschaft fragen, werden entwicklungspsychologische Aspekte für das Kind in den Mittelpunkt gerückt, die danach fragen, wie die personalisierte Begleitung des Lernens gestaltet sein kann. Im Fokus stehen Möglichkeiten, um das Kind von intrinsisch gesteu- erten, spielerischen Zugängen zum Lernen zu beauftragtem Lernen und dem Erwerb gesicherten Wissens zu führen, um es immer stärker zur Teilhabe an der Gesellschaft zu befähigen. Entwick- lungspsychologische und bildungswissenschaftliche Erkenntnisse werden den Curricula aus dem elementaren und primaren Bildungsbereich gegenübergestellt und Möglichkeiten für die Beglei- tung von jungen Lernenden erörtert. Die Folgerungen beziehen die Kooperationsmöglichkeiten zwischen PädagogInnen, Eltern und Kind mit ein. Einleitung Bildungsinstitutionen erhalten den gesellschaftlichen Auftrag, Kinder in ihrer Entwicklung und ihrem Lernen zu begleiten. Die Erwartungen an den Outcome von Bildung ändern sich am Übergang vom Kindergarten zur Schule. Die Curricula für den elementaren Bereich weisen stärker eine in- dividuelle Entwicklungsorientierung auf. Dies ändert sich im Primarbereich hin zu Lehrplänen und Lernzielen, die an das Lebensalter gebunden sind und zu formulierten Eingangskriterien. Begriffe wie Schulreife, Schulfähigkeit und Schulbereitschaft signalisieren, dass nicht jedes Kind kommen dürfe – sondern sich erst dafür qualifizieren müsse. Dieser selektive Zugang verstellt den Blick auf das Kind und seine Entwicklung, seine Lernmöglichkeiten und seinen Lernbedarf. Wir müssen deutlicher fragen, wie das Lernen gelingen kann und wie Bildungsinstitutionen ihrem Auftrag der Begleitung von Lernen und Entwicklung nachkommen können. Entwicklung, Lernen und Wissenskonstruktion Lernen scheint Kindern nicht verordnet werden zu können – es scheint vorrangig in aktiver Hin- wendung und selbstgesteuerter Auseinandersetzung mit der Umwelt zu erfolgen. Aus neuro- psychologischer Sicht unterscheidet Berger (2013) Lernen als umgebungsbezogene Verhaltens- änderung, der individuelle Informationsverarbeitung zugrunde liegt, von Entwicklung als Prozess, in dem ein Organismus (ein biologisches System) wachsende Komplexität und einen höheren Grad von Struktur seiner Austauschprozesse erlangt. Entwicklung erweitert den Grad der Flexi- bilität und verbessert die Bedingungen des Individuums in seinem Wechselspiel mit der Umwelt. Entwicklung und Lernen erfolgen durch Involviertheit und Initiative eines Individuums. In diesem Prozess entstehen Abbilder, Strukturen der Umwelt und des eigenen Handelns, was sich in einer Veränderung der zentralen Nervensysteme zeigt (Jaencke, 2006). 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 11 12.03.20 08:35
12 Luise Hollerer Das gilt für das Erlernen basaler Funktionen wie die Nahrungsaufnahme, die Bindung zu Mit- menschen, soziale Reaktivität, Bewegungsabläufe und all die Bereiche, die als Meilensteine kindlicher Entwicklung beschrieben sind (wie Hören, Sehen, Sprechen, soziale Interaktion und emotionale Regulation). Zudem scheinen Kinder bereits mit einem Starterpaket für grundle- gendes Wissen und Verständnis für die Welt ausgerüstet zu sein – finden sich doch empirische Befunde der frühen Kindheitsforschung, die die Annahme von biologisch verankertem Kernwissen nahelegen (Wellman & Gelman, 1998). Ähnlich wie der von Chomsky postulierte angeborene Spracherwerbsmechanismus (vgl. Hoffmann, 2010) gibt es auch Befunde für naive Theorien zu grundlegenden menschlichen Abläufen und Lernanlässen, die Kinder in ihrer Umwelt vorfinden. Empirische Ergebnisse dazu finden sich in der Frühkindforschung z.B. für physikalische Phäno- mene (Spelke, 1991), mathematische (Feigensohn, Dehaene & Spelke, 2004), biologische, sozi- ale, psychologische (Hamlin, Wynn & Bloom, 2007), für die Bewältigung von Anforderungen (fast mapping, Rothweiler, 1999) und die Fähigkeit die eigene Perspektive als subjektiv zu erkennen und auf andere Bezug zu nehmen (Theory of Mind, Siegler, deLoache & Eisenberg, 2008) . In dieser „Quelle des Vorwissens“ findet sich das Rohmaterial für die Konstruktion neuer Wissensstrukturen: Dies erfolgt entsprechend der genetisch-konstruktiven Erkenntnistheorie Piaget‘s (1969) dadurch, dass das Streben nach kognitivem Gleichgewicht das Lernen vorantreibt – sei es über Assimilation (Einordnen der Umweltreize in die vorhandene kognitive Struktur) oder Akkomodation (Veränderung, Strukturierung, Differenzierung der kognitiven Struktur). Reusser (2006) sieht dieses Zusammenspiel als aktiven Konstruktions- und Selbstorganisations- prozess, der mit der sozialen und natürlichen Umwelt im Austausch steht. Das Konstruieren, Organisieren, Verstehen von begrifflichen Zusammenhängen ist ein aktiver und zeitaufwändiger Prozess, der in der sozio-kulturellen Entwicklungstheorie von Vygotsky (1978) in hohem Maße durch Sprache als Unterstützerin der kognitiven Entwicklung gekennzeichnet ist und zu erwei- terten Kompetenzen führt z.B. der fokussierten Aufmerksamkeit, der Bildung von Kategorien, erhöhter Gedächtniskapazität, Verständnis für Symbole usw. Das pädagogisch Mögliche – also die Zone der proximalen Entwicklung (Vygotsky, 1978) wird nicht durch die selbstständige Tätigkeit des Kindes definiert, sondern durch das, was es in einem interaktiven Zusammenhang und unter Anleitung Erwachsener zu erfassen vermag. Stamm (2013) präzisiert: „Die Differenz zwischen dem Niveau, auf dem Aufgaben unter Anleitung, unter Mithilfe der Erwachsenen gelöst werden, und dem Niveau, auf dem das Kind Aufgaben selbständig löst, macht die Zone der nächsten Ent- wicklung aus.“ (Stamm, 2013, S. 277) Kenntnis um Entwicklungsmöglichkeiten und Vorwissen • Es braucht also Erwachsene, die um Entwicklungsmöglichkeiten in den verschiedensten Bereichen Bescheid wissen, die nächstgelegene Entwicklungsschritte antizipieren und mit dem Vorwissen der Kinder kalibrieren. Die Bedeutung dieses Vorgehens wird ein- drücklich in Hattie‘s Metastudien zur Wirksamkeit von Lernfaktoren belegt (Hattie, 2009), wenn Pädagoginnen und Pädagogen Aufgaben und Materialien an die jeweiligen Entwicklungsstufen anpassen: Piagetian programs belegen in der Wirkung auf den Lern- erfolg Rang 2 von 138 untersuchten Lernfaktoren (Hattie, 2009, S. 43). 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 12 12.03.20 08:35
Reife – Fähigkeit – Bereitschaft 13 • Das Erfassen des Vorwissens scheint in gewissen kulturspezifischen Bereichen ausschlag- gebende Hinweise für die Förderung zu liefern. Stern (2008) wie auch schon Weinert (1998) weisen nach, dass Leistungsunterschiede in Bezug auf Kulturtechniken (Mathe- matik und Schriftspracherwerb) eher auf Unterschiede im bereichsspezifischen Vorwis- sen zurückzuführen sind als auf die kognitive Abstraktionsfähigkeit. Diese Ergebnisse re- lativieren Piaget‘s Ansicht, dass Lernen immer den Weg vom Konkreten zum Abstrakten gehe. • Unterstützt wird der kulturspezifische Wissenserwerb durch die Erweiterung der Ge- dächtniskapazität. Hasselhorn (1995) und Hasselhorn & Grube (2006) führen dafür reifungsbedingte Veränderungen, das anwachsende Wissen über die Welt und den zu- nehmenden Einsatz von Behaltensstrategien (innere Wiederholungsprozesse) an. • Dies wird wesentlich erleichtert durch den Zuwachs an Sprache. Mit zunehmender Möglichkeit zur sprachlichen Erfassung von Phänomenen entstehen erweiterte Kon- zepte über die Vorgänge der Welt und führen mit der Automatisierung der inneren Wiederholungsprozesse in der Regel ab dem fünften Lebensjahr zu einem qualitativen Sprung in der Behaltensleistung. Carey (2000) legt in diesem Zusammenhang nahe, Lernen als stetigen Konzeptwandel zu begrei- fen, als langwierigen Prozess der Umstrukturierung und Ausdifferenzierung bestehender bereichs- spezifischer Wissenseinheiten. Abhängig vom Vorwissen können Aufgaben eines bestimmten Ab- straktions- und Komplexitätsgrads häufiger gelöst werden, wenn sie in angemessenere Kontexte eingebettet sind. Lernbegleitung im Konzeptwandel Lernbegleitung als Begleitung des konzeptuellen Wandels zu sehen, erfordert eine andere Struk- turierung und Erweiterung dessen, was Unterricht genannt wird. Wenn C urricula das Erlernen von Kulturtechniken und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorsehen, dann scheint es günstig, Aufgaben und Lernumgebungen zu schaffen, die Kinder anregen, ihr Vorwissen zu aktivieren, zu modifizieren, umzustrukturieren und zu erweitern. Saalbach & Schalk (2011) erachten die Unterstützung junger Kinder, Strategien zu entwickeln und abzurufen, als wesentliche Aufgabe von Bildungsstätten. Das wird ermöglicht, wenn Kin- der ermutigt werden, Erklärungen für ihre Lernschritte zu geben. Damit geben sie Einblick in ihre konstruierten Zwischenstufen am Weg zu einem wissenschaftlich adäquaten Verständnis. Die Schwierigkeiten beim Verstehen sind nicht darauf zurückzuführen, was den Lernenden fehlt, sondern darauf, was sie schon an alternativen Erklärungen haben, die nicht mit wissenschaftlichen Theorien übereinstimmen. Lernfreude, Selbstkonzept, Selbsteinschätzung Die Reaktionen der Umwelt auf die kindlichen Erkundungsschritte wirken auf die kindliche Selbst- wahrnehmung und -bewertung und sind von hoher Relevanz, da sie hoch mit der Freude am Lernen und der Anstrengungsbereitschaft korrelieren. Keller, Trösch und Grob (2013, S. 92f) 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 13 12.03.20 08:35
14 Luise Hollerer v erweisen auf Studien, die Zusammenhänge zwischen kindlichem Selbstkonzept, der Lernorien- tierung und geringerer Leistungsängstlichkeit belegen. Sie verweisen auf beträchtliche interindivi duelle Unterschiede zwischen den Kindern, was sich im Neugier- und Explorationsverhalten zeigt wie auch in der Art, mit Stress, Frustration und Kritik umzugehen. Eine akzeptierende, ermuti- gende Erziehung und das Gefühl, von Erwachsenen ernst genommen zu werden, scheinen günstig für die Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts zu sein und sich langfristig positiver auszuwirken als spezifische Schulvorbereitung, die nach Largo (2009) eher zu L eistungsängstlichkeit führt. Zur Lernfreude trägt auch die emotionale Steuerfähigkeit bei. Blair (2002) führt positive Auswir- kungen der Fähigkeit der emotionalen Selbstregulierung auf die kognitive Entwicklung an und sieht dies als starken Prädiktor für den Schulerfolg. Wahrscheinlich können Kinder, die ihr motorisches Verhalten regulieren, kontrollieren und ihre Emotionen regulieren können, zudem nicht von Krankheit belastet sind, ihre Aufmerksamkeit auf die vorgegebenen (schulischen) Inhalte lenken und diese aufrechterhalten. Kinder sind mit wachsender Reflexionsfähigkeit immer besser in der Lage, die eigenen Lernschritte zu erfassen und zu beschreiben. Die Selbsteinschätzung des eigenen Leistungsniveaus trägt in ho- hem Maße zum Lernerfolg bei (Self report grade, Hattie, Beywl & Zierer, 2013, S. 52) ähnlich hoch wie das Berücksichtigen spezifischer Entwicklungsverläufe (Piagetian programs, Hattie, 2009, S. 43), das wechselseitige Feedback und die Formative Evaluation von Lernsettings und Unterricht (Hattie, 2009, S. 181). Das erfordert von PädagogInnen laufendes Erkunden, wo die Lernenden gerade stehen, um sie durch lernprozessbegleitendes Feedback und individualisierte Förderung beim Erreichen der Lernziele zu unterstützen (Carle & Hegemann-Fonger, 2012). Das System Schule müsste demzufolge abrücken von alters- und stufenbezogenen Anforderungen hin zur Begleitung von Kindern in deren Zonen der nächstmöglichen Entwicklung. Dies scheint im früh- und elementarpädagogischen Bereich eher umgesetzt zu werden – in Form von Bildungs- und Lerngeschichten (Carr, 2001; Fried, 2007) sowie durch Gesprächsanlässe, Entscheidungs- und Reflexionsprozesse, die durch die Arbeit mit Portfolios angeregt werden. Umwelt und soziale Beziehung Im Laufe der frühen Kindheit steht dem Kind seine unmittelbare dingliche und soziale Umwelt für die aktive Auseinandersetzung zur Verfügung. Diese informellen Lernsituationen nimmt das Kind alleine oder in Verbindung mit begleitenden Personen (Eltern, Geschwistern, Freunden, Pädago- gInnen) wahr, um eigenständig, interaktiv und ko-konstruktiv seine Möglichkeiten zu erweitern, Fähigkeiten zu erschließen und Fertigkeiten zu verfeinern. Früh findet sich exploratives Verhalten, das entsprechend der Lerntheorien (Edelmann, 2004) als instrumentelle Form des Lernens (Thorndike) zu sehen ist, in dem das Kind aktiv wird und seine eigene Wirksamkeit wahrnimmt und/oder als operante Form (Skinner), wobei die Umwelt auf das erwünschte oder unerwünschte Verhalten reagiert (belohnt / bestraft). Wenn das Kind seine Sensorien auf die Umwelt richten kann, erwächst daraus die Möglichkeiten des Lernens durch Nachahmung (Bandura & Walters). Dieses Lernen ist untrennbar verbunden mit der Bereitschaft eines Individuums, sich an einem Modell zu orientieren, und eigenen Möglichkeiten (Fertigkeiten und Fähigkeiten), um diese und ähnliche Handlungssequenzen zu (re)produzieren. 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 14 12.03.20 08:35
Reife – Fähigkeit – Bereitschaft 15 Die positive Wirkung des Lernumfeldes des Kindes hängt sowohl von der Entwicklungsadäquat- heit der Angebote, den äußeren Rahmenbedingungen als auch von der Beziehungsqualität und sozialen Stützung zwischen Kind und Begleitperson ab. Nach sozial-konstruktivistischer Erklärung von Lernen besteht eine linearer Zusammenhang zwischen Beziehungsqualität und der Nutzung der Angebote (Stamm, 2013). Je besser die Beziehungsqualität, umso besser die Nutzung der Angebote. Lernmotivation – ein „Kinderspiel“ In frühen Entwicklungsphasen ist das Lernen gekennzeichnet durch das Verfolgen von basalen Bedürfnissen. Die Motivation für die Aktivierung dient der Nahrungsaufnahme und dem Stillen von Beziehungs- und Schutzbedürfnissen. Lässt sich das Kind auf die Erkundung seiner Umwelt ein, zeigen sich im hohen Maße scheinbar repetitive Abläufe, die meist allein bis zum Erlöschen der Motivation durchgeführt werden (vgl. Exploration, Funktionsspiel). Durch Begleitung kann diese Phase der Motivation kurzfristig verlängert und im Laufe der Entwicklung erweitert werden. Sobald die Sinnessysteme die Außenorientierung ermöglichen und der Mobilitätsradius erweitert ist, erwacht das Erkundungsbedürfnis gegenüber seiner räumlichen, personalen subjekt- und ob- jekthaften Umwelt (Neuigkeit – Anreiz – Exploration). Das erweitert sich im mittleren Kindesalter und schließt das Erkunden der eigenen Wirksamkeit in sozialen Interaktionen mit ein. Daraus ent- stehen ganz konkrete Spielideen. Diese liefern die Motivation für alle Bemühungen und Anstren- gungen, die bis zur Umsetzung der Idee aufrecht erhalten werden. Kinder werden im Verlauf der frühkindlichen Entwicklung immer besser darin, Kognitionen (also innere Repräsentationen von Objekten, Handlungen) zu etablieren, und können somit Ideen und Intentionen entwickeln. Sie lassen sich nicht mehr so leicht davon abbringen, sondern bleiben immer stärker ihrer Spielidee verbunden und kognitiv beschäftigt, ihre Vorstellungen von Handlungen, Konzepten, Gesprächen, Abläufen im Als-ob-Spiel alleine oder mit SpielpartnerInnen umzusetzen. Die gewählten Spielpartnerschaften dienen dazu Abläufe zu variieren und zu verfeinern, Rollen auszuprobieren, zu versprachlichen, Konzepte zu entwickeln und zu erproben – es sind Lernpart- nerschaften im besten Sinne. In der elementarpädagogischen Literatur sowie im Bildungsrahmen- plan (Charlotte Bühler Institut, 2009) werden diese Formen des Lernens forciert. PädagogInnen etablieren Möglichkeiten für ko-konstruktivistische Bildungs- und Entwicklungsarbeit, um die im- manenten Ressourcen aller Mädchen und Buben sowie ihrer Familien mitsamt den individuellen Stärken zu nutzen. Für die Berücksichtigung der ökologisch-sozialen Entwicklungsdimension legt Wustmann (2011) die Gestaltung von Beziehungs-, Beteiligungs- und Kommunikationsräumen nahe. Freies Spiel und beauftragtes Lernen Kennzeichen dieses freien intrinsisch motivierten Spiels ist die Umsetzung der eigenen Idee, das Interesse an der Variation und das Fehlen von externen Leistungskriterien. Die Wirkrichtung der Motivation im freien Spiel unterscheidet sich deutlich vom intentionalen (didaktischen) Spiel, das durch andere Personen, meist Erwachsene, angeleitet wird. Erwachsene sind vor allem im pädagogischen Kontext vom Förderauftrag geleitet und verfolgen didaktische 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 15 12.03.20 08:35
16 Luise Hollerer Wege (umweltorientiert-schulvorbereitende Haltung, Stamm, 2013). Die Zugänge werden im elementaren Bildungsbereich eng an Spielinteressen des Kindes gebunden. Es dauert geraume Zeit, bis Kindern extern vermittelte Leistungsansprüche wichtig und hand- lungsleitend werden. Dazu müssen kognitive Fähigkeiten entwickelt werden – um eigene Hand- lungen, Aussagen, Produkte zu reflektieren, zu vergleichen oder in Bezug zu einer sozialen Regel oder Leistungsnorm zu stellen. Die dafür benötigten differenzierten kognitiven Abläufe (Speiche- rung, Erinnerung, Vergleich, Bezugnahme zu einer anerkannten Norm) stehen nicht ab einem bestimmten Alter zur Verfügung, sondern entwickeln sich im Laufe des späteren Kindesalters bis zur Pubertät und darüber hinaus (Edelmann, 2004). Um leistungsbereit zu werden, sind nach Maccoby (1980) einige Entwicklungs- und Lernschritte nötig: Kinder brauchen, um extern geforderte Leistung zu erbringen, • stärkere emotionale Regulationsfähigkeit für Emotionen, • Verzicht auf unmittelbare Reaktionen zugunsten von Überlegungen zur Problemlösung, • eine Tendenz zum Belohnungsaufschub • sowie die Hemmung des Bewegungswunsches, damit Aufgaben fertig gestellt werden können. All dies sind wichtige Schritte, damit sich Kinder auf beauftragtes Lernen längerfristig einlassen können. Diesen entwicklungspsychologisch erfassten langsamen Veränderungen in der kindlichen Entwicklung wird im Lehrplan der Volksschule und im Bildungsrahmenplan (Charlotte Bühler In- stitut, 2009) für den Kindergarten Rechnung getragen. Lernen und Lehrpläne Das Curriculum des Kindergartens weist dabei eine stärkere Entwicklungsorientierung auf, wohin- gegen der Lehrplan der Volksschule zunehmend auf Leistung fokussiert und diese altersspezifisch einfordert (Lehrplanspezifizierung je Jahrgangsstufen). Dennoch findet sich in beiden die Berücksichtigung der entwicklungs-spezifischen Besonderheit des Lernens von Kindern: Beide halten fest, dass der kindliche Zugang zum Lernen das Spiel ist. Im Lehrplan der Volksschule findet sich dies in der Diktion: „Die Grundschullehrerin bzw. der Grundschullehrer hat den Unterricht grundsätzlich am Kind zu orientieren, an seinen Lernmög- lichkeiten und -grenzen im Spannungsfeld von dem, was es braucht, und dem, was es will.“ (Lehrplan der Volksschule, 2000, S. 42). Die Diktion „… was es will“ mag den Anschein der Beliebigkeit erwecken und Gedanken an „laissez-faire“ hochkommen lassen. Aus dem Blickpunkt der Neurowissenschaften und der Entwicklungspsychologie ist dies jedoch der unmittelbare Zugang zum Lernen. Kinder sind in diesem frühen Entwicklungsalter noch nicht im dem Maße extrinsisch motivierbar, wie wir aus der Erwachsenenwelt denken mögen – es braucht also zunächst die Spielidee, die intrinsische Steuerung, damit sich ein Kind einer Handlung hingibt. Wenn es sich mit Interesse aktiv einer Handlung zuwendet, kann es gar nicht anders als zu lernen (Laevers, 1993). Seine Spielidee hält das Interesse und die Motivation aufrecht, damit es die hohe Anzahl an Iterationen durchführt, Wiederholungsleistungen, die nötig sind, um Spuren im Gedächtnis zu hinterlassen, um neuronale 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 16 12.03.20 08:35
Reife – Fähigkeit – Bereitschaft 17 Bahnungen zu entwickeln, die sich ausdifferenzieren, um für rasche, effiziente Abläufe zur Verfü- gung zu stehen (Siegler, de Loache, Eisenberg, 2008). Diese Haltung gegenüber der kindlichen Erkundung und Aneignung der Welt ist entscheidend und prägt ein Klima, in dem sich Lernen immer wieder ereignen und weiterentwickeln kann. Dem wird auch im Lehrplan der Volksschule Rechnung getragen mit dem Wortlaut: „Diese ersten schulischen Erfahrungen entscheiden mit darüber, ob sich die Lernfähigkeit und Lernbereitschaft eines Kindes entsprechend entwickeln können. • Es ist daher darauf zu achten, dass zunächst die dem Kind bekannten und vertrauten Formen des täglichen Lebens, der Sprache, des Spielens und des häufig eher zufälligen Lernens von der Schule aufgenommen werden. • Allmählich und behutsam sind diese Formen zu eher zielorientierten Lernformen zu erweitern. Die bereits angeführten Möglichkeiten des Ausschöpfens des Rahmencha- rakters des Lehrplanes der Vorschulstufe einerseits und der darauf folgenden Schulstufen andererseits dienen insbesondere der Vermeidung von Über- bzw. Unterforderungen beim Wechsel von Schulstufen gemäß § 17 Abs. 5 des Schulunterrichtsgesetzes. • Anzustreben ist eine sachbezogene Arbeitshaltung, die unter anderem durch Genau- igkeit, Sorgfalt und Ausdauer gekennzeichnet ist, die aber auch Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme mit einschließt. • Besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, dass es nicht durch ein zu rasches Ansteigen der Lernanforderungen im Schuleingangsbereich bei einzelnen Schülerinnen bzw. ein- zelnen Schülern zu Überforderungen kommt. • Erfahrungsaustausch zwischen Lehrerinnen, Lehrern und Eltern kann widersprüchliche Lern- und Erziehungsmuster durchschaubar machen …“ (Lehrplan der Volksschule, 2012, S. 8). Daraus lässt sich ableiten, dass es in der Phase der Transition vom Bildungssystem Kindergarten in das anschließende Bildungssystem Schule mehr Verständigung und Kooperation geben sollte. Vor allem im Sinne des aufbauenden Lernens und Wissenserwerbs sind nach Faust, Kratzmann & Wehner (2012) kontinuierlichere Formen der Lernbegleitung günstiger als die bislang häufig vor- zufindenden, die eher dem Kennenlernen dienen (Amtmann, Blahowsky, Hollerer, Reckendorfer, 2014). Es lassen sich bundesweit einige Initiativen erkennen, die Möglichkeiten der Kooperation im Rahmen der derzeit engen gesetzlichen Bedingung ausloten und einem wissenschaftlichen Diskurs zuführen (Stanzel-Tischler, 2017). Dieser Aufbruch in Richtung Kooperation in Transitionsphasen zeigt sich im gesamten deutsch- sprachigen Raum und in regionalen Initiativen (Reicher-Pirchegger, 2015). Da werden regional und überregional Initiativen gestartet und Kooperationsprojekte entworfen, Übergangsbegleite- rInnen angedacht, neue Curricula für vertiefte Aus-, Fort- und Weiterbildung für diesen Entwick- lungsbereich entworfen (Holzinger, 2012) und der Austausch mit den Eltern forciert, der in struk- turierter, ressourcenorientierter Form förderliche Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes hat (Fried, 2007; Hollerer, 2014; Grillitsch, 2016). 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 17 12.03.20 08:35
18 Luise Hollerer Kooperationen – Beziehungsaufbau oder Bürokratie Entwicklungspsychologisch gesehen kommt der Ausbildung von Lerndispositionen in der frühen Kindheit eine große Bedeutung zu, da sich erworbene Bildungsdispositionen im späteren Verlauf nur schwer verändern lassen. Diesem Aspekt scheint nach Keller, Trösch & Grob (2013) der lau- fende Bildungsdiskurs mit der vorrangigen Fokussierung auf Bildungsinhalte und dem Überprüfen von Kompetenzen nicht gerecht zu werden. PädagogInnen stehen dabei im Auftrag des Systems und müssen Bewertungen vornehmen, Schulstufenentscheidungen treffen, da damit Personalzuteilungen verknüpft sind. Sie stehen im Spannungsfeld von systemischen Anforderungen, dem Diktat von Verwaltung und Bürokratie und Erkenntnissen aus Entwicklungspsychologie und Bildungswissenschaft. Folgen Lehrpersonen den bürokratischen Aufträgen, kommen sie rasch in die Position, Kinder bewerten zu müssen, um Systemressourcen auf der Grundlage von kompensatorischen Überlegungen bei einzelnen Kindern zu generieren. Das erschwert am Übergangsbereich vom Kindergarten zur Schule den vertrauensvollen Beziehungsaufbau. In der Transitionssituation müsste die Bildungsinstitution Schule andere Haltungen leben als die der Selektion und Etikettierung, um Systementscheidungen zu begründen. Kooperation in Transitionen erfordert Begleitung und vorrangig Beziehungsarbeit. Am Beginn der Eltern-PädagogInnen-Schultütenkind-Kooperation ist eine akzeptierende, empa- thische und ermutigende Haltung förderlich und der Austausch darüber, wie das Kind in der neuen Umgebung mit seinen Begabungen und Potentialen weiterlernen kann: Austausch auf der Ebene von PädagogInnen und Eltern über • Lernverständnis und Lernwege, die in der Institution verfolgt werden, • die Geschwindigkeit und Form, mit der Kinder an Leistungsvorgaben herangeführt werden. Kindbezogener Austausch auf der Ebene von PädagogInnen und Eltern über • sozial-kommunikative Strategien eines Kindes wie Kooperation und Kontaktinitiative • personale Lernstrategien und günstige Lernumgebung • Resilienz, Selbstkontrolle und konstruktiven Umgang mit Stress und starken Emotionen • erprobte lösungsorientierte Bewältigungsstrategien im Einzel- und Gruppensetting und Haltungen, die nach dem Volksschullehrplan zusehends wichtiger werden wie • Aufmerksamkeitsspanne • Verhalten bei Anforderung • körperliche Verfasstheit (Belastbarkeit, Bewegungsbedarf, …). Austausch mit dem Kind (Kind-PädagogInnen-Eltern) über • Lern-, Aneignungs-, Behaltestrategien • Anwendungs-, Wiedergabestrategien • Lernziele, Lernschritte, Lernmöglichkeiten und wenn die Leistungsbereitschaft erwächst auch über • Leistungsziele und Leistungsnachweise. 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 18 12.03.20 08:35
Reife – Fähigkeit – Bereitschaft 19 Resume: Forschende Haltung in der Lernbegleitung Für Kooperationen in der Transition empfiehlt sich statt einer Bewertung von Inhalten und Kom- petenzen eine forschende Grundhaltung einzunehmen und die Lerndispositionen zu erkunden. Es braucht dazu auch die Einladung an die Eltern, sich auf eine forschende Haltung einzulassen, die beobachtet und dokumentiert und mit Zugängen der Bildungswissenschaften zu individu- ellen Anregungen für das Kind verwebt. Für lern- und entwicklungsbezogene Elterngespräche im Übergang Kindergarten-Schule legen Hollerer & Amtmann (2014) eine Struktur nahe, die bei der Beobachtung interessierter aktiver Zuwendung zu Bildungsangeboten in der vorbereiteten Umgebung beginnt und Eltern in diesen Prozess mit hineinnimmt. So kann als erster Schritt ein ge- meinsames Verständnis für Begleitmöglichkeiten in entwicklungsrelevanten Bereichen entstehen. Für die Sicherung des Lern- und Entwicklungsfortschritts legen die Autorinnen ein mehrgliedriges Vorgehen nahe. Auf diesen Erkundigungen basierend können individualisierte Lernangebote erstellt werden, kann der immer größer werdenden Diversität der Kinder einer Altersgruppe pädagogisch begegnet werden und kann positive Lerndisposition entstehen. Prengel (2007) sieht mit seiner Forderung nach Diversity Education auch die Probleme der Pädago- gik der Vielfalt. Derzeit finden sich Impulse für Kooperation und Individualisierung in den Curricula niedergeschrieben. Um dies in Bildungssystemen umzusetzen, braucht es Veränderungen – von der Zuteilung von Ressourcen über Durchgangszeiten bis zur Erreichung von curricularen Vorga- ben und Bildungszielen, Verordnungen zur Leistungsfeststellung, Transitionsmodalitäten in weiter- führende Bildungssysteme bis hin zur Aus- Fort- und Weiterbildung der PädagogInnen. Dass derzeit viele institutionsübergreifende Kooperationen aufkeimen, ist auf die kreative Kraft der Beteiligten in beiden Bildungsinstitutionen und ihr Herz für das Kind in seiner Entwicklung zurück- zuführen. Ihnen sei an dieser Stelle gedankt. Sie sind bereit für personalisierte Lernbegleitung und stellen das Kind in den Fokus – das in jedem Alter reif, fähig und bereit ist zu lernen. Luise Hollerer, Dr.in Klinische und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin, Supervisorin. Lehre und Forschung an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule der Diözese Graz-Seckau und UNI Graz. Leitung des Kom petenzzentrums „Kindliche Entwicklung – Elementare Bildung“. Publikations- und internationale Lehrtätigkeit für die Bereiche Entwicklungs- und Lernpsychologie, Diagnostik, Pädagnostik, Transition vom Kindergarten zur Schule, Kreativität, Emotionsregulation 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 19 12.03.20 08:35
20 Luise Hollerer Literatur Amtmann, E., Blahowsky, G., Hollerer, L., Reckendorfer, M. (2013). Transition vom Kindergarten in die Schule – Eine Einschätzung aus schulischer Sicht in der Steiermark und Tirol. S. 13-34. In Benischek, I., Forstner-Ebhart, A., Schaupp, H., Schwetz, H., Swoboda, B. (Hrsg.) (2013). Empirische Forschung zu schu- lischen Handlungsfeldern. Band 3. Wien: Lit Verlag Austria: Forschung und Wissenschaft. Berger, E. (2013). Frühes Lernen – ein entwicklungsneurologischer Beitrag. Erziehung und Unterricht, 5-6, S. 488 -494. Blair, C. ( 2002). School readiness. Integrating cognition and emotion in a neurological conceptualisation of children‘s functioning at school-entry. American Psychologist, 57; 111-127. Carey, S. (2000). Science education as conceptual change. Journal of Applied Developmental Psychology, 21(1), 13-19. Carle, U. & Hegemann-Fonger, H. (2012). Beobachtung und Diagnostik. In U. Carle & G. Koeppel (Hrsg.), Beobachtung und Diagnostik – Basis für die Förderung der Kinder. Handreichungen zum Berufseinstieg von Elementar- und KindheitspädagogInnen – Heft B02. Universität Bremen. Carr, M. (2001). Assessment in Early Childhood Settings. London: Paul Chapman Publishing. Charlotte Bühler Institut, (2009). Bundesländerübergreifender Bildungsrahmenplan für elementare Bildungs- einrichtungen in Österreich (15. Juli 2015). Abgerufen von: http:www.verwaltung.steiermark.atcmsdokume nte11237531_50936515e5853299BRP.pdf Chomsky, N. (1996). Probleme sprachlichen Wissens. Weinheim: Beltz Athenäum. Edelmann, W. (2004/ 2000): Lernpsychologie. Weinheim: Beltz PVU Faust, G., Kratzmann, J. & Wehner, F. (2012). Schuleintritt als Risiko für Schulanfänger? Zeitschrift für Päda- gogische Psychologie, 26 (3), 197-212. Feigenson, L., Dehaene, S. & Spelke, E. (2004). Core systems of number. Trends in Cognitive Sciences, 8 (7), 307-314. Fried, L. (2007). Die Entwicklung kindlichen Wissens sichtbar machen. In Neuß, N. (Hrsg.), Bildungs- und Lerngeschichten im Kindergarten (S.101-124). Weinheim: Beltz. Grillitsch, M. (2016). Begleiteter Übergang in die Schule – Formative Evaluation der Netzwerkprojekte. KiTa aktuell AT, 3–4, 52–53. Hamlin, J.K., Wynn, K., & Bloom, P. (2007). Social evaluation by preverbal infants. [10.1038nature06288]. Nature, 450 (7169), 557 559. doi: http:www.nature.comnaturejournalv450n7169suppinfonature06288_ S1.html Hasselhorn, M. (1995). Individuelle Differenzen im Bereich des Lernens und des Gedächtnisses. In M. Amelang (Hg.), Verhaltens- und Leistungsunterschiede. Enzyklopädie der Psychologie (435-468). Göttingen: Hogrefe. Hasselhorn, M., & Grube, D. (2006). Gedächtnisentwicklung. In W. Schneider & B. Sodian (Hrsg.), Kognitive Entwicklung. Enzyklopädie der Entwicklungspsychologie ( S. 271-325). Göttingen: Hogrefe. Hattie, J. (2009). Visible learning: a synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. London, New York: Routledge. Hattie, J., Beywl, W. & Zierer, K. (2013). Lernen sichtbar machen: überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von Visible learning. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren. Hoffmann, L. (Hrsg.). (2010). Sprachwissenschaft. Ein Reader. 3. Auflage. Berlin, New York: de Gruyter. 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 20 12.03.20 08:35
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Bildungswege von Kindern oder Bildung von Anfang an 23 Birgit Parz-Kovacic / Ingeborg Schmuck Bildungswege von Kindern oder Bildung von Anfang an Transition vom Kindergarten in die Schule Summary Bereits vor dem Schuleintritt besuchen Kinder vielfältige Formen elementarer Bildungseinrich- tungen: In Kinderkrippen, bei Tagesmüttern bzw. -vätern, in Kindergärten und Kinderhäusern erleben Kinder erstmals außerfamiliäre Bildung und Betreuung. Der Schuleintritt bzw. die Tran- sition von elementaren Bildungseinrichtungen in die Volksschule stellt somit für den Großteil der SchulanfängerInnen nicht ihre erste Transitionserfahrung in eine Bildungseinrichtung dar. Eine angemessene und feinfühlig begleitete Eingewöhnungszeit in die Kinderkrippe oder den Kin- dergarten (Dies bedeutet nicht unbedingt einen in jedem Fall ausschließlich harmonischen und problemlosen Ablauf!) ist nicht nur eine gute Basis für den weiteren Krippen- bzw. Kindergarten- besuch: Wenn sich Kinder als erfolgreich erleben und gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen, ermöglichen diese vorangegangenen effektiv bewältigten Transitionen Kindern und Familien, beim Schuleintritt auf wichtige Ressourcen und Kompetenzen aufzubauen, um die neuerliche Heraus- forderung zu meistern. 1 Am Beginn der Bildungsbiografie eines Kindes – elementare Bildungseinrichtungen Zu den Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen zählen laut Steiermärkischem Kinderbil- dungs- und -betreuungsgesetz (LGBl. Nr. 22/2000, zuletzt in der Fassung LGBl. Nr. 19/2019) Kinderkrippen, Kindergärten und Heilpädagogische Kindergärten, Horte und Heilpädagogische Horte, Kinderhäuser, Alterserweiterte Gruppen und Tagesmütter/Tagesväter. Ab Herbst 2020 gilt das Steiermärkische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz 2019, LGBl. Nr. 95/2019, durch das sich die angeführten Bestimmungen aber inhaltlich nicht ändern. Für alle Arten der Kinderbil- dungs- und -betreuungseinrichtungen sind gemeinsame (§ 4), aber auch einrichtungsspezifische Aufgaben (§ 5) definiert, aus welchen sich deren Bildungsauftrag ableitet: „§ 4 Gemeinsame Aufgaben aller Kinderbetreuungseinrichtungen (1) Alle Kinderbetreuungseinrichtungen haben: 1. die soziale, emotionale, kognitive, sprachliche und physische Entwicklung jedes Kindes individuell zu unterstützen; 2. nach den gesicherten Erkenntnissen und Methoden der Pädagogik unter besonderer Be- rücksichtigung einer altersgerechten Bildungsarbeit und der für die jeweilige Alters- bzw. Zielgruppe in Betracht kommenden pädagogischen Grundlagendokumente gemäß § 5 Abs. 7 die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit jedes Kindes und seine Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen, selbstständigen und mündigen Lebensführung in der Gemeinschaft zu fördern; 3. auf die Bedürfnisse des einzelnen Kindes einzugehen, insbesondere auch die Familiensitua- tion zu berücksichtigen; 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 23 12.03.20 08:35
24 Birgit Parz-Kovacic / Ingeborg Schmuck 4. die Familienerziehung bis zur Beendigung der Schulpflicht zu unterstützen und zu ergänzen (Subsidiarität); 5. Integrationsaufgaben im Hinblick auf Kinder mit besonderen Erziehungsansprüchen oder auf interkulturelle Aspekte zu übernehmen; 6. zu einer grundlegenden religiösen und ethischen Bildung beizutragen; 7. bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit den Eltern (Erziehungsberechtigten) bzw. den Lehre- rinnen/Lehrern der Kinder in geeigneter Weise möglichst eng zusammenzuarbeiten. Dazu ist pro Kinderbetreuungsjahr auf Basis der laufenden Dokumentation mindestens ein struktu- riertes Gespräch mit den Eltern (Erziehungsberechtigten) über den Bildungs- und Entwick- lungsverlauf des Kindes anzubieten.“ Der Bildungsauftrag elementarer Bildungseinrichtungen, der Kinder bis zum Schuleintritt betrifft, wird in Form von „pädagogischen Grundlagendokumenten“ inhaltlich näher ausgeführt. Die Fest- legung auf die derzeit anzuwendenden fünf Grundlagendokumente erfolgte aufgrund der Verein- barung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22 und gilt somit österreichweit. Um die verpflichtende Anwendung der Grundlagendokumente in allen steirischen elementaren Bildungseinrichtungen sicherzustellen, wurden diese durch eine eigene Verordnung der Steier- märkischen Landesregierung (LGBl. Nr. 22/2019) für verbindlich erklärt: Grundlagendokument Anwendungsbereich / Zielgruppe Bundesländerübergreifender Bildungs- • Institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen RahmenPlan für elementare Bildungsein- hinsichtlich aller Kinder richtungen in Österreich (CBI, 2009) • Tagesmütter/-väter hinsichtlich aller Kinder im verpflichtenden Kinderbetreuungsjahr bzw. im Jahr vor dem Schuleintritt Leitfaden zur sprachlichen Förderung • Institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen am Übergang vom Kindergarten in die hinsichtlich Kinder im verpflichtenden Kinder Volksschule (CBI, 2014) betreuungsjahr bzw. im Jahr vor dem Schul eintritt • Tagesmütter/-väter hinsichtlich aller Kinder im verpflichtenden Kinderbetreuungsjahr bzw. im Jahr vor dem Schuleintritt Modul für das letzte Jahr in elementaren Institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen Bildungseinrichtungen (CBI, 2010) hinsichtlich Kinder im verpflichtenden Kinder betreuungsjahr bzw. im Jahr vor dem Schuleintritt Werte- und Orientierungsleitfaden Institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen und (PH Niederösterreich, 2018) Tagesmütter/-väter hinsichtlich aller Kinder bis zum Schuleintritt Leitfaden für die häusliche Betreuung Tagesmütter/-väter hinsichtlich aller Kinder im sowie die Betreuung durch Tageseltern verpflichtenden Kinderbetreuungsjahr bzw. im Jahr (CBI, 2010) vor dem Schuleintritt 2020_001_276_schultuetenkinder_buch.indb 24 12.03.20 08:35
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