Daten Doping: Big Data im Profisport - ABIDA (Assessing Big Data)
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ABIDA‐Dossier | Januar 2019 DATEN‐DOPING: BIG DATA IM PROFISPORT Daten‐Doping: Big Data im Profisport Ass. Jur. Christian Straker & Ass. Jur. Tristan Julian Tillmann Institut für Informations‐, Telekommunikations‐ und Medienrecht (ITM) Westfälische Wilhelms‐Universität Münster 1 „Daten‐Doping“: Der Siegeszug der Daten im Profisport Abstract / Key Findings Das Beispiel von „Moneyball“ ist bereits häufig bemüht Der Einsatz technischer Hilfsmittel im Profisport worden. Eine Mannschaft von Underdogs, denen nie‐ nimmt immer stärker zu und verändert diesen mand einen großen Erfolg zugetraut hätte, entpuppt grundlegend. Big‐Data‐Anwendungen erlauben die sich als kluge Zusammenstellung von Individualisten, die Überwachung der Leistung einzelner Athleten, die über „verborgene Talente“ verfügen, diese im Kollektiv Analyse von Taktiken und sogar eine Prognose über abrufen und letztlich als Ganzes überraschen. Die kluge das Entwicklungspotential junger Talente. Daher Zusammenstellung und das Entdecken der verborgenen mag man sich nun fragen: Sind Daten eine neue Talente basierte hierbei auf datengestützten Erkenntnis‐ Form des Dopings, ohne die man im Konkurrenz‐ sen. Diese, so das Narrativ von Big Data im Profisport, kampf des Profisports ins Hintertreffen gerät? Der beruhen auf nachgewiesenen oder zumindest belegba‐ vorliegende Beitrag zeigt auf, welche technischen ren Ursache‐Wirkungs‐Zusammenhängen. Freut man Hilfsmittel bereits eingesetzt werden und zieht den sich im Beispiel von Moneyball mit den Underdogs dar‐ Vergleich zu traditionellem Doping. Außerdem wird über, dass sie ihre Unterlegenheit überwinden können, der Frage nachgegangen, ob die tragenden Gründe so darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der für das Verbot von Doping im Sport ebenso dafür Einsatz technischer Hilfsmittel im Profisport auch nega‐ sprechen, den Einsatz von Big‐Data‐Anwendungen tive Auswirkungen haben kann. Hierbei ist der Vergleich im Sport einzuschränken oder gar zu untersagen. zu leistungsfördernden Substanzen gar nicht so weit hergeholt. Big‐Data‐Anwendungen im Profisport haben Verbesserung des Menschen, das Human Enhancement, ähnlich wie leistungsfördernde Substanzen das Potenti‐ vorangetrieben werden? Der Sport und die Frage, in‐ al, die Leistungen einzelner Athleten und sogar ganzer wieweit Doping erlaubt sein sollte, spiegelt diese gesell‐ Mannschaften zu optimieren. Sowohl der Einsatz von schaftliche Debatte wieder. Die Vorbildfunktion, die der Dopingmitteln als auch die Verwendung technischer Sport für die Gesellschaft allgemein einnimmt, wird Hilfsmittel im Sport sind zur gleichen Zeit aber auch durch ein Zitat von Albert Camus verdeutlicht: Gegenstand von Kritik. Im Gegensatz zum Verbot von „Denn auch wenn mir die Welt in all den Jahren einiges Doping, wird die Ablehnung von technischen Hilfsmit‐ geboten hat, alles, was ich schließlich am sichersten teln im Sport nicht durch einen breiten gesellschaftli‐ über Moral und menschliche Verpflichtungen weiß, chen Konsens getragen (NADA Austria 2018). verdanke ich dem Sport“ (Camus 1957). Insofern bietet eine Analyse dieses Konsenses einen Wirft man nun einen Blick auf den Einsatz der bereits guten Ausgangspunkt, um über die Rolle von Big‐Data‐ heute zahlreichen Big‐Data‐Anwendungen im Profi‐ Anwendungen als technische Hilfsmittel im Sport nach‐ sport, dann lässt sich etwas plakativ durchaus von „Da‐ zudenken. Denn die Doping‐Thematik bietet eine spezi‐ ten‐Doping“ sprechen. Wenn dem aber so ist, muss die fische Perspektive auf die generelle Debatte über die Frage erlaubt sein, ob datenbasierte technische Hilfsmit‐ künstliche Verbesserung des Menschen. Begriffe wie tel stärker reglementiert oder gar verboten werden soll‐ „Hirndoping“ und „Gendoping“ haben Einzug in den ten. Diskurs gehalten. Wie weit kann und soll die künstliche www.abida.de | Seite 1
ABIDA‐Dossier | Januar 2019 DATEN‐DOPING: BIG DATA IM PROFISPORT 2 Dopingverbote im Leistungssport ken. Tragender Grund für das Verbot des „klassischen“ Dopings ist das mit der Einnahme leistungssteigernder Als umfassendes Regelwerk zum Doping im Sport ist der Substanzen verbundene medizinische Risiko für die World Anti‐Doping Code (WADC) der World Anti‐ Athleten (NADA Austria 2018). Deutlich zeigen sich die Doping Agency (WADA) hervorzuheben. Basierend Folgen von Doping anhand der Sportler der ehemaligen hierauf besteht als nationale Regelung in Deutschland DDR, welche heute unter zum Teil gravierenden Erkran‐ der Nationale Anti‐Doping Code (NADC) der Nationalen kungen leiden und frühzeitig versterben (NADA Austria Anti‐Doping Agentur (NADA). Art. 2 des NADC führt 2018). Nicht ohne Grund sieht der EGMR die Rechtfer‐ zehn Tatbestände auf, die Verstöße gegen die Anti‐ tigung für weitgehende Eingriffe in die Privatsphäre der Doping‐Bestimmungen normieren: Zentral sind hierbei Sportler im Rahmen von Dopingkontrollen im Gesund‐ nach Art. 2 Nr. 1 das Vorhandensein einer Verbotenen heitsschutz (EGMR 2018). In diesem Zusammenhang Substanz, ihrer Metaboliten oder Marker in der Probe besteht auch eine mittelbare Komponente, die es nicht eines Athleten sowie gem. Art. 2 Nr. 2 der Gebrauch zu unterschätzen gilt. Der EGMR spricht explizit an, dass oder der Versuch des Gebrauchs einer Verbotenen der Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes im Zusam‐ Substanz oder einer Verbotenen Methode durch einen menhang mit der Vorbildfunktion für Kinder und Ju‐ Athleten als Verstoß gegen die Anti‐Doping‐ gendliche steht. Welche Eltern würden noch guten Ge‐ Bestimmungen (Nationale Anti‐Doping Agentur wissens ihre Kinder zum Sport schicken, wenn sie wüss‐ Deutschland 2015: 10 ff.). Daneben bestehen für die ten, dass diese möglicherweise früher oder später in jeweilige Sportart spezifische Regelwerke (FIFA 2018). Kontakt mit gefährlichen Medikamenten kommen könn‐ ten. Dies könnte zu einer beträchtlichen Schwächung des Breitensports und zu einer dramatischen Ver‐ 3 Begründungen für Dopingverbote im schlechterung des Gesundheitszustandes der Bevölke‐ Profisport rung führen. Ganz zu schweigen von den daraus resul‐ tierenden (Folge‐)Kosten, die von der Gesellschaft über Fraglich ist, aus welchen Erwägungen heraus sich der Krankenkassenbeiträge zu finanzieren wären. zuvor erwähnte breite Konsens für derartige Verbote Ein weiterer Begründungsansatz stellt auf die Natürlich‐ begründet. Im Wesentlichen lassen sich drei Begrün‐ keit des Sports ab. Leistungssport soll eine Demonstra‐ dungsstränge unterscheiden: Chancengleichheit, medi‐ tion dessen sein, was der Mensch aus eigener Kraft zu zinische Gründe und die Natürlichkeit des Sports (FIFA leisten imstande ist (NADA Austria 2018). Der Sport 2018: 9). stellt eine Inszenierung dessen dar, wozu der Mensch Die zum Doping verwendeten verbotenen Substanzen kraft Übung und Talent zu leisten in der Lage ist (Paw‐ und Methoden dienen dem einzelnen Athleten zur Leis‐ lenka 2012: 6). Der Grundgedanke besteht darin, „eine tungssteigerung. Sind Dopingmittel für alle Athleten Leistung mit eigenen Mitteln hervorzubringen, mit den erlaubt, so besitzen formal alle auch die gleichen Chan‐ Fähigkeiten des eigenen Körpers und dem Können, cen. Denn für alle gelten die gleichen Spielregeln. Die Willen und Wissen, die der Athlet in seinem Training Substanzen und Methoden sind allerdings nicht für alle einsetzt“ (Gebauer 2013). Werden künstliche Mittel zur in gleichem Maße tatsächlich verfügbar. Ursache hierfür Leistungssteigerung verwendet, wird diese Funktion des kann zum Beispiel eine unterschiedliche finanzielle Aus‐ Sports in Frage gestellt. Durch den Einsatz künstlicher stattung der Athleten sein. Wenn ein Athlet ein ganzes Maßnahmen zur Leistungssteigerung beruht die Leis‐ Team von Doping‐Experten hinter sich weiß und ein tung des Sportlers nicht mehr auf Talent, Disziplin und anderer Athlet ein solches Team schlicht nicht finanzie‐ Trainingsfleiß (Wagner & Castronova 2013). Damit steht ren kann, lässt sich kaum von Chancengleichheit spre‐ nicht mehr der Sportler als Athlet im Vordergrund, son‐ chen. Im Vordergrund steht dann nicht der sportliche dern das technische Entwicklerteam hinter ihm. Wettkampf, sondern die finanzielle Leistungsfähigkeit. Die Sportfachverbände setzen mit ihren Bestimmungen Das zentrale Argument gegen den Einsatz von leis‐ bestimmte Grenzen fest, wann es sich um eine verbote‐ tungssteigernden Substanzen sind medizinische Beden‐ ne Substanz oder verbotene Methode handelt. Es ist www.abida.de | Seite 2
ABIDA‐Dossier | Januar 2019 DATEN‐DOPING: BIG DATA IM PROFISPORT klar, dass die Athleten, vor allem im stark kommerziali‐ Fußballübertragungen Einzug in die heimischen Wohn‐ sierten Leistungssport, bemüht sind, die Grenzen auszu‐ zimmer. Im Ergebnis weisen die Invasion Sports jedoch reizen. eine Komplexität auf, die es schwer erscheinen lässt, konkrete Aussagen aus den an sich einfach zu sammeln‐ den Daten abzuleiten. Den ersten noch recht einfachen 4 Big‐Data‐Anwendungen im Profisport Schritt haben Teams in der finnischen Eishockeyliga (Liiga) gemacht, indem sie den Herzschlag der Spieler Die Digitalisierung und nun auch Big‐Data‐ überwachten und einem Spieler eine Auszeit gaben, Anwendungen bieten für nahezu jede Sportart ein sobald sich dessen Pulsschlag der maximalen Herzfre‐ enormes Potential zur Verbesserung der Leistung der quenz näherte (Fischer 2016). Dies ist jedoch noch weit Athleten. Einige Sportarten, wie zum Beispiel Baseball, entfernt von der Erstellung von Prognosen oder kom‐ sind auf Grund der Singularität der Abläufe bzw. deren plexeren Aussagen über Taktik und Teamperformance. Unterteilbarkeit besonders geeignet für eine datenge‐ Als ein zentraler Faktor für den Erfolg eines Teams gilt triebene Auswertung und Optimierung. Im Baseball fand beispielsweise dessen Fähigkeit, das Spielfeld zu kon‐ dies schon relativ früh statt. Das liegt vor allem daran, trollieren (Gudmundsson & Horton 2017: 22.8). Doch dass bereits seit der Gründung der Major League Base‐ wann ist dies der Fall bzw. in wie viele und welche Sek‐ ball (MLB), der Nordamerikanischen Profiliga, Statistiken toren/Felder soll ein Spielfeld unterteilt werden, um mit enormer Akribie geführt werden (Sands et al. 2017: entsprechend genaue Ergebnisse zu erreichen? Daran S2‐64). Sie sind integraler Bestandteil der Baseball‐ anknüpfend stellen sich Fragen zur Interaktion der Kultur (Lamoreaux 1977: 598). Über jeden Spieler und Teammitglieder untereinander und ob es Schlüsselspie‐ jedes Team wird eine Vielzahl von Werten bereitgehal‐ ler gibt, deren Leistung oder Qualität auch die der Mit‐ ten, die mal mehr und mal weniger aussagekräftig sind. spieler steigert (Gudmundsson & Horton 2017: 22.15). Nur beispielhaft genannt seien die ERA (Earned Run Im Bereich des Basketballs wurden sogar bereits soge‐ Average), die angibt, wie viele gegnerische Runs (Punk‐ nannte künstliche neuronale Netze, die einen Zweig der te) ein Pitcher (Werfer) durchschnittlich in neun Innings künstlichen Intelligenz darstellen, eingesetzt. Diese (Spiele) zulässt und die AVG (Batting Average), welche konnten Angriffsspiele automatisch und in Echtzeit er‐ deutlich macht, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, kennen und klassifizieren. Zudem ist es damit möglich, dass der Batter (Schlagmann) bei einem regulären Wurf die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, mit der ein Korb mindestens die erste Base erreicht. Von diesen Daten erzielt wird (Kempe et al. 2015: 249, 254). Eine solche aus war es nur ein relativ kleiner Schritt zu der Verwen‐ Erfassung der Taktik unterscheidet sich deutlich von dung von computergestützten Statistikverfahren zur den bereits seit längerem ermittelten Werten, wie der Zusammenstellung von Teams. zurückgelegten Distanz eines Spielers oder dessen Ge‐ Andere Sportarten hingegen konnten lange Zeit nicht schwindigkeit (Memmert, Lemmink et al. 2017: 2). oder nicht richtig digital erfasst werden. Zu diesen Letztendlich verfolgen die Digitalisierung und mit ihr alle Sportarten gehören die sogenannten Invasion Sports. neuen Big‐Data‐Anwendungen im Sport auch das Ziel, Diese zeichnen sich dadurch aus, dass zwei Teams in dem sportlichen Ereignis die Unberechenbarkeit zu einem festgelegten Feld um den Besitz eines Spielgerä‐ nehmen. Trainer, Sportler und auch Sportwettende tes konkurrieren und versuchen, Punkte bzw. Tore zu würden nur allzu gern bereits vorher wissen, wie der erzielen, indem sie das Spielgerät in den gegnerischen Wettkampf endet bzw. was sie tun müssen, damit sie Bereich transportieren, während sie gleichzeitig ihren gewinnen. Letzteres bezieht sich sowohl auf die Vorbe‐ eigenen Bereich verteidigen müssen (Gudmundsson & reitung als auch auf mögliche Reaktionen während des Horton 2017: 22.1). Dazu gehören zum Beispiel Fußball, Wettbewerbes selbst, wie zum Beispiel Einwechselun‐ Basketball, Eishockey oder Handball. Doch auch bei gen oder Veränderungen an der Spielformation. Big diesen Sportarten wird mittlerweile verstärkt auf digitale Data soll die Taktik‐Entscheidungen der Trainer validie‐ Hilfe gesetzt. Die gewonnenen Daten halten bereits ren, individuellen Fortschritt der Athleten sicherstellen über „Heat‐Maps“ und realtaktische Aufstellungen bei www.abida.de | Seite 3
ABIDA‐Dossier | Januar 2019 DATEN‐DOPING: BIG DATA IM PROFISPORT und neue Spieltaktiken von Kontrahenten erkennen und dem werden auch „Key Performance Indicators“, also entschlüsseln (Rudenko 2017; Sands et al. 2017: S2‐63). zentrale Qualitäten, für jeden Spieler bestimmt und die Darüber hinaus wird Big Data auch im Umfeld von grundsätzliche Taktik, unabhängig vom Spielstand immer Sportveranstaltungen genutzt. IBM bietet die Cloud‐ weiter Torabschlüsse zu kreieren, vorgegeben (Bier‐ basierte Plattform „Fan Insight“ an, welche das Fanver‐ mann 2015: 95). Durch die Orientierung an dem Modell halten vorhersagen soll (IBM 2018). Im Ergebnis soll die verändert sich die übliche Wahrnehmung der sportli‐ Auslastung der Sportstätte und der allgemeine Umsatz chen Performance. Dies führt beispielsweise dazu, dass optimiert werden. Jedoch wird sich das Stadionerlebnis ein Trainer nicht auf Grund einer schlechten Tabellen‐ auch aus Kundensicht grundlegend verändern. Bereits position oder eines schlechten Ergebnisses entlassen bei der Ankunft am Stadion wird in Zukunft eine App wird. Jedoch muss er sich gegebenenfalls auch bei ge‐ den Stadionbesucher zum nächsten verfügbaren Park‐ wonnenen Spielen rechtfertigen, sofern das Modell eine platz lotsen. Während des Spiels werden dann auf dem bessere Leistung prognostiziert hat (Biermann 2015: Smartphone Wiederholungen und alternative Sichten 95). Die Daten werden auch zur Absicherung von Spie‐ auf das Spielfeld verfügbar sein. Zudem wird der Besu‐ lertransfers verwendet. Ein internationales Vereinsran‐ cher Getränke und Snacks mobil bestellen können, so‐ king vergleicht die Spielstärke und ermöglicht so, quali‐ dass er seinen Platz nicht verlassen muss (Kumar 2015). tativ passende Spieler für möglichst geringe Kosten zu Im Folgenden werden einige Anwendungen der Digitali‐ finden (Biermann 2015: 95). Dadurch kann der relativ sierung und von Big Data in verschiedenen Sportarten, kleine FC Midtjylland datenbasiert quasi weltweit scou‐ mit Fokus auf dem Fußball, exemplarisch vorgestellt, ten. Die Technik zahlt sich aus. Der FC Midtjylland wur‐ sodass klar wird, warum sich im Zusammenhang mit de 2015 und 2018 dänischer Meister. dem Einsatz von Big Data im Profisport von „Daten‐ Aber selbst auf Regionalliga‐Ebene hält nun Big Data Doping“ sprechen lässt. Einzug. Der Viertligist SG Wattenscheid 09 plant, die erste Mannschaft in eine GmbH auszugliedern und das Start‐up Haalo als Teilhaber ins Boot zu holen. Haalo 4.1 Fußball entwickelt einen Big‐Data‐Scout, der Millionen Leis‐ Mehr als 270 Millionen Menschen sind weltweit aktiv an tungsdaten von Spielern, insbesondere von Talenten, Fußballspielen beteiligt (FIFA 2006: 1). Damit ist Fußball analysiert. Der Verein soll das erste Versuchsfeld und eine der beliebtesten und weitverbreitetsten Sportarten. erster Profiteur der Technik sein (Müllender 2018: 54). Aufgrund der daraus resultierenden wirtschaftlichen Bald werden alle Spiele und Trainings des Vereins ge‐ Bedeutung wird immer nach Möglichkeiten der Optimie‐ filmt. Das Trackingsystem wird dazu genutzt werden, rung gesucht. um potentielle Spieler zu analysieren und im Anschluss Ein Paradebeispiel stellt der FC Midtjylland, ein Verein Zukunftsprognosen zu erstellen. Dadurch kann dann aus der dänischen ersten Liga (Superliga), dar. Dieser 13‐ oder 14‐jährigen Spielern angedeutet werden, ob wurde im Sommer 2014 in „Moneyball“‐Manier revolu‐ ein Leben als Profifußballer möglich erscheint, oder ob tioniert, nachdem er einen neuen Eigner bekam. So lieber auf einen konventionellen Beruf gesetzt werden erhielten Erkenntnisse basierend auf den Daten und sollte (Müllender 2018: 56). Im Endeffekt möchten aber dem Modell des Unternehmens Smartodds, welches natürlich die SG Wattenscheid 09, indem sie ein Hot‐ professionell auf Fußballspiele wettet, Einzug in den spot für Talente wird, und Haalo, indem es die Technik Betrieb der Profi‐Mannschaft. Das Modell geht davon an andere Vereine verkauft, profitieren (Müllender aus, dass, entgegen der allgemein bekannten Phrase, die 2018: 56). Tabelle lügt (Biermann 2015: 93). Im Kern geht es zur Der FC Midtjylland und die SG Wattenscheid 09 sind Optimierung der Erfolgschancen darum, zu ermitteln, jedoch längst nicht die Einzigen, die technikgestützt welche Mannschaft wie viele Torchancen hatte und von Transfers vornehmen. Die französisch‐englische Firma welcher Qualität diese waren. Die Mannschaft mit der Amisco/Prozone wertet jährlich über 9000 Fußballspiele besseren Chancenverteilung war, unabhängig vom End‐ aus und verkauft die generierten Ergebnisse zum Bei‐ ergebnis, das bessere Team (Biermann 2015: 94). Zu‐ spiel an die gesamte englische Premier League, die www.abida.de | Seite 4
ABIDA‐Dossier | Januar 2019 DATEN‐DOPING: BIG DATA IM PROFISPORT deutsche Nationalmannschaft und den FC Bayern Mün‐ seh‐Publikum als Kriterium präsentiert, bei dem es im chen. Die Daten ermöglichen es, gezielt nach Spielern Gegensatz zu üblichen Parametern um Qualität statt mit einem bestimmten Profil zu suchen (Schrenk 2013: Quantität ginge (Katzenberger 2016). Auch wenn der 56). Interessant ist dies vor allem hinsichtlich solcher mediale „Packing‐Hype“ mittlerweile etwas abgeklungen Spieler, die in eher kleineren oder zweiten Ligen spielen ist, ist das Phänomen als Kennzahl in der statistischen (Schrenk 2013: 57). Diese können Scouts oft nicht aus‐ Fußball‐Analyse angekommen. Immerhin acht Bundesli‐ reichend abdecken. Jeden Spieler findet man dann im gisten nutzten die Methodik in ihren Analysen (Niessen sog. Online‐Recruiter. Dort werden die ermittelten Wer‐ 2018). te für verschiedenste Fähigkeiten des Spielers mit den Daneben bestehen weitere spannende Möglichkeiten. Durchschnittswerten seiner Liga ins Verhältnis gesetzt. Eine etablierte Big‐Data‐Kennzahl im Profifußball ist Dabei geht es zum Beispiel um die Passgenauigkeit, auch der Wert „Expected Goals“, der sog. xG‐Wert jeweils unterteilt nach Zonen, die gewonnenen Zwei‐ (bzw. xGA‐Wert für Gegentore). Dieser Kennziffer liegt kämpfe oder die abgefangenen Bälle (Schrenk 2013: die Idee zugrunde, bestimmen zu können, mit welcher 62). Wahrscheinlichkeit aus einem abgegebenen Torschuss Die Leistungsdichte auf der allerhöchsten Ebene des ein Treffer wird (Biermann 2018). Erheblichen Einfluss Profifußballs ist heutzutage vergleichsweise hoch. Dabei auf die Wahrscheinlichkeit hat zum Beispiel die Position ist die individuelle physische und mentale Verfassung auf dem Spielfeld, von der der Torschuss unternommen der Spieler Ansatzpunkt für den Einsatz von Big‐Data‐ wird. Durch Voronoi‐Diagramme hingegen kann die Technologien. Darüber hinaus verspricht Big Data aber Raumkontrolle einer Mannschaft erfasst werden. In auch strategische Vorteile bei der Bewertung der mann‐ diesen wird jedem der 22 Spieler auf dem Fußballfeld schaftlichen Leistung. Die Botschaft lautet: Big Data ein Raum zugeordnet. Diesen Raum kontrolliert er, da er vermittelt Einblicke in bedeutungsvolle Zusammenhän‐ diesen vor allen anderen Spielern erreichen kann. Für ge, die dem Gegner möglicherweise nicht bekannt sind jede Mannschaft ergibt sich daraus ein Wert, der insbe‐ bzw. die der Gegner möglicherweise nicht korrekt ein‐ sondere für den Raum um und im gegnerischen Straf‐ ordnen kann. Diese Zusammenhänge gehen dabei nicht raum besonders aussagekräftig ist (Memmert, Raabe et als „Datenflut“ über die handelnden Personen nieder, al. 2016: 19). Ein weiterer Parameter erfasst das Pres‐ sondern werden als konkrete Phänomene beschrieben, sing‐Verhalten einer Mannschaft. Dazu wird gemessen, die die für die sportliche Umsetzung verantwortlichen wie schnell die Spieler der gegnerischen Mannschaft Personen in ihre Überlegungen einbeziehen können. Ein nach einem eigenen Ballverlust angelaufen werden. Das Beispiel für einen solchen Zusammenhang, der durch Ergebnis spiegelt die Erfolgsquote im Pressing und die Big Data vermittelt wird, ist das Phänomen des „Pa‐ Aggressivität einer Mannschaft wieder (Memmert, Raa‐ ckings“. Hiermit werden die Aktionen bezeichnet, die be et al. 2016: 19). bewirken, dass weniger Gegner zwischen dem Ball und dem gegnerischen Tor stehen (Impect 2018). Auf Basis 4.2 Formel 1 dieser Methode wird untersucht, mit welcher Häufigkeit Dass der Motorsport besonders datengetrieben ist, liegt Gegner überspielt werden, das Überspielen von Geg‐ in der Natur der Sache. Im Gegensatz zu einem mensch‐ nern durch das Anbieten als Anspielstation ermöglicht lichen Körper lässt sich die Maschine Rennwagen be‐ wurde, aber auch, wie viele Mitspieler durch einen Ball‐ sonders gut und genau auslesen. Jedes noch so kleine verlust aus dem Spiel genommen worden sind (Impect Detail wird während des Trainings und des Rennens 2018). Dies wird mit einem spezifischen Wert gewich‐ analysiert und in Realzeit interpretiert. Doch dies stellt tet. Genauso kann gemessen werden, mit welcher In‐ auch eine Schwäche dar. Gehen Daten verloren oder tensität ein Team überspielt worden ist und die Ballge‐ wird die Software eines Rennstalls mit Malware infiziert, winne im offensiven wie im defensiven Bereich können ist die Leistungsfähigkeit des Rennfahrers enorm beein‐ analysiert werden (Impect 2018). Während der Fußball‐ trächtigt (Marr 2017). Europameisterschaft 2016 wurde die Packing‐Kennzahl der überspielten Gegner einem millionenweiten Fern‐ www.abida.de | Seite 5
ABIDA‐Dossier | Januar 2019 DATEN‐DOPING: BIG DATA IM PROFISPORT In der Formel 1 geht es um viel Geld. Dies liegt aller‐ Cleveland Browns hingegen verwenden Trackingdaten, dings vor allem an den horrenden Kosten, die der Be‐ um verletzungsanfällige Spieler vor Rückfällen zu schüt‐ trieb eines Rennstalls kostet. Nicht ohne Grund wird zen (Fischer 2016). daher in der Formel 1 bald eine Budgetobergrenze ein‐ In der nordamerikanischen Basketball‐Profiliga (NBA) geführt. Die großen Teams hoffen, dass diese bei 200 sind alle Arenen mit sechs Kameras des Unternehmens Millionen Euro liegen wird und nicht deutlich darunter STATS ausgestattet, welche die Bewegungen jedes (Schmidt 2017). Denn bei einem Rennstall ist alles teuer. Spielers und des Basketballs 25‐mal pro Sekunde be‐ Beispielsweise kostet jeder gefahrene Testkilometer im stimmen (Brousell 2014). Zudem enthält selbst die Trai‐ Schnitt ca. 1000 Euro. Doch Hilfe bietet die Digitalisie‐ ningskleidung Sender. Ein Algorithmus erlaubt dann die rung. Testfahrten werden durch Big‐Data‐Simulierungen Erfassung von plötzlichen Bewegungen und die Be‐ ersetzt und die CAD‐Technologie (computer‐aided de‐ stimmung der Kraft, Richtung und Neigung des Sportlers sign) erleichtert die Konstruktion (Brümmer 2015). Inte‐ (Fischer 2016). Die Golden State Warriors kamen als ressanterweise begrenzt der Automobilweltverband FIA erstes Team der NBA mit Hilfe von Datenanalysen zu das Datenvolumen bei Aerodynamik‐Simulationen der simplen Erkenntnis, dass ein konsequentes Drei‐ (Fédération Internationale de l’Automobile (FIA) 2018: Punkt‐Spiel statistisch zu mehr Punkten führt. Der 56 ff.). Big Data hat jedoch nicht nur Einfluss auf die Jump‐Short unter dem Korb ist zwar einfacher, jedoch Finanzen. Auch der sportliche Erfolg hängt von der Ar‐ im Ergebnis nicht sinnvoll. Im Jahr 2012 versuchten beit der IT‐Experten ab. Längst ist ein guter Fahrer nur NBA‐Teams im Durchschnitt 18,4 Drei‐Punkt‐Würfe, im noch eine überschaubare Voraussetzung für Erfolg. Die Jahr 2017 waren es bereits 27 (Moll 2018). Bestimmung der Strategie, die Feineinstellung und Überwachung der Funktionalitäten des Wagens und die Überwachung der Kontrahenten erfolgen neben der 5 Verbot technischer Hilfsmittel im Profisport Rennstrecke und parallel dazu in der heimischen Stall‐ fabrik. Dort stehen Computer mit enormer Rechenleis‐ Ein zentrales Verbot technischer Hilfsmittel ist vor nicht tung, auf die das Team während des Rennens zugreift allzu langer Zeit gefallen. Das International Football (Brümmer 2015). Association Board (IFAB), ein internationales Gremium, welches Änderungen der Fußballregeln berät und be‐ 4.3 Weitere US‐Sportarten schließt, hat sein Regelwerk in Bezug auf den Einsatz elektronischer Kommunikation erst 2018 geändert. War Auch in anderen Sportarten wird verstärkt auf Big Data nach Regel 04.4. a.F. der Einsatz irgendeiner Form von gesetzt. Allen voran geschieht dies im Bereich der, tradi‐ elektronischer Kommunikation durch Teamoffizielle tionell Innovationen sehr zugänglichen, US‐Sportarten. noch unzulässig, sofern dies nicht in direktem Bezug Die Dallas Cowboys begannen 2015 als erstes Team zum Wohlbefinden oder zur Sicherheit der Spieler ge‐ der amerikanischen Football‐Liga (NFL) Virtual Reality schah, gilt dies nicht mehr länger. Vielmehr ist der Ein‐ zur Unterstützung ihres Trainings zu verwenden. Dazu satz von elektronischen oder Kommunikationsgeräten werden Teile ihres Trainings mit Drohnen und 360‐ durch Teamoffizielle nun auch zulässig, sofern dies zu Grad‐Kameras gefilmt. Die Trainer können so live und Taktik‐ oder Coachingzwecken geschieht. Eingesetzt aus Spielersicht mitverfolgen, ob zentrale Spieler sich werden dürfen dabei nur kleine tragbare Mobilgeräte auf dem Feld richtig verhalten. Zudem können Spieler (z.B. Mikrofon, Kopfhörer, Ohrhörer, Mobiltelefon, nachträglich in die Spielsituation versetzt werden, um Smartphone, Smartwatches, Tablet, Laptop) (The Inter‐ Fehler zu besprechen (Archer 2015). Die Dallas Cow‐ national Football Association Board (IFAB) 2018: 59). boys und mittlerweile mindestens 24 andere Teams Begründet wurde die Änderung von dem IFAB damit, kooperieren dazu mit STRIVR Labs. Diese rühmen sich, dass eine Kommunikation in die und aus der techni‐ durch ihr Virtual‐Reality‐Produkt bei den Spielern die schen Zone fast nicht auszuschließen sei und ein Aus‐ Reaktionszeit, die Fähigkeit zur Erkennung von Mustern tausch von Informationen zu Taktik‐ oder Coachingzwe‐ und Geschwindigkeit, in der Entscheidungen getroffen cken oder zum Wohl der Spieler sinnvoll sei (The Inter‐ werden, zu verbessern (STRIVR Labs, Inc. 2016). Die www.abida.de | Seite 6
ABIDA‐Dossier | Januar 2019 DATEN‐DOPING: BIG DATA IM PROFISPORT national Football Association Board (IFAB) 2018: 157). Demnach bringt Big Data Chancengleichheit in den Die Begründung des IFAB offenbart eine gewisse Re‐ Wettkampf, der längst mehr durch Geld als durch ein signation, schwingt doch mit, ein Verbot technischer faires Messen der sportlichen Fähigkeiten entschieden Hilfsmittel sei ohnehin nicht durchzusetzen. Nicht aus‐ wird. Doch ist diese Hypothese kritisch zu hinterfragen. zudenken, die WADA oder die NADA würden damit So stellen Big‐Data‐Anwendungen letztlich ein weiteres argumentieren, dass Doping erlaubt sei, da es ohnehin Instrument zur Optimierung der sportlichen Leistung nicht zu verhindern sei. Ein ähnlicher Aufschrei bleibt dar. Sie sind insofern vergleichbar mit den bisher ver‐ für das Verbot technischer Hilfsmittel indes aus. Hier fügbaren Maßnahmen. Auf die lange Sicht gesehen zeigt sich wiederum, dass die Ablehnung technischer werden eher finanzstarke Akteure sich durch weitere Unterstützung jedenfalls nicht auf einem so breiten zur Verfügung stehende Mittel mehr Vorteile verschaf‐ gesellschaftlichen Konsens basiert wie das Doping. fen können. Vielmehr wird der Profisport gerade aus gesellschaftli‐ Bereits jetzt besteht ein großer Kritikpunkt am Einsatz cher Perspektive stark mit dem Optimierungsgedanken technischer Hilfsmittel wie Torlinientechnik, VAR (Video verknüpft. Das sieht man auch am zweiten Teil der Be‐ Assistant Referee) etc. darin, dass alle Stadien mit der gründung des IFAB, das einen Austausch von Informati‐ gleichen Technik ausgerüstet werden müssen. Diese onen zu Taktik‐ oder Coachingzwecken ohne Weiteres Kosten tragen zu einem großen Teil die Vereine (Spiegel als sinnvoll erachtet. Online 2014). Langfristig könnten sich die finanzstarken Akteure hierdurch einen weiteren Vorteil verschaffen. Am Ende gewinnt dann nicht mehr, wie im Beispiel von 6 Begründungen für das Verbot technischer „Moneyball“, der Underdog, sondern der „Big Player“. Hilfsmittel im Profisport und Big Data 6.2 Medizinische Gründe Die Begründungen für Dopingverbote im Profisport lassen sich durchaus auf das Verbot technischer Hilfs‐ Medizinische Gründe hingegen sprechen bislang nur mittel übertragen. sehr bedingt gegen den Einsatz technischer Hilfsmittel im Profisport. Auswirkungen des „Daten‐Dopings“ sind nicht mit den Gefahren des Missbrauchs von Pharma‐ 6.1 Chancengleichheit zeutika zu vergleichen. Vielmehr führen IFAB und DFB Auch im Profisport wird das Verbot technischer Hilfs‐ den Gesundheitsschutz als einen der Gründe für die mittel mit dem Argument der Chancengleichheit be‐ Nutzung von technischen Hilfsmitteln im Fußball an gründet. Zum Beispiel betont das IFAB in der Einfüh‐ (The International Football Association Board (IFAB) rung zu den Spielregeln der Fußballsaison 2018/19 2018: 157; Sportschau 2018). In Zukunft könnte sich „[die] bedeutende Stärke [, dass die Spielregeln] für dies jedoch ändern. Vor allem ist nicht auszuschließen, jedes Spiel in jeder Konföderation, in jedem Land, in dass psychische Auswirkungen einer „Dauerüberwa‐ jeder Stadt und in jedem Dorf weltweit gelten“ (The chung“ von Spitzenathleten gesundheitsschädlich sein International Football Association Board (IFAB) 2018: können. 11). Werden nun technische Hilfsmittel zugelassen, so Die Flut an gesammelten Daten lässt den Athleten, auch werden diese aus finanziellen, technischen und organi‐ in Teamsportarten, gläsern werden. Was die gemeine satorischen Gründen nicht gleichermaßen überall einge‐ Bevölkerung bei der Verwendung von sozialen Netz‐ setzt werden können. Auch wenn die Regeln die techni‐ werken fürchtet, wird für Sportler Realität (Tillmann schen Hilfsmittel überall zuließen, verändert die tatsäch‐ 2018). Der Arbeitgeber, zum Beispiel ein Verein im pro‐ liche Verfügbarkeit technischer Hilfsmittel den Charak‐ fessionellen Sport, überwacht über Pulsmesser und ter des Spiels. Blutwertbestimmungen dezidiert die Funktionsfähigkeit Ausgehend vom Moneyball‐Narrativ könnte man in Big‐ des Organismus. Ob der Sportler am Abend zuvor noch Data‐Anwendungen auch eine Möglichkeit sehen, der ausgiebig Zeit in einem Fast‐Food‐Restaurant verbracht wachsenden Ungleichheit im Sport Herr zu werden. hat oder während der Sommerpause seinen Trainings‐ www.abida.de | Seite 7
ABIDA‐Dossier | Januar 2019 DATEN‐DOPING: BIG DATA IM PROFISPORT plan eingehalten hat, lässt sich so unproblematisch überwachen. ABIDA (Assessing Big Data) Über die Dossiers 6.3 Eigenart des Sports Zudem lässt sich die Ablehnung des Einsatzes techni‐ Das Projekt ABIDA, gefördert vom Bundesministerium scher Hilfsmittel im Sport auch mit der Eigenart des für Bildung und Forschung, lotet gesellschaftliche Sports rechtfertigen. So ist zum Beispiel im Fußball die Chancen und Risiken der Erzeugung, Verknüpfung und Verwendung technischer Hilfsmittel zur Unterstützung Auswertung großer Datenmengen aus und entwirft der Schiedsrichter auf heftigen Widerstand gestoßen. Handlungsoptionen für Politik, Forschung und Gegner verweisen auf die Kultur des Fußballs bezie‐ Entwicklung. Dabei nähert ABIDA sich dem Thema Big hungsweise des sportlichen Wettkampfs im Generellen. So lebe der Sport gerade von der Unvollkommenheit Data aus einer grundlegend interdisziplinären des Menschen, die sich in einem verfehlten Torschoss Perspektive. Mehr Informationen finden Sie auf oder einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters äußert. www.abida.de. Anders ausgedrückt: „Der Fußball soll menschlich blei‐ In den ABIDA‐Dossiers werden regelmäßig ausgewählte ben“, so Michel Platini, ehemaliger Präsident des euro‐ Big Data‐Themen kurz und prägnant dargestellt, um päischen Verbandes UEFA (Klappenbach & Teuffel dem Leser einen Überblick zu liefern und einen Einstieg 2010). in die Thematik zu ermöglichen. Weitere Dossiers sind verfügbar unter www.abida.de/content/dossiers. 7 Fazit Big Data stellt jedoch in jedem Fall einen Eingriff in die Im Ergebnis steht fest, dass Big Data massive Vorteile Natürlichkeit des Sports dar. Der Sportler an sich und bietet. Die Auswertung der vorhandenen Daten gestal‐ die entsprechenden Sportgeräte reichen nicht mehr aus, tet sich jedoch mitunter als schwierig. Insbesondere um erfolgreich zu sein. Dadurch entsteht eine Art Mate‐ Sportarten mit komplexen Abläufen und, aus mathema‐ rialschlacht, aus der die großen Player letztendlich als tischer Sicht, vielen Variablen lassen sich nur schwer Sieger hervorgehen werden. Denn die Beschaffung, vollständig auslesen. Geht es nicht nur um die athleti‐ Auswertung und Interpretation von Daten kostet Geld. schen Werte eines einzelnen Spielers, sondern um Te‐ Parallelen lassen sich zu vielen Sportarten ziehen. Bei‐ amtaktik und die Interaktion der Teammitglieder unter‐ spielsweise wurden im Schwimmsport 2009 Ganzkör‐ einander, ist enorme Rechenleistung und umfassendes per‐Glatthautschwimmanzüge, die immer neue Fabelzei‐ Know‐How erforderlich. Big‐Data‐Anwendungen stellen ten generierten, von der FINA (Fédération Internationa‐ derzeit lediglich eine Hilfe zur Entschlüsselung von le de Natation), dem Dachverband aller nationalen Spielideen und Taktik dar. Nicht ausreichend ist es, zum Sportverbände für Schwimmen, verboten. Beim Beispiel im Fußball, lediglich einen hohen xG‐Wert oder Schwimmen hatten die Anzüge zu immer größeren Ver‐ maximal möglichen Ballbesitz erzielen zu wollen, auch werfungen geführt, da der Sieg zum Teil vom Sponsor wenn dies mathematisch sinnvoll ist. Die Fokussierung und dessen aktuellen Entwicklungsstand abhing. Sport‐ auf den Ballbesitz hat auch dem Bundestrainer der ler aus Ländern ohne entsprechende Finanzierung hat‐ deutschen Nationalmannschaft Joachim Löw bei der ten gar keine Chance mehr. In diesem Zusammenhang Fußball‐WM 2018 nicht geholfen. Man muss in der wurde bereits von technologischem Doping gesprochen Lage sein, die Daten zu interpretieren. Beispielweise (Philippsen 2008). Die Chancengleichheit kann extrem bedeutet eine schlechte Passquote nicht automatisch, gestört sein. Jedoch kann man nicht alle Situationen dass der Spieler schlecht ist. Vielmehr kann es sein, dass über einen Kamm scheren. Im Fußball sind ver‐ der Trainer von diesem Spieler bewusst riskante Pässe schiedenste Daten und Analysen relativ leicht und für fordert. Diese werden jedoch häufiger abgefangen (Sch‐ die Vereine auch sehr günstig zu haben. In jedem Fall renk 2013: 63). www.abida.de | Seite 8
ABIDA‐Dossier | Januar 2019 DATEN‐DOPING: BIG DATA IM PROFISPORT stehen die Kosten in keinem Vergleich zu den horren‐ den Ablösesummen (Schrenk 2013: 61). Im Fußball wird Vertiefungshinweise: Literatur und Links die Chancengleichheit schon lange durch ganz andere Maßnahmen, wie zum Beispiel die Verteilung der TV‐ Einnahmen, untergraben. Biermann (2015). Moneyball im Niemandsland, 11Freunde #163, Juni 2015, 90‐96. Insofern geht mit der Digitalisierung und der Verbrei‐ Memert, Raabe, Knyazev, Franzen, Zekas, Rein, Perl tung von Big Data eine tiefgreifende Veränderung des Sports einher. Daher ist es durchaus sinnvoll, sich Ge‐ & Weber (2016). Innovative Leistungsindikatoren im danken über eine Limitierung der technologischen Mög‐ Profifußball auf der Basis von Positionsdaten, Impul‐ lichkeiten zu machen. Hier spielt insbesondere der Ge‐ se 2016, 2, 14‐21. sichtspunkt der Chancengleichheit eine Rolle. Zu be‐ Müllender (2018). Revolution an der Lohrheide, denken ist jedoch, dass am Ende immer der Athlet seine 11Freunde #203, Oktober 2018, 52‐56. Leistung abrufen muss. Diese direkt kann Big Data, im Gegensatz zu traditionellem Doping, nicht beeinflussen. Big‐Data‐Anwendungen wirken sich insbesondere auf die Vorbereitung, also das athletische und taktische Training, und bei der Überwachung des Leistungsstan‐ des eines Sportlers, aus. Ob in einigen Jahren eine Neu‐ bewertung von Nöten ist, wird die Zukunft zeigen. www.abida.de | Seite 9
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