PRESS REVIEW Tuesday, October 27, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal

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PRESS REVIEW Tuesday, October 27, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
PRESS REVIEW

         Daniel Barenboim Stiftung
Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal

        Tuesday, October 27, 2020
PRESS REVIEW Tuesday, October 27, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
PRESS REVIEW                                                 Tuesday, October 27, 2020

Tip Berlin, PBS
Trio con Brio Copenhagen im Pierre Boulez Saal

Der Tagesspiegel
Keine strengeren Regeln für die Berliner Kultur

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Lasst die Theater offen

Der Tagesspiegel
Bayerische Bühnen wollen Ausnahme von Zuschauerobergrenze

Die Zeit
Ein Gespräch mit Anna Netrebko über die Zukunft der Oper

Monopol Magazin
Museen müssen das bessere Netflix werden. Ein Interview mit Kurator Peter Weibel

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Dimitri Tschernjakov deutet Tschaikowskys „Jewgeni Onegin“ bei der Wiener Staatsoper

Süddeutsche Zeitung
Eine 14-CD Box huldigt dem Dirigenten Fritz Reiner

Der Tagesspiegel
Hetty Berg und ihre Pläne für das Jüdische Museum

Süddeutsche Zeitung
Erste Hilfe nach Öl-Anschlag auf Berliner Museen
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27.10.2020                                             Veranstaltungen in Berlin diese Woche: Goldener Aluhut & Sophie Hunger

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                      Trio con Brio Copenhagen

                      Das Trio Con Brio Copenhagen gastiert diese Woche in Berlin. Foto: Nikolaj Lund

                      Klassik Das Ensemble Trio con Brio Copenhagen feierte im vergangenen Jahr das 20. Jubiläum. Das
                      Repertoire der koreanischen Schwestern Soo-Jin (Violine) und Soo-Kyung Hong (Violoncello) sowie des
                      dänischen Pianisten Jens Elvekjaer fokussiert vor allem das 19. Jahrhundert sowie das Schaffen
                      zeitgenössischer skandinavischer Komponisten. Beim Debüt des Trios im Pierre Boulez Saal trifft Bent
                      Sørensens „Phantasmagoria“ (2007) auf kammermusikalische Werke von Beethoven und Smetana.

                      Pierre Boulez Saal, Französische Str. 33 D, Mitte, Mi 28.10., 19.30 Uhr, www.boulezsaal.de

https://www.tip-berlin.de/konzerte-party/veranstaltungen-berlin-diese-woche-kw44-konzerte-theater-musik-lesung/
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27.10.2020                                        https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471893/24-25

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        Erleichterung
        Keine strengeren Regeln für die Berliner Kultur

        „In der Philharmonie ist es derzeit sicherer als zuhause, wenn man sich dort
        mit anderen Menschen trifft.“ Kultursenator Klaus Lederer schätzt zwar die
        Lage der Corona-Pandemie als zunehmend ernst ein, für schärfere
        Maßnahmen im Bereich der Museen, Bühnen oder Konzertsäle aber besteht
        in seinen Augen aktuell keine Notwendigkeit, wie er am Montag im
        Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses sagte. Schließlich sind in Berlin die
        Vorgaben des Hygienerahmenkonzepts besonders streng.

        „Die Kultureinrichtungen können bedenkenlos genutzt werden“, findet darum
        Lederer - und er dürfte damit für einige Erleichterung in der
        hauptstädtischen Szene gesorgt haben. Martin Woelffer, der Chef der
        Komödie am Kudamm, hatte zum Wochenstart in einer Presseerklärung
        geschrieben: „Die Menschen haben wieder angefangen, sich daran zu
        gewöhnen, ins Theater zu gehen. Sie haben große Freude und können sich
        entspannen.“ Sobald die Leute aber von der Politik verunsichert würden,
        mache sich das unmittelbar im Kartenvorverkauf bemerkbar.

        Klaus Lederer berichtete im Kulturausschuss auch von den Anstrengungen
        seiner Verwaltung, notleidende Künstler und Institutionen zu unterstützen:
        Noch in dieser Woche sollen die Gewinner der mit jeweils 9 000 Euro
        dotierten Sonderstipendien bekanntgegeben werden, die die
        Kulturverwaltung aufgelegt hat. Weil sich über 8 000 Personen für die 2 000
        zur Verfügung stehenden Stipendien beworben hatten, musste das Los
        entscheiden. Die Kulturverwaltung stellte 18 Millionen Euro für das
        Programm zur Verfügung.

        Im Bereich der „ Soforthilfe IV“, die für private Veranstalter und
        Bühnenbetreiber gedacht ist, befinden sich derzeit die meisten bewilligten
        Anträge in der Auszahlung. Die Liquiditätshilfe soll von Dezember 2020 bis
https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471893/24-25                                                     1/2
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27.10.2020                                        https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471893/24-25

        Februar 2021 fortgeschrieben werden, Klaus Lederer möchte das Programm
        so ausweiten, dass es auch Anschubfinanzierungen für die vollständige
        Wiederaufnahme des Spielbetriebs geben kann. Frederik Hanssen

https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471893/24-25                                                     2/2
27.10.2020                                                  https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465755/9

        F.A.Z. - Feuilleton                                                                                             Dienstag, 27.10.2020

                                               Lasst die Theater offen
                                     Beispiel Bamberg: Der Verteilungskampf ist eröffnet

        Im „heute journal“ sagte der Regierende Bürgermeister von Berlin noch vor wenigen
        Tagen einen Satz, der eine ganze Branche aufatmen ließ: „Unser Problem ist nicht der
        Theaterbesuch.“ Nicht das Bühnenspiel vor einer kleinen maskierten Zuschauermenge,
        sondern die privaten Feiern ließen die Infektionsraten explodieren, „alle Situationen, in
        denen es nicht geordnet abläuft“. Im Deutschen Theater läuft es geordnet ab. Man steht
        draußen vor dem Eingang, bis eine Klingel ertönt, dann geht man maskiert in den
        Zuschauerraum, setzt sich auf seinen Platz mit Abstand zu den anderen, schweigt, schaut,
        applaudiert verhalten – das aerosollastige Bravo-Rufen ist im Theater sowieso schon
        länger außer Mode gekommen – und macht sich schnell wieder aus dem Staub. Keine
        Kurzkritik an der Garderobe, kein gemeinsames Weinglasschwenken im Foyer. Die Thea-
        ter geben landauf, landab ihr Bestes, um die gefürchtetste Nachrichtenzeile zu verhin-
        dern: „Superspreading im Theater“. Und doch, obwohl bisher keine einzige Infektion
        durch einen Theaterbesuch belegt ist, droht die Politik den Bühnenhäusern jetzt mit einer
        Verschärfung der Corona-Auflagen.

        In Bayern etwa ist die Rede davon, dass man die Zuschauerzahl bei einem Inzidenzwert
        von hundert oder mehr auf maximal fünfzig beschränken wolle. In einem offenen Brief an
        ihren Ministerpräsidenten haben dortige Theaterintendanten eindringlich gefordert,
        ihren Spielraum auch bei hohen Infektionszahlen nicht noch weiter einzuschränken.
        Schon jetzt, so etwa der Intendant des Münchner Residenztheaters, sei ein finanzielles
        Defizit nicht zu vermeiden, wenn jedoch die geplanten Maßnahmen griffen, bedeute das
        für alle Bühnen in Bayern eine unkalkulierbare Existenzbedrohung. Gerade die wenig
        oder gar nicht subventionierten Privattheater zittern. Konkurs droht bei einem neuerli-
        chen Shutdown eben nicht nur dem inhabergeführten Stadthotel, sondern auch dem
        Varietétheater um die Ecke.

        In dieser angespannten Situation trifft eine Hiobsbotschaft aus Bamberg ein: Hier
        kündigt die Stadt an, die Mittel für Kultur wegen ausfallender Steuereinnahmen im
        nächsten Jahr um 25Prozent zu kürzen. Das ortsansässige E.T.A.-Hoffmann-Theater
        muss mit etwa 80 000 Euro weniger im Etat rechnen und kann Stellenstreichungen nicht
        mehr ausschließen. Zu den die Abendeinnahmen senkenden Corona-Verordnungen
        kommt nun auch noch der Ausfall von Gewerbesteuern und damit eine Neuordnung der
        Subventionslandschaft hinzu: Der Verteilungskampf ist eröffnet.

        Corona wird Spuren hinterlassen, über deren Umfang man sich noch gar keine Vorstel-
        lungen macht. Schon jetzt teilte etwa der Berliner Theaterverein mit, dass Tickets im
https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465755/9                                                                                      1/2
27.10.2020                                                  https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465755/9

        Gegenwert von mehr als 200000 Euro rückabgewickelt wurden. Was also gerade auch auf
        dem Spiel steht, ist die Gewohnheit, überhaupt noch ins Theater zu gehen. Wenn die Poli-
        tik zulässt, dass Menschen in überfüllten Bahnabteilen eng zusammensitzen und mit
        herabhängender Maske telefonieren, aber verbietet, dass zweihundert schweigende
        Zuschauer in einem großen Theaterhaus einen „Don Karlos“ schauen, dann riskiert sie
        ihre Autorität. Man muss nicht mit falschem Pathos die „Kulturnation“ anrufen oder im
        Blüm’schen Überschwang schwören: „Ihr Theater ist sicher“, um mit aller Entschieden-
        heit darauf hinzuweisen, dass die Theater keine „kleineren Übel“ sind, mit denen man
        widerstandslos umspringen kann, um seine Handlungsfähigkeit zu beweisen. Wer die
        Theater schließt, nimmt einer ganzen Gesellschaft die Hoffnung auf Gegenwelt und
        Unterhaltung. Jetzt, wo wir mit bangem Blick auf einen trüben Winter schauen, kann man
        nur sagen: Ohne hellerleuchtete Theaterhäuser wird er noch viel düsterer. SIMON
        STRAUSS

https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465755/9                                                               2/2
27.10.2020                                        https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471893/24-25

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        NACHRICHTEN

        Bayerische Bühnen wollen Ausnahme von Zuschauerobergrenze

        Die Bayerische Staatsoper und das Staatsschauspiel wollen die in München seit dieser
        Woche geltende Obergrenze von 50 Zuschauern pro Vorstellung zur Eindämmung der
        Corona-Pandemie nicht akzeptieren. Man habe Sondergenehmigungen beantragt,
        teilten die Theater am Montag mit. Das Residenztheater möchte wie bisher 200
        Zuschauer einlassen, die Oper hofft auf 500 Besucher. München hat am Wochenende
        die Schwelle von 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche
        überschritten. dpa

https://epaper.tagesspiegel.de//webreader-v3/index.html#/471893/24-25                                                     1/2
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,,Der Lockdown war übertrieben"
Einen Monat nach ihrer Corona-Erkrankung hat Anna Netrebko ein Konzert an der Mailänder Scala gegeben. Ein Gespräch über die Zukunft der Oper
  eh habe diesen Mist, der sich Coro- krank zu werden. Ich habe mich für
 1 na nennt, geschlagen", schrieb Anna letzteres entschieden.                     täten war doch etwas übertrieben. Die auch zu bezahlen. In diesen Monaten       dadurch, dass es weniger Opern und Sie sind also pessimistisch?
                                                                                  Weltwirtschaft ist deshalb am Boden. konnten alle ein wenig aufatmen.           mehr Konzerte gibt?                      Jeder Tag kann für die Künstler bedeu­
   Netrebko auf Instagram vor kaum                                                Die Theater und Künstler sind seit Mo­                                          Das hoffe ich wirklich nicht.            ten, dass eine Aufführung abgesagt
zwei Wochen. Bei einer „Don Carlo"- Wlirden Sie es wieder tun?                    naten ohne Arbeit.                       Haben die Hygieneregeln den Beruf                                               wird, dass es eine Programmänderung
Aufführung in Moskau hatte sie sich Ja, obwohl Covid-19 eine sehr ernste                                                   des Sängers verändert? Zum Beispiel    Wie kam es zum Scala-Projekt?            gibt oder eine Verschiebung. Da ist es
infiziert. Sie musste mit Lungenent- Krankheit ist und einem wirklich Angst       Auch in Russland?                                                               Das sollte nicht einfach ein Liederabend schwer, optimistisch zu bleiben.
zündung in die Klinik. Jetzt hat sie an macht. Ich hatte das Glück, dass ich      Wie in Italien - und anders als im übri­                                        mit Live-Aufnahme eines werden. Das
der Mailänder Scala einen Konzert- sehr gut und sehr schnell behandelt            �en Europa, wo man (abgesehen von                                               ging weiter. Wir arbeiten gerade noch an Die Konzerte allein reichen Ihnen al­
abend gegeben. Den globalen Opern- wurde. Schon nach zwei Wochen konn­            Osterreich) erst gefahrlich langsam                                             zusätzlichem Dokumentationsmaterial. so nicht?
lockdown findet sie übertrieben. Über te ich mein normales Leben wieder auf­      wieder auf die Beine kommt - hat man                                                                                     Ich sehe mich auch als Schauspielerin,
die Zukunft des Musiktheater macht nehmen.                                        in Russland dafür gesorgt, dass die                                             Um zu zeigen, dass man heute als Ge­ nicht nur als Sängerin. Ich liebe das
sie sich Sorgen.                                                                  Theater mit allen Sicherheitsvorkeh­                                            sangsstar nicht nur gut singen kön­ Theater, seine Bühnen und die Men­
                                        Und auch schon wieder singen?             rungen so schnell wie möglich wieder                                            nen muss?                                schen, die dort arbeiten. Heutzutage be­
           VON ANGELO FOLETTO           Ich war noch geschwächt durch die Me-     geöffnet werden.                                                                Es gibt noch ganz andere Wege der steht die Herausforderung darin, ein
                                         dikamente. Es ging mir nur langsam                                                                                       Kommunikation, das Publikum ist an­ Konzert in ein Theaterstück zu verwan­
WELT: Sie sind eigentlich kaum gene-     wieder besser. Oft war ich müde. Aber Deshalb sind Sie so oft nach Italien                                               spruchsvoller geworden und nicht mehr deln. In der Scala arbeiten wir in diese
sen, da stehen Sie schon wieder auf      meine Stimme wurde nicht beeinträch­ gekommen...                                                                         so homogen. Doch die Stimme und ihr Richtung, und zwar sehr gut.
der Bühne. War der Auftritt an der       tigt.                                   Ich habe Italien immer schon geliebt,                                            Zauber sollten immer im Mittelpunkt
Scala nicht riskant?                                                             nicht nur, als es uns jetzt die Möglich­                                         stehen.
ANNA NETREBKO: Nach meinem Kli-          Auch Sie hatten unter den corona-be­ keit gab, unser Leben wieder aufzuneh­
nikaufenthalt hatte ich die Wahl: Mich   dingten Opern- und Konzertabsagen men. Die Open-Air-Veranstaltungen                                                      Welche Zukunft hat die Opernwelt?
entweder aus Angst vor einer erneuten    zu leiden.                              hier haben einen Weg aufgezeigt, der es Will sich nicht verstecken vor Corona:   Ich sehe sie wie ein kleines Tier, dem
Ansteckung zu verstecken oder wieder     Der komplette Lockdown und die Absa­ dem ganzen Opernsystem ermöglichte, Anna Netrebko                                   das Wasser bis zum Halse steht und das
zu arbeiten mit dem Risiko, wieder       ge beinahe aller künstlerischen Aktivi- ihren Künstlern Arbeit zu geben und sie                                          versucht, nicht zu ertrinken.
monOPOL                       Autoren   Kolumnen   Radio Et Podcast   Magazin Abo

Magazin für Kunst und Leben

ZKM-Direktor Peter Weibel
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 Museen müssen das bessere Netflix
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Die Corona-Pandemie hat die Kunst ins Digitale
getrieben -Kurator Peter Weibel war längst schon da.
Hier erklärt der ZKM­Direktor, warum virtuelle
Ereignisse die Realität dominieren - und Nähe im
Museum eine Fiktion ist, die nun zuende geht

Herr Weibel, Sie kuratieren unter anderem die Karlsruher Schlosslichtspiele. Wie
wirken Realität und digitale Kunst dabei zusammen?

Die Schlosslichtspiele sind ein hochtechnisches Ereignis. Beim "Projection Mapping"
werden nicht einfach Bilder wie auf eine Kinoleinwand projiziert. Stattdessen bekommt
jede Künstlergruppe ein computerbasiertes 3D­Modell des Schlosses und hat dann den
Auftrag, die Architektur der Fassade mit in die Bilder einzubeziehen. Das heißt jedes
Pixel der Fassade wird Teil einer Bildkomposition und durch sie transformiert. Die
Fassade bewegt sich, sie kann einstürzen oder zu einem Wasserfall werden bei dem das
Wasser aus den Fenstern dringt. Durch eine projizierte Fantasiewelt kann man die reale
gewissermaßen untergehen lassen. Bei den Schlosslichtspielen erkennt man schon eine
Dominanz des Virtuellen, die die reale Fassade aber noch als Trägermedium braucht.
Wie hat die Corona-Pandemie die diesjährige Ausgabe der Schlosslichtspiele
beeinflusst?
Die Schlosslichtspiele haben dieses Jahr komplett digital stattgefunden. Wir haben das
Schloss wiederum als 3D-Modell simuliert. Dafür haben wir eine Kameradrohne über
das Schloss und den Park fliegen lassen, haben Nahaufnahmen und verschiedene
Perspektiven aufgenommen. Wir haben dem Publikum angeboten, selbststeuernd mehr
Perspektiven einzunehmen, als es in der Wirklichkeit hätte haben können. So hatte es
online ein besseres Erlebnis.
Aber liegt nicht ein besonderer Reiz darin, wenn man Kulturveranstaltungen live
miterleben kann?
Das virtuelle Ereignis dominiert das reale schon lange. Wir sind es seit Jahrzehnten alle
gewohnt, nicht-reale Konzerte zu erleben. Die meisten Leute hören Orchesterkonzerte
heute online über Apps. Ich persönlich habe zum Beispiel nie das Verlangen gehabt, die
Beatles live zu hören. Mir hat die Musik genügt - damals auf Schallplatte, heute online.
Wir leben schon lange in einem Online-Universum, tun aber noch so, als würden wir die
Musik real hören müssen.
Aufgenommene Musik ist das Eine, aber gilt das auch für den Museumsbesuch?
Im Museum, wo sich Leute vor den Bildern drängeln, die sich gegenseitig nicht kennen
und sich gegenseitig nur auf die Nerven gehen, wird - wie im Konzertsaal oder Theater -
eine Nähe beschworen. Diese Nähe ist eine fiktive, von der Massenindustrie erlogene. Sie
dient bloß dem Zweck, möglichst viele Besucher im Museum, im Theater oder
Konzertsaal zu haben. Doch diese Fiktion geht nun zuende.

Wirklich? Kaum war der Lockdown im Mai vorbei, schon strömten die
Menschen wieder in die realen Kultureinrichtungen.

Das sind klassische Entzugserscheinungen. Die Menschen standen unter dem Einfluss
der Droge "Nähe", die plötzlich abgesetzt wurde. Und jetzt hauen sie sich noch einmal
eine Dosis dieser toxischen Atmosphäre rein. Man sagt immer, das Virus kennt keine
Grenzen. Doch das Virus kennt die Grenze von 1,5 Metern. Stattdessen sind wir es, die
keine Grenzen kennen und herumreisen, um live ins Theater und Museum zu gehen.
Wir müssen begreifen, dass nicht Nähe das Heilmittel für die Kultur ist, sondern
Distanz - also telematischer Kulturgenuss.
Reichen da mit dem Smartphone gestreamte Führungen, um den virtuellen
Besuchern diesen Kulturgenuss zu bieten?
Das waren lobenswerte Anfänge während des Lockdowns. Aber das wird auf Dauer
nicht reichen.
Weil die Ansprüche der Zuschauer durch Streaming-Plattformen zu hoch
geworden sind?
Es liegt gleichermaßen an Produzenten und Rezipienten. Die Online-Besucher sind
durch Netflix gewöhnt, Filme anzuschauen. Um sich von Fernsehen und Kino
abzusetzen, bietet Netflix höhere Qualität und raffiniertere Dramaturgie. Aber was das
Verhalten der Zuschauer angeht, will Netflix den passiven Zuschauer, der nicht
partizipiert. Als Museum im digitalen Raum muss man nicht versuchen, das bessere
Fernsehen zu sein, denn das ist Netflix. Man muss also versuchen, dass bessere Netflix
zu sein. Man muss Angebote schaffen, die im Netz einzigartig sind, aber auch das
Publikum beteiligen. Gerhard Richter in einer Dokumentation zu sehen, ist das Eine.
Das Andere, ihm bei einem digitalen Interview-Event selbst eine Frage zu stellen. Wir
werden solche neuen Formate finden, das ist mein Versprechen.
Gerade kleinere Institutionen, die während der Krise neue, digitale Formate
entwickelt haben, müssen diese jetzt wieder einstellen, weil sie ihre Leute wieder
im normalen Betrieb brauchen.
Das ist verfehlte Kulturpolitik. Die digitalen Angebote waren in den Monaten der Krise
notwendig. Viele Häuser haben sehr ins Digitale expandiert und Online­Angebote
entwickelt. Wenn sie die jetzt nicht mehr weiter betreiben können, weil sie das dafür
abgestellte Personal wieder für den realen Betrieb brauchen, ist das ein Fehler. Das, was
Herr Spahn für das Pflegepersonal und die Altenheime tut, muss auch für
Kulturinstitutionen kommen. Es braucht sofort eine Erhöhung der Budgets, damit sie
den Standard, den sie Gottseidank erreicht haben, halten können. Damit sie Angebote
im digitalen und realen Raum machen können.

Denn die Digitalisierung des Museumsbetriebs wird zu- und nicht wieder
abnehmen?
Die Museen werden digitale Dependancen gründen müssen. Dafür braucht es neues
Personal und neues Geld. Wir brauchen technisch versierte Leute, die neue Formate
entwickeln für diese Museen. Die Museen werden natürlich noch Ausstellungen
machen und interessierte Leute gehen da weiter hin. Aber das wird nicht genügen.
Wenn sie in der kommenden Ferngesellschaft bestehen möchten, müssen sie auch
Angebote machen, die “fern-tauglich” sind.
Im Internet sind die Menschen daran gewöhnt, nichts zu bezahlen. Wer
finanziert das also?

Ich bin dafür, dass das der Staat bezahlt. Das Museum hat einen
Bildungsauftrag. Durch diese Krise können wir das lernen. Wir müssen die
Herausforderung annehmen, die weit darüber hinausgeht, dass wir jetzt
digitale Führungen anbieten. Die Museen werden sich darauf einstellen
müssen, mithilfe von Online-Kursen, para-universitäre Einrichtungen zu
werden. Und der Staat finanziert und zertifiziert das. Im Endeffekt muss die
Grundfunktion des Museums für die Zukunft neu gedacht werden.

Stichwort "Zoom-Fatigue": Sind digitale Angebote attraktiv für ein
Publikum, das langes Starren auf Bildschirme ermüdend findet?

Die "Fatigue" kommt daher, dass unsere Sinnesorgane noch nicht auf diese
Form der Kommunikation trainiert sind. Wenn ich jemanden sprechen höre,
lese ich gleichzeitig Gestik und Mimik der Person. Das sind Hilfsmittel, um
das Gesagte besser zu verstehen. Bei Video-Konferenzen ist der Ton nicht der
gleiche und ich sehe das Gesicht um winzige Sekunden zeitverzögert. Die
Verarbeitung der Information ist dadurch anstrengender. Aber wir werden
uns daran gewöhnen. In den 1960er-Jahren haben die Zeitungen über die
Avantgarde-Filme geschrieben: “Diese schändlichen Filme mit tausend
Schnitten pro Sekunde!” Heute macht die Werbung genau das und niemand
beschwert sich über die vielen schnellen Schnitte. Die "Fatigue" ist Teil der
Medienerziehung. Für mich ist das eine rein vorübergehende Erscheinung,
weil wir am Anfang dieser evolutionären Entwicklung stehen.

In Karlsruhe freut man sich darauf, die Schlosslichtspiele nächstes Jahr
wieder real stattfinden lassen zu können. Landet die digitale
Schlossfassade dann in der virtuellen Mottenkiste?

Wir machen nächstes Jahr beides. Wir machen das Festival real und virtuell.
Kultur ist heimlicherweise immer schon auf Reproduktion und endlose
Distribution angelegt ist. Man nimmt ein Konzert auf, damit man es
wiederholen kann, die Musiker leben von der Wiederholung im Radio. Sollen
ein reales und ein virtuelles Ereignis nebeneinander stattfinden, müssen wir
kreativer und innovativer werden. Da muss das Live-Ereignis etwas sein, dass
nicht gleichwertig zum Online-Ereignis ist, sondern sich davon unterscheidet.
Das ist die Herausforderung.
27.10.2020                                                  https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465755/9

        F.A.Z. - Feuilleton                                                                                             Dienstag, 27.10.2020

                                           Ganz ausweglos zu Hause
             Wie viel Ingmar Bergman steckt in Peter Tschaikowsky? Dmitri Tschernjakow deutet
                                „Jewgeni Onegin“ Von Jan Brachmann, Wien

        Phantastisch in der Bildfindung, meisterhaft in der Personenregie, vorbildlich im Lesen
        des Stücks wie im Nachdenken über dessen Wirkung ist die Inszenierung Dmitri Tschern-
        jakows von Peter Tschaikowskys „Jewgeni Onegin“. Die Wiener Staatsoper zeigt sie
        gerade. „Wohin seid ihr entschwunden, goldene Tage meines Frühlings?“, singt Lenski,
        bevor er im Duell – hier bei einem fahrlässigen Handgemenge um eine alte Schnepfenflin-
        te – mit Onegin zu Tode kommt. Aber Tschernjakow denkt über Lenski hinaus: Das Stück
        selbst hat die goldenen Tage seines Frühlings hinter sich. Fort sind der Park und die Obst-
        wiesen auf dem Gut der Larins, wo Olga und Tatjana mit ihrer Mutter leben. Fort sind die
        Bauern, die über müde Füße klagen, und die Mägde, die bei der Arbeit lachen. Deren
        Lieder singt eine gutbetuchte Gesellschaft am Tisch der Larina: nostalgisches Amüsement
        der leisure class. Es gibt die Realität sozialer Alternativen nicht mehr: das Sich-selbst-
        Vergessen in körperlicher Arbeit, die Utopie des glücklichen Einswerdens mit einem
        Kollektiv.

        Es gibt auch keinen Außenraum mehr auf der Bühne, die Tschernjakow selbst entworfen
        hat. Alles spielt in den Wänden des Heims, das Tatjana unheimlich geworden ist.
        Apathisch sitzt sie zwischen den Menschen, von denen sie denkt, was Rilke gut zwanzig
        Jahre nach Tschaikowskys Oper schrieb: „Es ist, als ob ein Trug sie täglich äffte, sie
        können gar nicht mehr sie selber sein.“ Schal ist der jungen Frau dieser Frohsinn eines
        gesellschaftlichen Funktionierens geworden, der jede Aufrichtigkeit verhöhnt. Ihre
        Mutter, die Larina, tief beunruhigt über das Verhalten ihrer Tochter, hält mit herrischer
        Fröhlichkeit die Fassade einer intakten Familie aufrecht. Helene Schneiderman, bei der
        jeder Blick, jede Geste punktgenau sitzen, wirkt in dieser Rolle – auch durch die histori-
        sierenden Kostüme von Maria Danilowa und Jelena Sajzewa – wie Ghita Nørby als Karin
        kerblom in Bille Augusts Film „Die besten Absichten“ nach Ingmar Bergmans Drehbuch.

        Es ist aus diesen „Lyrischen Szenen“ nach Alexander Puschkin durch Tschernjakow ein
        häusliches Drama der bürgerlichen Familie geworden. Tschaikowsky, angewidert von
        Verdis „Aida“, wollte sich 1878 „von den äthiopischen Prinzessinnen, Pharaonen, Vergif-
        tungen“ befreien und schaffte mit seinem „Jewgeni Onegin“ den Anschluss der Oper an
        die Dramen von Ibsen und Strindberg, wurde zum Wegbereiter Tschechows, der Tschai-
        kowsky bewunderte.

        Genau diese Wirkung fernab von Bühnenklischees wie der Parkbank unterm Birkenbaum
        oder dem Chorreigen um die Obstkörbe, hat Tschernjakow durch seine Inszenierung
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        erfasst. Diese Verweigerung von gewohnten Bildern aber löste im Oktober 2006, als die
        Inszenierung erstmals am Moskauer Bolschoi Theater gezeigt wurde, eine derartige Wut
        auf den Regisseur aus, dass die frühere Primadonna Galina Wischnewskaja damals
        ankündigte, dieses Haus nie mehr zu betreten. Es ist nicht nur verdienstvoll, sondern ein
        Glück, dass Bogdan Roščić, der neue Intendant der Wiener Staatsoper, dieser Arbeit eine
        zweite Chance gibt.

        Für Tschaikowsky, der aus den zur Pose gewordenen Konventionen der Oper im neun-
        zehnten Jahrhundert zurückwollte zur psychologischen Evidenz singenden Handelns im
        Musiktheater Mozarts, ist es ein Segen, wenn so viele exzellente Mozart-Sänger unserer
        Zeit im Ensemble für seine Musik zusammenfinden: Andrè Schuen und Bogdan Wolkow
        standen als Guglielmo und Ferrando schon diesen Sommer in „Così fan tutte“ in Salzburg
        auf der Bühne. Jetzt singt Schuen einen Onegin von weltmännischer Kühle, leicht,
        geschmeidig, höflich – aber in der Pose arroganter Geltungssucht. Dieser Mann bleibt
        liebes- und lernunfähig bis zum Schluss, ein narzisstischer Schnösel. Man hat – im Film
        mit Ralph Fiennes oder durch den Sänger Günter Papendell in Barrie Koskys Berliner
        Inszenierung – differenziertere, melancholische Porträts dieser Figur sehen können.
        Diese in Wien ist aber sehr nah an Puschkins Original.

        Bogdan Wolkow als Lenski bekommt nach seiner Abschiedsarie ein „Bravo“ aus dem
        Publikum. Wie er die Verse „Wirst du kommen, schönes Mädchen, über meiner Urne
        weinen und sagen: Er hat mich geliebt?“ mit halber Stimme gesungen hat, vom Orchester
        der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Tomáš Hanus in bebendem Pianissimo
        getragen, das musste das empfängliche Publikum auch zur Raserei treiben: Er ist ein
        Sänger, der kein Brüllen nötig hat, um seine Hörer hinzureißen. Nicole Car als Tatjana
        teilt sich in der Briefszene ihre Kräfte so klug ein, dosiert ihr Vibrato derart kontrolliert,
        dass ihr Sopran auch in der größten Lautstärke nie seine lyrische Farbe, Innigkeit und
        Wärme verliert. Anna Gorjatschowa, schon in Zürich in „Così fan tutte“ eine Dorabella
        von sinnlicher Glut, singt in Wien eine Olga, die in der Tiefe der Stimme den Ingrimm auf
        ihre Schwester Tatjana lodern lässt, von der sie glaubt, dass sie sich durch ihre Apathie
        nur wichtig machen wolle.

        Dmitri Iwaschtschenko, in René Jacobs’ Einspielung der „Entführung aus dem Serail“ der
        furiose Bass-Irrwisch als Osmin, singt in Wien den Fürsten Gremin weitab von der übli-
        chen Bräsigkeit eines Frühpensionärs. Wie er Herzenswärme und die Leichtigkeit des
        Konversationstons zu verbinden weiß, das nötigt das Publikum zum nächsten „Bravo“.
        Hier schafft es Iwaschtschenko, Tschaikowskys Ideal einer Balance aus sozialer Empathie
        und gewahrter Form im Gesang zu verkörpern. Dass Larissa Djadkowa als Amme Filipje-
        wna mit der Erzählung von ihrer kindlichen Zwangsverheiratung für einen erschüttern-
        den Moment sorgt, zeigt, wie genau diese Inszenierung sogar in den Nebenrollen durchge-
        arbeitet ist.

        Der Slowakische Philharmonische Chor, einstudiert von Jozef Chabroň, bewegt sich auf
        dem höchsten Niveau dessen, was ein Opernchor leisten kann. Die leichten Koordinati-
        onsstörungen beim Singen hinter der Bühne zu Beginn der dritten Szene sind die Ausnah-
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        me an einem Abend der Exzellenz. Tomáš Hanus hat es als Dirigent oft eilig, in der Polo-
        naise des dritten Akts so eilig, dass die punktierten Rhythmen verwaschen herauskom-
        men. Aber wie er den Streicherklang in der Einleitung der Briefszene zum erstickten
        Schrei dämpft und wie er die Herzrhythmusstörungen aus den Mittelstimmen vor der
        Finalszene herausholt, das verrät einen achtsamen Musiker.

        „Offen“ steht in roten Neonröhren an der Fassade der Staatsoper. Tausend Leute dürfen
        nach neuesten Pandemiebestimmungen noch in den Saal. Man kann dieser Inszenierung
        gar nicht genug Gäste wünschen.

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        Unsentimental

        Ei ne 14-CD-Box hul digt dem Di ri gen ten Fritz Rei ner

        Glän zend, rhyth misch scharf poin tiert, in leuch ten der En er gie und bei al ler ex plo siven Span nung im mer elas -
        tisch und fe dernd auch im stärks ten For tis si mo oder im lei ses ten Pia nis si mo, so klingt „Ein Hel den le ben“ von
        Richard Strauss. Wie die Streicher Fun ken stie ben las sen, wie die Holz blä ser auf flam men, wie das Blech stets
        no bel auf tritt – das al les hat Kraft oh ne Kraft meie rei, Be deu tung oh ne Wich tig tun, Ele ganz oh ne Ma nie ris -
        men. Ge krönt wird der Ein druck durch die voll kom me ne Abwe sen heit von Sen ti men ta li tät. Das Stück er klingt
        im bes ten Sin ne mo dern, wie es das Pitts burgh Sym pho ny Orches tra un ter der ge bie te ri schen Lei tung von
        Fritz Rei ner 1947 ein ge spielt hat. Es ist so mit rei ßend prä zi se, fett frei und bren nend in ten siv, dass man das
        Al ter der Auf nah men so fort ver gisst.

        Das Pitts burgh Sym pho ny Orches tra war nach dem Cin cin na ti Sym pho ny Orches tra das zwei te ame ri ka ni sche
        Orches ter, das Fritz Rei ner als Chefdi ri gent lei te te. In den zehn Jah ren von 1938 bis 1948 bau te er es zu ei nem
        der bis heu te bes ten Orches ter nicht nur der USA auf. Mit den Pitts burg hern mach te er auch sei ne ers ten kom -
        mer ziel le Auf nah men. Fritz Rei ner galt als kon se quen ter Orches ter feld herr mit manch mal des po ti schen An -
        wand lun gen. Sei ne Stren ge im mu si ka li schen An spruch und in den An forde run gen an das Orches ter, was Pro -
        ben ge nau ig keit, Vor be rei tung und Qua li tät der Aus füh rung be traf, wa ren ge fürch tet. Zu gleich hieß es aber,
        ein Jahr oder mehr un ter Fritz Rei ners Lei tung sei zwar das här tes te, aber auch das an re gends te Trai ning für
        Orches ter mu si ker. Die se bri san te Mi schung aus Kom pro miss lo sig keit und In spi ra tion lock te vie le jun ge Mu-
        si ker in die In dus trie stadt im Südwes ten von Penn sylva nia.

        Hört man in sei ne Pitts burgh-Auf nah men hin ein, dann kann man nur stau nen über den im mer ge spann ten,
        ge nau struk tu rier ten, im mer prä sen ten Orches ter klang in al len Sek tio nen. Der gro ße Cel lo meis ter Ja nos Star-
        ker, der beim Chica go Sym pho ny Orches tra So lo cel list bei Fritz Rei ner war, hat be tont, Rei ner wä re nie mit ei-
        ner vor ge fass ten Mei nung an die Mu sik heran ge gan gen, son dern ha be sei nen Stil aus dem jewei li gen Stück
        gewon nen.

        Der 1888 in Un garn ge bo re ne Rei ner war von 1914 bis 1921 Hofopern ka pell meis ter in Dres den. Hier be gann
        auch die Freund schaft mit Richard Strauss, des sen Di ri gierstil auch der Rei ners war: sparsa me, aber prä zis -
        kla re Bewe gun gen mit lan gem Stab, kein Arm ge fuch tel, da für der fes seln de Blick kon takt mit den Orches ter-
        mu si kern. So wurde er, der kei nerlei Show biz bot, zum Di ri gen ten, den auch an de re Di ri gen ten aufs höchs te
        schätz ten.

        Ne ben dem „Hel den le ben“ gibt es noch ei nen groß ar tig ent fal te ten „Don Qui xo te“ von Strauss mit dem gran -
        dio sen Cel lis ten Gre gor Pia ti gorsky, der das Stück noch 1932 un ter Strauss’ Lei tung in Frank furt so denk wür-
        dig ge spielt hat te, dass der Kom po nist ihm in die No ten schrieb: „Zu un ser al ler Se gen wünsch te ich mir, dass
        die ses Stück, wo im mer es un ter ei nem gu ten Di ri gen ten auf ge führt wird, von Ih nen ge spielt werden könn te.“
        Die Pitts burg her Auf nah me von 1949 ent spricht die sem Wunsch des Kom po nis ten. Rei ner ach tet auf die in -
        stru men ta le Far big keit die ser bril lan ten Par ti tur in na he zu kam mer mu si ka li scher Auf lö sung. Nichts geht ver-
        lo ren, auch in den gro ßen For tis si mo-Stür men lärmt das Orches ter nie, son dern stets ist die viel fa che Schich -
        tung der Orches ter far ben durch hör bar. Und Pia ti gorsky ist der no bels te Rit ter von der trau ri gen Ge stalt.

        Bei spiel haft klar kon tu riert Rei ner das „Kon zert für Orches ter“ sei nes Leh rers und Freun des Béla Bartók, es
        war die ers te und gleich vor bild liche Ein spie lung die ses Meis ter werks, das der schon schwer an Leuk ämie er-
        krank te Bartók für das Bos ton Sym pho ny Orches tra kom po niert hat te. Rei ner hat te sich für den Auf trag an
        sei nen Freund ent schie den ein ge setzt.

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/797149/11                                                                         1/2
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        Nie gibt es Anwand lun gen von Auf weichung oder Ge füh lig keit, von Nach läs sig keit oder Ge fäl lig keit. Ob Wie -
        ner Wal zer von Jo hann Strauß oder un ga ri sche Tän ze von Jo han nes Brahms, ob ein Wal zer von Richard Ro gers
        oder ein sym pho ni sches Med ley aus Ge or ge Gershwins Oper „Por gy and Bess“. Rei ner nimmt je de Mu sik in ih -
        rer unver wech sel ba ren Ei gen art wahr und ge stal tet sie aus sich selbst heraus.

        All dies ist auf den 14 CDs der Box „Fritz Rei ner – The Com ple te Co lum bia Al bum Collec tion“ (So ny Mu sic) zu
        hö ren: die Be geg nung mit ei nem der gro ßen Di ri gen ten des 20. Jahr hun derts, bei dem die Mu sik noch im mer
        frisch, vir tuos und vi tal klingt. Ha rald Eg ge brecht

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/797149/11                                                                2/2
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        Attraktiv für Besucher aus Deutschland
        Hetty Berg und ihre Pläne für das Jüdische Museum

        Hetty Berg, die neue Direktorin des Jüdischen Museums Berlin, wünscht sich,
        dass mittelfristig mehr Berliner und Besucher aus Deutschland in ihr Haus
        kommen mögen. Bei einem Antrittsbesuch im Kulturausschuss des
        Abgeordnetenhauses sagte die Niederländerin, dass vor Beginn der Corona-
        Krise 75 Prozent der Gäste aus dem Ausland stammten. Die deutschen Gäste
        will sie mit kulturhistorischen Wechselausstellungen locken, 2021
        beispielsweise mit einem Projekt zum Philosophen Moses Mendelssohn, für
        das die Lotto- Stiftung Geld bewilligt hat. Wobei, wie sie betonte, jüdische
        Gesichte stets aus dem Blickwinkel der Gegenwart betrachtet werden soll.

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        Aktuell dürfen pro Tag 700 Personen das Museum besuchen, zuvor waren es
        durchschnittlich 1700.

        Ende November hofft Hetty Berg, endlich auch die bereits seit Längerem
        ferti gestellte Kinderwelt „Anoah“ in der ehemaligen Blumengroßmarkt-Halle
        gegenüber vom Jüdischen Museum eröffnen zu können. Sie ist für Kinder von
        drei bis zehn Jahren gedacht und als Arche Noah konzipiert, mit vielseitig
        nutzbaren Tier- Skulpturen aus recycelten Materialien.

        Politisch möchte sich Hetty Berg, die seit dem 1. April im Amt ist und zuvor in
        Amsterdam arbeitete, von niemandem politisch instrumentalisieren lassen.
        Ihr Haus stehe für eine Vielfalt der Perspektiven. „Unsere Besucher sollen sich
        selber eine Meinung bilden.“ Was die Unabhängigkeit kultureller
        Institutionen angehe, betonte sie, sei Deutschland in Europa vorbildlich.

        Wichtig ist ihr, das Themenspektrum der Michael Blumenthal Akademie über
        die Fokussierung auf das Verhältnis von Judentum und Islam hinaus zu
        erweitern. „Hier kann auch ein innerjüdischer Dialog stattfinden.“ Von
        Pflichtbesuchen für Schulklassen im Jüdischen Museum hält Hetty Berg
        nichts: „Ich hoffe, unser Angebot ist so attraktiv, dass sie freiwillig kommen.“
        Frederik Hanssen

        Foto: Sucksdorff/JMB/dpa Hetty Berg

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        Erste Hilfe nach Öl-Anschlag

        Wie wer den die Schä den an der Kunst be sei tigt?

        Noch im mer ist un klar, was ei nen oder meh re re Tä ter da zu brach te, am 3. Ok to ber in meh re ren Berli ner Mu-
        se en Kunst wer ke mit Öl zu be sprit zen. Auch wie es ihm ge lang, das un be merkt zu tun, fra gen sich vie le. Klar
        ist im mer hin, dass mit rund 70 zwar enorm vie le Wer ke be trof fen, dass die Schä den aber be heb bar sind. Wir
        frag ten zwei Ex per ten, wie sie da bei vor ge hen: Bar ba ra Helwing, die Di rek to rin des Vorderasia ti schen Mu se -
        ums, und Ste fan Si mon, den Di rek tor des Ra th gen-Forschungs la bors, des La bors der Berli ner Staat lichen Mu-
        se en.

        SZ: Wie weit sind Sie mit der Be sei ti gung der Schä den?

        Bar ba ra Helwing: Wir ha ben noch am sel ben Abend, nur et wa ei ne Stun de nach den Vor fäl len, mit Ers te-Hil fe-
        Maß nah men be gon nen. Da wischt man ab, was noch feucht ist, und versucht zu ver hin dern, dass das Öl ein -
        dringt. Bei vie len Ob jek ten, zum Bei spiel bei la ckier ten Bil der rah men oder Stücken aus Bron ze, ist nichts
        mehr zu se hen.

        Schwie ri ger ist es sicher bei Stein.

        Helwing: Da kommt es auf die Art des Steins an. Ist es ein dich ter Stein wie Mar mor, oder ist es Ba salt, ist es
        Kalk stein oder Sand stein? Die ha ben un terschied liche Po ro si tä ten, da dringt die Flüs sig keit un terschied lich
        tief ein. In so fern muss man für je de Art von Stein ei ne ei ge ne Be hand lung wäh len. Man versucht es an ei ner
        klei nen Stel le, funk tio niert es, macht man es an ähn lichen Ob jek ten auch so. Es ist nicht sehr kom pli ziert,
        aber es braucht sei ne Zeit.

        Als Laie geht man davon aus, dass in sol chen Fäl len nichts mehr zu ma chen ist. Wie lässt sich Öl aus Stein ent -
        fer nen?

        Helwing: Man legt ei ne mit Lö sungs mit tel ge tränk te Kom pres se, die aus Zell stoff oder Lehm be ste hen kann,
        auf den Stein. Das Lö sungs mit tel zieht nach und nach das Öl heraus. Das muss man dann be lie bi ge Ma le wie -
        der ho len. Das ist ein Pro zess, der Mo na te dauern kann.

        Was ist das Mit tel der Wahl?

        Ste fan Si mon: Ace ton ist ein gu tes Lö sungs mit tel für Öl. Aber weil es sehr flüch tig ist, ist es nicht sehr wirk-
        sam auf ka pil lar ak tiven Un ter grün den wie Sand stein. Da wä re ein lang sa mer verduns ten des Lö sungs mit tel
        wie Ethylace tat oder Me thyle thyl ke ton bes ser.

        Was heißt ka pil lar ak tiv?

        Si mon: Das sind Ma te ria lien, die von nicht zu klei nen und nicht zu gro ßen Po ren durch zo gen sind. Das Lö -
        sungs mit tel will die se Ober flä chen be net zen und ver brei tet sich durch die ka pil la re Ak tivi tät im In ne ren des
        Steins. Die Kom pres se ist ge tränkt mit dem Lö sungs mit tel, es dringt lang sam in den Stein ein, und wenn die
        Kom pres se dann all mäh lich trock net, zieht sie das Lö sungs mit tel samt dem Öl wie der heraus.

        War um ma chen Flüs sig kei ten, selbst wenn sie farb los sind, Ober flä chen dunk ler?

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/797149/11                                                                      1/2
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        Si mon: Das hängt mit dem Bre chungs in dex zu sam men. Wenn die Ober flä che in ein Bin de mit tel mit ei nem hö -
        he ren Bre chungs in dex als die Luft ein ge bet tet ist, dann gibt es das, was wir Farbver tie fung nen nen, das heißt,
        dunk ler Stein wirkt dann dunk ler.

        Kann das Öl au ßer den Fle cken wei te re Schä den ver ursa chen? Kommt es zu che mi schen Re ak tio nen?

        Si mon: Nein, es han delt sich vor al lem um ein äs the ti sches Pro blem.

        Helwing: Und es baut sich ir gendwann von sel ber wie der ab.

        Das heißt, wenn Sie nichts tun würden, würden die Fle cken von selbst verschwin den?

        Helwing: Ja, Sie ken nen das ja: Öl wird ran zig, da bre chen Mo le kül ket ten, und das Öl geht in ei nen an de ren
        Zu stand über. Aber das kann 50 oder 100 Jah re dauern. So lan ge kön nen wir nicht war ten.

        In ter view: Jörg Häntzschel

https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/797149/11                                                                  2/2
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