Rauchen ist out Dampfen istin - proJugend
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4 proJugend 3/2021 R au ch en ist o ut Da m p f e n i st i n ?? Konsum und Attraktivität „alternativer“ Tabakerzeugnisse bei Jugendlichen von Jochen Vukas und Tobias Rüther Angesichts sinkender Absatzzahlen für Tabakzigaretten wird die Tabakindustrie kreativ: angeblich weniger schädliche Ersatzerzeugnisse fluten den Markt und zielen auf jugendliche Experimentier- freude. Was ist dran an den „Alternativen“ und wie funktionieren sie? Aus Sicht der Spezialambulanz für Tabakabhängigkeiten zeigen die Autoren auf, dass Ersatzpro- dukte für schwer abhängige Erwachsene Schaden begrenzen können. Ob das auch für Jugendliche in der „Probierphase“ gilt, ist zumindest zweifelhaft. Die klassische Zigarette ist auf dem Rückzug. Unter den Anteil Nie-Rauchender unter den Jugendlichen ist mit Erwachsenen sinkt der Anteil Rauchender in Deutsch- über 85 % so hoch wie noch nie. Für uns in Deutsch- land seit vielen Jahren und liegt je nach Quelle irgendwo land ist das eine erfreuliche Nachricht – doch nur auf zwischen 20 % und 25 %. Ebenso sinkt der Anteil an den ersten Blick. Denn zum einen erfolgten Maßnah- Raucherinnen und Rauchern in der Altersgruppe 12 men und staatliche Regularien zur Tabakkontrolle im bis 17 Jahre. Lag hier der Anteil im Jahr 2001 noch bei Vergleich zu anderen Ländern wie Großbritannien oder 28 %, so lag er 2019 bei nur 7,2 % – Tendenz weiterhin Österreich deutlich langsamer. Zum anderen finden sinkend. Unter den 18- bis 25-Jährigen rauchten 2001 sich neben der klassischen Tabakzigarette immer mehr rund 45 %, 2019 lediglich 28,8 %. Tendenz: ebenfalls alternative Produkte des Tabak- und Nikotinkonsums sinkend (Orth, B. & Merkel, C. 2020). Bestrebungen zur auf dem deutschen Markt. Und sie erfreuen sich zu- Reduktion des Tabakkonsums tragen Früchte und zei- nehmender Beliebtheit, insbesondere bei Jugendlichen gen, dass man sich auf dem richtigen Weg befindet. Der und jungen Erwachsenen.
proJugend 3/2021 5 Besonders begehrt: E-Zigaretten in unterschiedlichsten Variationen. Die Tabakindustrie zeigt sich äußerst kreativ. So sind seit 2016 neben den Liquid verdampfenden E-Zigaretten auch zwei gänzlich neue Arten des Tabak- bzw. Nikotinkonsums auf dem deutschen Markt erhältlich: die sogenannten Tabakerhitzer. Tabak- konzerne mischen zunehmend auch außerhalb ihres Kernmarktes mit und kaufen weltweit Unternehmen aus dem Bereich der E-Zigaretten auf oder steigen durch eigene Erfin- dungen in diesen Markt ein. Unter den Tabak- und Nikotinprodukten haben sich – neben der nach wie vor verbreiteten Tabakzigarette – Shishas, E-Zigaretten und Tabaker- Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse hitzer durchgesetzt. (https://www.bvl.bund.de) bracht und erlebte von dort aus ihre Renaissance. Der Pharmakologe Hon Lik wollte damals das Bedürfnis Ursprung und Geschichte von Rauchern mit denen von Nichtrauchern so gut Die Geschichte der Shisha („Wasserpfeife“ oder auch es ging zusammenbringen und erschuf 2001 eine an- „Hookah“) reicht weit zurück in die Vergangenheit. geblich weniger schädliche Alternative zur klassischen Über den genauen Ursprung gibt es keine belegbaren Zigarette. Nach Anerkennung des internationalen Aussagen. Es wird vermutet, dass sie vom nördlichen Patents im Jahre 2007 und der stetigen Expansion ins Indien oder Iran aus ihren Weg in die Welt fand. Damals Ausland wurde sie bald in der ganzen Welt verkauft. noch mit Kokosnuss und Bambusrohr ausgestattet Mittlerweile gibt es unzählige Hersteller von E-Zigaret- wurde sie um das 16. Jahrhundert in Ägypten in der ten sowie eine noch größere Zahl von Firmen, die das uns heute bekannten Form erschaffen. Von dort bahnte zur Nutzung nötige Liquid verkaufen. sie sich ihren Weg durch die arabische Welt und fand erst zum Ausklang des 20. Jahrhunderts auch in Europa ihre Abnehmenden. Die Shisha galt von Beginn an als Besondere Faszination Bestandteil einer Gemeinschaftskultur des Fernen für Jugendliche Ostens. Heutzutage wird die Shisha zwar auch vor dem Hintergrund gemeinschaftlicher Anlässe genutzt, Die alternativen Tabak- und Nikotinprodukte wie E- findet sich jedoch insbesondere in Europa als Modeer- Shisha, E-Zigaretten und Tabakerhitzer üben eine gro- scheinung auch in vielen Lokalitäten (z. B. Shisha-Bars), ße Faszination auf junge Menschen aus. Steht bei wo sie eher als Lifestyle-Produkt ihre Aufgabe erfüllt erwachsenen Menschen mehr der gesundheitliche (Haidorf 2013). Gedanke einer weniger schädlichen Alternative im Deutlich später ist die E-Zigarette entstanden – den- Vordergrund, so sind es bei jungen Menschen eher die noch früher als viele vermuten würden. Denn sie wurde Lifestyle-Komponente, der Spaß und die Neugier, die tatsächlich bereits in den 60er Jahren vom Amerikaner den Reiz ausmachen (Kotz, Kastaun 2018). E-Zigaretten H.A. Gilbert erfunden. Sie konnte sich zunächst jedoch sind bzgl. Aufbau und Funktionsumfang sehr vielfältig, nicht auf dem Markt behaupten. Spekulationen warfen können personalisiert werden, sind verwendbar mit den schon damals in den Raum, dass die Tabakindustrie ihr unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen sowie Ni- Flaggschiff – die klassische Tabakzigarette – und somit kotinkonzentrationen und entsprechen generell auch ihre Umsätze bedroht sah und eine Vermarktung dem modernen technischen Gedanken der heutigen der E-Zigarette verhinderte. Erst um die Jahrtausend- Jugend. Einen großen Einfluss auf die öffentliche Wahr- wende wurde sie in China erneut auf den Markt ge- nehmung bei jungen Menschen und die steigende
6 proJugend 3/2021 Beliebtheit von alternativen Nikotin- und Tabakpro- würde im Mund und Rachen unangenehm brennen dukten üben Social-Media-Kanäle wie Instagram und oder auch zu Husten führen. Zusatzstoffe verhindern Youtube aus. (Sapru et al., 2020, Lorenzo-Blanco 2021; also auch unangenehme Effekte. Außerdem finden Jackson et al. 2018). Dass diese digitalen Medien einen Aromen wie Kakao Anwendung, um der Zigarette immensen Einfluss auf Akzeptanz und Konsum bei einen entsprechenden Geschmack zu verleihen. jungen Menschen ausüben, wird in bemerkenswerter Bei klassischen Shishas kommen vor allem Zucker, Weise an der E-Zigarette JUUL deutlich. In den USA Feuchthaltemittel und Aromen zum Einsatz, die rund führte die Markteinführung dieses Produktes zu einem 70 % des Shishatabaks ausmachen. Beim Lesen der bisher nicht gekannten Hype – und zu dem traurigen Zutatenliste würde man nicht unbedingt annehmen, Ergebnis, dass in den USA die meisten Jugendlichen dass die Ingredienzen gesund seien. Aber dass sie schon einmal diese E-Zigarette ausprobiert haben und gesundheitsschädlich sein könnten, eben auch nicht. knapp 30 % aller Teenager dauerhafte E-Zigaretten- Tatsächlich sind sie es, da sie erhitzt oder verbrannt Nutzer wurden. Was folgte, war eine Welle an Klagen werden. So wird z. B. Zucker je nach Temperatur beim und medialen Schlachten um die gesundheitlichen Verbrennen in hoch krebserregende Bestandteile Auswirkungen von E-Zigaretten auf Kinder und Jugend- wie Acrylamid, Acetaldehyd oder auch Formaldehyd liche. Den europäischen und deutschen Gesetzen ist gespalten. Formaldehyd wird zum Beispiel beim Kon- es zu verdanken, dass diese Welle nicht in derselben servieren von Leichen oder bei der Herstellung von Härte bei uns angekommen ist. Farbstoffen verwendet. Gesetzliche Grundlagen zum Konsum Tabakerhitzer erzeugen laut unabhängigen Studien im von E-Zigaretten und E-Shishas Vergleich zur klassischen Zigarette deutlich weniger Seit 2016 sind neben Tabakzigaretten auch E-Zigaret- solcher Schadstoffe sowohl bezüglich der Anzahl als ten sowie E-Shishas durch das Jugendschutzgesetz in auch der Konzentration (Mallock et al. 2018). Ob sie das Verkaufsverbot eingeschlossen. Die Aussage ist tatsächlich weniger gesundheitsschädlich sind, wird unmissverständlich: Kein Verkauf an unter 18-Jährige man mit Langzeitstudien herausfinden müssen. und kein Konsum bei unter 18-Jährigen (BMFSFJ, Aktuelle Meldung 2016). Auf rechtliche Aspekte wird Kautabak wird, wie der Name sagt, zum Kauen ver- in einem nachfolgenden Artikel näher eingegangen wendet oder in Form von mit Tabak, Nikotin und Aro- (s. Beitrag von Julia Seidel, Seite 15). mastoffen gefüllten kleinen Beutelchen, die im Mund belassen werden, konsumiert. Dadurch werden Ta- bak und Nikotin sowie weitere Inhaltsstoffe über die Mundschleimhäute vom Körper aufgenommen und Funktionsweise und Inhaltsstoffe entfalten so ihre Wirkung. In Deutschland ist Kautabak Den meisten neueren alternativen Tabak- und Nikotin- bei jungen Menschen wenig verbreitet. produkten ist gemein, dass sie weniger schädlich sein wollen als herkömmliche Tabakprodukte wie zum Bei- Produkte ohne Tabak spiel die Zigarette oder die klassische Shisha. Trifft dies Beim Gebrauch von E-Zigaretten und E-Shishas ist eine zu? Ja und nein. Denn alle Produkte verwenden Stoffe, Flüssigkeit („Liquid“) nötig, die durch Hitzeeinwirkung die mindestens als gesundheitsbedenklich gelten oder verdampft bzw. vernebelt und dann direkt inhaliert deren Auswirkung auf die Gesundheit nicht vollends wird. Das Liquid enthält Propylenglykol, Glyzerin und geklärt ist. Hinzu kommen gesundheitsgefährdende Aromen. Nikotin wird den E-Zigaretten meistens Stoffe, die aus den Grundstoffen während des Ge- ebenfalls beigemischt. Beim Verdampfen werden im brauchs durch Erhitzungs- und Verbrennungsprozesse Vergleich zur Tabakzigarette deutlich weniger Schad- entstehen. Durch unsachgemäßen Gebrauch können stoffe produziert und somit auch weniger schädliche weitere gesundheitsgefährdende Stoffe entstehen. Stoffe inhaliert. Es gibt Studien mit unterschiedlichen Aussagen bezüglich gesundheitsgefährdender Stoffe Produkte mit Tabak beim Gebrauch von E-Zigaretten. Einige Studien gehen Der klassischen Tabakzigarette können 500 Zusatz- davon aus, dass E-Zigaretten und E-Shishas deutlich stoffe, die bis zu 10 % des Zigarettentabaks ausma- weniger schädlich sind als andere inhalative Tabakpro- chen dürfen, beigemischt werden. Warum? Weil es das dukte wie Zigarette, Shisha (Wasserpfeife) oder auch Raucherlebnis attraktiver macht. Eine Zigarette ohne Tabakerhitzer (z. B. IQOS) (Löhler, J. and B. Wollenberg Zusatzstoffe zu rauchen wäre für viele unerträglich, 2019). Gefährlich wird es für die Gesundheit, sobald
proJugend 3/2021 7 alles Liquid im Tank der E-Zigarette aufgebraucht ist zern und E-Zigaretten sowie E-Shishas (Stiftform). Zur und weitergedampft wird. Bei diesem sogenannten Schädlichkeit von Nikotinbeuteln werden wir in näherer Trockendampfen werden Bestandteile der zur Ver- Zukunft mehr wissen. dampfung eingebauten Spule („Coil“) erhitzt und so Letztendlich ist keines der Produkte für einen unbe- die daraus entstehenden krebserregenden Stoffe wie denklichen Konsum zu empfehlen. Alle haben Sie zum Beispiel Nickel inhaliert. E-Zigaretten mit durch gewisse negative Auswirkungen auf die Gesundheit. den Hersteller vorgefüllten Kartuschen (sogenannte Pod-E-Zigaretten, z. B. JUUL) bergen diese Gefahr kaum. Prävalenzen und Verbreitung Seit einigen Jahren ist ein anderes Produkt in Deutsch- Es kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil land auf dem Vormarsch: der tabakfreie Nikotinbeutel Zigaretten rauchender Erwachsener in den nächsten (auch bezeichnet als „Nikotinpouch“). Dieser kleine Jahren bei unter 20 % liegen wird. Gleichzeitig wird weiße Beutel aus dem Bereich der Kautabake enthält erwartet, dass der Konsum von E-Zigaretten steigen aromatisierte Pflanzenfasern und wird üblicherweise wird. Unter allen Tabak- und Nikotinprodukten, die aus- mit Nikotin versetzt. Nikotinbeutel entstammen dem probiert werden, hat die klassische Shisha (Wasser- schwedischen Snus (dieser hingegen enthält Tabak) pfeife) mit rund 65 % den größten Anteil, gefolgt von und sind in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen E-Zigaretten mit rund 33 %. Der dauerhafte Konsum und Stärken erhältlich. Am beliebtesten sind Minze- von Shisha erfährt seinen Höhepunkt bei den 18- bis oder Mentholvarianten. Nikotin wird hier also nicht 25-Jährigen (Anteil rund 16 %), nur wenige bleiben hän- inhaliert, sondern über die Schleimhäute im Mund gen und nutzen Shishas auch noch in späteren Jahren aufgenommen. In Deutschland sind sie aktuell nicht (rund 4 %). Die klassische Shisha scheint also eher in allen Bundesländern für den Verkauf zugelassen. ein Produkt des Ausprobierens zu sein, das Interesse In Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Risi- daran verliert sich mit steigendem Alter. kobewertung (BfR) Berlin führt die Spezialambulanz für Tabakabhängigkeit des LMU Klinikums München Betrachtet man E-Zigaretten, so nutzen 1,7 % aller aktuell eine Studie durch, um u. a. suchtmedizinische Jugendlichen, die die E-Zigarette einmal ausprobiert und toxikologische Aspekte tabakfreier Nikotinpouches haben, diese auch dauerhaft. Tabakerhitzer sind bei zu untersuchen. Das Ergebnis wird mit großer Span- jungen Menschen unter den drei verbreitetsten Alter- nung erwartet. Vermutlich wird in Zukunft mehr über nativen am wenigsten beliebt. In Deutschland konsu- Nikotinbeutel zu lesen sein. mieren rund 0,7 % aller Personen bis 25 Jahre IQOS oder Glo. Tabakerhitzer werden also überwiegend Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass von Erwachsenen genutzt (Schaller K. et al. 2020). nach aktueller Studienlage die klassische Tabakzigaret- Aussagen zur Verbreitung und dem Konsum von Ni- te unter allen bekannten Tabak- und Nikotinprodukten kotinbeuteln sind nicht zuverlässig und noch sehr am schädlichsten ist, gefolgt von Shisha, Tabakerhit- vage (geschätzt < 0,3 %). Es gibt hierzu keine unab- Rauchen und Nie-Rauchen bei männlichen Rauchen und Nie-Rauchen bei 18- bis 25-jährigen und weiblichen 12- bis 17-jährigen Jugendlichen jungen Männern und Frauen 1973 – 2019 1979 – 2019 (Orth, B. & Merkel, C., 2020)
8 proJugend 3/2021 Vorteile von E-Zigaretten und Tabakerhitzern? Haben E-Zigaretten und Tabakerhitzer auch etwas Gutes? Die Antwort lautet: für junge Menschen nein! Es entstehen zwar weniger Schadstoffe als bei Tabak- zigaretten, aber sie entstehen. Und es gibt bisher keine Studien, die die gesundheitlichen Auswirkungen von E-Zigaretten und Tabakerhitzern bei einem langfristigen Konsum untersucht haben, weil es diese Produkte noch nicht so lange gibt wie z. B. die Tabakzigarette, bei der eine Vielzahl von Langzeitstudien die Schädlichkeit nachweisen konnte. Gründe für einen Einsatz von E-Zi- garetten finden sich nur in der Tabakentwöhnung. Den- jenigen Menschen, die trotz häufiger Aufhörversuche Lebenszeit- und 30-Tage-Prävalenzen des Konsums von nicht rauchfrei sind, kann der Einsatz von E-Zigaretten Tabak-Zigaretten, Wasserpfeifen, E-Zigaretten, E-Shishas möglicherweise helfen. Ebenso kann ein Umstieg auf und Tabakerhitzern 2019 (Orth, B. & Merkel, C., 2020) die E-Zigarette Menschen mit einer Lungenerkrankung, z. B. schwere chronisch-obstruktive Lungenerkrankung hängigen und offiziellen Daten. Es scheint so, als seien (COPD) helfen, das Fortschreiten dieser Erkrankung zu Nikotinbeutel auch in der Schweiz und im österreichi- verhindern. Aber bei all den Empfehlungen sprechen schen Raum auf dem Vormarsch. wir von kranken und seit langem tabakabhängigen Der Konsum von Wasserpfeifen, E-Zigaretten, E-Shi- Menschen. Für Jugendliche gilt das nicht. Dass auch shas und Tabakerhitzern unterscheidet sich je nach Bil- junge Menschen aufgrund von E-Zigarettenkonsum dungsniveau. Die Konsumprävalenzen der 12- bis 17- erkranken können, zeigte eine US-Studie im American jährigen Jugendlichen, die das Gymnasium besuchen, Journal of Respiratory and Critical Care Medicine. Diese sind niedriger als die der anderen Jugendlichen. Unter kam zu dem Ergebnis, dass Jugendliche, die regelmäßig jungen Erwachsenen mit (Fach-)Hochschulreife ist E-Zigaretten rauchten, doppelt so häufig an Bronchitis die Erfahrung mit E-Zigaretten und E-Shishas (Le- erkrankten wie Nichtraucher (McConnell 2016). Die benszeitprävalenz) geringer verbreitet als unter jun- Frage ist nur, ob diese Jugendlichen – gäbe es die E-Zi- gen Erwachsenen ohne (Fach-)Hochschulreife. garette nicht – sonst Tabakzigarette rauchen würden. Wäre das der Fall, so stellte sich die E-Zigarette im Ver- Unterschiedliches Konsumverhalten bei gleich ganz sachlich gesehen als weniger schädliches Jungen und Mädchen Produkt dar. Auch hierzu sind weitere Studien nötig. Sowohl beim Konsum von Tabakprodukten als auch von E-Zigaretten gibt es Geschlechtsunterschiede. So ist bei Schülern und jungen Männern das Aus- Wirtschaftliche Aspekte probieren und der Konsum von E-Zigaretten und Tabakprodukten grundsätzlich weiter verbreitet als E-Zigaretten werden nicht für sich in einer separaten bei Schülerinnen und jungen Frauen. Der Grund liegt Steuerart erfasst. Somit finden sich zu E-Zigaretten hier möglicherweise in der größeren Bereitschaft des kaum Zahlen bezüglich Marktanteilen und Verkauf. männlichen Geschlechts zum Risikoverhalten und zum Eine verlässliche Aussage ebenso wie ein Vergleich zu Ausprobieren (Orth, B. & Merkel, C. 2020). Einzig bei Tabakzigaretten ist also kaum möglich. Tabakerhitzern zeigt die Statistik, dass in der Gruppe Allgemein betrachtet ist es so, dass der Umsatz von der 12- bis 25-Jährigen mehr Mädchen und Frauen zum E-Zigaretten stark gestiegen ist und auch weiterhin Produkt greifen als Jungen und Männer (Schaller K. et zunimmt. In Deutschland sind die führenden Unter- al. 2020, Kotz, D. and S. Kastaun 2018). Eine Erklärung nehmen für E-Zigaretten und Liquids: Joyetech, SC und hierfür ist in den entsprechenden Berichten nicht zu XEO. Gab es zu Beginn des expansiven Verkaufs noch finden. Möglicherweise wird die Langzeitstudie DEBRA viele kleine Unternehmen, so werden diese fortlaufend (Deutsche Befragung zum Rauchverhalten, Heinrich- durch die großen Tabakkonzerne aufgekauft. Zu diesen Heine-Universität Düsseldorf) zukünftig Aufschluss Konzernen gehören Reemtsma (Produkt: myblu), JTI darüber geben können. (Logic Compact) sowie BAT (Vuse).
proJugend 3/2021 9 Auch Tabakerhitzer und die zugehörigen Tabaksticks Nikotinprodukten zu greifen. Protektive Faktoren in- verkaufen sich immer mehr, wenn auch nicht im selben nerhalb der Familie, wie zum Beispiel eine problemlose Umfang wie E-Zigaretten. Auch hier wird der Markt in und behütete Kindheit, haben einen positiven Effekt. Deutschland von zwei großen Konzernen bestimmt: Bestrafende oder negativ-assoziierte Maßnahmen Philip Morris mit IQOS und British American Tobacco von Seiten der Eltern sind hierbei nicht zielführend. mit Glo. Förderlich ist die aktive, nicht wertende und nicht Der Konsum von (Wasser-)Pfeifentabak lag 2019 bei vorwurfsvolle Auseinandersetzung und Aussprache 4.150 Tonnen und stieg 2020 erneut stark auf dann zum Konsum von E-Zigaretten (Parks et al. 2016). 5.989 Tonnen an. Das ist ein Plus von 44,3 % gegen- über dem Vorjahr. Daraus ergeben sich Steuereinnah- Aufgrund der steigenden Beliebtheit ist es zwingend men für den Staat in Höhe von 14,6 Mrd. EUR, die erforderlich, durch staatliche Maßnahmen dem Ge- höchste Einnahmeklasse nach der Energiesteuer. Zum brauch und der Verbreitung alternativer Produkte bei Vergleich: Die Steuereinnahmen aus Alkoholverkäufen jungen Menschen präventiv und interventionell zu betrugen 2020 nur 0,7 Mrd. EUR. begegnen. Auch im Bereich der Jugendarbeit – z. B. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten, die auf das in Schulen – sind Maßnahmen zur Aufklärung hilfreich Rauchen zurückgehen, belaufen sich in Deutschland und wünschenswert. Die Einbindung von Eltern ist jährlich auf 97,24 Milliarden Euro. Die direkten Kosten besonders wichtig, da ihnen für das Risiko zum Kon- (z. B. Kosten für die Behandlungen tabakbedingter sum ihrer Kinder eine entscheidende Rolle zukommt. Krankheiten, Arzneimittel etc.) des Tabakkonsums be- Gibt es Chancen? Haben die sogenannten alterna- trugen 2019 rund 30 Milliarden Euro. Auf die indirekten tiven Produkte auch etwas Gutes? Für Kinder und Kosten (z. B. Produktivitätsausfälle) entfielen fast 67 Jugendliche ganz klar: nein. Am besten ist es, Kinder Milliarden Euro (Schaller, K. et al 2020). und Jugendliche beginnen erst gar nicht mit dem Konsum. Das oft und insbesondere in der Werbung gebräuchliche Wort „alternativ“ suggeriert ein besse- res oder weniger schädliches Produkt. Aber über die Zukunftsperspektive langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen ist nicht Es ist davon auszugehen, dass der Konsum von Ta- sehr viel bekannt. Diese alternativen Produkte bleiben bakzigaretten weiter zurückgehen und gleichzeitig der wohl, was sie sind: nicht gesund. Konsum von alternativen Tabak- und Nikotinprodukten zunehmen wird – insbesondere der Konsum von E- Zigaretten. Gerade durch den zunehmenden Einstieg Literatur & Links großer Konzerne und den damit einhergehenden BMFSFJ – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen aggressiven und überwiegend auf Emotionen und Life- und Jugend: Aktuelle Meldung. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/ aktuelles/alle-meldungen/e-zigaretten-und-e-shishas-gesetz-zum- style basierenden Marketingstrategien ist zu erwarten, schutz-von-kindern-und-jugendlichen-tritt-in-kraft-90264 dass sich immer mehr Kinder und Jugendliche dem (Abgerufen am 12.04.2021) Gebrauch von E-Zigaretten und Co. zuwenden werden. Kotz, D. and S. Kastaun: E-cigarettes and heat-not-burn pro- ducts: representative data on consumer behaviour and associated Präventions- und Interventionsmaßnahmen auch für factors in the German population (the DEBRA study). In: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheits- „Alternativprodukte“ schutz 61(11): 1407 – 1414 (2018). Es gibt viele Faktoren, welche das Risiko erhöhen, zur Löhler, J. and B. Wollenberg: Are electronic cigarettes a E-Zigarette, E-Shisha oder zum Tabakerhitzer zu grei- healthier alternative to conventional tobacco smoking?. European fen. Das Risiko, diese Produkte zu konsumieren, ist Archives of Oto-Rhino-Laryngology 276(1): 17 – 25 (2019). insbesondere dann höher, wenn Eltern rauchen oder Orth, B. & Merkel, C.: Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2019. Rauchen, Alkoholkonsum dampfen (Gilman, S. E. et al. 2009; Cavazos-Rehg, und Konsum illegaler Drogen: aktuelle Verbreitung und Trends. P. et al. 2021). Nicht nur Eltern, sondern auch Freun- BZgA-Forschungsbericht. Köln: Bundeszentrale für gesundheit- dinnen und Freunde spielen eine Rolle. Ebenso wie liche Aufklärung. doi: 10.17623/BZGA:225-DAS19-DE-1.0 (2020). bei Tabakzigaretten ist auch bei E-Zigaretten das Ri- Schaller, K. et al.: Tabakatlas Deutschland 2020. Deutsches siko selbst einmal zu dampfen höher, wenn dies in Krebsforschungszentrum. Heidelberg (1. Auflage 2020). Download: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/ der Peer-Group verbreitet ist (Wang et al. 2018). sonstVeroeffentlichungen/Tabakatlas-Deutschland-2020.pdf Häusliche Probleme und bestehende soziale Probleme Eine vollständige Literaturliste zu diesem Beitrag kann bei bei den Jugendlichen (z. B. Inhaftierung) sind ebenso der Redaktion pro Jugend, Aktion Jugendschutz Bayern e. V., mit einem höheren Risiko verbunden, zu Tabak- und angefordert werden.
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