Abschlussprüfung als Servicefunktion - Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld - Alexandria (UniSG)
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld Thomas Berndt Gliederung Seite 1. Einführung .................................................................................................................... 12 2. Corporate Governance im Allgemeinen ........................................................................ 14 2.1. Regulatorischer Rahmen .......................................................................................... 14 2.2. Wandel von der Shareholder- zur Stakeholderorientierung ....................................... 15 2.3. Ausgewählte Treiber der Entwicklung ...................................................................... 16 3. Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer im Besonderen ............... 17 3.1. Abschlussprüfung im Wandel .................................................................................. 17 3.1.1. Tradierte Sicht: Abschlussprüfung als Produkt ............................................... 17 3.1.2. Zeitgemäße Sicht: Abschlussprüfung als Service ............................................ 18 3.2. Ausgewählte Konsequenzen für die Zusammenarbeit ............................................... 19 3.2.1. Chancen ........................................................................................................ 19 3.2.2. Gefahren ....................................................................................................... 22 4. Zusammenfassung ........................................................................................................ 23 Literatur Abresch/Prenrecaj, Emerging Technologies in der Wirtschaftsprüfung, Expert Focus 2020, 904; Baumüller, Nichtfinanzielle Berichterstattung (2020); Bavly, Corporate Governance and Accountability, Westport 1999, 15; Berndt, Abschlussprüfung als Servicefunktion effektiver Corporate Governance, Reporting Times 2021, 14; Berndt, Im Blickpunkt: Zertifizierung von Compliance-Management-Systemen als neues Geschäftsfeld, Be- triebs-Berater 2012, VI; Berndt/Bilolo/Müller, International Integrated Reporting Framework: Leitfaden für eine moderne Unternehmensberichterstattung, Betriebs-Berater 2014, 363; Bertl, Die Auswahl des Jahresabschluss- prüfers durch den Aufsichtsrat, in Grünwald/Schummer/Zollner (Hrsg), Unternehmensrecht in Wissenschaft und Praxis, FS Jud (2012) 15; Bertl, Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer. Zum 10-jährigen Bestehen des Österreichischen Corporate Governance Kodex, in Schenz/Eberhartinger (Hrsg), Corporate Gover- nance in Österreich (2012) 375; Böcking, Abschlussprüfung als ein Element der Corporate Governance: Zum Dienstleistungsverhältnis von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, in Roth/Horbel/Popp (Hrsg), Perspektiven des Dienstleistungsmanagements (2020) 739; Böckli, Schweizer Aktienrecht4 (2009) 1935; Busekist/Uhlig, Auswirkungen des ISO-Standards 19600 auf die Prüfung von Compliance-Management-Systemen nach IDW PS 980, in Schulz, Compliance Management im Unternehmen2 (2021) 267; Coats/Hans/Harris, Prüfung von Compliance-Manage- ment-Systemen nach dem neuen PS 980, Expert Focus 2018, 977; Dauner-Lieb, Zur geplanten Reform des § 323 HGB durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG), ZIP 2021, 391; Deegan/Unermann, Financial Accoun- ting Theory2 (2011) 348; Demski/Swieringa, A Cooperative Formulation of the Audit Choice Problem, The Accoun- ting Review, 1974, 506; Diederichs/Kißler, Aufsichtsratreporting (2008); Diehm/Benzinger, Digital Finance: Digitale Rechnungsverarbeitung und Workflows als Basis für ein Rechnungswesen 4.0, Der Betrieb 2018, 841; Eccles/Krzus, One report. Integrated Reporting for a Sustainable Strategy (2010); Eulerich/Grüne, Digitale Transformation von Corporate-Governance-Systemen (2021) 20; Europäische Kommission, Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums, COM(2018) 97; Europäische Kommission, EU-Taxonomie, Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unter- nehmen, Nachhaltigkeitspräferenzen und treuhänderische Pflichten: Finanzielle Mittel in Richtung des europäi- schen Grünen Deals lenken, COM(2021) 188; Ewert/Wagenhofer, Externe Unternehmensrechnung (2003) 425; Fi- nancial Reporting Council (Hrsg), Virtual and Augmented Reality in corporate reporting (2021); Fissenwert, Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis 11 Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1Feinumbruch_07
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld Berndt Praxishandbuch internationale Compliance-Management-Systeme (2015); Freidank/Müller/Velte (Hrsg), Handbuch Integrated Reporting (2015); Frotz/Schörghofer, Aufgaben des Aufsichtsrats, in Kalss/Kunz (Hrsg), Handbuch für den Aufsichtsrat2 (2016); Gelter/Reiter, Die Unabhängigkeit des Jahresabschlussprüfers, in Bertl/Hirschler/Aschauer (Hrsg), Handbuch Wirtschaftsprüfung (2019) 107; Görtz, Prüfung von Compliance-Management-Systemen – An- wendung und Erfahrungen mit IDW PS 980, Betriebs-Berater 2012, 178; Günther/Bassen/Haller, Konzepte, Aspekte und Herausforderungen des Integrated Reporting, in Günther/Bassen (Hrsg), Integrated Reporting – Grundlagen, Implementierung, Praxisbeispiele (2016) 1; Guthrie/Petty/Ricceri, The voluntary reporting of intellectual capital, Journal of Intellectual Capital 2005, 254; Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 1 Einführung, in Hauschka/Moosmayer/Lös- ler (Hrsg), Corporate Compliance. Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen3 (2016); Hennrichs, Finanz- marktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) – die „richtigen Antworten auf Wirecard“? Der Betrieb 2021, 268; Hopt/ Wymeersch (Hrsg), Comparative Corporate Governance (1997); IASB, Conceptual Framework for Financial Repor- ting, ED/2015/3; ICAEW, Data analytics for external auditors (2016); Knechel/Thomas/Driskill, Understanding finan- cial auditing from a service perspective, AOS 2020, 1; Kompenhans/Wermelt, „Big Data“ – Potenziale für innovative Abschlussprüfungen, Betriebs-Berater 2018, 299; Kreher/Eichner, Digitalisierung im Rechnungswesen, WPg 2021, 694; Lanfermann, EU-Aktionsplan zu Sustainable Finance: Wie weit ist der europäische Gesetzgeber mit der Um- setzung? Betriebs-Berater 2019, 2219; Lanfermann, Künftige Ausrichtung der EU-Unternehmensberichterstattung: Gesetzgebungspaket zu Sustainable Finance und „Fitness Check“, Betriebs-Berater 2018, 1643; Lanfermann, Sustai- nable Finance als neues Leitmotiv der Unternehmensberichterstattung, Betriebs-Berater 2018, 490; Lanfermann, Unzulässige Mitwirkung des Abschlussprüfers bei der Erstellung des Abschlusses, in Matschke/Schildbach (Hrsg), Unternehmensberatung und Wirtschaftsprüfung (1998) 425; Lenz, Haftung und Strafbarkeit des Abschlussprüfers im FISG-RegE, Betriebs-Berater 2021, 683; Leyens, Comply or Explain im Europäischen Privatrecht – Erfahrungen im Europäischen Gesellschaftsrecht und Entwicklungschancen des Regelungsansatzes, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 2016, 388; Makowicz/Maciuca, Prüfung von Compliance-Management-Systemen im Lichte neuer ISO- Standards, WPg 2020, 73; Merkt, Die Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer nach der EU-Reform: Mut zur Erwartungslücke? ZHR 2015, 601; Moxter, Zur Abgrenzung von unzulässiger Mitwirkung und gebotener Einwirkung des Abschlussprüfers bei der Abschlusserstellung, Betriebs-Berater 1996, 683; Müller/Scheid/Baumüller, Kommissionsvorschlag zur Corporate Sustainability Reporting Directive: von der nichtfinanziellen Berichterstat- tung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, Betriebs-Berater 2021, 1323; Müller/Stawinoga/Velte, Nationale Umset- zung der Mitgliedstaatenwahlrechte der europäischen CSR-Richtlinie beim Ausweis und bei der Prüfung der „nichtfinanziellen Erklärung“, ZfU 2015, 313; Österreichischer Arbeitskreis für Corporate Governance, Österrei- chischer Corporate Governance Kodex (Jänner 2021); PwC, Digital Audits of Financial Statements (2017); Rausen- berger/Prenrecaj, Audit 4.0 – Digitale Wirtschaftsprüfung. Der Einsatz von innovativen Technologien verändert Ab- schlussprüfung und -prüfer, Expert Focus 2017, 779; Ruud/Bensultana, Three Lines of Defense Model: Quo Vadis? Expert Focus 2020, 263; Ruud/Kyburz, Gedanken zum Three Lines of Defense Modell – Was ist mit Verteidigung gemeint, Der Schweizer Treuhänder 2014, 761; Scheid/Needham, Die Rolle des Aufsichtsrats im Kontext der Nach- haltigkeit, ZCG 2020, 266; Schmalhardt, Public Corporate Governance in Österreich, in Ruter/Sahr/Graf Waldersee (Hrsg), Public Corporate Governance. Ein Kodex für öffentliche Unternehmen (2005), 273; Schmiedt/Haller, Digital ist besser (?) – zum aktuellen Stand aus der Praxis der Abschlussprüfung, Der Betrieb 2020, 2585; Simunic, The Pricing of Audit Services: Theory and Evidence, Journal of Accounting Research 1980, 161; O. Thomas/Bruckner/ Leimkühler/Remark/K. Thomas, Konzeption, Implementierung und Einführung von KI-Systemen in der Wirt- schaftsprüfung, WPg 2021, 551; Veidt/Uhlmann, Geplante Haftungsverschärfungen für Abschlussprüfer nach FISG-RefE – ein Konzentrationstreiber im Prüfermarkt, Betriebs-Berater 2020, 2608; Velte, Regulierung von Corporate-Governance-Systemen durch das geplante FISG, WPg 2021, 387; Velte/Drews, Herausforderungen in der Wirtschaftsprüfung durch den Einsatz von Big-Data-Technologien, Der Betrieb 2018, 2581. 1. Einführung Einen Beitrag zu Ehren von Romuald Bertl zu verfassen ist ein zugleich leichtes wie schweres Unterfangen: Leicht, weil Romuald Bertl sich in Forschung und Praxis über viele, viele Jahre mit einer enormen Fülle an Themen beschäftigt hat und sich entsprechend viele Anknüp- fungspunkte ergeben. Schwer, weil er dies mit einer bewundernswerten Tiefe, Präzision und Gedankenschärfe getan hat, so dass es doch immer auch ein bisschen Mut verlangt, bereits von ihm behandelte Themen nochmals aufzugreifen. Wenn der Verfasser dieser Zeilen dies 12 Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1 Feinumbruch_07
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Berndt Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld nun dennoch versucht, so tut er es in der Hoffnung, den zu Ehrenden damit zu erfreuen und zu motivieren, auch weiterhin seine für Forschung und Praxis gleichermaßen gewichtige Stim- me zu erheben. Die Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer – und damit eines der Kernthemen „guter“ Corporate Governance – ist Romuald Bertl seit langem ein wichtiges Anliegen.1 Als „fourth line of defense“ kommt dem unabhängigen Abschlussprüfer eine überragende Unterstützungsfunktion für den Aufsichtsrat im Rahmen von dessen Ver- pflichtung zur Überwachung der Geschäftsführung zu.2 Damit aber hängt die Qualität der Überwachung durch den Aufsichtsrat auch von der Qualität der Abschlussprüfung ab. Umfang- reiche berufsrechtliche Regelungen, wie etwa die International Standards on Auditing, setzen hier an und regeln den gesamten Prüfungsprozess von der Auftragsannahme über die Prü- fungshandlungen bis zum Prüfungsbericht. Der Gesetzgeber sieht den Ansatzpunkt zur Steige- rung der Prüfungsqualität hingegen häufig in einer zunehmenden und detaillierteren Regulie- rung der Aufsicht über den gesamten Berufsstand und der Verschärfung des Haftungsrechts.3 Und Corporate Governance-Kodizes setzen unter anderem auf die Einrichtung von Prüfungs- ausschüssen und Prozessen zur Auswahl des Abschlussprüfers.4 Man wird kaum ernsthaft be- streiten wollen, dass vieles in dem komplexen Geflecht von Institutionen und Organen, soft und hard law, Prüfungspraxis und Aufsichtsratstätigkeit in den vergangenen Jahren dazu bei- getragen hat, die Qualität der Überwachung und Abschlussprüfung zu verbessern und den Blick auf die jeweiligen Verantwortlichkeiten zu schärfen. In der Praxis ist das Zusammenspiel von Aufsichtsrat und Abschlussprüfung5 – jenseits der gesetzlichen, zwingend einzuhaltenden Vorgaben – allerdings häufig noch von einem beiderseitigen Verständnis darüber geprägt, in der Abgabe eines (umfassenden) Prüfungsberichts und der Erteilung eines Bestätigungsver- merks das „Hauptprodukt“ der Abschlussprüfung anzusehen. Abschlussprüfung erscheint vor diesem Hintergrund als quasi-homogenes Gut, dessen Qualität mehr oder minder alleine durch die Effektivität und Effizienz des Prüfers bestimmt wird. Vor dem Hintergrund aktueller Ent- wicklungen, wie der geforderten Nachhaltigkeitsberichterstattung, dem Bedeutungszuwachs der Compliance, den Herausforderungen der Digitalisierung sowie einer generell steigenden Transparenz in der Unternehmenskommunikation, mag man aber kritisch hinterfragen, ob die- se zuvor skizzierte tradierte Sicht der Abschlussprüfung den Anforderungen moderner Unter- 1 Vgl etwa Bertl, Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer. Zum 10-jährigen Bestehen des Österreichischen Corporate Governance Kodex, in Schenz/Eberhartinger (Hrsg), Corporate Governance in Österreich (2012) 375; Bertl, Die Auswahl des Jahresabschlussprüfers durch den Aufsichtsrat, in FS Jud (2012) 15. 2 Allgemein zum risikoorientierten Lines of Defense-Modell vgl Ruud/Kyburz, Gedanken zum Three Lines of Defense Modell – Was ist mit Verteidigung gemeint, Der Schweizer Treuhänder 2014, 761 (insb 763), mit dem Hinweis auf die „fourth line“, sowie zur aktuellen Entwicklung Ruud/Bensultana, Three Lines of De- fense Model: Quo Vadis? Expert Focus 2020, 263. 3 Vgl dazu jüngst etwa das deutsche Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG), welches am 1. 7. 2021 in Kraft getreten ist. Vgl Lenz, Haftung und Strafbarkeit des Abschlussprüfers im FISG-RegE, Be- triebs-Berater 2021, 683; Hennrichs, Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) – die „richtigen Ant- worten auf Wirecard“? Der Betrieb 2021, 268; Dauner-Lieb, Zur geplanten Reform des § 323 HGB durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG), ZIP 2021, 391. 4 Vgl Österreichischer Corporate Governance Kodex, Fassung Jänner 2021, insbes L-Regel 40, L-Regel 78 ff. 5 Vgl dazu kritisch, betreffend die Tätigkeit von Prüfungsausschüssen, Merkt, Die Zusammenarbeit von Auf- sichtsrat und Abschlussprüfer nach der EU-Reform: Mut zur Erwartungslücke? ZHR 2015, 601. Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis 13 Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1Feinumbruch_07
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld Berndt nehmensüberwachung überhaupt noch gerecht werden kann. Nachfolgend soll daher ein Perspektivwechsel vorgenommen und die Abschlussprüfung statt produktbezogen vielmehr serviceorientiert verstanden und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Auf- sichtsratstätigkeit aufgezeigt werden.6 2. Corporate Governance im Allgemeinen 2.1. Regulatorischer Rahmen Corporate Governance7 bezeichnet zunächst denkbar allgemein den „Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung des Unternehmens“.8 Dieser Ordnungsrahmen wird zunächst um- schrieben durch eine Vielzahl zwingender Rechtsvorschriften, etwa zu den hier primär interes- sierenden Rechten und Pflichten des Aufsichtsrates. Dazu zählen im österreichischen Recht zum Beispiel nach § 270 UGB der Wahlvorschlag des Aufsichtsrates für den Abschlussprüfer zu Händen der Gesellschafter und dessen Beauftragung, die Überwachung von Vorstand und Geschäftsführung (§ 95 Abs 1 AktG) und die Mitwirkung an der Feststellung des Jahres- abschlusses, wie sie sich vor allem aus § 96 AktG ergibt. Generell gilt der Jahresabschluss als „die wesentliche Grundlage für die Überwachungsarbeit des Aufsichtsrates“.9 Neben die ohnehin zwingend zu beachtenden Rechtsvorschriften treten die sogenannten Comply-or-Explain- Regelungen, die gerade im Bereich der Corporate Governance als „fester Bestandteil der europäi- schen Regelsetzung zur Leitung und Überwachung börsennotierter Aktiengesellschaften“10 gelten. Dabei begründet das „Comply“ typischerweise eine aus der „Best Practice“ abgeleitete Sollensvor- schrift, das „Explain“ erlaubt hingegen auch, davon in dann jedoch zwingend zu begründenden Ausnahmefällen abweichen zu dürfen. Für den Aufsichtsrat finden sich solche C-Regeln im Österreichischen Corporate Governance-Kodex, zum Beispiel hinsichtlich der konkreten Auf- sichtsratstätigkeit, insbesondere hinsichtlich der Arbeit von Ausschüssen,11 und zur Zusammen- arbeit im Rahmen der Abschlussprüfung, die zugleich auch die Informationsflüsse von Vorstand und Aufsichtsrat betreffen.12 Schließlich können reine Empfehlungen, deren Einhaltung ebenso wenig offengelegt werden muss wie deren Nichteinhaltung, Elemente der Corporate Governance gestalten. Dazu zählen etwa spezifische Informationsempfehlungen, wie die Durchführung von Conference Calls oder das Einrichten von Online-Zugängen für Finanzinformationen.13 Der durch „hard law“ und „soft law“ gezogene Rahmen umspannt dementsprechend heute bereits ein engmaschiges Regelnetz, das die Gefahr birgt, Corporate Governance nicht mehr als Hilfs- 6 Vgl dazu grundlegend Knechel/Thomas/Driskill, Understanding financial auditing from a service perspecti- ve, AOS 2020, 1. 7 Vgl allgemein zur Herkunft des Begriffs und dem Wesen der Corporate Governance etwa Böckli, Schweizer Aktienrecht4 (2009) 1935; Hopt/Wymeersch (Hrsg), Comparative Corporate Governance (1997). 8 Österreichischer Arbeitskreis für Corporate Governance, Österreichischer Corporate Governance Kodex (Jän- ner 2021) Präambel 11. 9 Frotz/Schörghofer, Aufgaben des Aufsichtsrats, in Kalss/Kunz (Hrsg), Handbuch für den Aufsichtsrat2 (2016) Rz 46. 10 Leyens, Comply or Explain im Europäischen Privatrecht – Erfahrungen im Europäischen Gesellschaftsrecht und Entwicklungschancen des Regelungsansatzes, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 2016, 388 (389). 11 Vgl FN 8, insb die C-Regeln 34, 36, 37, 39. 12 Vgl FN 8, insb C-Regeln 77, 81a, 82a, 83. 13 Vgl FN 8, R-Regeln 75, 76. 14 Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1 Feinumbruch_07
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Berndt Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld mittel zur effizienten und effektiven Unternehmensführung und -überwachung zu sehen, son- dern als bloßen Selbstzweck,14 der sich von dem eigentlichen Ziel entfernt. 2.2. Wandel von der Shareholder- zur Stakeholderorientierung Ziel der Corporate Governance ist eine verantwortliche, nachhaltige und langfristige Wert- schaffung im „Interesse aller, deren Wohlergehen mit dem Erfolg des Unternehmens verbunden ist“.15 Selbstverständlich muss ein gelebtes Corporate Governance-System nicht statisch, son- dern vielmehr dynamisch betrachtet werden. Es ist in der praktischen Anwendung vielfältigen Herausforderungen ausgesetzt und verlangt nach Anpassungen, wenn sich die Rahmenbedin- gungen des Unternehmens verändern. Leitung und Überwachung eines Unternehmens sind eben gerade kein Selbstzweck, sondern als Hilfsmittel immer im Kontext des Unternehmens und seines Geschäftsmodells zu sehen. Anders wäre die zuvor benannte Zielsetzung auch nicht mehr – oder nicht mehr angemessen – erreichbar, die sich ihrerseits im Zeitablauf von einer eher engen, kurzfristigen Shareholder-Orientierung zu einer breiteren, auch im langfris- tigen Interesse der Shareholder liegenden Stakeholder-Orientierung gewandelt hat.16 Bereits darin liegt für die Leitungs- und Überwachungsorgane jedoch eine große Herausforderung: Nach der Stakeholder-Theorie wird von der Unternehmensführung erwartet „to undertake acti- vities deemed important by their stakeholders and to report on those activities back to the stake- holders“.17 Freilich ist aber die „Stakeholder theory itself (…) a confusing term“.18 Anschaulich wird dies in der praktischen Problematik des Abwägens zwischen den verschiedensten, vielfach heterogenen Interessen der unzähligen Stakeholder-Gruppierungen. Man erkennt leicht, dass durchaus berechtigte (Partikular-)Interessen eines Stakeholders auch zulasten eines anderen Stakeholders – einschließlich der Shareholder – gehen können und insofern die Leitung und Überwachung eines Unternehmens schnell in einen Zielkonflikt geraten kann.19 Die Herausfor- derung beginnt schon dort, wo viele Stakeholdergruppen erst gar nicht im Aufsichtsrat vertre- ten sind, ihre Anliegen also im Rahmen der Überwachungsfunktion auch nicht vorbringen können und dennoch gleichwohl vom Aufsichtsrat erwartet wird, zwischen deren verschie- densten Interessen abzuwägen. Ein Lösungsansatz in diesem Dilemma kann darin gesehen werden, Corporate Governance mit der Rechenschaftsfunktion zu verknüpfen; denn „one is directly linked to the other“.20 Dem Aufsichtsrat obliegt es entsprechend nicht nur, die Über- wachung nach innen im Unternehmen sicherzustellen, sondern auch die – breit verstandene – Rechenschaft über das Unternehmensgeschehen nach außen. In dieser Aufgabe kommt dem- entsprechend dem Abschlussprüfer eine überragende Bedeutung zu, ist doch der publizierte Jahresabschluss bzw Konzernabschluss ein Rechenschaftsinstrument par excellence. 14 Vgl Böckli, Schweizer Aktienrecht4 2021 Rz 363. 15 FN 8, Präambel 11. 16 Vgl statt vieler zur Shareholder-/Stakeholder-Problematik in Zusammenhang mit Corporate Governance Diederichs/Kißler, Aufsichtsratreporting (2008) 7–22. 17 Guthrie/Petty/Ricceri, The voluntary reporting of intellectual capital, Journal of Intellectual Capital 2005, 254 (257). 18 Deegan/Unermann, Financial Accounting Theory2 (2011) 348. 19 Vgl Schmalhardt, Public Corporate Governance in Österreich, in Ruter/Sahr/Graf Waldersee (Hrsg), Public Corporate Governance. Ein Kodex für öffentliche Unternehmen (2005) 273 (275). 20 Bavly, Corporate Governance and Accountability (1999) 15. Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis 15 Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1Feinumbruch_07
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld Berndt In der Vergangenheit hat man freilich diesem potenziellen Zielkonflikt in vielen Fällen we- nig Sorge getragen oder ihn dadurch überlagert, dass faktisch eine Primärorientierung am infor- mationellen und institutionellen Investorenschutz stattgefunden hat. Es gab insofern hinsichtlich des Abwägens der verschiedensten Interessen eine klare Priorisierung. So geht beispielsweise die internationale Rechnungslegung nach den IFRS auch in ihrem überarbeiteten Rahmenkonzept (derzeit) weiterhin davon aus, dass die Finanzberichterstattung sich primär an die Investoren zu richten habe und dass etwa eine Nachhaltigkeitsberichterstattung kein Bestandteil eines IFRS- Abschlusses sei.21 Eine solche auf praktisch rein finanzielle Aspekte gerichtete Sicht erscheint vor dem Hintergrund sich rasch verändernder Rahmenbedingungen für die Unternehmen und einer (ernstgenommenen) Stakeholderorientierung zu eng, mindestens problematisch. Das Go- vernance-System, in dem auch dem Abschlussprüfer eine wichtige Funktion zukommt,22 wird vielmehr auch nichtfinanzielle Aspekte berücksichtigen müssen, der Aufsichtsrat insofern nicht „nur“ finanzielle Expertise im Lesen (und Verstehen) von Jahresabschlüssen oder Due Diligence- Berichten nachzuweisen haben. 2.3. Ausgewählte Treiber der Entwicklung Aus der Vielzahl der Treiber einer solchen Entwicklung seien mit der Digitalisierung, der Com- pliance sowie der Nachhaltigkeitsentwicklung nur drei herausgegriffen. Allen diesen Themen ist gemein, dass sie mehr als nur auf einzelne Prozesse oder Tätigkeiten des Unternehmens einwirken, sondern vielmehr geeignet sind, das gesamte Geschäftsmodell zu verändern und insofern auch die Art und Weise, wie eine verantwortliche, nachhaltige und langfristige Wert- schaffung gelingen kann. Diese Veränderung zieht nach sich, auch die überkommenen Leitungs- und Überwachungsaktivitäten zu hinterfragen. Besonders deutlich wird dies hinsichtlich der Di- gitalisierung, wo Aufsichtsrat und Vorstand angehalten sind, „selbst Digitalisierungsinitiativen zur Digitalen Transformation der Corporate Governance-Funktion anzustossen, um hierdurch eine bes- sere und leistungsfähigere Führung und Überwachung des Unternehmens gewährleisten zu können.“23 Zu den Überwachungspflichten des Aufsichtsrates gehört auch die Prüfung, ob und inwiefern der Vorstand angemessene und effektive Maßnahmen im Rahmen der Compliance getroffen hat. Für die regulierte Branche des Finanzdienstleistungssektors ist Compliance bereits als „Schlüssel- funktion“24 bezeichnet worden. In jedem Fall ist Compliance aber auch in den breiteren Kontext des unternehmensweiten Risikomanagementsystems einzuordnen und insofern ein Teilaspekt des Zusammenwirkens von Vorstand und Aufsichtsrat25 sowie von Aufsichtsrat und Abschluss- 21 Vgl IASB, Conceptual Framework Rz 1.10: „Other parties, such as regulators and members of the public ot- her than investors, lenders and other creditors, may also find general purpose financial reports useful. Howe- ver, those reports are not primarily directed to these other groups.“ 22 So ausdrücklich statt vieler Böcking, Abschlussprüfung als ein Element der Corporate Governance: Zum Dienstleistungsverhältnis von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer, in Roth/Horbel/Popp (Hrsg), Perspektiven des Dienstleistungsmanagements (2020) 739. 23 Eulerich/Grüne, Digitale Transformation von Corporate-Governance-Systemen (2021) 20. 24 Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 1 Einführung, in Hauschka/Moosmayer/Lösler (Hrsg), Corporate Compliance. Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen3 (2016) § 1 Rz 61. 25 Vgl FN 4, L-Regel 9. 16 Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1 Feinumbruch_07
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Berndt Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld prüfer.26, 27 Ebenso wie die Digitalisierung verändert auch die Nachhaltigkeitsentwicklung die Geschäftsmodelle der Unternehmen, ist dabei aber zunehmend durch gesetzliche Vorhaben und Vorgaben bestimmt, wie sie insbesondere aus der Sustainable Finance-Strategie der Europäi- schen Union heraus resultieren.28 Nur vordergründig handelt es sich dabei um ein reines Finan- zierungsthema für Kapitalmarktteilnehmer. Tatsächlich wirken die im Aktionsplan benannten Maßnahmen wie Taxonomien, Klassifizierungen, Transparenzpflichten, Aufsichtsvorschriften etc auf die gesamte Unternehmensstrategie und das Risikomanagement der Unternehmen29 und, wie der jüngste Richtlinienvorschlag für eine „Corporate Sustainability Reporting Directive“ zeigt,30 auch über die klassischen kapitalmarktorientierten Unternehmen bzw die sogenannten Public In- terest Entities (PIE) hinaus.31 3. Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer im Besonderen Umstritten kann sein, welche Rolle der Abschlussprüfer angesichts dieser skizzierten Entwick- lungen im Corporate Governance-System zukünftig einnehmen kann, ob er seine Rolle in die- sem System unverändert wahrnimmt oder ob er angesichts der zunehmenden Komplexität den Aufsichtsrat in einem erweiterten Sinne bei dessen Überwachungsfunktion unterstützen kann. Zwei Sichtweisen bieten sich dabei an: eine, die die Abschlussprüfung als „Produkt“ versteht, eine, die ihren Servicecharakter hervorhebt. 3.1. Abschlussprüfung im Wandel 3.1.1. Tradierte Sicht: Abschlussprüfung als Produkt In einer überkommenen, eher tradierten Sicht, kann Abschlussprüfung als ein ökonomisches Gut verstanden werden: „(T)he audit service is viewed as an economic good to the auditee, which 26 Vgl FN 4, L-Regeln 40, 69 und C-Regel 83. 27 Vgl auch Hauschka/Moosmayer/Lösler, § 1 Einführung, in Hauschka/Moosmayer/Lösler (Hrsg), Corporate Compliance3 § 1 Rz 85: „Die Entwicklung der Compliance verläuft dabei eindeutig hin zu einer Veranke- rung in die ‚good corporate governance‘ von Unternehmen.“ 28 Vgl Europäische Kommission, Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums, COM(2018) 97. Vgl auch Lanfermann, Sustainable Finance als neues Leitmotiv der Unternehmensberichterstattung, Betriebs-Berater 2018, 490; Lanfermann, Künftige Ausrichtung der EU-Unternehmensberichterstattung: Gesetzgebungspaket zu Sustainable Finance und „Fitness Check“, Betriebs-Berater 2018, 1643; Lanfermann, EU-Aktionsplan zu Sustainable Finance: Wie weit ist der europäische Gesetzgeber mit der Umsetzung? Betriebs-Berater 2019, 2219. 29 Vgl dazu Scheid/Needham, Die Rolle des Aufsichtsrats im Kontext der Nachhaltigkeit, ZCG 2020, 266 (hier insb 267). 30 Vgl Europäische Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliamant and of the Council amending Directive 2013/34/EU, Directive 2004/109/EC, Directive 2006/43/EC and Regulation (EU) No 537/2014, as regards corporate sustainability reporting, COM(2021) 189. 31 Vgl Müller/Scheid/Baumüller, Kommissionsvorschlag zur Corporate Sustainability Reporting Directive: von der nichtfinanziellen Berichterstattung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, Betriebs-Berater 2021, 1323. Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis 17 Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1Feinumbruch_07
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld Berndt has substitutes and complements in consumption.“32 Das Unternehmen tritt insofern als Nachfra- ger, der Abschlussprüfer als Anbieter eines Produktes auf. In einer solchen Sichtweise hängt das Zusammenspiel von Aufsichtsrat – hier stellvertretend und vereinfachend für das verantwort- liche Unternehmensorgan – und Abschlussprüfer vor allem von individuellen Kosten-Nutzen- Überlegungen ab, in die auch die individuellen Risikoneigungen eingehen. In der ökonomischen Theorie wird damit die Abschlussprüfung vor allem (auch) als Prinzipal-Agenten-Problem gese- hen. Das vorrangige Ziel der Zusammenarbeit liegt für beide Seiten primär in der individuellen Nutzenmaximierung unter Vermeidung zivil- und strafrechtlicher Konsequenzen, wie sie etwa von Eigen- und Fremdkapitalgebern oder Steuerbehörden geltend gemacht werden könnten, die aufgrund von fehlerhaften Abschlüssen Schäden erlitten haben.33 Entsprechend erscheint es auch sinnvoll, etwa die Prüfungsqualität durch strengere Haftungsregeln erhöhen zu wollen, ein Weg, den fast alle Regulatoren die letzten Jahre beschritten haben;34 denn strengere Haftungs- regeln erhöhen das Risiko für den Abschlussprüfer, was grundsätzlich zu einer Steigerung der Prüfungsleistung führen kann.35 Unterstellt man, dass sich Abschlussprüfer zur Vermeidung von Haftungen an gesetzliche, berufsrechtliche und vertragsrechtliche Vorgaben halten, dann ist die Prüfungsqualität letztlich ein homogenes Gut. Offensichtlich kann dann aber der Aufsichtsrat durch die Auswahl eines Abschlussprüfers kaum Einfluss auf die Prüfungsleistung nehmen; denn alle infrage kommenden Abschlussprüfer haben die gleiche Berufsausbildung, unterliegen den gleichen Aufsichtsbörden, befolgen die gleichen berufsrechtlichen Standards, unterliegen dem gleichen Haftungsregime etc. Dies unterstellt, werden primär die Kosten für das Mandat ein wesentlicher Treiber bei der Auswahl des Abschlussprüfers sein, weswegen die Abschlussprü- fer durch Prüfungseffizienz Kostenvorteile zu erlangen versuchen. Allerdings wird es einer Prü- fungsgesellschaft nur schwer gelingen, sich am Markt von anderen „Produktanbietern“ durch die angebotene Leistung zu differenzieren, womit, wenn die Eigenschaften des Produktes quasi identisch und daher austauschbar sind, nicht zuletzt der Marke und Reputation des Abschluss- prüfers eine besondere Bedeutung zukommen. 3.1.2. Zeitgemäße Sicht: Abschlussprüfung als Service So hilfreich eine produktbezogene Sichtweise der Abschlussprüfung sein kann, so offenbart sie doch auch gewisse Schwierigkeiten: Zum einen neigt sie dazu, die Abschlussprüfung mehr oder weniger als eine compliancebezogene „Pflichtübung“ zu verstehen. Entsprechend liegt der Nutzen etwa für die Anteilseigner des Unternehmens primär darin begründet, dass eine angemessene Prüfungsleistung Haftungsschäden vermeidet. Man könnte auch pointiert sagen, dass das Zustandekommen eines Bestätigungsvermerkes oder des umfassenden Prüfberichtes so lange von untergeordnetem Interesse für dessen Adressaten ist, so lange dieser – was ja ge- 32 Simunic, The Pricing of Audit Services: Theory and Evidence, Journal of Accounting Research 1980, 161 (162). Vgl grundlegend auch Demski/Swieringa, A Cooperative Formulation of the Audit Choice Problem, The Accounting Review 1974, 506. 33 Vgl Simunic, Journal of Accounting Research 1980, 161 (162): „That is, the benefits are in the nature of lia- bility avoidance.“ 34 Vgl etwa dazu das deutsche Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) vom 3. 6. 2021, dBGBl I 2021/30. Dazu bzw zum Referentenentwurf zB Velte, Regulierung von Corporate-Governance-Systemen durch das geplante FISG, WPg 2021, 387; Veidt/Uhlmann, Geplante Haftungsverschärfungen für Ab- schlussprüfer nach FISG-RefE – ein Konzentrationstreiber im Prüfermarkt, Betriebs-Berater 2020, 2608. 35 Vgl umfassend und differenzierter Ewert/Wagenhofer, Externe Unternehmensrechnung (2003) 425. 18 Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1 Feinumbruch_07
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Berndt Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld rade der Regelfall ist – keine Einschränkungen enthält. Ein unmittelbarer originärer Mehrwert für das Unternehmen wird dadurch aber noch nicht generiert. Zum anderen richtet sich der Informationsaustausch zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer vor allem auf Aspekte der gesetzlichen Ordnungsmäßigkeitsprüfung und damit einhergehende Prüfungsfeststellungen, weniger auf das gesamte Geschäftsmodell eines Unternehmens. Gesetzliche Abschlussprü- fung als homogenes Gut verstanden fokussiert eben immer noch primär auf finanzielle As- pekte der Berichterstattung; sie ist weder eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, noch eine Ge- schäftsführungsprüfung oder forensische Prüfung. Und schließlich vernachlässigt eine solche Sichtweise weitestgehend die für die Prüfungsdurchführung zwingend notwendige, komplexe praktische Zusammenarbeit zwischen Abschlussprüfer und Unternehmen; denn ohne die Mitwir- kung des Unternehmens ist eine Prüfung schlicht nicht durchführbar. Es ist dieser letzte Aspekt, der Knechel/Thomas/Driskill zu dem zentralen Gedanken bringt, die Abschlussprüfung statt pro- duktbezogen vielmehr servicebezogen zu betrachten. Das Wesensmerkmal einer servicebezoge- nen Leistung lässt sich dabei wie folgt beschreiben: „A service relationship is epitomized by close interaction between the producer of the service and the recipient of the service. This interaction is a critical and explicit element of any service relationship because the service provider cannot provide maximum value to the client without input, assistance, and guidance from the client.“36 Ein solcher Perspektivwechsel ermöglicht es, zahlreiche Einsichten für eine zeitgemäße Corporate Gover- nance hervorzuheben: Zum einen richtet sich der Blick verstärkt auf die Tatsache, dass das Ziel einer tatsächlich auch wertschaffenden Abschlussprüfung nur durch umfangreiche, intensive In- teraktion und Kooperation von Unternehmen und Abschlussprüfer erreicht werden kann, indem beide Seiten ihre jeweils spezifischen Ressourcen und Fähigkeiten nutzen und einbringen. Zum anderen wird ersichtlich, dass eine Regulierung, die die Prüfungsqualität allein durch einseitige Vorschriften nur für den Berufsstand meint erhöhen zu können, vor diesem Hintergrund mit ih- rem Ziel häufig scheitern muss. Darüber hinaus wird deutlich, dass Abschlussprüfung eben gera- de kein homogenes Gut ist, welches der Aufsichtsrat zum Beispiel in Form des Prüfungsberichts einfach passiv in Empfang nimmt. Die Prüfungsqualität hängt vielmehr von der aktiven Mitwir- kung des Aufsichtsrates bzw der maßgeblichen Unternehmensvertreter ab. Damit wird auch ein Punkt berührt, den schon Romuald Bertl angesprochen hat: die „wechselseitige Kommunikation zwischen Abschlussprüfer und Aufsichtsrat“.37 Auch kann man sich fragen, ob bei einer intensiven gemeinsamen Zusammenarbeit diese bei einer Ordnungsmäßigkeitsprüfung des Finanzbereiches enden muss, oder ob es nicht vielmehr sinnvoller ist, auf Basis der ohnehin notwendigen Zu- sammenarbeit diese zum beiderseitigen Vorteil wertgenerierend auszubauen, thematisch etwa durch Prüfungen der Nachhaltigkeitsberichte oder wesentlicher compliancerelevanter Bereiche, aber auch durch Austausch von Best Practice-Erfahrungen zum Beispiel im IT-Bereich oder der finanziellen Führung von Unternehmen. 3.2. Ausgewählte Konsequenzen für die Zusammenarbeit 3.2.1. Chancen Ein serviceorientiertes Verständnis der Abschlussprüfung bietet eine gute Chance, wertstei- gernde Lösungen für die oben skizzierten aktuellen Herausforderungen eines sich wandelnden 36 Knechel/Thomas/Driskill, AOS 2020, 1 (2). 37 Bertl in Schenz/Eberhartinger, Corporate Governance 383. Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis 19 Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1Feinumbruch_07
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld Berndt ökonomischen und regulatorischen Umfeldes zu finden. Dies soll anhand der drei Themen- bereiche Digitalisierung, Compliance und Nachhaltigkeit kurz erläutert werden. Es ist offen- kundig, dass der Berufsstand der Abschlussprüfer hohe Anstrengungen in der Digitalisierung unternimmt. Die „digitale Transformation von Prüfungsprozessen“ gilt als „ein wesentlicher Fak- tor für die Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften“.38 Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem die Steigerung der Prüfungseffizienz, aber auch die Verbesserung der Datenana- lyse. Freilich ist nicht unmittelbar erkennbar, worin der Mehrwert einer gesteigerten Prüfungs- effizienz etwa für den Aufsichtsrat liegen soll, welchen Mehrwert er durch ein vermehrt digitali- siert zustande gekommenes Produkt Abschlussprüfung generieren kann. Mittelbar könnte dieser Mehrwert sich etwa dadurch ergeben, dass der Abschlussprüfer durch automatisierte Analysen mehr Zeit für Diskussionen mit dem Aufsichtsrat erhält, also der „analoge“ Informationsaus- tausch gerade wieder an Bedeutung gewinnt. Die Chancen, durch die digitale Transformation der Abschlussprüfung einen Mehrwert auch für die Unternehmen zu generieren, werden in einer serviceorientierten Sichtweise deutlicher: Hier ist der Abschlussprüfer quasi natürlicher Begleiter der digitalen Transformation des Finanzbereichs des Unternehmens.39 Themen wie das Generie- ren von Echtzeitdaten, die datengetriebene Unterstützung von Entscheidungen, das Formulieren von Handlungsempfehlungen basierend auf künstlicher Intelligenz, das Durchführen von Simula- tions- und Prognoserechnungen, eine holistische Risikobeurteilung, das Aufbereiten nichtstruk- turierter und nichtfinanzieller Informationen, die Homogenisierung der Systemlandschaft, eine papierlose Buchhaltung, Prozessautomatisierungen, Standardisierung von Workflows, Virtual- Reality-Tools zur Visualisierung von Kennzahlen sind eben nicht nur für den Abschlussprüfer re- levant, sondern gleichermaßen für den Finanzbereich des Unternehmens.40 Diese serviceorien- tierte Zusammenarbeit ermöglicht es dem Finanzverantwortlichen, seine Rolle von einem bloßen „Zahlenaufbereiter“, der die Abschlusserstellung verantwortet, zu einem Co-CEO mit umfangrei- chem strategischem und operativem Verständnis zu wandeln.41 Er wird damit im Corporate Go- vernance-System weiter an Bedeutung gewinnen und dem Aufsichtsrat für seine Überwachungs- tätigkeiten neue Möglichkeiten eröffnen können. Eine Chance mehrwertgenerierender Zusammenarbeit zwischen Abschlussprüfer und Auf- sichtsrat bietet auch das Thema Compliance. Produktbezogen würde der Aufsichtsrat zum Bei- spiel eine Zertifizierung für wesentliche compliancerelevante Themengebiete oder Tätigkeits- bereiche des Unternehmens vorsehen können und gegebenenfalls auf eine haftungsbegrenzende 38 O. Thomas/Bruckner/Leimkühler/Remark/K. Thomas, Konzeption, Implementierung und Einführung von KI- Systemen in der Wirtschaftsprüfung, WPg 2021, 551 (beide Zitate). Vgl etwa auch Kompenhans/Wermelt, „Big Data“ – Potenziale für innovative Abschlussprüfungen, Betriebs-Berater 2018, 299; Schmiedt/Haller, Digital ist besser (?) – zum aktuellen Stand aus der Praxis der Abschlussprüfung, Der Betrieb 2020, 2585; Velte/Drews, Herausforderungen in der Wirtschaftsprüfung durch den Einsatz von Big-Data-Technologien, Der Betrieb 2018, 2581; Rausenberger/Prenrecaj, Audit 4.0 – Digitale Wirtschaftsprüfung. Der Einsatz von innovativen Technologien verändert Abschlussprüfung und -prüfer, Expert Focus 2017, 779; ICAEW, Data analytics for external auditors (2016). 39 Vgl dazu etwa PwC, Digital Audits of Financial Statements (2017). 40 Vgl Abresch/Prenrecaja, Emerging Technologies in der Wirtschaftsprüfung, Expert Focus 2020, 904; Kreher/ Eichner, Digitalisierung im Rechnungswesen, WPg 2021, 694; Diehm/Benzinger, Digital Finance: Digitale Rechnungsverarbeitung und Workflows als Basis für ein Rechnungswesen 4.0, Der Betrieb 2018, 841; Finan- cial Reporting Council, Virtual and Augmented Reality in corporate reporting (2021). 41 Vgl Berndt, Abschlussprüfung als Servicefunktion effektiver Corporate Governance, Reporting Times 2021, 14 (15). 20 Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1 Feinumbruch_07
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Berndt Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld Wirkung eines Compliance-Zertifikates hoffen. Hilfestellung dafür bieten etwa der einschlägige Prüfungsstandard PS 980, der abgestuft Konzeptionsprüfungen, Angemessenheitsprüfungen und schließlich Wirksamkeitsprüfungen ermöglicht,42 ONR 192050 „Compliance Management Systeme (CMS) – Anforderungen und Anleitung zur Anwendung“, ISO 19600 bzw neu ISO 37301.43 Service- orientiert liegt die Chance einer Complianceprüfung hingegen vor allem auch darin, den diesbe- züglichen „tone from the top“ zu stärken und dem Aufsichtsrat vermehrte Transparenz über Stand und Entwicklung des eigenen Compliance-Management-Systems zu verschaffen.44 Da die Erfassung von Compliancerisiken elementarer Teil des Risikomanagementsystems sein muss und dessen Überwachung wiederum zur Aufgabe des Aufsichtsrats gehört, sollten solche Prüfun- gen im ureigenen Interesse des Aufsichtsrates sein, erhöhen sie doch die eigene Überwachungs- qualität. Schließlich bietet auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung Ansatzpunkte, durch die Zu- sammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer einen tatsächlich verantwortungsvollen und nachhaltigen Mehrwert zu generieren. Spätestens mit der sogenannten CSR-Richtlinie der Europäischen Union45 und der damit einhergehenden Verpflichtung zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung von einer möglicherweise zunächst eher aus Imagegründen veröffentlichten Publikation zu einem wichtigen Informati- onsinstrument sowohl für interne wie auch für externe Adressaten geworden. Die Offenlegung nichtfinanzieller Leistungsindikatoren und insbesondere das Identifizieren und Offenlegen we- sentlicher Risiken aus der eigenen Geschäftstätigkeit sowie aus Geschäftsbeziehungen, Produkten und Dienstleistungen berühren zentral die Aufgaben des Aufsichtsrates. Dies gilt umso mehr, wenn die nichtfinanzielle Erklärung, wie nach § 243b Abs 1 UGB grundsätzlich geboten, als Teil des Lageberichts gegeben wird bzw als gesonderter nichtfinanzieller Bericht nach § 243b Abs 6 UGB von den Mitgliedern des Aufsichtsrates zu prüfen ist.46 Wiederum gilt, dass man die nicht- finanzielle Erklärung produktbezogen als notwendige Pflichtübung einer weiteren Offenlegung verstehen kann, man insofern zwar die Verantwortung für das Erstellen der Erklärung übernimmt, jedoch keine Schlussfolgerungen für daraus ableitbare unternehmerische, wertgenerierende stra- tegische Aktivitäten ziehen möchte. Oder aber man sieht als Aufsichtsrat in einer Zusammen- arbeit mit dem Abschlussprüfer die Möglichkeit, ein umfassenderes, holistisches Verständnis we- 42 Vgl zum IDW PS 980 bzw praktisch gleichlautend dem Schweizerischen PS 980 zum Beispiel Berndt, Im Blickpunkt: Zertifizierung von Compliance-Management-Systemen als neues Geschäftsfeld, Betriebs-Be- rater 2012, VI; Görtz, Prüfung von Compliance-Management-Systemen – Anwendung und Erfahrungen mit IDW PS 980, Betriebs-Berater 2012, 178; Coats/Hans/Harris, Prüfung von Compliance-Management-Sys- temen nach dem neuen PS 980, Expert Focus 2018, 977; von Busekist/Uhlig, Auswirkungen des ISO-Standards 19600 auf die Prüfung von Compliance-Management-Systemen nach IDW PS 980, in Schulz, Compliance Ma- nagement im Unternehmen2 (2021), 267; Makowicz/Maciuca, Prüfung von Compliance-Management-Syste- men im Lichte neuer ISO-Standards, WPg 2020, 73. 43 Vgl Fissenwert, Praxishandbuch internationale Compliance-Management-Systeme (2015). 44 Vgl Coats/Hans/Harris, Expert Focus 2018, 980, FN 42. 45 Vgl EU-Richtlinie 2014/95 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinan- zieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen vom 22. Oktober 2014, ABl L 2014/330, 1. Aus dem Schrifttum vgl zum Beispiel Müller/Stawinoga/Velte, Nationale Umsetzung der Mitgliedstaatenwahlrechte der europäischen CSR-Richtlinie beim Ausweis und bei der Prüfung der „nichtfinanziellen Erklärung“, ZfU 2015, 313. 46 Ausführlich dazu Baumüller, Nichtfinanzielle Berichterstattung (2020). Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis 21 Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1Feinumbruch_07
Bitte beachten Sie die Geltung unserer AGB für Kundinnen und Kunden (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/agb/) sowie unsere Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lexisnexis.at/datenschutzbestimmungen/). Abschlussprüfung als Servicefunktion – Zur Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer in einem sich wandelnden Umfeld Berndt sentlicher nichtfinanzieller Aspekte des eigenen Geschäftsmodells zu erlangen,47 finanzielle mit nichtfinanziellen Informationen im Sinne eines integrierten Berichts miteinander zu verknüp- fen und daraus auch Konsequenzen für das eigene Geschäftsmodell abzuleiten. Die anstehen- de Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive wird diese Entwicklung noch befördern:48 Das darin enthaltene Prinzip der doppelten Wesentlichkeit, die inhaltliche Präzi- sierung der Berichtspflichten durch eigene europäische, von der EFRAG zu entwickelnde Stan- dards, die Prüfungspflicht der Nachhaltigkeitsberichte mit begrenzter Prüfungssicherheit sowie die verpflichtende digitale Berichterstattung mit digitalem Tagging gemäß den ESEF- Anforderungen zeigen zudem, wie verwoben die Themen Digitalisierung, Compliance und Nachhaltigkeit miteinander sind.49 3.2.2. Gefahren Die fundamentale Herausforderung, die eine servicebezogene Sichtweise mit sich bringt, liegt auf der Hand: Die Qualität und Wertgenerierung der Abschlussprüfung von der Interaktion und Kooperation mit dem zu prüfenden Unternehmen abhängig zu machen, läuft den regulati- ven Bestrebungen nach immer umfassenderer Unabhängigkeit des Abschlussprüfers zuwider.50 Die Grenzen, ab wann ein Unternehmen in kooperativer Weise und qualitätssteigernd mit- wirkt, oder aber schon auf den Abschlussprüfer und sein Prüfungsurteil in unzulässiger Weise einwirkt, drohen ebenso zu verschwimmen, wie die Grenzen aufseiten des Abschlussprüfers zwischen zulässiger Prüfung und weitestgehend unzulässiger Beratung. Transparenz bezüglich des gesamten Prüfungs- und Urteilsprozesses mag helfen, dieses Risiko zu begrenzen, um so auch nach außen dokumentieren zu können, dass keine unzulässige Selbstprüfung stattgefunden hat.51 Aufseiten der Unternehmen werden typischerweise noch weitere Herausforderungen er- kennbar: Zum einen hat der servicebezogene Ansatz zur Konsequenz, Prüfungsfehlurteile stets beiden, Unternehmen und Abschlussprüfer, in der Verantwortung zuzuweisen. Den Adressaten der fehlerhaft testierten Abschlüsse und Bestätigungsvermerke öffnet sich insofern für Verant- wortlichkeitsklagen ein vergleichsweise einfach zu durchschreitendes Einfallstor, das freilich be- reits heute in Zusammenhang mit tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen „Bilanzskan- dalen“ regelmäßig beschritten wird. Zum anderen setzen Interaktion und Kooperation voraus, dass beide Seiten überhaupt hinsichtlich ihrer jeweiligen technischen Infrastruktur dazu auch in der Lage sind. So ist es beispielsweise wenig sinnvoll, wenn der Aufsichtsrat bei der Beauftra- gung des Abschlussprüfers zwar den Einsatz neuester Technologien zur Datenanalyse vorschreibt, 47 Zur integrierten Berichterstattung vgl zum Beispiel Berndt/Bilolo/Müller, International Integrated Reporting Framework: Leitfaden für eine moderne Unternehmensberichterstattung, Betriebs-Berater 2014, 363; Gün- ther/Bassen/Haller, Konzepte, Aspekte und Herausforderungen des Integrated Reporting, in Günther/Bassen (Hrsg), Integrated Reporting – Grundlagen, Implementierung, Praxisbeispiele (2016) 1; Freidank/Müller/Velte (Hrsg), Handbuch Integrated Reporting (2015); sowie grundlegend Eccles/Krzus, One report. Integrated Re- porting for a Sustainable Strategy (2010). 48 Vgl FN 31. 49 Vgl auch Müller/Scheid/Baumüller, Betriebs-Berater 2021, 1323. 50 Ausführlich zur Unabhängigkeit des Jahresabschlussprüfers vgl etwa Gelter/Reiter, Die Unabhängigkeit des Jahresabschlussprüfers, in Bertl/Hirschler/Aschauer (Hrsg), Handbuch Wirtschaftsprüfung (2019) 107. 51 Vgl bereits Moxter, Zur Abgrenzung von unzulässiger Mitwirkung und gebotener Einwirkung des Ab- schlussprüfers bei der Abschlusserstellung, Betriebs-Berater 1996, 683; Lanfermann, Unzulässige Mitwir- kung des Abschlussprüfers bei der Erstellung des Abschlusses, in Matschke/Schildbach (Hrsg), Unterneh- mensberatung und Wirtschaftsprüfung (1998) 425. 22 Mittelbach-Hörmanseder/Schiebel (Hrsg), Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl, LexisNexis Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung – FS für Romuald Bertl_Auflage_1 Feinumbruch_07
Sie können auch lesen