PRESS REVIEW Tuesday, July 27, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
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PRESS REVIEW Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal Tuesday, July 27, 2021
PRESS REVIEW Tuesday, July 27, 2021 Frankfurter Allgemeine Zeitung „Der fliegende Holländer“ eröffnet die Bayreuther Festspiele. Dabei versetzen Asmik Grigorian als Senta und Oksana Lyniv als Dirigentin das Publikum in einen Glückstaumel Der Tagesspiegel Die Dirigentin Oksana Lyniv und der Regisseur Dmitri Tcherniakov eröffnen mit dem „Fliegenden Holländer“ die diesjährigen Bayreuther Festspiele The New York Times Review: At Wagner’s Festival, a „Dutchman” Never Sails Süddeutsche Zeitung Ein Abend ohne Idee: „Richard III.“ bei den Festspielen The Guardian Simon Rattle: I always avoided ‘jingoistic’ Last Night of the Proms Berliner Morgenpost Bund unterstützt Erhalt schriftlichen Kulturguts Berliner Zeitung Ein deutscher Verlag mit subversiver Aufklärung
27.7.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467373/9 F.A.Z. - Feuilleton Dienstag, 27.07.2021 Dieser Gesang ist eine Erlösung „Der fliegende Holländer“ eröffnet die Bayreuther Festspiele. Dabei versetzen Asmik Grigorian als Senta und Oksana Lyniv als Dirigentin das Publikum in einen Glückstaumel. Donnergrollen der Euphorie: Das Publikum stimmt mit den Füßen ab. Kaum ist der letzte D-Dur- Akkord nach dem Erlösungsschluss mit der bittersüß eingeschobenen Mollsubdominante – jener eroge- nen Berührung des Herzens, die dem Tod wieder einmal ein Orgasmusversprechen unterschiebt – verklungen, bricht, noch bei geschlossenem Vorhang, ein Orkan im Bayreuther Festspielhaus auf dem Grünen Hügel los. Über Klatschen, Trampeln und Kreischen entlädt sich die Erfahrung, gerade eben, vor Bruchteilen von Sekunden noch, Teil von etwas Großem gewesen zu sein. Als dann die litauische Sopranistin Asmik Grigorian, die im „Fliegenden Holländer“ die Senta gesungen hat, allein auf die Bühne tritt, hält es die Hörer nicht mehr auf den Sitzen. Sie war und sie ist eine Wucht! Stimmlich und darstellerisch setzt Grigorian einfach Maßstäbe. Der Regisseur Dmitri Tcherniakov pfeift darauf, Richard Wagners Ideal von der schicksalsergebenen – man könnte auch sagen: blind führer- treuen – Frau zu rechtfertigen, die auf den Mann ihres Lebens wartet, um ihm dann dieses Leben, ganz ohne Abwägung von Gründen, wie eine Magda Goebbels oder Eva Braun zum Opfer zu bringen. Senta ist in dieser küstennebelgeplagten Kleinstadt mit den semmelfarben verklinkerten Häuschen, die sich ebenfalls Tcherniakov ausgedacht hat, eine renitente Göre im Kapuzenhoodie (Kostüme: Elena Zaytse- va). Sie mischt den städtischen Frauenchor bei der Probe zum Spinnstubengesang auf durch demons- trative Widersetzlichkeit, wütend auf alles, was den Schein heiler Familie zu wahren sucht, ein bisschen so wie Julia Hummer, das Berufsproblemkind des damals jungen deutschen Films, in „Northern Star“ von Felix Randau. Vielleicht erinnern sich die Älteren unter uns noch an den Satz, den sie ihrer Lehre- rin an den Kopf knallt: „Dein Mann fickt mit meiner Mutter.“ In ähnlicher Weise will Senta die Chorleiterin Mary, zugleich ihre Mutter, provozieren, weil sie weiß, dass Daland, ihr Vater, vor Jahren die Mutter mit einer anderen Frau betrogen hat. Während des Vorspiels erzählt Tcherniakov diese Geschichte wie einen Stummfilm. Der kleine Sohn dieser Frau wurde damals Zeuge, wie Daland sich seine Mutter nahm. Die folgende Ächtung durch den bürgerlichen Mob trieb die Frau in den Tod. Der Sohn fand die Erhängte. Er ist H., der fliegende Holländer, der nun nach Jahren in die Stadt zurückkehrt, um den Tod seiner Mutter zu rächen. Diese – eine völlig andere – Geschichte schiebt Tcherniakov unter Wagners „romantische Oper“, um der verführerischen Todesver- götzung des Originals zu entgehen. Das Publikum dankt es ihm nicht. Aber Asmik Grigorian trägt diese Idee als rebellierendes Mädchen, das die Lügen und Geheimnisse der Biedermänner nicht mehr aushält, sich jedoch am Ende auch vom mordenden Holländer lossagt und Verständnis für Mary aufbringt. Als sie sich einschwingt zum Singen der Ballade mit dem berühmten „Johohoe“, hört man die Komplexität ihrer Rolle in ihrem Gesang: Lockruf, Verletzung, Empörung, zugleich ein Bewusstsein vom Charisma der eigenen Stimme. Grigorian hat eine Höhe, die alles über- strahlt, ohne zu gleißen. Man würde ihr, bei der lyrischen Grundfarbe ihres Soprans, kaum diese immense Kraft zutrauen, die sie übrigens besonders in der Schlussszene noch aufzubieten weiß. Sie liefert in jeder Situation keine einstudierte Partie ab, sondern zeigt, was handlungsbezogenes Singen ist. Grigorian singt zum ersten Mal in Bayreuth. Die Senta ist ihre bislang einzige Wagner-Partie. Sie selbst sieht sich auch nicht als Wagner-Sängerin, wie sie vorab dem Bayerischen Rundfunk in einem Interview erklärte. Aber sie tritt – wie vor zwei Jahren schon Lise Davidsen als Elisabeth im „Tannhäuser“ – einmal mehr den Beweis an, dass Wagner-Gesang kein Brüllen und Bellen sein muss. Nach der keifen- den Ricarda Merbeth, die zuletzt in der Vorgängerproduktion des „Holländers“ auf dem Grünen Hügel zu erdulden war, ist Grigorian eine Erlösung. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467373/9 1/2
27.7.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467373/9 Überhaupt ist dieser Holländer geradezu verschwenderisch gut besetzt mit einer so farbenreichen und in jedem Moment präsenten Sängerin wie Marina Prudenskaya in der Nebenrolle der Mary und mit Georg Zeppenfeld als Daland, der bei aller Wucht doch zierlichste Genauigkeit in der Diktion bei den singspielhaften Passagen zu wahren weiß. Der Norweger John Lundgren singt den Holländer mit der Aura des Unheimlichen – einmal durch seine hünenhafte Gestalt mit dem kahlen Schädel, zum andern durch die grausige Fahlheit seines Bassbaritons. Doch so kernig und verstörend er auftritt: Die Töne der Sehnsucht und der Verletztheit, der tiefen Lebenstraurigkeit, die Wagners Holländer eben auch auszeichnen, fehlen ihm. Das Rollenkonzept eines listig-brutalen Amokläufers, der sich in die Familie des Schänders seiner Mutter einschleicht, um die ganze Stadt in Schutt und Asche zu legen, verlangt diese Mehrdimensionalität offenbar nicht von ihm. Eric Cutler als Erik leistet ganz Erstaunliches: ein Stimmporträt gestauter Erregung, bei stabiler vokaler Statur, aber wie bei Grigorian exakt auf die dramatischen Situationen bezogen, bebend, fürsorglich, verzweifelt. Es liegt gewiss auch an der Dirigentin Oksana Lyniv, dass die Figur des Erik, überhaupt Eriks Dialoge mit Senta einen viel stärkeren Eindruck als sonst hinterlassen. Oksana Lyniv ist nun nach 145 Jahren die erste Frau, die bei den Bayreuther Festspielen dirigiert. Die anwesende Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es mit einem „Endlich!“ kommentiert. Und man merkt Lyniv an, wie angespannt, aber auch wie beispielhaft vorbereitet sie ist. Manche Abstimmung mit dem aus dem Probensaal zugespielten Chor oder mit den Sängern in den Daland-Holländer-Duetten mögen noch nicht hundertprozentig gelungen sein. Doch die Unschärfen sind auch keine Peinlichkeiten. Dafür atmet sie hervorragend mit Grigorian und Cutler. Sie spürt viele psychologische und malerische Details im Orchester auf, entfacht nicht nur einen Sturm mit harschen chromatischen Böen, sondern zeigt auch das Schimmern der Wogen in den Soli von Klarinette und Flöte. Und sie sorgt für dichte dramatische Anschlüsse, ohne den Singenden die Luft zu nehmen. Auch Lyniv wird vom Publikum, völlig zu Recht, mit einer Woge der Zuneigung überrollt. Ein starker Auftakt der Bayreuther Festspiele. Und der Ersatz für Günther Groissböck als fahnenflüchti- gen Wotan für „Die Walküre“ ist auch gefunden: Tomasz Konieczny probt seit gestern mit Pietari Inki- nen. Jan Brachmann Bayreuther Festspiele https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/467373/9 2/2
27.7.2021 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476767/18-19 Dienstag, 27.07.2021, Tagesspiegel / Kultur Liebe unter Landeiern Schluss mit den Männerfantasien: Die Dirigentin Oksana Lyniv und der Re- gisseur Dmitri Tcherniakov eröffnen mit dem „Fliegenden Holländer“ die diesjährigen Bayreuther Festspiele Von Eleonore Büning © E. Nawrath/Festspiele Im Spießerheim. Mary (Marina Prudenskaya) und Daland (George Zeppenfeld) schenken zum Abendessen ein. Am Ende sinken sich die Frauen in die Arme. Sie haben es geschafft. Blattschuss. Der Hol- länder darf sterben, ohne dass ein weibliches Wesen sich für ihn und sein Seelenheil hat opfern müssen. Frau Mary erlegt ihn kurzerhand mit der Flinte, von hinten. Damit wird erstmals in der Inszenierungsgeschichte dieser Oper eingelöst, was Heinrich Heine als Moral der Geschicht’ einst zusammenfasste – und was, angewendet auf die Version Ri- chard Wagners, nie so richtig einen Sinn ergeben hatte: „Wir Männer ersehen aus diesem Stücke, wie wir durch die Weiber, im günstigsten Falle, zugrunde gehen.“ Bei Wagner ist es in aller Regel umgekehrt: Da gehen die Frauen zugrunde an den Männer- fantasien. So ergeht es der dienenden Kundry, ebenso Brünnhild oder der heiligen Elisa- beth. Auch Seefahrertochter Senta, vom eignen Vater schnöde an einen Handelspartner verschachert, springt gehorsam ins nasse Grab, den beiden Herren zulieb. Da dieses Frau- enbild nicht mehr zeitgmäß ist, haben es Opernregisseure schwer. Sie erfinden allerhand psychoanalytischen Klimbim rund um die Mädchen herum, Traumwelten oder sich eman- zipierende Doppelgängerinnen. https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476767/18-19 1/3
27.7.2021 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476767/18-19 Dmitri Tcherniakov hat jetzt für die Bayreuther Neuinszenierung des „Fliegenden Hollän- der“ sogar eine völlig neue Geschichte erfunden. Weder Meer noch Wellen sind zu sehen, weder Schiff noch Segel, da mögen Sturm und Brandung im Orchestergraben noch so ton- malerisch wüten. Stattdessen: ein pastellfarbenes Puppenstubendorf aus verklinkerten Flachbauten. Wenn in der Musik unüberhörbar mit gewaltigem Krachen das Gespenster- schiff im Hafen anlandet, fällt in der Dorfkneipe nur ein Klapptisch zusammen. Das ist, zumindest anfangs, noch lustig. Im Wiederholungsfall aber und auf Dauer wirkt dieses cleane Setting etwas lahm. Es ver- ortet die Handlung zeitlich in den sechziger Jahren, als es noch Mode war unter den jun- gen Leuten, aus Protest gegen all die verspießerten Landeier ringsum pausenlos Zigaret- ten zu rauchen. Was sowohl der glatzköpfige Fremde, der in dem Dorf auftaucht, beher- zigt, als auch die Tochter des Kolonialwarenhändlers, die selbigen irgendwie interessant findet, schließlich besitzt sie schon ein Foto von ihm, das man – durchaus abweichend von sonstigen filmdetailgetreuen Requisiten wie Biergläsern, Korkenziehern, Tellern, Pistolen oder Kerzenständern – auch ganz ohne Opernglas bis in die 28. Reihe des im Schachbrett- muster nur halb besetzten Bayreuther Festspielhauses gut erkennen kann. Die fünf Klinkerhäuschen samt Kirchlein werden, während der Verwandlungsmusiken, wie von Geisterhand bewegt. Mal sieht man in einen Laden, mal in eine Veranda hinein. Meist kreist das lautlos herum, mitunter aber auch krachend, und geht am Ende in Rauch und Flammen auf. Denn dieser Fremdling ist in Wahrheit gar nicht fremd, sondern selbst auch nur ein Landei, Teil der Dorfgemeinschaft, die er vor Jahren frustriert verlassen hat. Jetzt ist er zurückgekehrt, um sich an allen, insbesondere an dem skrupellosen Oberspie- ßer Daland, zu rächen. Wofür, weshalb – das wird in einer Pantomime während der Ouvertüre erzählt. Aber diese Vorgeschichte ist egal. Man braucht sie nicht, um zu begreifen, dass hier, in kleinteilig ver- häkelter Personenführung, ein Psychodrama eskaliert, wie man es aus ungezählten Fern- seh-Krimis kennt. Die Worte, die gesungen werden, haben mit der Story so wenig zu tun, wie die Begleitmusik, die aus dem unsichtbaren Orchestergraben heraufschwappt: wuch- tig und schnell, scharfkantig und kontrastreich dirigiert von Oksana Lyniv. Sie hat die heikle Akustik des Hauses bewundernswürdig gut im Griff. Nur wenige Wack- ler sind zu verzeichnen, was dem Umstand geschuldet sein mag, dass der Chor als einer der Hauptakteure des Stückes aus hygienetechnischen Gründen von einer Probebühne aus zugespielt werden muss – während parallel auf der Bühne andere, stumme Choristen agieren. Lyniv, vormals Chefdirigentin in Graz, hat den „Fliegenden Holländer“ bereits mehrfach dirigiert. Sie hat als Assistentin von Kirill Petrenko beim Castorf-„Ring“ längst ihre Erfahrungen gesammelt mit den Tücken der Zeitverzögerung im Bayreuther Abgrund. Sie ist, kurzum, eine brillante Kapellmeisterin, von der Pike auf, wie es so schön quasimili- tärisch heißt. Dies und die Tatsache, dass sie als erste Dirigentin in Bayreuth so erfolg- reich eine Premiere wuppt, nach 145 Jahren reiner Männerherrschaft, muss nur deshalb eigens erwähnt werden, weil hier schon sehr viele Kollegen mit wesentlich weniger For- tune debütiert haben, zuletzt, um nur einen großen Namen zu nennen: Valery Gergiev, mit dem „Tannhäuser“, vor zwei Jahren. Allerdings dirigiert Oksana Lyniv, zumindest an https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476767/18-19 2/3
27.7.2021 https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476767/18-19 diesem Premierenabend, auch auf Sicherheit, mit noch allzu fester Hand die effektvollen Höhepunkte ansteuernd. Der Klang entfaltet sich nicht, er atmet nicht mit den Sängern. Bühne und Graben gehen also getrennte Wege, das Gesamtkunstwerk rundet sich nicht, trotz der grandiosen Sängerbesetzung, die ihr eigenes Ding macht, frei nach dem Motto: Auf Wiedersehen bei der Fermate. Der junge Steuermann-Tenor (Attilio Glaser) singt sein Strophenlied mit bildschöner Stimme, aber ohne den hingebungsvollen Sehnsuchts-Ziep zu erzielen, der diese Kantilene so unwiderstehlich macht. Holländer-Bariton John Lund- gren tritt zwar nuancenreicher an, auch mit Durchschlagskraft, doch dafür singt er keh- lig-knödelig in den eignen Hals hinein. Seine bange Frage „Wird sie mein Engel sein?“ tönt, als wär’s ein Stück von Loriot, nach „WuahWuah-WamWam“. Vielleicht ist das, weil er an- ders handelt, als der Text behauptet, besser so. Auch der sonst so wunderbar ausdrucksintensive Daland-Bass Georg Zeppenfeld kommt im Kennenlernduett mit dem Holländer nicht recht über die Rampe. Selbst die ansonsten unschlagbare Marina Prudenskaya, als resolute Mary die Frauen des Dorfes anführend, die, auf der Straße zwischen den Puppenhäusern, eine pittoreske Chorprobe abhalten, wirkt seltsam unfrei. Einzig das verhinderte Liebespaar sorgt für ungetrübte vokale Glanzlichter. Es hat zwei fabelhafte, geschlossene Duett-Nummern, und man begreift ein- mal mehr, warum Tenor und Sopran zwingend zusammengehören. Eric Cutler singt seine Erik-Partie mit süßem Schmelz und streitbarer Stärke, grandios fordernd und so leidenschaftlich, dass sich Senta alias Asmik Grigorian seiner nur erweh- ren kann, indem sie handgreiflich wird. Die Grigorian ist, mit ihrem unverwechselbaren, stählern-schimmernden Timbre, eine ganz außerordentliche Senta, ihre Ballade atemrau- bend. Diese junge Revoluzzerin bewegt sich wie ein Kerl, selbstbewusst, breitbeinig, eckig, widerborstig. Allein ihre Haltung signalisiert: Nicht mit mir! Und wenn sie, in der Ausein- andersetzung mit Erik, kokett behauptet: „Ich bin ein Kind, ich weiß nicht, was ich singe“, dann sieht man ihrer Körpersprache an, dass das Gegenteil der Fall ist. Am Ende werden zwei Frauen frenetisch gefeiert, mit nicht endenwollenden Bravo- und Trampelkanonaden: Asmik Grigorian, Oksana Lyniv. Nicht ausgeschlossen, dass sich das Bayreuther Publikum damit auch den Tag bejubelt, an dem auf dem Hügel endlich wieder gespielt werden darf. https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/476767/18-19 3/3
27.7.2021 Review: At Wagner’s Festival, a ‘Dutchman’ Never Sails - The New York Times https://www.nytimes.com/2021/07/26/arts/music/fliegende-hollander-bayreuth-review.html Review: At Wagner’s Festival, a ‘Dutchman’ Never Sails With neither ship nor sea, Dmitri Tcherniakov’s new Bayreuth Festival staging recasts the opera as a tale of violent revenge. By Joshua Barone July 26, 2021 BAYREUTH, Germany — The pilgrims to the Green Hill, who have been making their way to the storied festival Richard Wagner founded here 145 years ago, looked more like cattle on Sunday. The theater’s bucolic grounds had become a network of roped-off, one-way sidewalks and checkpoints. With stricter pandemic safety measures than many other European opera houses, the Bayreuth Festival’s opening night — a new production of “Der Fliegende Holländer” (“The Flying Dutchman”) — lacked some of its usual glamour. Indeed, the romance ended at the sight of mobile bathrooms outside the theater; the ones inside had been deemed too risky. The audience was limited to 900, less than half the house’s capacity. Yet the unpleasantness of these restrictions faded as the lights dimmed, the hall resounded with the stormy opening of “Holländer,” and the Bayreuth experience began to work its usual magic. And what a sound it was: The orchestra, propulsive and spirited from the start, was led by Oksana Lyniv, the first female conductor in the festival’s history. Much has rightly been made of that milestone, however embarrassingly overdue. Lyniv’s “Holländer” was occasionally a little brash, but it was always both driven by and driving the drama, with sharp attention to detail and pacing — in a work whose repetitive score can easily sag under a less assured baton. She wasn’t the only newcomer at the festival this summer: Dmitri Tcherniakov, virtually unavoidable at European houses in recent years, was directing his first Bayreuth production. And Asmik Grigorian, a steel-voiced soprano and one of the finest acting talents in opera, was making her debut here as Senta — a performance met with a roaring ovation. There was polite applause for Grigorian’s colleagues, as well; the audience seemed ready to warmly greet whatever they saw after Bayreuth was canceled last year. But although there were some elements of normalcy on Sunday — Chancellor Angela Merkel was even back in her usual box — the festival was still far from its former self. The full forces of Bayreuth’s fabled chorus, for example, were not allowed onstage. Instead they were divided: half singing in the theater, complemented by an ensemble of lip-syncing actors, and half broadcast from a separate hall. The effect was at times acoustically disorienting. As a director, Tcherniakov is often interested in trauma: the ways in which it is overcome, sublimated or succumbed to. Here, that was manifest in the Dutchman’s origin story, recounted in a series of vignettes during the overture. The Dutchman, in this telling, grew up in a small town — possibly coastal, though there is neither a ship nor sea in sight — with uniform, clean, monochromatic, rather sinister architecture. His single mother had an affair with a married man, who violently broke things off with her. Gossip spread, and she became an outcast, isolated in an already isolating place. So she hanged herself; the boy, unable to help, was left mournfully holding onto her swinging foot. He leaves his hometown and later returns — like the libretto’s cursed Dutchman, docking his ship every seven years in search of a love that will redeem him. Now an adult, with an imposing build and furrowed brow, he is unrecognizable at a local bar, where he tells his tale to a half-interested crowd. (The baritone John Lundgren’s delivery of the monologue was strained, and misaligned with the menacing force of his demeanor.) Among the people the Dutchman meets at the bar is Daland — in the libretto a sea captain and the father of the opera’s heroine, Senta, but here a clean-cut, middle-class man. (Indeed, the one who ruined his mother’s life.) The bass Georg Zeppenfeld portrays him with a warm tone and a touch of naïve insouciance. The cityscape shifts between scenes, its buildings fluidly rearranging into new configurations. At the beginning of Act II, they create a plaza-like space for the “Spinning Chorus,” led by Mary, Senta’s nurse (though in Tcherniakov’s staging presented as her mother and played, often silently, by Marina Prudenskaya with weary exasperation). This scene introduces Grigorian’s Senta, a young woman with Billie Eilish hair and a defiant streak. She sings her Ballad — which recounts the Dutchman legend, with an emphasis on his redemption by a woman who will be faithful to him until death — with dramatic gesticulations and a sense of ironic overstatement. But later, when she is alone onstage and her theme returns, Grigorian delivers the tune with quiet, sincere longing, perhaps seeing in the Dutchman a kindred spirit. She and the Dutchman meet over an awkward dinner at her house, separated by her parents and seated at opposite ends of the table, which is laid out slowly and fussily. It’s not exactly a meet-cute, but something clicks, and the parents fade to invisibility as Senta and the Dutchman sing what came off on Sunday as a mismatched duet, Grigorian luxuriously lyrical and Lundgren a little thin. (Eric Cutler, who sang the role of Erik, the Dutchman’s rival for Senta’s affections, similarly struggled to rise to her level.) https://www.nytimes.com/2021/07/26/arts/music/fliegende-hollander-bayreuth-review.html 1/4
27.7.2021 Review: At Wagner’s Festival, a ‘Dutchman’ Never Sails - The New York Times Act III opens like most any “Holländer” production, with the town’s women bringing the men food — only here they gather to enjoy it together. Off to the side, though, is a group of sullen men whose dark clothing contrasts with the earth tones of the locals. Traditionally, they would be the Dutchman’s ghostly crew, and they provide one strategic use of the broadcast choir. As their lines are played through speakers, the men onstage remain threateningly silent. They are, it becomes apparent, willing collaborators in the Dutchman’s plot to exact deadly revenge on the town. After Erik confronts Senta about their now-broken promises to each other, a fight breaks out in which the Dutchman coolly shoots someone while the crowd retreats back into the town — which the mysterious men have set on fire. As smoke fills the space and the Dutchman violently casts Senta aside — just as her father once did to his mother — Mary enters with a shotgun, aims it directly at the Dutchman’s chest and pulls the trigger. It’s a lot of violence in not a lot of time, and it wasn’t easy to follow on opening night. But one thing was clear. Even though this production, as it had been described in advance press, is focused on the psychology and background of the Dutchman, the redemptive power of Senta was inescapable. Rather than join him in an act of eternal devotion, she takes the gun from her shaking mother and holds her, bringing a sense of calm as the curtain comes down. So while Tcherniakov might have been most interested in the psyche of an angry and vengeful man, the only character who truly changes — and, indeed, matures — in his staging is Senta. Especially with Grigorian onstage, it’s very much her opera. Der Fliegende Holländer Through Aug. 20 at the Bayreuth Festival, Germany; bayreuther-festspiele.de. Also streaming Tuesday on DG Stage; dg-premium.com. https://www.nytimes.com/2021/07/26/arts/music/fliegende-hollander-bayreuth-review.html 3/4
27.7.2021 https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/811333/11 Das Morden nutzt sich ab Ein Abend ohn e Idee: „Ric hard III.“ bei den Fests piel en Es gibt wied er Schlachtp latt e bei den Salzb urg er Fests piel en. Die groß e, gen annt „Schlacht en!“, ser- viert e hier auf der Pern er-Ins el in Hall ein 1999 Luk Perc eval, braucht e daf ür ein en ganz en Tag, und dan ach war die Theat erwelt ein e and ere. Die klein ere gibt es jetzt, Kar in Henkel hat sie ang er icht et, sie heißt „Ric hard the Kid & the King“, daue rt vier Stund en, und dan ach wird die Schaus piel er in Lin a Beckm ann vom dann mehrh eitl ich steh end en Pub lik um gefeie rt, als hab e sie eben das Theat er erf un- den. Henkel beg nügt sich mit zwei Shakes peare-Dram en, „Henr y VI.“ und „Ric hard III.“, wob ei sie vom „Heinr ich“ die sehr eig ens tänd ig e Vers io n nimmt, die Tom Lan oye dam als für Perc eval ges chrieb en hatt e, Tit el: „Eddy the King“. Und wie Perc eval ließ sie sich die karg e Bühn e von Katr in Brack baue n, ein e dunkl e, kreisr und e Scheib e, über der viel e unt ers chiedl ich groß e Leuchtk ug eln auf und ab schweb en, sanft die Farb e wechs eln, von Weiß bis Apric ot. Ric hard, der größt e Unh old des Theat ers, kommt zur Welt, und gleich drei Mütt er steh en zur Seit e, um ihm klarz um ac hen, was für ein hässl ic hes, wid erwärt ig es, verwachs en es Kind er sei. Da geht es, mit den Wort en von Lan oye, gleich einm al sprachl ich wüst und derb zu, und, im Fall von Kat e Strong, die bald auf der Bühn e die all ein ig e Mutt erroll e übern ehm en wird, auch ers chrec kend ban al. In „Schlacht en!“ erf and Lan oye ein en kont in uierl ic hen Verf all der Sprac he, sein „Eddy“ war die vorl etz- te Stat io n. Dam it setzt Henkel nun ein, ohn e Vorb ereit ung. Das Eing angsb ild kommt nach vier Stund en wied er, Ric hard wied er auf ein em Schaukelp ferdc hen, die Mütt er. Dies e Klamm er sollt e ein en aber nicht vera nl ass en, hier von ein em string ent durchg e- plant en Abend zu red en. Vielm ehr wirkt Henkels Ins zen ier ung gut erd acht, aber fahr ig umg es etzt, unfert ig, imp rov is iert, viel zu lang und ohn e jed es Rhythm usg ef ühl hing es tolp ert. Obwohl es hier auch viel Mus ik gibt, in Fetz en, Pop, Pass io n und Klav ier, „Fires tart er“ (verm utl ich), als o Bumms. Der Beg inn, in den sich Shakes peares „Ric hard III.“ und der ganz e Wint er des Missverg nüg ens lang- sam hine ins chieb en – ein dram at urg isch tats ächl ich spann end er Vorg ang – ist ins ofern noch aufre- gend, als Henkel sich um die Etab lier ung von Fig uren bem üht, was ihr im Verl auf des Abends zun eh- mend wurscht ist. Gleichwohl taug en die anf ängl ic hen Fam il ie ng es chicht en nicht zur psyc hol og i- schen Beg ründ ung von Ric hards spät eren Tat en – er will der Größt e werd en, weil ihn all e häns eln, das war’s schon. Aber: Die Kop rod ukt io n mit dem Hamb urg er Schaus pielh aus prunkt mit toll en Mens chen auf der Bühn e, vor all em Krist of Van Boven. Er spielt all e Mitg lied er der Fam il ie Lanc ast er, den müd en Kön ig Heinr ich VI., die machtg ier ig e Marg aret ha, Prinz Edward und Lady Ann e, ist teilweis e im Dial og mit sich selbst und schafft es, präg nant jed e Fig ur mit Leb en zu füll en. Im zweit en Teil ist er vor all em Ann e, ein Schmett erl ingswes en. In dies em zweit en Teil, der Ball ad e von Ric hards Mord en, gibt es noch weit ere erf reul ic he Ers chein ung en, Paul Herw ig als opp ort un ist is chen Kronrat-Strat eg en, Alex- and er Mar ia Schmidt als zaud ernd en Kill er. Vor all em aber gibt es Lin a Beckm ann, sie spielt Ric hard III.. Sie ist fast imm er auf der Bühn e, kom- ment iert dies e Aufg ab e gen aus o wie ihren S-Fehl er, den das Mik rop ort auch schön hera uss tellt. Sie ist ang em alt wie der bös e Clown, den sie spielt, sie geifert und greint, sie ist ein e phys is che Wucht, voll er haltl os er Ene rg ie. Aber selbst sie find et kein Mitt el geg en Henkels Idee nl os igkeit, das Mord en nutzt sich ab, wer da gerad e stirbt, ist ein em irg endwann egal, zum al die Tat en teilweis e unf reiw ill ig https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/811333/11 1/2
27.7.2021 https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/811333/11 ulk ig sind – einm al räumt Beckm ann ein e Bauchh öhl e leer und förd ert Ged ärm e wie Würstelkett en zut ag e, als o Schlachtp latt e. Und doch ist Beckm ann virt uo s, kriegt die männl ic he Unh old-Phys iog nom ie sehr gut in ihren Körp er, ist vollkomm en furchtl os, matscht mit Blut und Ess en heru m, kann auch schlaga rt ig witz ig sein, flir- tet mit dem Pub lik um. Aber nie ist ihr Ric hard furchte rreg end, mitl eide rreg end erst recht nicht. Der ganz e laut e, polt ernd e Abend ist mehr Vorf ühr ung als Auff ühr ung. Bleibt die Frag e, was das all es soll.Egb ert Tholl https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/811333/11 2/2
27.7.2021 Simon Rattle: I always avoided ‘jingoistic’ Last Night of the Proms | Simon Rattle | The Guardian News Opinion Sport Culture Lifestyle Simon Rattle Simon Rattle: I always avoided ‘jingoistic’ Last Night of the Proms Lanre Bakare @lanre_bakare Tue 27 Jul 2021 00.01 BST Simon Rattle has said he avoided conducting at the Last Night of the Proms throughout his career because of his discomfort at its “jingoistic elements”. In an interview with Radio Times, the conductor – who announced earlier this year he would be leaving the London Symphony Orchestra and relocating to Germany – said nationalistic aspects of the event left him “uneasy”. https://www.theguardian.com/music/2021/jul/27/simon-rattle-i-always-avoided-jingoistic-last-night-of-the-proms 1/3
27.7.2021 Simon Rattle: I always avoided ‘jingoistic’ Last Night of the Proms | Simon Rattle | The Guardian The Last Night of the Proms at the Royal Albert Hall in a pre-pandemic year. Photograph: Alex Sudea/REX/Shutterstock “I never conducted the Last Night, always avoided it a bit. I’ve been uneasy about some of the jingoistic elements, ever since the Falklands in 1982,” he said. He added that he thought the event was “a kind of extraordinary thing where people got together and celebrated the end of what is a unique series of concerts”. Rattle has previously spoken about being “uncomfortable” with the imperial suite of songs that is played on the last night of the event, and his comments come a year on from a row over whether the lyrics of Land of Hope and Glory, and Rule, Britannia! should be sung. The conductor – whose decision to leave London came just before plans were scrapped for a £288m concert hall he had advocated for that was supposed to be “the Tate Modern of classical music” – also raised concerns about the number of classical musicians who had left the industry during lockdown. Rattle said many freelance musicians he had approached to perform in a concert planned for earlier this year turned the down opportunity because they had moved on to other forms of employment. “Many of the first-choice people said, ‘Look I’m sorry, I’m not doing this any more. I have a family. I had to take another profession. Six months ago, I’d have welcomed it’,” he said. “We are not going to realise about this for a long time, and then it’s going to be too late. A lot of musicians are looking into the abyss.” Rattle has consistently argued for support for classical musicians throughout the pandemic, and used his voice to criticise the lack of straightforward touring arrangements for musicians post-Brexit. Rattle, who will leave London for the Bavarian Radio Symphony Orchestra in 2023, was critical of politicians who love classical music but don’t say so publicly for fear of being seen as high-brow and elitist. He said he’d noticed that opera-lovers among members of parliament “tend to find a way to slip in after the curtain has gone up and leave before it’s gone down”. “You are one or the other,” he added. “I long for politicians who have as many interests as possible, who are multi- cultured.” https://www.theguardian.com/music/2021/jul/27/simon-rattle-i-always-avoided-jingoistic-last-night-of-the-proms 2/3
27.7.2021 Berliner Morgenpost KULTUR SEITE 9 | DIENSTAG 27. JULI 2021 Originale Bund unterstützt Erhalt schriftlichen Kulturguts Mit rund zwei Millionen Euro unterstützt der Bund in diesem Jahr Projekte zur Rettung historischer Akten, Handschriften und Bücher in Archiven oder Bibliothe- ken. „Der Erhalt unseres schriftlichen Kulturerbes ist ein nationaler Kraftakt, den unsere kulturellen Einrichtungen aufgrund des Umfangs der Schäden nicht allein stemmen können“, so Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) am Montag. dpa Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2021 - Alle Rechte vorbehalten. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/999/articles/1415220/9/8 1/1
27.7.2021 https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938078/14-15 Dienstag, 27. Juli 2021, Berliner Zeitung / LGBTIQ* auf Ungarisch Ein deutscher Verlag mit subversiver Aufklärung Ein Plakat mit Viktor Orbán beim Christopher Street Day in Frankfurt am Main dpa CORNELIA GEISSLER A us Hamburg ist zu hören, dass der Migo-Verlag mehrere Kapitel des Bu‐ ches „Was ist eigentlich dieses LGBTIQ*? Dein Begleiter in die Welt von Gender und Diversität“ ins Ungarische übersetzen ließ. Schon dieser erste Teil der Nachricht birgt einigen Sprengstoff. Denn Ungarisch ist keine https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938078/14-15 1/2
27.7.2021 https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938078/14-15 Weltsprache wie Englisch, die Übersetzung wendet sich gezielt an ein Publikum in je‐ nem Land, wo gerade versucht wird, Kindern und Jugendlichen jegliche Information zu diesen Themen vorzuenthalten. Per Gesetz. Das Buch, erst vor zwei Wochen auf Deutsch erschienen, ist gedacht für Leser ab elf Jahren und sagt im Vorwort, es zeige, „wie vielfältig die Welt ist und wie verschieden du leben kannst“. Es klärt mit in kurze Abschnitte portionierten Texten und bunt ge‐ zeichneten Bildern auf. Die Kapitelüberschriften führen deutlich zu den Themen: „Homo, hetero, bi ... in wen verliebe ich mich?“ zum Beispiel oder „Wie läuft eigent‐ lich ein Coming-Out?“ Als Download kostenfrei Der zweite Teil der Nachricht ist noch aufregender. Der zur Oetinger-Gruppe gehö‐ rende Verlag stellt das Buch, das hierzulande für 15 Euro erhältlich ist, auf Ungarisch als Download kostenfrei im Netz zur Verfügung. Der Verleger Thilo Schmid teilt mit: „Die Diskriminierung von Minderheiten in einem europäischen Land kann uns nicht gleichgültig sein und wir wollen ein politisches Zeichen setzen. Mit diesem Gesetz wird eine Grenze überschritten. Jetzt überschreiten wir mit digitalen Möglichkeiten und unseren Inhalten Staatsgrenzen und hoffentlich auch die Grenzen in den Köpfen.“ Diese Grenzüberschreitung zeigt, wie der Kampf gegen Zensur sich verändert hat. Im sozialistischen Ungarn wie in der Sowjetunion oder der DDR wurden manch heikle Bücher heimlich vervielfältigt, oft nur als Schreibmaschinen-Typoskripte oder im Or‐ mig-Verfahren. Ostdeutsche Leser konnten sich glücklich schätzen, wenn ihre Ver‐ wandten und Bekannten aus dem Westen sich zum Bücherschmuggel bereitfanden. Der Trick mit dem Namen Der einfachste Trick war, den eigenen Namen reinzuschreiben und dem Grenzbeam‐ ten gegenüber so zu tun, als wäre es die Reiselektüre. Und Seiten aus Spiegel oder Zeit als Einwickelpapier im Päckchen enthielten oft wesentliche Texte, auch von aus der DDR vertriebenen Autoren. Das weltweite Netz, an dessen Schlingen sich bekanntlich auch kriminelle Dinge wie Waffenhandel oder Kinderpornografie entlanghangeln können, hat in Sachen Infor‐ mationsverbreitung seine großen Vorteile. Deren Überträger müssen nicht an kriti‐ schen Augen vorbeilaufen. https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/938078/14-15 2/2
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