PROGRAMMHEFT - Connection eV

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E R RUN
    SOLDI
RUN

       PROGRAMMHEFT
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Run Soldier Run
Vier Personen stehen für viele andere: Sie widersetzen          In Ländern wie Türkei, Ukraine, USA oder auch Eritrea
sich dem Gehorsam, dem Militär, dem Krieg. In zwei Mal          werden Militär und Wehrpflicht als etwas scheinbar Selbst-
45 Minuten Collage wech-                                                   verständliches hingenommen. Aber wir sehen
seln Talib Richard Vogl und                                                Brüche und Risse in diesem Bild. In aller Regel
Rudi Friedrich Texte von                                                   wird nicht gezeigt, dass Kriegsdienstverweige-
den Verweigerern und Ver-                                                  rung und Desertion jeden Tag geschieht. Wir
weigerinnen ab mit Szenen,                                                 müssen feststellen, dass das Menschenrecht
Gedichten und Liedern.                                                     auf Kriegsdienstverweigerung gerade in ei-
Die dargebotenen Ge-                                                       nem Krieg in aller Regel nicht anerkannt wird.
schichten zeigen, was es                                                   Wir wollen auch deutlich machen, wie mit ih-
bedeutet, Nein zu sagen.                                                   nen als Flüchtling umgegangen wird, wie we-
Wie wirken die Protagonisten in dem jeweils eigenen                        nig auch dabei ihre Entscheidung geachtet wird.
Land auf die Gesellschaft? Welche Konsequenzen hat ihre
Entscheidung für sie selbst, welche Bedeutung hat sie für              Eine Collage zu Krieg, Desertion,
eine Bewegung gegen den Krieg?                                             Verweigerung und Asyl
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Zur Herkunft der Texte
In der Szenischen Lesung präsentieren Talib Richard Vogl
und Rudi Friedrich Texte von vier Kriegsdienstverweige-
rern aus der Türkei, Ukraine, den USA und aus Eritrea.
Die Texte zu den USA sind dem Buch „Ich bin ein Deser-
teur“ von Joshua Key entnommen (Hoffmann & Campe,
2007), das inzwischen leider vergriffen ist. Die anderen
Texte wurden zusammengestellt aus Beiträgen und Inter-
views, die Connection e.V. in den Jahren 2008 bis 2021
mit Kriegsdienstverweigerern geführt hat. Die in der Sze-
nischen Lesung vorgestellten Personen sind fiktiv. Gleich-
wohl entsprechen die Texte den in den Interviews ge-
machten Aussagen.
Connection e.V. lässt regelmäßig im vier bis fünf Mal im         aus den unterschiedlichsten Ländern selbst zu Wort
Jahr erscheinenden Rundbrief „KDV im Krieg“ sowie                kommen. Eine Übersicht der Beiträge findet sich unter
Broschüren Kriegsdienstverweigerer und –verweigerinnen           https://de.connection-ev.org/kdvberichte.
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Eritrea
Eritrea, ein Land am Horn von Afrika, ist 1993 nach einem          reichen als Arbeitskräfte eingesetzt. Dieses Zwangs-
langen Krieg unabhängig geworden. Seitdem wird das                 arbeitssystem ist eines der wesentlichsten Gründe für die
Land durch die Eritreische Volksbefreiungsfront (EPLF)             Flucht von Tausenden in die angrenzenden Länder, wie
unter dem Präsidenten Isayas Afewerki regiert, die eine            auch in die USA und nach Europa. Hinzu kommt nun ein
Diktatur errichtet hat. Die 1997 verabschiedete Verfas-            Kriegseinsatz im Tigray, den viele ablehnen.
sung ist nie in Kraft getreten. Es gibt willkürliche Verhaf-
tungen und Tötungen, Folter, politische Verfolgung, grau-
same Haftbedingungen, gravierende Einschränkungen
der Meinungs-, Glaubens- und Religionsfreiheit.
Eritrea hat eine Wehrpflicht für Männer und Frauen, die
18 Monate dauern soll. Ein Recht auf Kriegsdienstverwei-
gerung besteht nicht. Nach einer Grundausbildung und
der Ableistung des Militärdienstes bleiben die Wehr-
pflichtigen weiter dem Militär unterstellt und werden un-
                                                                                                                  Bonn 2019
befristet über Jahre hinweg im Militär oder in zivilen Be-
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Türkei
In der Türkei hatten Anfang der 1990er Jahre die ersten              zu garantieren, wurde jedoch bislang nicht erfüllt. Inzwi-
öffentlich ihre Kriegsdienstverweigerung erklärt und sind            schen ist die Türkei das einzige Mitgliedsland des Europa-
gegen Krieg, Militär und Zwangsdienst aufgestanden.                  rates, in dem dieses Recht nicht anerkannt wird. Kriegs-
Ihre Forderung, ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung               dienstverweigerer sehen sich ständigen Haftbefehlen
                                                                     ausgesetzt, einer lebenslangen Verfolgung und Inhaftie-
                                                                     rung. Darüber hinaus befinden sie sich in einem Zustand
                                                                     des „Zivilen Todes“, mit dem sie aus dem sozialen, kultu-
                                                                     rellen und wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen sind.
                                                                     Zugleich hat die Türkei innerhalb der NATO die zweit-
                                                                     größte Armee mit mehr als 400.000 Soldat*innen. Sie
                                                                     führt Krieg an verschiedenen Fronten, insbesondere ge-
                                                                     gen kurdische bewaffnete Kräfte im eigenen Land, in Sy-
                                                                     rien und Nord-Irak. Die Türkei ist zudem an verschiedenen
                                                                     Konflikten massiv beteiligt, so beim Krieg Aserbaidschan-
                             Militarismus tötet, Istanbul 2014
                                                                     Armenien, dem Krieg im Tigray in Äthiopien oder in Libyen.
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Ukraine
Der Krieg um den östlich gelegenen Teil der Ukraine,          Plätzen und Busbahnhöfen wild rekrutiert. Auch im Don-
Donbass, begann 2014 und ist bis heute nicht beendet.         bass wurde von den dortigen bewaffneten Gruppen
Immer wieder gibt es trotz eines Waffenstillstandsab-         zwangsweise rekrutiert. Während der heißen Phase des
kommens Kämpfe an den Frontlinien.                            Krieges hatten sich Hunderttausende den Einberufungen
Die ukrainische Regierung hatte zum Krieg die Wehr-           entzogen, waren im Land untergetaucht oder in Nach-
pflicht wieder eingeführt und immer wieder auf Straßen,       barländer geflohen. Einige Tausend kamen auch nach
                                                              Deutschland, um hier Schutz zu suchen. Ihre Asylanträge
                                                              wurden zumeist abgelehnt.
                                                              Die Ukraine hat ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung,
                                                              das jedoch nur Angehörige bestimmter religiöser Ge-
                                                              meinschaften in Anspruch nehmen können. Nicht-religiö-
                                                              se Verweigerer oder Angehörige der großen Religionsge-
                                                              meinschaften haben somit keine Möglichkeit, den
                                                              Kriegsdienst zu verweigern. Das widerspricht internatio-
                                              Kiew 2019       nalen Regelungen.
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USA
2001, nach den Terroranschlägen auf das World Trade
Center und das Pentagon, begann die USA einen Krieg in
Afghanistan, der erst 2021 mit dem Abzug der alliierten
Truppen beendet wurde. 2003 griff die USA zudem den
Irak an, unter dem Vorwand, dass das Regime unter Sad-
dam Hussein Massenvernichtungswaffen habe. Viele US-
Soldat*innen entzogen sich daraufhin den Kriegseinsät-
zen. Zwischen 2003 und 2006 verließen mehr als 20.000
US-Soldat*innen unerlaubt die Armee. Zudem erklärten                                                 Los Angeles 2006
jedes Jahr etwa 100 ihre Kriegsdienstverweigerung. Für
die Folgejahre fehlen offizielle Zahlen.                      eine Chance anerkannt zu werden. Daher wird die Hälfte
Die USA gewährt Soldaten und Soldatinnen zwar ein             der Anträge abgelehnt. So erging es z.B. auch Agustín
Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Anträge werden je-        Aguayo, der in Deutschland stationiert war und aufgrund
doch vom Militär selbst überprüft und nur Verweigerer         seiner Kriegsdienstverweigerung mehrere Monate im US-
und Verweigerinnen, die jeden Krieg ablehnen, haben           Militärgefängnis in Mannheim inhaftiert wurde.
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Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung
Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung, das in Deutsch-          -verweigerinnen sehen sich allerdings immer wieder dem
land, wenn auch in eingeschränkter Form, Eingang in die          Vorwurf ausgesetzt, sich vor der gesellschaftlichen Ver-
Verfassung fand, ist ein wesentliches Rechtsgut, das zu-         antwortung zu drücken. Sie werden denunziert und auf-
mindest einzelne Personen vor dem Einsatz im Militär             grund ihrer Entscheidung diffamiert.
schützt. Seit Jahrzehnten wird durch verschiedene Orga-          Weiterhin wird in vielen Ländern die Entscheidung zur
nisationen dafür gestritten, dass dies auf internationaler       Kriegsdienstverweigerung strafrechtlich verfolgt. Oft wird
Ebene als Menschenrecht anerkannt wird.                          auch Soldaten und Soldatinnen dieses Recht verwehrt. In
Über die letzten Jahrzehnte wurde das Recht auf Kriegs-          all diesen Fällen droht bei einer Kriegsdienstverweige-
dienstverweigerung durch eine Reihe von Ländern aner-            rung Folter, Haft und Rekrutierung in den Krieg.
kannt, so in einigen lateinamerikanischen Ländern und            2011 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschen-
vor allem in Osteuropa. Kriegsdienstverweigerer und              rechte in einem Grundsatzurteil, dass die Kriegsdienst-
                                                                 verweigerung als Ausfluss des Artikels 9 der Europäi-
                                                                 schen Menschenrechtskonvention zu verstehen ist und
                                                                 daher ein Menschenrecht darstellt. Ähnliche Entschei-
                                                                 dungen gibt es auch auf Ebene der Vereinten Nationen.
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Szenische Lesung mit
                        Talib Richard Vogl                       Rudi Friedrich
                        studierte Gitarre an der Hochschu-       beschäftigt sich im Rahmen seiner
                        le für Musik in Frankfurt am Main        Arbeit bei Connection e.V. seit Jahr-
                        und belegte zahlreiche Meister-          zehnten mit Kriegsdienstverwei-
                        kurse und eine Ausbildung zur            gerung und Desertion weltweit.
                        Sprecherziehung und Stimmbil-            Er ist international für sein Wissen
                        dung. Neben konzertanter Kam-            und seine Erfahrung geschätzt.
mermusik bis hin zum Flamenco gilt sein Interesse insbe-         Immer wieder führte er auch mit
sondere interdisziplinären Projekten wie szenischen und          Lesungen und anderen künstleri-
konzeptionellen Lesungen.                                        schen Formen in die Thematik ein.
http://talibrichardvogl.de                                       www.Connection-eV.org

                                                             9
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Connection e.V.
Connection e.V. setzt sich seit 25 Jahren auf internationa-        meist nicht als Asylgrund anerkannt. Connection e.V. for-
ler Ebene für ein umfassendes Recht auf Kriegsdienstver-           dert Asyl für Kriegsdienstverweigerer aus Kriegsgebieten.
weigerung ein und arbeitet weltweit mit Gruppen zu-                Der Verein bietet Flüchtlingen Beratung und Information
sammen, die sich gegen Krieg, Militär und Wehrpflicht              an. Er setzt sich für die Selbstorganisation von Flüchtlin-
engagieren. Die Aktiven des Vereins machen dies in der             gen ein.
Überzeugung, dass Kriegsdienstverweigerung und De-
sertion ein wichtiges Mittel ist, sich gegen einen Krieg zu
stellen. Die Entscheidung, sich in einem Kriegsfall zu ver-
weigern, zu desertieren oder unterzutauchen, ist ein
Schritt zur Emanzipation, der bis hin zu der Idee reichen          Connection e.V.
kann, einen Krieg auf diese Weise zu beenden.                      Von-Behring-Str. 110
Männer wie Frauen, die sich dem Kriegsdienst entziehen,            63075 Offenbach/Main
sehen sich jedoch oft scharfen Repressionen ausgesetzt,            Tel.: 069 82 37 55 34
bis hin zur Todesstrafe. Verfolgung im Herkunftsland               eMail: office@Connection-eV.org
zwingt sie zur Flucht. Die Verweigerung wird jedoch zu-            www.Connection-eV.org
                                                              10
Quellen
Musik & Lyrik                                                 Bilder und Fotos
Gruppe Gutzeit: Marschmusik                                   Titel: Kunstobjekt von Gerhard Gerstberger,
Thomas Carr: The Star-Spangled Banner                         www.gerstberger.de
Trad.: Selam wo senai                                         Fotos: Jürgen Tauras, Thomas Aleschewsky, Plattform für
Şanışer u.a.: Susamam                                         Kriegsdienstverweigerung Istanbul, Ukrainische Pazifisti-
Tetzlaffs Tiraden: Made in Germany                            sche Bewegung, Jeff Paterson, Connection e.V.
Muzaffer Sarısözen: Canakkale
Milton Ager und Jack Yellen: Ain‘t she sweet
Yemane Barya: Zenem
Rudi Friedrich und Talib Richard Vogl: Run Soldier Run

                                                         11
„Friedrich und Vogl bringen es fertig, dass je-
     der Tagebuchauszug und jedes Gedicht oder
     Lied, das sie zusammen mit Trommelschlä-
     gen, Trompete, Gitarre und Gesang intonie-
     ren, unter die Haut geht – sei es durch die Art
     der Sprache, mal ihre Arglosigkeit oder ihre
     zynische Schärfe, mal durch die Sachlichkeit
     der Beschreibungen oder ihre Emotionalität.“

                                 Schwäbische Zeitung

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