Peak Oil ist nicht tot! - ASPO Schweiz

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Peak Oil ist nicht tot! - ASPO Schweiz
Peak Oil ist nicht tot!
Ein Bericht der Energy Watch Group entlarvt Mythen und Hyperbeln der
„Energie-Revolution“. Zusammengefasst und kommentiert von Adrian Hänni,
Vorstandsmitglied ASPO Schweiz.

Glaubt man der massenmedialen Berichterstattung der letzten Monate, so befinden
wir uns am Anfang eines globalen Ölrausches. In ihrem neuesten World Energy
Outlook (WEO), veröffentlicht im November 2012, prognostiziert die International
Energy Agency (IEA) ein steigendes globales Erdölangebot in den kommenden
Jahrzehnten. Die IEA versichert dabei explizit, dass in absehbarer Zukunft (bis 2035
und darüber hinaus) keine geologischen oder technischen Restriktionen ein
ständiges Anwachsen der Ölproduktion verhindern werden. Für besondere
Resonanz sorgt ausserdem die Prognose, dass die USA zwischen 2020 und 2025
durch die Erschliessung unkonventioneller Öl- und Gasvorkommen unabhängig von
Importen werden könne.

Spätestens seit der Veröffentlichung des WEO 2012 herrscht in den Medien ein
regelrechter Hype: Szenarien von für Jahrzehnte im Überfluss vorhandenem Erdöl
und Erdgas werden ebenso gezeichnet, wie eine Rückkehr zu den günstigen Preisen
fossiler Energie der 1990er Jahre herbeigeschrieben wird – obwohl selbst die IEA im
WEO 2012 kontinuierlich ansteigende Rohölpreise bis zum Jahr 2035 voraussagt.
Gemäss diesen Medienberichten haben sich die Grundlagen der Förderung fossiler
Energie in den letzten Jahren vollständig gewandelt, da nun, im Zuge der
„Energierevolution“, bislang unzugängliche unkonventionelle Öl- und Gasvorkommen
mittels Fracking gefördert werden könnten. „Peak Oil ist tot“, lautet der Slogan des
Tages.

Saudi-Arabien und Russland auf dem Peak?
Soweit der Mythos. Dass eine nüchterne Analyse der empirischen Daten diesen
(Zweck-)Optimismus nicht rechtfertigt und die Realität wohl etwas anders aussieht,
zeigt ein Bericht der Energy Watch Group (EWG), Fossil and Nuclear Fuels – the
Supply Outlook, welche in diesem Frühling veröffentlicht wurde. Bei der EWG handelt
es sich um ein internationales Netzwerk von renommierten Wissenschaftlern und
Parlamentariern. Für die Autoren ihrer Studie – zu ihnen gehört auch Dr. Werner
Zittel, Vorstandsmitglied der ASPO Deutschland und Referent an der ASPO
Jahrestagung am 14. September 2013 in Basel – ist klar: Die mittel- und langfristige
Prognose der Erdölförderung hat sich nicht verändert und es gibt keine neuen
Fakten, welche eine fundamentale Neuinterpretation rechtfertigen würden.

	
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Peak Oil ist nicht tot! - ASPO Schweiz
Der EWG-Bericht weist zunächst einmal auf einige unangenehme Fakten und
Widersprüchlichkeiten hin, welche im allgemeinen Goldgräbertrubel geflissentlich
übersehen werden. Trotz dem Hype um die Förderung von Shale Gas und Shale Oil
in den USA, und trotz dem Gerede um eine fundamentale geographische
Verschiebung der globalen Erdölproduktion vom Nahen Osten nach Nordamerika,
wäre das weltweite Erdölangebot 2012 zurückgegangen, wenn Saudi-Arabien seine
(nota bene konventionelle) Förderung nicht ausgeweitet hätte. Der EWG-Bericht stellt
jedoch fest, dass Saudi-Arabiens Ölproduktion signifikant zurückgehen wird, falls in
den nächsten Jahren keine bedeutenden neuen Felder entdeckt und erschlossen
werden. Es wird deshalb prognostiziert, dass Saudi-Arabien und die OPEC als
Ganzes bereits heute den Peak Oil erreicht haben und dass ihre Förderung in den
nächsten zwei Jahrzehnten um durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr zurückgehen
wird. Dies ist sicherlich eine der kontroverseren Aussagen des Berichts, der
allerdings auch darauf hinweist, dass selbst im WEO 2012 eingeräumt wird, dass mit
Russland ein weiteres wichtiges Förderland 2012 den Peak Oil erreicht hat.

Quelle: EWG-Bericht (englische Version), S. 37

Enttäuschende Hoffnungsträger
In den letzten Jahren ruhen die Hoffnungen auf eine Trendwende in der weltweiten
Erdölförderung hauptsächlich auf Tiefseeöl im Golf von Mexiko, Tar Sands in der
kanadischen Provinz Alberta, und Shale Oil in den USA. Der EWG-Bericht
argumentiert dagegen, dass die Zukunftsaussichten dieser drei Hoffnungsträger bei
weitem nicht so vielversprechend sind. Die Autoren prognostizieren einerseits, dass
sich die kanadische Ölproduktion bereits auf dem Peak befindet. Andererseits zeigen

	
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sie auf, dass die Ölförderung in den USA in den letzten vier Jahren (2008-2012)
entsprechend dem langfristigen Trend zurückgegangen ist, wenn man einmal von
der Schieferölförderung in Texas und North Dakota absieht. Selbst in der Offshore-
Region des Golfs von Mexiko kam es 2011 und 2012 zu einem starken
Förderrückgang.

Schliesslich wird betont, dass die Erwartung, die Förderung von Shale Oil könne
einen Anstieg der Ölproduktion in den USA für mindestens 10 bis 20 Jahre
ermöglichen, einer detaillierten Prüfung nicht standhalte. Die Autoren weisen dabei
zu Recht darauf hin, dass die hohen decline rates von bereits produzierenden
Bohrlöchern das ständige Bohren einer grossen Zahl neuer Bohrlöcher erfordert, nur
um den Rückgang der so genannten Basisproduktion zu kompensieren. Gemäss den
Kalkulationen der EWG ist es äusserst wahrscheinlich, dass die Produktion der
beiden mit Abstand bedeutendsten Shale Oil Plays – des Bakken in North Dakota
und des Eagle Ford in Texas – innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre den Peak
erreichen wird. Die Erwartung sei deshalb, dass die gesamte Ölforderung in den USA
schon bald (2015-2017) wieder auf den langfristigen Abwärtstrend einschwenken
und 2030 viel geringer als heute sein werde. Die Förderung von Schieferöl, so wird
bilanziert, „wird sich wahrscheinlich als eine Blase erweisen, welche nur etwa 10
Jahre anhält“. Der Kontrast zu den euphorischen Verheissungen von IEA und
Massenmedien könnte kaum schärfer sein.

Quelle: EWG-Bericht (englische Version), S. 44

	
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Peak Oil ist nicht tot! - ASPO Schweiz
„Peak Oil is now!“
Die EWG-Studie kommt so zum Schluss, dass der Peak Oil heute bereits erreicht ist
und die globale Erdölproduktion bald kontinuierlich zu sinken beginnt. „Gemäss
unserer Analyse ist es ziemlich wahrscheinlich, dass die weltweite Ölförderung im
Jahr 2030 im Vergleich mit 2012 um 40 Prozent zurückgegangen sein wird“, erklären
die Autoren um Werner Zittel.

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Quelle: EWG-Bericht (englische Version), S. 47

Nicht viel mehr Optimismus versprüht die EWG in ihrer Analyse des Erdgasangebots.
So hält sie es beispielsweise für wahrscheinlich – und begründet überzeugend –
dass der Shale Gas Boom in den USA bereits seinen Peak erreicht hat.

Quelle: EWG-Bericht (englische Version), S. 74

Entsprechend warnt der EWG-Bericht, dass ab etwa 2015 ein steiler Rückgang der
gesamten US-Erdgasförderung einsetzen könnte. Die EWG geht weiter davon aus,

	
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dass Schiefergas in Europa – im Gegensatz zu den USA und unabhängig von
Umweltbedenken – aus geologischen, geographischen und industriellen Gründen
eine vernachlässigbare Rolle spielen wird. Unter anderem diese pessimistische
Prognose für die Entwicklung von Shale Gas ausserhalb Nordamerikas lässt die
EWG voraussagen, dass die globale Erdgasproduktion, genauso wie die globale
Kohleproduktion, um oder sogar vor dem Jahr 2020 den Peak erreichen wird. Der
kombinierte Peak aller fossilen Energiequellen wird deshalb einige Jahre vor 2020
erwartet und „wird beinahe mit dem beginnenden Rückgang der Erdölproduktion
zusammenfallen“.

Der bald beginnende Rückgang der globalen Ölförderung wird folglich gemäss den
Kalkulationen der EWG zu einer wachsenden Energielücke führen, die schon bald zu
gross sein wird, um sie mit Erdgas und/oder Kohle zu füllen. Den Energiebeitrag der
Nuklearenergie wiederum hält die EWG für zu gering, um auf globaler Ebene einen
signifikanten Einfluss zu haben. Ausserdem unterliegt die Uranförderung denselben
Restriktionen wie fossile Energieträger – die globale Uranproduktion erreichte den
Peak bereits um 1980.

Quelle: EWG-Bericht (englische Version), S. 132

Dies alles sei aber auch eine gute Nachricht, wird am Ende des Berichts besänftigt.
Denn der Klimawandel zwinge uns ohnehin, den Konsum fossiler Energie zu
reduzieren. „Wir müssen uns deshalb diesen Herausforderungen stellen“, so lautet
die ultimative Forderung, „und ernsthaft beginnen, Strategien für eine nachhaltige
Energieversorgung zu entwickeln. Je länger wir versuchen, mittels kurzfristiger
Lösungen, welche bloss die Möglichkeit verlängern sollen, business as usual zu
betreiben, diesen Übergang zu verzögern, umso mehr riskieren wir, von einer Klippe
zu fallen – mit ernsthaften Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Politik und die
Gesellschaft.“

	
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Eine kritische Beurteilung
Der EWG-Bericht weist durchaus einige Schwachpunkte auf. So werden potenzielle
zukünftige Preiseffekte überhaupt nicht in Betracht gezogen (obwohl etwa wiederholt
betont wird, dass der Schiefergas-Boom weitgehend durch hohe Energiepreise
ausgelöst wurde). Da ausserdem etwa die Annahmen bezüglich der Entwicklung von
Shale Energy extrem pessimistisch sind – so wird kalkuliert, dass Schiefergas
ausserhalb Nordamerikas keine Bedeutung erlangt (also auch nicht in China,
Russland oder Lateinamerika) und die Autoren scheinen davon auszugehen, dass
man ausser im Bakken von North Dakota und im Eagle Ford in Texas nie irgendwo
(zum Beispiel in Kalifornien) signifikante Mengen Schieferöl fördern wird – dürfte die
EWG den Peak Oil wohl etwas zu früh und die Geschwindigkeit des Förderrückgangs
etwas zu hoch angesetzt haben. Dieser leicht übertriebene Pessimismus zeigte sich
bereits im EWG-Bericht von 2008, in dem angekündigt wurde, dass der Peak Oil
überschritten sei und dass die weltweite Förderung nun bis 2030 auf 39 Millionen
Fass pro Tag zurückgehen werde.

Andererseits weist der EWG-Bericht neben einer eindrücklichen empirischen
Abstützung auch bedeutende methodische Stärken auf. So beruhen die Projektionen
kaum auf Daten zu den Reserven, welche schwierig zu erhalten und zu verifizieren
sind und die sich immer wieder als unzuverlässig erwiesen haben. Vielmehr nutzt die
Analyse die Vorzüge des Peak-Oil-Modells: Sie stützt sich in erster Linie auf Daten
zu den historischen Entdeckungen sowie zur vergangenen Produktion, um die
Entwicklung der Fördermengen zu prognostizieren. Der EWG-Bericht bietet damit
einen wesentlich realistischeren Ausblick auf die zukünftige Förderung von Erdöl und
Erdgas, sowohl global als auch in den verschiedenen Weltregionen und wichtigen
Förderländern, als dies heuer in den meisten Medien vermittelt wird. Die Lektüre wird
den ASPO-Mitgliedern wärmstens empfohlen.

Link zum vollständigen deutschen Bericht der Energy Watch Group vom März 2013:
http://www.energywatchgroup.org/fileadmin/global/pdf/EWG-update3012_kurz-dt_22_03_2013.pdf

Link zum vollständigen englischen Bericht der Energy Watch Group vom März 2013:
www.energywatchgroup.org/fileadmin/global/pdf/EWG-update2013_long_18_03_2013.pdf	
  	
  

	
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