ProgrammZeitung Für ein Theater der Region Was Frauen recht ist Steiner auf dem Prüfstand
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Menschen, Häuser, Orte, Daten ProgrammZeitung CHF 8.00 | EUR 6.50 Februar 2011 | Nr. 259 Kultur im Raum Basel Für ein Theater der Region Was Frauen recht ist Steiner auf dem Prüfstand
Offbeat Series, AllBlues und Migros-Kulturprozent-Jazz präsentieren: regen reiben Tord Rusconi Einem Handstreich gleich öffnet sich ein Fenster Zeit. Ingrid Fichtner Thomas Kessler Voice Control (1993/4) Ernst Thoma Schichtung 1 und 2 (2010) UA Gustavsen Im Auftrag von Pro Helvetia Gary Berger Doppelte Wendung (2000 ) Quintet William Blank Give the Word (2010) UA Mit freundlicher Unterstützung der Fondation Nicati-de Luze Rudolf Kelterborn Erinnerungen an Shakespeare (1999 ) Video UmSchichtung von Ernst Thoma canto battuto Eva Nievergelt Stimme Christoph Brunner Schlagzeug Stadtcasino Christian Dierstein Schlagzeug Annesley Black Live-Elektronik Basel Alexander Grebtschenko Klangregie Musiksaal Ueli Riegg Lichtregie Mi 16.2.11 19.30 Uhr Artephila Stiftung UBS Kulturstiftung Einziges Konzert in der Schweiz Do 11. November 2010, 21 Uhr Theater Rigiblick Tage für Neue Musik Zürich www.theater-rigiblick.ch www.tfnm.ch Mo 21. Februar 2011, 20 Uhr Gare du Nord Basel VORVERKAUF: www.allblues.ch • www.ticketcorner.ch Vorverkauf: Bider & Tanner, 061 206 99 96 www.musikwyler.ch www.garedunord.ch Die Post, Manor, SBB, Tel. 0900 800 800 (CHF 1.19/min., Festnetztarif) BASEL: Migros Claramarkt, MParc Dreispitz, Au Concert, BaZ, Bivoba, Stadtcasino Fr 11. und Sa 12. März, 20 Uhr Aktionshalle Stanzerei Baden VERANSTALTER: Off Beat Series, AllBlues Konzert AG und Migros-Kulturprozent-Jazz Vorverkauf: Info Baden, 056 200 84 84 www.ticket.baden.ch www.stanzerei-baden.ch Nutzen Sie erneuerbare Energie – Zeichnen Sie jetzt Aktien! Der Studienbereich Video der Hochschule Luzern – Design & Kunst geht auf Die ADEV Wasserkraftwerk AG erneuert und betreibt umweltverträgliche Kleinwasser kraftwerke. Sie erhöht jetzt ihr Aktienkapital um maximal 2.8 Mio. Franken. Kinotour Werden Sie AktionärIn der ADEV Wasser kraftwerk AG. Fordern Sie die aktuelle Beteili gungsbroschüre mit Zeichnungsschein an. Fünf Abschlussfilme des Bachelor-Studiengangs Video 2010 zeigen unser Ausbildungsspektrum: Dokumentarfilme, Essays und experimentelle Kurzfilme. Name Zürich, Riffraff: 12. Februar 2011, 12.00 Uhr Basel, Neues Kino: 19. Februar 2011, 20.00 Uhr Bern, Cinématte: 21. Februar 2011, 20.30 Uhr Vorname St. Gallen, Kinok: 24. Februar 2011, 17.30 Uhr www.hslu.ch/video www.video.hslu.ch Strasse PLZ/Ort ADEV Wasserkraftwerk AG | Kasernenstrasse 63 Postfach 550 | CH 4410 Liestal | Tel. 061 921 94 50 Bilder von oben nach unten: Antonia Meile – Stück für Stück; Fax 061 922 08 31 | info@adev.ch | www.adev.ch Jan Buchholz – Eigenbrand; Matteo Gariglio – Harlekin; Céline Wälchli – Lilla csalàdja – Lilla’s Familie; Manuel Wiedemann – Störfaktor
Kampf für Ideale dagm a r bru n n e r Editorial. Wer von Weleda, Waldorfschulen oder Grundeinkommen, von Eurythmie, Goetheanum oder Anthroposophie spricht, weiss in der Regel, Hauskultur wer diese Labels und Begriffe geprägt oder inspiriert hat: Rudolf Steiner. db. Der Buchhandel hat noch nie rosige Zeiten Dieser ebenso verehrte wie verkannte und umstrittene Denker und Refor- erlebt, doch es schmerzt, wenn wieder mal ein mer wurde vor 150 Jahren geboren, was denn auch weltweit gefeiert wird. Laden dichtmacht. In den letzten 30 Jahren sind Schon zu seiner Zeit gingen die Meinungen über ihn weit auseinander – von in Basel zahlreiche Buchhandlungen eingegan- ‹hochgebildet› (Ellen Kay) über ‹lichthaft› (Andrej Belyj) und ‹verführerisch› gen, und die kleinen existieren vor allem (noch) (Stefan Zweig) bis zu ‹hohl› (Erich Mühsam) und ‹ungeniessbar› (Hermann dank dem persönlichen Engagement ihrer Be- Hesse) lautete das Urteil –, nicht zuletzt, weil er mit seinen Vorträgen und treiberInnen. Nun haben wegen fehlender Nach- seinem Charisma die Menschen in Scharen anzog. Und diese Anhänger- folge zwei weitere Geschäfte aufgegeben: der schaft hat ihrem Meister in den letzten hundert Jahren einen Bärendienst Kinder & Jugend Buechlaade und die auf eng- erwiesen, indem sie sich oft dogmatisch und sektiererisch verhielt. lische Literatur spezialisierten Bergli Books Auch wer heute Steiners Wirkungsstätte auf dem Dornacher Hügel besucht, (wobei der gleichnamige Verlag weitergeführt wird dort von manchem befremdet und möglicherweise auch angezogen wird). Ein herber Verlust für den lesenden Nach- sein. Dieses architektonisch faszinierende Festspielhaus, Forschungs- und wuchs und die zunehmende englischsprachige Kongresszentrum hat künstlerisch einiges zu bieten. Doch seit geraumer Bevölkerung unserer Stadt. Zeit steckt das Goetheanum in einer massiven Krise: sinkende Mitglieder- Zu einem – allerdings nur vorläufigen – Ende zahlen (knapp 47’000 weltweit), schwindendes Publikum, hoher Personal- kommt auch die wöchentliche Kolumne ‹Alltag› aufwand, teure Renovationen und ein anspruchsvoller Tagungsbetrieb auf unserer Website. Unser freier Mitarbeiter haben die Finanzsituation verschärft und zu empfindlichen Einsparungen Oliver Lüdi, der jahrelang als Autor im Heft prä- geführt. Dabei wurden zahlreiche, zum Teil langjährige Mitarbeitende ent- sent war und seit Ende August 2009 zusammen lassen, Abteilungen zusammengelegt oder geschlossen, die Hausöffnung mit Claire Guerrier (Fotos) diese poetischen reduziert. Das Klima ist rau geworden, Angst und Streit bis hin zu gericht- Häppchen fürs Netz kreiert hat, nimmt die lichen Auseinandersetzungen machen der Szene zu schaffen. Deren Poten- Chance (und den Lebenstraum) eines berufli- ziale sind freilich noch längst nicht ausgeschöpft. Wie mit Steiner alles chen China-Aufenthalts wahr. Seinen letzten begann und wie ein freier Geist mit seinem Werk umgehen kann, lesen Sie ‹Alltag› finden Sie bis So 6.2. unter www.pro- auf S. 20/21. grammzeitung.ch. Bis zu seiner Rückkehr Ende Zum weitläufigen Bekanntenkreis Steiners zählten auch die Frauenrechtle- Jahr wird unser Teamkollege Christopher Zim- rinnen Rosa Mayreder und Rosa Luxemburg. Deren Freundin Clara Zetkin mer – auch er ein vielseitiger Autor – das Gefäss setzte sich u.a. für die Einführung eines internationalen Frauentags ein; mit kleinen Geschichten aus dem Leben eines diese Idee zur Forcierung des Frauenwahlrechts stammte aus den USA. 1911 eigenwilligen Zeitgenossen füllen. Entdecken fand er dann erstmals (auch in der Schweiz!) statt und war ein voller Er- Sie die Welt aus Godefrods Optik ab Mo 7.2. folg. Doch Parteikämpfe und Kriege behinderten die Kontinuität, und erst Als regelmässigen Autor konnten wir auch Tilo seit 1977 wird der 8. März von den Vereinten Nationen als internationaler Richter gewinnen, der sich seit Anfang Jahr des Frauentag anerkannt. Alice Schwarzer hält ihn allerdings für überflüssig. Themas Stadtentwicklung angenommen hat Sein 100-Jahre-Jubiläum trifft heuer mit etlichen helvetischen Frauen- und dabei aktuelle Fragen und historische Ent- rechts-Gedenktagen zusammen (S. 27). wicklungen zu informativen Überblicken ver- Neben Frauenpolitik wird uns im Februar die Kulturpolitik des Kantons dichtet (S. 28). Baselland beschäftigen – hoffen wir auf einen von partnerschaftlichem Und aufmerksamen Lesenden werden einige Denken geprägten Urnengang (S. 16). Auch die Medienpolitik liefert der- grafische Veränderungen nicht entgangen sein, zeit genügend Stoff für ein spannendes Buch (S. 7). Sowohl eine reiche Ver- die unseres Erachtens der Leseführung dienen. gangenheit wie gute Zukunftsaussichten haben das Neue Kino Basel Es werden kaum die letzten sein ... (S. 9), das Neue Theater am Bahnhof Dornach (S. 17) und das Basler Kinder- spital (S. 26). Februar 2011 | ProgrammZeitung | 3
FAU T E U I L & TA B OU R E T T L I W W W. FAU TE U I L . CH BA S L E R M A R ION E T T E N T H E AT E R W W W. B MTH E ATE R . CH BA S E L DY T S C H I BI H N I W W W. BA SE LDY T SC H I B I H N I . CH BA S L E R K I N DE RT H E AT E R W W W. BA SLE RK I N DE RTH E ATE R . CH VOR S TA D T T H E AT E R BA S E L K A S E R N E BA S E L W W W.VO RSTA DT T H E AT E R BA SE L . CH W W W. K A SE RN E- BA SE L . CH T H E AT E R I M T E U F E L HOF H A E B S E -T H E AT E R W W W.TE U FE LHOF. COM W W W. H A E BSE-TH E ATE R . CH AT E L I E R-T H E AT E R R I E H E N DI E K U PPE L W W W. ATE LI E RTH E ATE R .CH W W W. KU PPE L . CH J U NG E S T H E AT E R BA S E L S U DH AU S WA RT E C K PP W W W . J U NG ESTH E ATE RBA SE L . CH W W W. SU DH AUS . CH F IGU R E N T H E AT E R VAG A BU K L E I N K U N S T BÜ H N E R A M PE W W W.T H E AT E R .C H / W W W. R A M PE- BA SE L . CH F IG U RE NTH E ATE RVAG A B U PA RT E R R E Über 1800 Vorstellungen W W W. PA RTE RRE . NET pro Saison – wer bietet mehr? GBK Ihre Basler Kleintheater T H E AT E R A R L E C C H I N O W W W.TH E ATE R-A RLECC H I N O. CH G E N OSSE NSC H A F T BA SLE R K LE I NTH E ATE R T H E AT E R FA L L E BA S E L W W W. BASLERKLEINTHE ATER . C H W W W.TH E ATE RFA LLE . CH inserat_stadtbuch_proz_10_hartmannbopp.ch 14.01.11 10:30 Seite 1 Das Stadtbuch ist da! Herzliche Einladung zur Vernissage Donnerstag, 17. Februar 2011, 18.30 Uhr Aktienmühle Gärtnerstrasse 46, Basel Tram Nr. 8 Richtung Kleinhüningen, Haltestelle ‹Wiesenplatz› www.baslerstadtbuch.ch
Inhalt 7–29 Redaktion 30–47 Kulturszene 48–55 Plattform.bl 56–78 Agenda 78 Impressum 79 Kurse 80 Ausstellungen 81 Museen 82 Bars & Cafés 82 Essen & Trinken ‹Lovebugs›, Adrian Sieber, u S. 13 Foto: Tabea Hüberli Cover: ‹Le nozze di Figaro›, Theater Basel u S. 45 Foto: T+T, Tanja Dorendorf
Spalenburg, Basel Reservation: +41 (0)61 261 99 34 12 – 24, So ab 17.30 Uhr t TDM 92 x 67 Programmzeitung.indd 1 17.01.2011 11:10:31 da ieder bruar! W . Fe ab 4 EIN MUSIKTHEATER FÜR KLEIN UND GROSS FRAU KÄGIS NACHTMUSIK
Was ist mit den Medien los? a l f r e d s c h l i e nge r Das brandaktuelle Buch ‹News-Fabrikanten› analysiert die Schweizer Medienlandschaft «zwischen Tamedia und Tettamanti». Ein Sach-Krimi – gerade für Basel. «Die Medienwelt ist aus den Fugen», stellen die Autoren, beides schweizweit erfahrene Journalisten, gleich zu Be- ginn ihres Buches fest. Detailliert und kenntnisreich er- gründen sie, was in der kommerzialisierten Medienschweiz vor sich geht und was zur Sicherung eines qualitativ über- SVP-Strategie: Übernahmen. Vielen der mehrheitlich kri- zeugenden Informationssystems getan werden kann. Und tischen und pointierten Einschätzungen der Autoren wird ihr Befund ist klar und deutlich: Sie diagnostizieren auch in man, manchmal zähneknirschend, zustimmen können. Ein der Schweiz eine Entwicklung, in der sich Medien «im här- Fragezeichen ist allerdings hinter die Annahme zu setzen, teren Konkurrenzkampf aus der ernsthaften Information der ehemalige BaZ-Verleger Matthias Hagemann, der im zurückziehen, um als Spektakelbühnen zu geschäften, in Übrigen aus seinen Sympathien für die SVP nie ein Hehl der Medien publizistische Werte missachten, Glaubwürdig- gemacht hat, sei sich beim Verkauf seiner Zeitung nicht keit und emotionale Verlässlichkeit verlieren und in der bewusst gewesen, dass hinter der Tettamanti-Offerte ein Medienschaffende als Bewegungsmelder und Regisseure überregionales politisches Medienprojekt von Kreisen um statt als Berichterstatter und Erklärer losziehen. Wir sind Blocher steckt. Was jeder Mensch wissen konnte, der sich überzeugt, dass das den demokratischen Meinungsbil- mit der Schweizer Medienpolitik beschäftigt, wird auch dungsprozess ernsthaft gefährdet.» dem Ex-BaZ-Verleger nicht entgangen sein. Was gegenwärtig mit den Medien passiert, ist nicht Privat- Die Autoren stellen denn auch diese SVP-Strategie durch- sache ihrer Besitzer. Zwar sind Zeitungen, Radios und TV- aus vielseitig dar. Nachdem sich die Idee eines rechtskon- Sender durchaus den Marktbedingungen unterstellte Pro- servativen Boulevardblattes selbst für den Milliardär duktionsbetriebe, aber sie sind auch zentrale Institutionen Blocher als zu teuer erwiesen hatte, besteht der Plan seit des für jede demokratische Gesellschaft existenziellen In- Längerem darin, eine politische Medienmacht im Sinne der formationssystems – und damit unausweichlich ein staats- SVP nicht durch eine Neugründung, sondern durch Über- politisches Thema. nahmen aufzubauen. Bestätigt wird auch die bereits in der Konzentration und Ökonomisierung. Wer verstehen will, WoZ dargelegte Analyse, dass die Tettamanti-Connection was in der Schweiz vor allem im Bereich der Printmedien über ihr Vehikel ‹Freunde der NZZ› gezielt auf eine Öffnung in den letzten Jahrzehnten – und bis in unsere Tage hin- des NZZ-Kurses in Richtung SVP hinarbeitet, mit dem vor- ein – passiert ist und welche Folgen das hat, der wird um läufigen Hauptschlachtfeld Verwaltungsrat. das Buch von Richard Aschinger und Christian Campiche Förderung von Qualität. Das wichtige Schlusskapitel nicht herumkommen. Sie zeichnen nicht nur anschaulich steht unter dem Titel ‹Rettet das Informationssystem›. Das und spannend die Konzentrations- und Ökonomisierungs- klingt so dramatisch, wie es ist. Vieles deute darauf hin, prozesse in der Medienbranche nach, sondern würzen schreiben die Autoren, dass die Medienwirtschaft bald ihre Bestandesaufnahme auch mit eindrücklichen Beispie- nur noch eine kleine zahlungskräftige Minderheit regel- len schludriger und tendenziöser Berichterstattung oder mässig mit ernsthafter politischer Information versorgen zeigen auf, wie die Grenzen zwischen Journalismus und könne. Da aber eine Demokratie ohne breit und zuverlässig PR immer mehr verwischt werden. Das liest sich zum Teil informierte Bevölkerung nicht funktioniere, müsse nach wie ein Krimi. alternativen Finanzierungsmodellen zur Sicherung von Breiten Raum nimmt die Charakterisierung der wichtigsten Qualitätsinformation gesucht werden, und da gebe es Player im Tageszeitungsgeschäft (Tamedia, Ringier und eigentlich nur einen Weg: «Geld muss direkt in Qualitäts- NZZ) und ihrer jeweiligen Strategien ein. Das ist derzeit journalismus investiert werden.» für den Medienplatz Basel von höchstem Interesse. In die Das Buch diskutiert verschiedene Förderungsmodelle, und Zweitauflage eingearbeitet ist auch die Übernahme der zwar durchaus auch staatliche. In Frankreich etwa erhalten BaZ durch Moritz Suter, der als Blocher-Bewunderer und alle 18-Jährigen gratis ein Zeitungsabonnement. Von den Galionsfigur charakterisiert wird. Bezüglich Chefredaktor privaten Modellen werden Nutzerfinanzierung (WoZ, Markus Somm heisst es, er sei ein Missionar, «voll auf NZZ), Stiftungen (Pro Publica in den USA) und Spenden- Blocher-Linie», und zeige noch keine Bereitschaft zur Öff- systeme (National Public Radio, USA) vorgestellt. Auch nung. Wohin die Reise mit der BaZ gehen wird, lassen die wenn jedes Modell seine Tücken hat, in einem sinnvollen Autoren offen. Aber sie deuten zumindest die realistische Zusammenspiel von staatlichen und privaten Initiativen Möglichkeit eines schnellen Verkaufs an. Hauptinteressent steckt ein noch unausgeschöpftes Potenzial. Basel könnte (neben den notorisch kaufwilligen Tamedia und NZZ) dafür ein wichtiges Experimentierfeld werden. wäre wohl der Aargauer Peter Wanner als Verleger der Richard Aschinger, Christian Campiche, ‹News-Fabrikanten. Schweizer AZ Medien. Medien zwischen Tamedia und Tettamanti›, Europa Verlag, Zürich. 2. überarb. Auflage 2010, 208 S., br., CHF 26 Februar 2011 | ProgrammZeitung | 7
Die erste Bleibe des Neuen Kinos in der Alten Stadtgärtnerei. Sozu sagen die Wurzeln des Kinos ... Einbau der ersten Kinobestuhlung im Hinterhaus an der Klybeck strasse. Die ersten Kinostühle stammten aus einem Pornokino, sie wurden einen Nachmittag lang geschrubbt ... Blick in die Projektionskabine über die Kinobar hinweg. So sieht es noch heute aus, ausser dass die Diskussionen nicht mehr so hitzig sind ... Fotos: Thomas Kneubühler. Alle zwischen 1988 und 1998 8 | ProgrammZeitung | Februar 2011
Gemütliche Höhle des Widerstands si by l l e ry se r Das Neue Kino feiert sein 25-jähriges Bestehen. Ehrenamtlicher Widerstand. In Basel liegen die Dinge In der Nacht auf den 1. Mai 1986 debütiert das Neue Kino nochmals anders. Mit der Räumung der Alten Stadtgärt- mit der Projektion von ‹Themroc›. Der Kultfilm aus den nerei verliert das Neue Kino den Rahmen eines grösseren Siebzigerjahren erzählt die Geschichte eines Proletariers, Kollektivs, schafft es aber in den folgenden Jahren auch der gegen eine Arbeitswelt Orwell’scher Prägung rebelliert, nicht, sich zum Programmkino zu entwickeln. Diese Posi- indem er zum Höhlenmenschen regrediert – eine grotesk tion besetzt in Basel bereits das Stadtkino, und anders als überdrehte Gesellschaftskritik, deren tiefschwarzer Humor in Zürich, wo die Stadt mit dem Filmpodium seit langem nie mehrheitsfähig war. ‹Themroc› ist keine zufällige Wahl. ein eigenes Programmkino betreibt und zusätzlich das Das Gründungskollektiv vertritt eine leidenschaftlich kapi- Xenix unterstützt, hat die Basler Regierung mehrfach deut- talismuskritische Weltsicht, gemildert durch Lebenslust lich gemacht, dass ihr die Filmkultur nicht sonderlich am und Selbstironie. Man erkennt ‹Gewinnorientierung› als Herzen liegt. Unterstützung vom Staat erhält das Neue Wurzel aller Übel und Ursprung einer ‹Kulturverarmung›, Kino in den Neunzigern immerhin in Form einer vom RAV die nebst anderen Symptomen stromlinienförmige Kino- bezahlten Bürostelle; Stiftungen wie GGG und CMS finan- programme hervorbringt. Man will dem US-Mainstream zieren infrastrukturelle Verbesserungen wie die Heizung etwas entgegensetzen, einen Ort, an dem auch nichtkom- oder eine neue Bestuhlung. merzielles Filmschaffen sein Publikum finden kann. 1998 gibt es einen grösseren Wechsel im Kollektiv, mehrere Nach dem Debut im ehemaligen Kino Union und Zwischen- Gründungsmitglieder treten ab. Anders als in St. Gallen, station im Rheinhafen findet man im Oktober 1986 eine wo sich einige Pioniere zu Profis mausern, und anders als in Bleibe in der besetzten Alten Stadtgärtnerei, wo Filmpro- Zürich, wo die Gründergeneration kommerzielles Terrain gramme zu politischen Themen gezeigt werden. Im Juni erobert, arrangiert sich das Neue Kino mit seiner margina- 1988 wird die ‹Stazgi› polizeilich geräumt und abgebro- len Position im Hinterhof am Stadtrand. Ehrenamt bleibt chen, auch das Neue Kino muss weiterziehen. Es wird zum Ehrensache, man arbeitet ohne Lohn und meidet alles Kom- Wanderkino, gastiert an Veranstaltungen, zeigt Filme open merzielle. Schwierig, dagegen etwas einzuwenden, eine air. Man bemüht sich um Geld und Räume vom Staat, der solche Haltung ist in Zeiten des ökonomischen Diktats sym- nach der Schleifung des Kulturbiotops Stadtgärtnerei pathischer denn je. moralisch in der Pflicht steht. 1991 findet das Neue Kino Dennoch: Eine Folge dieser Selbstgenügsamkeit ist, dass seinen festen Ort in einem Hinterhaus in Kleinhüningen. betriebliche Aspekte wie Publikumspflege oder Öffentlich- ‹Anderes Kino› in anderen Städten. Die Jugendbewe- keitsarbeit a priori unter Kommerzverdacht stehen. Hinzu gungen der Achtzigerjahre bringen in etlichen Schweizer kommt der diffus gewordene Kollektivgedanke, Arbeits Städten ‹andere Kinos› hervor: 1985 entsteht das Kinok in teilung oder Bezahlung sind tabu, aber nachdem das St. Gallen, 1988 das Kino in der Reitschule Bern, und be- pionierhafte Engagement für ein gemeinsames Projekt reits seit 1980 gibt es das Xenix in Zürich. Trotz vergleich- geschwunden ist, stellt sich die Motivationsfrage heute an- baren Anfängen entwickeln sich diese Spielstätten in der ders. Abgesehen von punktuellen Kooperationen mit der Folge ganz unterschiedlich. Das St. Galler Kinok wird zum Uni, der HGK oder Veranstaltungen wie Culturescapes prä- Programmkino, vergleichbar dem Stadtkino Basel. Vor sentieren die gegenwärtigen Aktivmitglieder vor allem jene kurzem ist es ins neue Kulturzentrum Lokremise einge- Filme, die sie selber gerne sehen möchten. Das sorgt zwar zogen und damit definitiv in der etablierten Kultursphäre für ein weites Spektrum und tolle Überraschungen, aber angekommen. Das Berner Kino in der Reitschule dagegen noch nicht für ein kohärentes Programm. Hier zeigt sich hat nie staatliche Unterstützung erhalten und pflegt bis die Problematik des Ehrenamts: Jede/r trägt zwar nach heute ein widerständiges Selbstverständnis. Die Treue zu Möglichkeit etwas bei, aber ein Gesamtkonzept ist nicht zu alten Idealen hat auch damit zu tun, dass es in seiner alten erkennen. Zukunftsvisionen? Am liebsten soll alles bleiben, Heimat überleben konnte – den politischen Überbau bildet wie es ist, auch wenn man zuweilen vor sehr wenig Publi- noch immer die Reitschule, die sich ihre Existenzberech- kum spielt und an der Bar oft unter sich ist. tigung auf Betreiben der SVP in regelmässigen Abständen Was soll man dem Neuen Kino zum Jubiläum wünschen? vom Stimmvolk bestätigen lassen muss. Zuallererst mehr Menschen, die den Weg an den Stadtrand Das Zürcher Xenix kann von seiner attraktiven Lage nicht scheuen und neugierig sind auf filmische Erlebnisse, profitieren: Die Xenix-Bar ist von Beginn weg ein ‹place die weder in der Steinenvorstadt noch auf youtube zu to be› und bis heute eine wichtige Einnahmequelle für haben sind. Aber auch eine Stärkung jener Kräfte, die das Kino. Schon bald gibt es Geld vom Staat, was einen Weiterentwicklung nicht für Verrat von Idealen halten, ein regulären Betrieb mit allabendlichen Vorstellungen und Team, das den Widerstand gegen die herrschenden Verhält- bezahlten Arbeitsplätzen sichert. Das Xenix professiona- nisse nicht mit dem Rückzug in die eigene Höhle übersetzt. lisiert sich laufend, es produziert gar ‹spin offs› wie den Neues Kino, Klybeckstr. 247, www.neueskinobasel.ch Filmverleih Xenixfilm. Auch das Kino Riff Raff (heute mit Filme jeweils Do/Fr 21 h, Programm s. Tagespresse oder Website vier Sälen und zwei Bars) hat seinen Ursprung im Xenix, Mitglieder (Jahresbeitrag CHF 30) erhalten die jeweils grafisch individuell und ein ehemaliger Xenix-Aktivist leitet die Zürcher Art- gestalteten Programme zugeschickt. house Kinos. Jubliläumsprogramm von April bis Juni: 25 Lieblingsfilme aus 25 Jahren. Geplant ist auch ein Fest, Datum noch offen Februar 2011 | ProgrammZeitung | 9
Wie nehmen wir Abschied? a l f r e d s c h l i e nge r In ‹La dernière fugue› gibt Léa Pool einem dies das Härteste dieses wichtigen Films: dass er aufzeigt, schwergewichtigen Thema Tiefgang und Leichtigkeit. wie beste Absichten zu einer Form von Demütigung werden Vor zwei Jahren verzauberte Léa Pool das Kinopublikum können. Wer weiss wirklich, wer kann es denn sagen, wie mit dem Spielfim ‹Maman est chez le coiffeur›, einer brü- der Kranke leben, wie er sterben will? chigen, zartbitteren Familiengeschichte aus Kindersicht. Plädoyer für die Würde. Léa Pool erzählt das alles ohne Auch in ihrem neuen, 16. Film, ‹La dernière fugue›, nimmt Thesen. Sie schildert es als eine lebensnahe Geschichte, in die Kanada-Schweizerin eine Familie in den Blickpunkt, der verschiedene Menschen unterschiedliche Meinungen nur diesmal vom anderen Ende her. haben. Der Film ist kein wohlfeiles Plädoyer für die Sterbe- Die Quebecer Sippe der Lévesques versammelt sich mit hilfe. Er ist ein Plädoyer, auch dem Todkranken den Willen, ihren drei Generationen freudig zum Weihnachtsfest bei den Genuss, die Würde zu lassen – und ihn in allem ernst den Grosseltern. Aber bald schon wird die Stimmung belas- zu nehmen. Das klingt vielleicht nach einem unglaublich tet durch die Ausfälle des Grossvaters Anatole (Jacques schwerblütigen, ja schwermütigen Film. Fehlanzeige! Léa Godin), der an Parkinson leidet. Der älteste Sohn André Pool gelingt es, das gewichtige Thema mit grosser Leich- (Yves Jacques) registriert das mit stiller Verwirrung. Er hat tigkeit und Heiterkeit zu gestalten. Sie hat ein gutes Auge in der Kindheit unter dem autoritären, selbstherrlichen für die feinnervigen Beziehungen zwischen den Menschen, Vater gelitten. Seit einem frühen Unfall beim Fischen ist für die ganz normalen familiären Turbulenzen. Sie ist allen sein Verhältnis zu ihm gestört. In kurzen Flashbacks blitzen Figuren zugewandt, auch in deren Hilflosigkeit und Über- diese Kindheitserinnerungen auf. forderung. Solche Filme kann nur machen, wer Menschen Léa Pool schildert auf subtile Weise, wie sich diese beschä- mag, selbst in ihrer ganzen Erbärmlichkeit. Hier schlum- digte Vater-Sohn-Beziehung zu kehren beginnt. Die Hilf mern bekanntlich auch die tiefen Quellen des Humors. losigkeit des Vaters wird zum Anknüpfungspunkt für den Schlicht hinreissend ist jene Szene, in der die jüngste Sohn. Die verschiedenen Familienmitglieder sind sich in- Enkelin den Grossvater in ihr Kinderspiel verwickelt, als des herzlich uneinig, was das Beste wäre für diesen alten, wäre sie die Grosse. Keine Erwachsene könnte das so unbe- schwerkranken Mann. Soll man ihm die letzten Genüsse fangen. Die Enkelgeneration scheint auch eher gefeit davor verbieten, weil sie seiner Gesundheit schaden? Am unver- als ihre Eltern, zur Waffe der Bevormundung zu greifen. blümtesten drückt es der halbwüchsige Enkel Sam (Aliocha Das Drehbuch stützt sich auf den Roman ‹Une belle mort› Schneider) gegenüber André aus: Man sollte den Gross von Gil Courtemanche aus dem Jahr 2005. vater doch sterben lassen, er jedenfalls möchte lieber tot Filme zur letzten Etappe des Lebens haben Konjunktur. ‹La sein an seiner Stelle. dernière fugue› behandelt das Thema feinfühlig, offen und ‹La dernière fugue› macht die ganze Ambivalenz der Ge generationenübergreifend. Das ist nicht einfach ein Film fühle bewusst, die einen in dieser Situation umtreiben für alte Leute. Im Gegenteil. Léa Pool delegiert das Thema kann. Die Regisseurin schont uns auch nicht bei der Dar- auch nicht an die Medizin, nicht an die Justiz oder an die stellung der Hinfälligkeit des Patienten. Sie zeigt seine Wut Politik. Sie setzt es mitten hinein in eine Familie und richtet und Verzweiflung angesichts von gut gemeinten Therapien, es an uns alle. die für den alten Mann nur eine Qual sind. Vielleicht ist Der Film läuft ab Ende Februar in einem der Kultkinos u S. 46 Filmstill aus ‹La dernière fugue› 10 | ProgrammZeitung | Februar 2011
Parabel der Macht a l f r e d s c h l i e nge r Diego Lermans verstörender Film ‹La mirada invisible›. Ein Film wie ein Sog. Ein unheimlicher Sog der Strenge, der Beklemmung, Welt im Film der steinernen Disziplinierung. Der Argentinier Diego Lerman, für sein dagm a r bru n n e r erfrischendes Roadmovie ‹Tan de repente› (2002) in Locarno mit dem Filmtage Nord/Süd und Cinéma Querfeld. Silbernen Leoparden ausgezeichnet, schlägt hier einen ganz anderen Ton Einblicke in andere Lebensrealitäten vermitteln an. ‹La mirada invisible› ist eine visuell höchst eindringliche Parabel auf alle zwei Jahre die Filmtage Nord/Süd, die von die Macht und ihre Verinnerlichung. Schauplatz ist fast ausschliesslich ‹Filme für eine Welt›, einer Fachstelle der von das Innere eines Elite-Lyceums. Hier arbeitet die 23-jährige Maria Teresa verschiedenen Hilfswerken unterstützten Stif- (Julieta Zylberberg) als Unterrichtsassistentin. Sie ist verantwortlich für tung Bildung und Entwicklung organisiert wer- Disziplin und Ordnung, überwacht Haltung und Kleidervorschriften, führt den. Ihr Auftrag ist, Filme und Videos für den Jugendliche, die sie beim Küssen erwischt, wie Häftlinge zum Direktor. Schulunterricht und die Erwachsenenbildung im Selber aber hat sie sich in einen Schüler verguckt, dessen Duft sie bei Bereich Entwicklungsarbeit und Kulturbegeg- der Kleiderüberprüfung benommen einsaugt. In einer Mischung aus nung anzukaufen und deren Einsatz zu fördern. Kontrollwut und erotischer Sehnsucht folgt sie den Jugendlichen bis auf Die ausgewählten Filme unterliegen bestimmten die Toiletten. Qualitätskriterien und wollen Verständnis für Man schreibt das Jahr 1982, es herrschen offensichtlich auch ausserhalb der andere Menschen, Kulturen und weltweite Zu- Mauern dieser Zuchtanstalt diktatorische Verhältnisse. Aber wir sehen nur sammenhänge wecken. ihr Abbild im ideologischen und ästhetischen Drill dieser Schule. Die Wucht Zehn neuere Dokumentarfilme laden an zwei des Filmes kommt aus den Bildern, in die er diese Atmosphäre einbrennt. Abenden zu einer Reise in verschiedene Welt Militärisch streng sind die täglichen Rituale, streng bis zur Schmerzhaftig- gegenden ein, wo uns manches fremd, anderes keit ist Maria Teresas zartes Gesicht, streng ist die ganze Architektur. Fast auch vertraut ist. Sie erzählen vom Verschwin- mehr als über den Inhalt zeigt Lerman die Repression über die Form. Hart den des Aralsees und wie in Lima mit Kleinstkre- hallen die Schritte in den steinernen Treppenhäusern. Misstrauen und diten ein würdiges Leben ermöglicht wird; von Überwachung lauern in jeder Ecke. Wie Schatten huschen winzige Gestal- einer selbstverwalteten Bank indischer Strassen ten über die Schachbrettmuster der leeren Innenhöfe. Tote Räume. kinder, den Folgen des Goldabbaus in Guinea Das wirkt ästhetisch bezwingend und emotional beklemmend. Der Mikro- und wie die Green Belt-Bewegung in Kenia ent- kosmos der Schule steht für ein ganzes System. Da baut sich ein Druck auf, stand; vom Zusammenhang zwischen unserem der zur Entladung drängt. Befreiend im Gesellschaftlichen – das vernimmt Fischkonsum und Bootsflüchtlingen in Westafri- man nur auf der Tonebene von ausserhalb der Mauern –, brutal und verstö- ka, von Kinderarbeit in Indien und vom globali- rend im Persönlichen, das man mitansehen muss. Erst am Schluss versteht sierten Geflügelgeschäft; von einem engagierten man, warum der Regisseur seine Hauptfigur auf dem Heimweg in den öffent- Unternehmer in Mosambik und wie Satelliten- lichen Verkehrsmitteln so hingebungsvoll die Fingernägel feilen lässt. TV in Iran trotz Verbot rege genutzt wird. Zu den Der Film läuft ab Ende Februar in einem der Kultkinos. Filmen, die man auch erwerben kann, gibt es Buch dazu: Martin Kohan, ‹Die Sittenlehre›, Suhrkamp 2010. 274 S., gb., CHF 30.50 kurze Einführungen, und für Lehrpersonen wird DVD und mehr Infos: www.trigon-film.ch ein Weiterbildungskurs angeboten. Direkt nach diesen Filmtagen findet erneut das Festival Cinéma Querfeld statt, das von verschie- denen Vereinen der Basler Migrationsbevölke- rung gemeinsam entwickelt und gestaltet sowie von CMS und Swisslos unterstützt wird. Es prä- sentiert heuer acht Spiel- und Dokumentarfilme, die aus den Heimatländern der Beteiligten und von unterschiedlichen Musikkulturen berichten; das Spektrum reicht von Europa über den Nahen Osten und Afrika bis in die USA. Die Filme wer- den von einem musikalischen und kulinarischen Rahmenprogramm begleitet. 17. Filmtage Nord/Süd 2011: Mi 23. und Do 24.2., 17.30–21.30, Museum der Kulturen, Augustinergasse 2 (keine Platzreservation), www.filmeeinewelt.ch 6. Cinema Querfeld: Fr 25. bis So 27.2., Querfeld-Halle, Dornacherstr. 192 u S. 47 Fr ab 18.30, Sa ab 17.30, So ab 10 h, mit Brunch Filmstill aus ‹La mirada invisibile› Februar 2011 | ProgrammZeitung | 11
Forum für die junge Jazzszene ru e di a n k l i Das 5. Clubfestival Suisse Diagonales Jazz präsentiert Vielfalt. talitäten hinweg die einzelnen Regionen in einen kreativen Austausch bringen will. Jugendkultur Schon 1981 beklagte Dominique Alioth, der Das Bühnenumfeld sieht im Espace Noir in dagm a r bru n n e r 1999 jung verstorbene Sänger der Wonder- St-Imier oder in der Osteria Unione von Förderung junger Kreativität. toys, die mangelnden Auftrittsmöglich Riva San Vitale natürlich ganz anders aus Sechs Organisationen, die Jugendkultur anbie- keiten einer Rockband in der Schweiz. als in den institutionalisierten Jazzclubs ten und fördern, haben sich in einer gemein- Während britische Gruppen sich an rund wie dem Moods in Zürich oder dem Bird’s samen Vernehmlassung zum Entwurf des Kul- 300 Abenden im Jahr auf verschiedenen Eye in Basel. Gemäss Vorstandsmitglied turleitbildes geäussert. Sie monieren, dass das Bühnen präsentieren konnten, blieb der und Präsident Silvio Gardoni war es nicht Thema ‹Jugendkultur› ausgeblendet bzw. nicht helvetische Raum für Rock- wie auch für immer leicht, den zentralen Gedanken der erwähnt wird und im Zentrum des Konzepts die Jazzformationen auf Gelegenheitsauftritte Veranstaltungsreihe zu vermitteln. Das Pro- Förderung von Grossprojekten und etablierter beschränkt. Daran hat sich in den letzten gramm soll national und dreisprachig sein, Kultur stehen. Diese stellen sie zwar nicht in Fra- drei Jahrzehnten doch einiges geändert. damit nachhaltige Kontakte entstehen und ge, verweisen aber auf den ‹Nährboden›, der von Das beweist auch das anspruchsvolle Pro- Früchte tragen können. kulturellen Aktivitäten aus der Bevölkerung ge- gramm des Clubfestivals Suisse Diagonales Sprungbrett in die internationale Szene. spiesen wird – darunter die Beiträge der Jugend. Jazz, das im Zweijahresrhythmus und der- Alle zwei Jahre werden zehn Bands mit Deren Ausdrucksformen in den verschiedenen zeit an 26 verschiedenen Orten des Landes vorwiegend jungen, noch wenig bekann- Sparten, aber auch Freiräume und Zwischennut- stattfindet. ten MusikerInnen ausgewählt, je drei in zungen gelte es ideel und materiell zu schützen, Dahinter steht ein 2002 gegründeter Ver- den Regionen Deutschschweiz West und schätzen und unterstützen. Man habe ja auch ein, der über die Sprachbarrieren und Men- Ost sowie in der Romandie und einer aus etwa zu bieten: Jugendkultur setze Trends, sei dem Tessin. Die Auswahl findet nicht mit Motor für Veränderungen und entwickle Neues; aufwändigem Wettbewerb, sondern auf Vor- ausserdem reflektiere sie die gesellschaftliche schlag der regionalen Vertreter des Vereins Entwicklung und präge zunehmend den öffentli- statt. Die zehn Gruppen spielen meist im chen Raum. Aus all diesen Gründen soll Jugend- Doppelkonzert mit einem lokalen Publi- kultur ins Kulturleitbild eingebettet werden. kumsmagneten. So tritt etwa die aufstre- Von Veranstalterseite gibt es im Februar freilich bende Basler Formation Klangquadrat in zahlreiche Angebote für die Jugend (und natür- Altdorf mit Christoph Gautschi and Friends lich auch ihre Eltern), wie diese kleine unvoll- auf. In unserer Region sind vier Ensembles ständige Übersicht beweist: im Bird’s Eye Basel und drei in der Liestaler Die während der Muba stattfindende Messe Kulturscheune zu hören. ‹Natur› zeigt am Festival ‹fasziNatur› die besten Wohin ein Engagement bei Suisse Diago Natur-, Tier- und Umweltfilme. nales Jazz führen kann, zeigten in der Ver- In Kooperation mit der Kaserne Basel startet das gangenheit etwa die Westschweizer Pia Kammerorchester Basel eine neue Reihe von nisten Colin Vallon und Marc Perrenoud. Familienkonzerten; das erste zu Haydns ‹Ab- Vallon ist mit seinem Vertrag für Aufnah- schiedssinfonie› wird vom Musiker und Schau- men beim renommierten Münchner Label spieler Jürg Kienberger gestaltet. ECM sozusagen in den Ritterstand des Jazz Die Mädchenkantorei Basel präsentiert zum Auf- erhoben worden, Perrenoud ist der Träger takt ihres 10-Jahre-Jubiläums ein Konzert, in des aktuellen ZKB Jazzpreises, und beide dem es um Hexen, Elfen, Tod und Teufel geht. profitieren von der prioritären Jazzförde- Das Literaturhaus Basel lädt Jugendliche zwi- rung durch Pro Helvetia. schen 17 und 25 Jahren zu einem Schreibwettbe- Wenn diese fünfte Ausgabe von Suisse Dia- werb zum Thema ‹Liebe, Lust und Leiden› ein. gonales Jazz gut läuft, wird unverzüglich Und auch am nationalen Wettbewerb ‹Schreib- die nächste im Jahr 2013 geplant. Aller- zeit Schweiz› könnnen sich JungautorInnen zwi- dings kommt die freiwillige Arbeit der Ver- schen 8 und 18 Jahren beteiligen. einsmitglieder, die eine hohe logistische Das Museum Tinguely richtet ein Kinderclub Kompetenz verlangt, bereits durch den Museum ein, in dem, kuratiert von Beat Klein Zweijahresrhythmus an Grenzen. Der Ge- und Lilian Steinle, herausragende Arbeiten aus winn für die beteiligten MusikerInnen ist den Kinderclub-Nachmittagen gezeigt werden. jedoch gross – ebenso fürs Publikum. www.neubasel.ch Konzerte: Di 1./8.2. sowie Mi 2./9.2., Bird’s Eye u S. 41, www.natur.ch, www.muba.ch und Fr 4./11.2., Kulturscheune Liestal u S. 53 www.kammerorchesterbasel.com u S. 41 www.maedchenkantorei.ch u S. 39 Das ganze Programm unter www.diagonales.ch www.literaturhaus-basel.ch www.schreibzeitschweiz.ch www.tinguely.ch Asmin Sextet 12 | ProgrammZeitung | Februar 2011
Rock-Hits im Orchestergewand a l f r e d z i lt e n e r Lovebugs, (v.l.n.r.): Die Lovebugs spielen Eigenes zusammen mit dem mit den Stimmführern des Orchesters: Ein ganz schöner Florian Senn, Sinfonieorchester Basel. Moment sei das gewesen, Emery sei es gelungen, Ängste Thomas Rech- berger, Adrian Gemeinsam mit einem Orchester aufzutreten sei schon und Vorbehalte abzubauen und die Orchestermitglieder für Sieber, Simon lange ein Wunsch der Lovebugs gewesen, erzählt Adrian das ungewöhnliche Projekt zu begeistern. Die Reaktionen Ramseier, Sieber, der Sänger der international erfolgreichen Basler seien jedenfalls sehr positiv ausgefallen. Stefan Wagner Foto: Tabea Band. Eine Anfrage der Konzertgesellschaft Basel hat den Auch für die Rockmusiker ist vieles neu. Erstaunt hat Sieber Hüberli Stein ins Rollen gebracht, und so geben nun die fünf Rock- etwa, dass schon in der ersten gemeinsamen Sitzung der musiker gemeinsam mit dem Sinfonieorchester Basel (SOB) Dresscode für das Orchester festgelegt wurde – «wir kom- im Musiksaal des Stadtcasinos drei (inhaltlich identische) men doch so auf die Bühne, wie wir gerade sind», wundert Konzerte. Es sei für sie «eine grosse Ehre und eine grosse er sich. Ungewohnt ist auch, dass es einen Dirigenten gibt, Freude», kommentiert Sieber. «einen Aussenstehenden, der sagt, wann die Musik beginnt Auf dem Programm stehen Songs der Lovebugs, arrangiert und wann sie endet». Ungewohnt ist aber vor allem, dass vom Berner Filmkomponisten Moritz Schneider. Er nimmt die Rockmusiker nicht wie sonst bei ihren Auftritten impro- die Stücke auseinander, instrumentiert und kombiniert sie visieren können, sondern nach Noten spielen müssen – und neu, ergänzt und kontrastiert sie mit bekannten Motiven in diesem Programm gibt es keine aleatorischen Passagen, des grossen Orchesterrepertoires. So entsteht ein über alles ist durchkomponiert. Die Band hat daher schon lange raschungsreiches Programm, in dem die Hits der Band vor dem SOB zu proben begonnen; ein Computerprogramm neu und ungewohnt klingen. Ein Song wird z.B. nur von simulierte dabei die Orchesterpassagen. einem Streichquartett begleitet, bei anderen wird das Auch sonst ist das Projekt sehr aufwändig. Nicht nur wer- ganze Klangpotenzial eines gross besetzten Orchesters aus- den die Musiker elektronisch verstärkt, auch die technische gereizt, und auch die grosse Orgel im Musiksaal kommt Ausrüstung für die Light-Show, die das rund 90-minütige zum Einsatz. Programm ergänzt, muss eigens installiert werden. Auf das Ungewohnte Gepflogenheiten. Dirigent der drei Abende Resultat darf man gespannt sein. ist der junge Engländer Robert Emery, der bereits ähnliche Konzerte Lovebugs und Sinfonieorchester Basel: Crossover-Konzerte geleitet hat. Sieber schwärmt vom Elan Fr 4.2., 20 h, sowie Sa 5.2., 15.30 und 20 h, Stadtcasino Basel Emerys und von seiner Fähigkeit, zwischen den doch sehr Vorverkauf: Konzertkasse Stadtcasino und www.starticket.ch unterschiedlichen Welten eines Sinfonieorchesters und Ausserdem: Reihe: ‹Willkommen Basel›, Streifzüge durch die Popkultur, in Kooperation mit dem RFV: Do 3., 17. und 24.2., 20.30, K6, Theater Basel einer Band zu vermitteln. Er erzählt vom ersten Treffen Februar 2011 | ProgrammZeitung | 13
International und diskursiv ja n a u l m a n n Alias / Guilherme Botelho, ‹Sideways Rain› © Jean-Yves Genoud Die ‹TanzTage Basel 11› geben Einblick in das und bildende Künstlerin La Ribot ist der Raum ebenfalls ein aktuelle Tanzschaffen. wichtiger Mitspieler, aber bei ihr sieht sich das Publikum Für die sechste Festivalausgabe der Basler Tanztage haben im Stück ‹llámame Mariachi› mit medial vermittelter Fülle das Theater Roxy in Birsfelden und die Kaserne Basel ein und mit der Frage konfrontiert, wie Choreografie auf unter- Programm zusammengestellt, das herausragende Profis schiedliche Körper und Materialitäten wirkt. der zeitgenössischen Schweizer Tanzszene und zugleich Die Frage nach der Konstruktion von Identitäten ist im Tanz spannende internationale Positionen zeigt. ein Dauerbrenner. An den ‹TanzTagen Basel 2011› entzündet Den Auftakt machen der brasilianische Choreograf Guil- sich diese Frage am Geschlecht (Beatrice Fleischlin und herme Botelho und seine Genfer Compagnie Alias. Im neu- Anja Meser), an Traditionen (Les Slovaks) und an der en Stück ‹Sideways Rain› setzt die Truppe, die bekannt ist Künstlerbiografie selbst. Der Franzose Jérôme Bel arbeitet für aberwitziges traumwandlerisches Tanztheater, auf pure seit dem Jahr 2004 an einem Biografienzyklus. Fünf magi- Bewegung: 15 Tänzerinnen und Tänzer treiben von links sche Porträts von Tanzenden sind so schon entstanden. Das nach rechts über die Bühne – ein endlos wirkender, dau- letzte Porträt handelt von ‹Cédric Andrieux›, der jahrelang ernd variierender soghafter Bewegungsfluss als vielfach in der Merce Cunningham Dance Company getanzt hat. deutbare Projektionsfläche. Die Arbeit an den Rändern der Man wünscht sich von den diesjährigen Tanztagen, dass sie Tanzkunst treibt viele Choreografinnen und Tänzer an. werden, was in ihnen angelegt ist: ein Anziehungspunkt Kaum eine Produktion des zeitgenössischen Tanzschaffens, für ein kunstinteressiertes und diskussionsfreudiges Publi- die nicht auch den Tanz an der Schnittstelle zu anderen kum unterschiedlichster Provenienz. Kunstformen auslotet. ‹TanzTage Basel 2011›: Mi 2. bis So 13.2., Kaserne Basel und Theater Roxy, Vorbild Kunst. Strategische Anleihen aus der bildenden Birsfelden u S. 43, 50/51 Kunst stehen oft im Zentrum dieses Suchens nach neuen Ausserdem: ‹Tourm – ein Festival für Tanz, Musik, Literatur, Licht und Formen. Performative Arbeitsweisen oder die installative Kunst›: Di 15., Do 17. bis So 20.2., Do 24. und Fr 25.2., 20 h, Alchemieraum im Werkraum Warteck pp, Burgweg 7–15. Die nomadisier. Veranstalter Erforschung des Raums machen den tanzenden Körper und seine Möglichkeiten immer wieder neu sichtbar. Die ‹Tanzball› mit Gesellschaftstänzen des 16../17. Jh., Tanzmeisterin Véronique Daniels, Tanzmusikensemble der Allg. Schule der Schola Cantorum Westschweizerin Cindy van Acker zeigt mit ihren beiden Basiliensis: Sa 5.2., 19 h, Musik-Akademie, www.scb-basel.ch Solos ‹Obvie› und ‹Obtus›, die einer Reihe von sechs Solos für Tänzerinnen entstammen, tanzende Körper in minima- listischen Raumkonzepten. Für die Choreografin, Tänzerin 14 | ProgrammZeitung | Februar 2011
Blick ins Gehirn a l f r e d z i lt e n e r Ohne Worte Boris Nikitin zeigt einen Theaterabend zu Erkenntnissen der Hirnforschung Abend ‹Universal Export› erarbeitet, der nach der Basler Erstaufführung u.a. im ko- dagm a r bru n n e r und ihren Konsequenzen. produzierenden Hebbel-am-Ufer Berlin, in Skurriles Theaterspiel um letzte Fragen. Von vielen unbemerkt ist die in den letzten Luzern, Bern und Zürich gezeigt wird. Sie erzählen die lebendigsten Geschichten, Jahren boomende Hirnforschung dabei, mit Trip ins Innerste. Der nachdenkliche jun- die verrücktesten Abenteuer, die berührend- ihren Resultaten unser Selbstbild gründlich ge Basler Regisseur, der sich in seinen bis- sten Szenen – ganz ohne verbale Kommunika- in Frage zu stellen. Wo bleibt unsere Auto- herigen Arbeiten mit den Tücken der Wahr- tion, aber mit gekonntem Einsatz verschiede- nomie, unser Selbst, wenn Denken, Fühlen nehmung beschäftigt hat, ist der richtige ner Künste: Masken, Artistik und Clownerie, und Handeln letztlich nur das Resultat neu- Mann für diese Thematik. Seiner Arbeit lie- Schattenspiel, Video und Musik. Das macht ihre ronaler Prozesse in unserem Schädel sind? gen u.a. Gespräche mit VertreterInnen der Produktionen besonders reizvoll und weltweit Wenn die Parkinsonsche Krankheit mit Hirnforschung zu Grunde. Ein Ausgangs- verständlich. Familie Flöz heisst die Truppe in- einem elektronischen Chip geheilt werden punkt für die szenische Arbeit war zudem ternationaler Theaterschaffender, die seit über kann, der ins Hirn implantiert wird, dabei Ridley Scotts Film ‹Blade Runner›, in des- 15 Jahren ein breites Publikum begeistert und aber die Persönlichkeit verändert? Sind wir sen Zentrum Androiden stehen, denen nun mit ihrem Stück ‹Infinita› in Lörrach gas- wirklich verantwortlich für unsere Taten, künstliche Erinnerungen eingepflanzt wur- tiert. Es zeigt ein so komisches wie poetisches wenn diese in Schaltkreisen entstehen, auf den. Ihr Gegenstück ist der Belgier Rom Panorama zwischen Geburt und Tod, in dem das die wir keinen Einfluss haben? Was ist Houbens, der am Locked-in-Syndrom lei- Leben selbst die Hauptrolle spielt. Dabei folgen wahr, wenn das, was wir wahrnehmen det: Seine körperlichen Funktionen sind seit wir der Entwicklung von vier Figuren vom Baby (wahr-nehmen!), nur ein Konstrukt unserer einem Unfall lahmgelegt, nur sein Hirn bis zum Greis und erleben mit ihnen Triumphe Hirnzellen ist? Indem die Hirnforschung arbeitet noch und kann sich durch einen und Abstürze aller Art. Vor allem aber kommt ein Bild vom Menschen als einer Art biolo- Spezialcomputer äussern. man in den Genuss darstellerischer Vielseitig- gisch abbaubarem Computer entwirft, rüt- Die Produktion verbindet dokumentarische keit, die international schon mehrfach ausge- telt sie an den Grundlagen unseres Selbst- Passagen (Bilder, Videos, Auszüge aus Dis- zeichnet wurde. verständnisses und unserer Ethik und kussionen), Spielszenen und – wie immer Familie Flöz entstand aus der Initiative von öffnet die Tür zu noch kaum absehbaren bei Nikitin – improvisierte Conférencen Schauspiel- und Mime-Studenten der Folkwang- Möglichkeiten der Manipulation des Ein- und Dialoge der Darstellenden. Der Spiel- Hochschule Essen, die 1994 anfingen, mit selbst- zelnen durch neue Technologien. raum ist das Gehirn der Zuschauenden, die gebauten Masken zu experimentieren. In einer Noch werden diese Fragen in der breiten Aufführung selbst quasi eine Entäusserung stillgelegten Zeche in Bochum, die sie als Pro- Öffentlichkeit kaum diskutiert. Doch sie dieses Hirns. Und das Publikum soll an die- ben- und Aufführungsraum nutzen durften, sind im Theater angekommen, das in die- sem Abend wahrnehmen, dass und wie es feierten sie ihre ersten Erfolge, und bald schon sem Zusammenhang eine gesellschaftliche etwas wahrnimmt. tourten sie mit viel Zuspruch durch zahlreiche Vorreiter-Rolle einnimmt. So beschäftigt ‹Universal Export›: Fr 25., Sa 26., Mo 28.2. und Länder. Seit 2001 ist Berlin die Basis von Flöz. sich das Theater Freiburg schon länger mit Di 1.3., 20 h, So 27.2., 19 h, Kaserne Basel u S. 43 Das Ensemble aber wechselt mit jeder Produk- dem Thema und hat die laufende Spielzeit tion, die jeweils in einem kreativ-kollektiven mit zwei Projekten dazu begonnen. Und in Prozess entwickelt wird. Die Darstellenden wir- der Kaserne Basel hat Boris Nikitin den v.l.n.r.: Jesse Inman, Beatrice Fleischlin, Malte Scholz ken auch als AutorInnen der Figuren und Situati- Foto: Donata Ettlin onen mit, wobei die charakteristischen Masken Form und Inhalt mitbestimmen. Der Prozess, bis Maske und Spielende ‹eins› und auf der Bühne ‹lebendig› sind, verlangt eine präzise Körper- kunst. Einige Mitglieder von Flöz haben aus ihrem Stil eine eigene Pädagogik entwickelt, die sie auch an Theaterschulen und Universitäten unterrichten. Ihre stummen, leichthändig tief- schürfenden Geschichten sind beredter als man- che verbalen Bühnenerlebnisse. Familie Flöz spielt ‹Infinita›: Do 17.2., 20 h, Burghof, Lörrach u S. 40, www.floez.net Ausserdem: Gardi Hutter zeigt ihr neues Programm ‹Die Schneiderin› (Ko-Autor und Regie Michael Vogel von Familie Flöz): Sa 12.2., 20.15, Kulturraum Marabu, Gelterkinden u S. 54 Februar 2011 | ProgrammZeitung | 15
Schicksalsentscheid an Baselbieter Urnen d om i n iqu e spi rgi ‹Le nozze di Ein Meilenstein in der Kulturpartnerschaft könnte Figaro›, Foto: T+T, Tanja gesetzt werden – oder es droht ein Scherbenhaufen: Dorendorf Mitte Februar wird im Baselbiet über die zusätzlichen Subventionen an das Theater Basel abgestimmt. «Wir haben uns den Zeitpunkt für die Abstimmung nicht ausgesucht», sagt der Direktor des Theater Basel, Georges Delnon. Tatsächlich stimmt die getrübte Finanzlage, über die sich der Kanton Basel-Landschaft im Vorfeld der Thea- terabstimmung zu beklagen hat, die Befürwortenden der Theatervorlage nicht gerade optimistisch. Dem Refe- rendumskomitee aus den Reihen der Baselbieter SVP und FDP bieten die roten Zahlen im Budget nämlich ein will- kommenes Argument, sich einmal mehr ohne schlechtes Gewissen aus der Mitverantwortung für die Zentrumsleis- tung Theater zu stehlen. «Die Verhandlungen mit dem Kanton Baselland laufen seit drei Jahren», so Delnon wei- ter. Die Abstimmung hätte schon vor anderthalb Jahren stattfinden können. «Wir vom Theater Basel haben unsere Hausaufgaben gemacht.» Die Forderung nach einer stärkeren Beteiligung des Basel- biets an den Kosten des Theater Basel ist alt. Im Jahr 2005 setzten die beiden Basler Regierungen diese Frage als ‹Teil- projekt 4 Kultur› konkret auf die Traktandenliste der Part- nerschaftsverhandlungen. 2009 einigten sich die Exeku tiven auf eine Baselbieter Subvention in der Höhe von durchschnittlich 4,25 Millionen Franken pro Jahr – dies zusätzlich zu den bisherigen vier Millionen aus der Kultur- vertragspauschale. Ende 2010 segnete der Landrat diese Subventionen mit einem überraschend deutlichen Mehr ab, wogegen die SVP, mit tatkräftiger Hilfe aus den Reihen Spielplan hatten die wiederholten Sparrunden Einschnitte der FDP, wenig überraschend das Referendum ergriff. zur Folge: «Einst konnte das Theater Basel neun Opern pro Sparen zeitigt Spuren. Die lange Zeit der Ungewissheit Saison anbieten, heute sind es noch sechs.» hat das Leben des Theaterdirektors und seines Teams nicht Mehrwert schaffen. Der Theaterdirektor betont aber, dass eben erleichtert. «Aber wir haben sehr gut gewirtschaftet», es nicht in erster Linie darum geht, mit den zur Debatte sagt Delnon. Die Publikumszahlen steigen, und trotz den stehenden neuen Subventionsgeldern aus dem Baselbiet einschneidenden Subventionskürzungen aus Basel-Stadt Löcher im vorhandenen Budget zu stopfen. «Die zusätz hat es das Dreispartenhaus geschafft, zweimal hintereinan- lichen Gelder würden es uns erlauben, einen qualitativ der von einer internationalen Fachjury zum ‹Opernhaus des wahrnehmbaren Mehrwert zu schaffen», sagt er. Konkret Jahres› gewählt zu werden – eine Auszeichnung, die auch spricht Delnon von einem Ausbau der Jugendarbeit und finanziell sehr viel besser ausgestattete Häuser in dieser Theaterpädagogik, von weiteren Auftritten auf Baselbieter Kontinuität nicht erreichten. Boden und von der Verantwortung, welche die Leitinstitu- Oberflächlich gesehen befindet sich das Dreispartenhaus tion Theater Basel auch für andere, weniger etablierte Kul- also auch ohne zusätzliche Gelder aus dem Baselbiet auf turinstitutionen wahrnehmen möchte. Nicht zuletzt haben gutem Kurs. Warum dann der Wunsch nach mehr Geld? der Theaterdirektor und sein Team auch konkrete zusätz «Natürlich kann man auch mit weniger Geld anständiges liche Bühnenprojekte in der Hinterhand. Mehr möchte er Theater machen», sagt Delnon. Aber auf die Dauer lasse dazu vor der Abstimmung aber nicht sagen. sich das hohe qualitative Niveau so nicht halten. Auch die Namen der Kandidierenden für die Nachfolge der Diese Argumente kommen einem bekannt vor. Über zwan- zurücktretenden Spartenleiter Oper und Schauspiel möch- zig Jahre ist es her, seit die Subventionen für das grösste te Delnon noch nicht bekanntgeben: «Selbstverständlich Dreispartenhaus der Schweiz zum letzten Mal erhöht wur- spielt die finanzielle Ausstaffierung des Theaters bei der den. Mitte der Neunzigerjahre und 2003 hat der Kanton Wahl der Spartenleiter eine wesentliche Rolle», sagt er. Basel-Stadt die Sparschrauben zweimal empfindlich ange- Aber über Negativszenarien will der Theaterdirektor nicht zogen. Und diese Kürzungen haben durchaus Spuren hin- sprechen: «Die Baselbieter Stimmberechtigten haben die terlassen: «Ich muss mit deutlich weniger Sängerinnen und Chance, das Theater, das auch das ihre ist, attraktiv und Schauspielern auskommen als meine Vorgänger», sagt spannend zu erhalten.» Delnon. Und auch bei der Anzahl der Produktionen im Baselbieter Theater-Abstimmung: So 13.2. 16 | ProgrammZeitung | Februar 2011
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