REFORM DER VERRECHNUNGSSTEUER - Richtige Stossrichtung mit punktuellem Verbesserungsbedarf - files.static-nzz.ch.

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STE U E R N

S T E F A N O E S T E R H E LT
ANDREA OPEL

REFORM DER VERRECHNUNGSSTEUER
Richtige Stossrichtung mit punktuellem
Verbesserungsbedarf
In der Botschaft vom 14. April 2021 schlägt der Bundesrat die ersatzlose Abschaffung
der Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen sowie die Abschaffung der Umsatz-
abgabe auf Sekundärmarkttransaktionen mit inländischen Obligationen vor. Die Stoss-
richtung des Vorschlags ist richtig. Dennoch gibt es in verschiedenen Punkten noch
Ungereimtheiten.

1. EINLEITUNG                                                 besserungspotenzial aufweist (vgl. Ziff. 2). Zinsen aus
Nach geltendem Recht erhebt die Schweiz eine Verrech­         Bankguthaben unterliegen – wie gesagt – nach wie vor
nungssteuer von 35 % auf Zinszahlungen aus Obligationen       (grundsätzlich) der Verrechnungssteuer (Ziff. 5). Die Vor­
(Art. 4 Abs. 1 lit. a VStG) sowie von Bankguthaben (Art. 4    lage sieht zudem vor, die Umsatzabgabe auf inländischen
Abs. 1 lit. d VStG). Verrechnungssteuerfrei bleiben dagegen   Obligationen aufzuheben (Ziff. 6). Ausserdem soll eine ge­
Zinsen auf Einzeldarlehen.                                    setzliche Grundlage für die Entrichtung der Verrechnungs­
   Da die Erhebung einer Quellensteuer vom internationalen    steuer auf Ersatzzahlungen (Manufactured Payments) ge­
Bondmarkt nicht akzeptiert wird, lassen sich verrechnungs­    schaffen werden, was nicht ganz unproblematisch ist (Ziff. 4).
steuerpflichtige Anleihen im Wesentlichen nur auf dem in­     Die Erhebung der Verrechnungssteuer bei kollektiven Ka­
ländischen Markt platzieren. Schweizer Konzerne emittie­      pitalanlagen erfährt nur redaktionelle Änderungen; hier
ren deshalb ihre Anleihen regelmässig über Auslandgesell­     würde sich angesichts der fehlenden DBA-Konformität des
schaften. Um den Schweizer Konzernen die internationale       geltenden Rechts zur Stärkung des Fondsstandorts eine
Platzierung von Inlandemissionen zu ermöglichen, hat der      grundsätzlichere Regelung aufdrängen (Ziff. 3).
Bundesrat am 14. April 2021 die Botschaft zum Bundes­
gesetz über die Verrechnungssteuer (Stärkung des Fremd­       2. ABSCHAFFUNG DER VERRECHNUNGSSTEUER
kapitalmarkts) verabschiedet – und damit einen erneuten       AUF OBLIGATIONENZINSEN
Anlauf zur Reform der Verrechnungssteuer genommen. Im         2.1 Belebung des Emissionsmarkts. Sollte die Vorlage in
Vergleich zur Vernehmlassungsvorlage handelt es sich um       Kraft treten, ist damit zu rechnen, dass inländische Kon­
einen abgespeckten Vorschlag: Der Fokus liegt auf der Stär­   zerne nicht mehr systematisch auf ausländische Konzernge­
kung der Standortattraktivität der Schweiz und nicht mehr     sellschaften ausweichen, um Obligationen zu emittieren, son­
zugleich auf einem Ausbau des Sicherungszwecks der Ver­       dern dies über inländische Gesellschaften tun werden. Dabei
rechnungssteuer. Folglich wird auch der ursprünglich anvi­    dürfte die Emission nicht über die Konzernobergesellschaft
sierte Wechsel vom Quellen- zum Zahlstellenprinzip nicht      selbst erfolgen, sondern über inländische Tochtergesell­
mehr weiterverfolgt.                                          schaften, welche keine Dividendeneinkünfte erzielen. Hin­
   Die Vorlage sieht im Kern die ersatzlose Abschaffung der   tergrund ist, dass die Beteiligungsermässigung, die auf dem
Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen vor. Dieser Vor­    System der indirekten Freistellung basiert, umso geringer
schlag des Bundesrats verdient u. E. Zustimmung, wenn­        und damit die Steuerlast auf den Beteiligungserträgen umso
gleich die Übergangsregelung mit Blick auf die Steueraus­     höher ausfällt, je mehr Finanzierungsaufwand (= Schuld­
fälle und damit die politische Akzeptanz der Vorlage Ver­     zinsen) eine Gesellschaft in ihrer Erfolgsrechnung ausweist.

                            STEFAN OESTERHELT,                                     ANDREA OPEL,
                            RECHTSANWALT,                                          PROF. DR. IUR.,
                            DIPL. STEUEREXPERTE,                                   ORDINARIA AN DER
                            LL.M., PARTNER,                                        UNIVERSITÄT LUZERN
                            HOMBURGER

     AUGUST | 2021 E X P E R T F O C U S                                                                               435
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Würde die Konzernobergesellschaft die Obligationen selbst         Hat ein inländischer Schuldner mehr als 20 Nicht-Bank-
begeben, hätte die Berücksichtigung des Finanzierungsauf­         Gläubiger aus auf einen festen Betrag lautenden Verbindlich­
wands im Rahmen der Beteiligungsermässigung zur Folge,            keiten, liegt eine ebenfalls der Verrechnungssteuer unter­
dass faktisch ein Teil der Beteiligungserträge besteuert würde.   stellte Kassenobligation vor (sog. 20 Non-Bank Rule) [2].
Dieser Effekt lässt sich verhindern, wenn die Emission über         Um sicherzustellen, dass die Zinsen aus Kreditverträgen
eine Tochtergesellschaft ohne Dividendeneinkünfte erfolgt.        nicht der Verrechnungssteuer unterliegen, werden Syndizie­
                                                                  rungen regelmässig auf max. zehn Nicht-Banken beschränkt.
                                                                  Zudem müssen sich inländische Schuldner im Rahmen von
  Beispiel 1: Die kotierte Gesellschaft eines Konzerns            Gewährleistungen (Representations) und Zusicherungen
  (HoldCo) emittiert Bonds im Umfang von CHF 2 Mia.               (Covenants) regelmässig dazu verpflichten, nicht mehr als
  und bezahlt einen Zins von CHF 80 Mio. pro Jahr. Sie            20 Nicht-Bank-Gläubiger zu haben. Auch die zulässigen Un­
  gewährt ihren Gruppengesellschaften konzerninterne              terbeteiligungen (Sub-Participations) müssen i. d. R. mit
  Darlehen und erzielt daraus einen Zinsertrag von                einer sog. Exposure-Transfer-Klausel beschränkt werden [3].
  CHF 80 Mio. HoldCo erhält pro Jahr Dividenden ihrer               Entsprechende Vorkehrungen in Kreditverträgen mit in­
  Tochtergesellschaften von CHF 300 Mio. und hat einen            ländischen Schuldnern erübrigen sich mit der Abschaffung
  Verwaltungsaufwand von CHF 2 Mio. HoldCo erzielt                der Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen. Da die
  somit einen Reingewinn von CHF 298 Mio. Hold Co                 Quellensteuer auf Zinsen auf durch inländische Grundstü­
  hat Beteiligungen mit einem Gewinnsteuerwert (= Ver­            cke gesicherten Kreditverträgen im Zuge der Reform jedoch
  kehrswert) von CHF 4 Mio. Da der auf die Beteiligung            nicht abgeschafft wird (vgl. unten Ziff. 2.3), muss die Syndi­
  entfallende Finanzierugsaufwand von rund CHF 53 Mio.            zierung immer dann auf sog. Treaty Lenders beschränkt wer­
  bei der Berechnung des Nettobeteiligungsertrags in              den, wenn ein Kreditvertrag durch ein inländisches Grund­
  Abzug gebracht werden muss (indirekte Freistellung),            stück besichert wird. Treaty Lenders sind Gläubiger, welche
  wird die Beteiligungsermässigung nur im Umfang von              in einem Staat ansässig sind, mit dem die Schweiz ein Dop­
  82 % gewährt. Somit werden die Dividenden im Umfang             pelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat und der das
  von rund CHF 53 Mio. ordentlich besteuert, was zu               Besteuerungsrecht für Zinseinkünfte ausschliesslich dem
  einer unerwünschten wirtschaftlichen Doppelbelastung            Ansässigkeitsstaat zuweist.
  führt. Würde der Bond hingegen durch eine Tochter­
  gesellschaft emittiert, könnte HoldCo einen Beteili­             2.3 Quellensteuer auf Zinsen aus hypothekarisch gesi-
  gungsabzug von 100 % geltend machen.                              cherten Forderungen. Nicht der Verrechnungssteuer, son­
                                                                    dern der an der Quelle erhobenen Einkommens- resp. Ge­
                                                                  winnsteuer nach Art. 94 DBG/Art. 35 Abs. 1 lit. e StHG
Anders präsentiert sich die Situation bei Konzernobergesell­       ­u nterliegen Zinsen auf Forderungen von ausländischen
schaften von systemrelevanten Banken, welche Too-big-to-            Gläubigern oder Nutzniessern, die durch Grundstücke in der
fail-Instrumente (TBTF-Instrumente) ausgeben. Aus regula­           Schweiz gesichert sind. Die durch den inländischen Schuld­
torischen Gründen müssen TBTF-Instrumente von der Mut­              ner zu entrichtende Quellensteuer beträgt 13–33 % je nach
tergesellschaft emittiert werden. Der Gesetzgeber hat der          Kanton, in dem sich das jeweilige Grundstück befindet [4].
sich aus diesem Erfordernis ergebenden Rückwirkung auf                Das Recht zur Erhebung der Quellensteuer auf Zinsen aus
die Beteiligungsermässigung mit Art. 70 Abs. 6 DBG Rech­            inländischen hypothekarisch gesicherten Forderungen (z. B.
nung getragen: Finanzierungsaufwand im Zusammenhang                Pfandbriefemissionen und sog. Covered Bonds) wird de lege lata
mit TBTF-Instrumenten wird für die Zwecke der Beteili­              insoweit zurückgedrängt, als eine Zinszahlung der Verrech­
gungsermässigung nicht berücksichtigt. Folglich fällt die           nungssteuer unterliegt [5]. Dies ist bislang bei von einem Inlän­
Steuerbelastung auf den Beteiligungserträgen gleich hoch            der emittierten Anleihensobligationen der Fall. Wird nun die
aus, wie wenn die TBTF-Instrumente nicht emittiert worden         Verrechnungssteuer auf Obligationen abgeschafft, lebt die
wären. Banken werden im Vergleich zu anderen Unterneh­              Quellensteuer nach Art. 94 DBG/Art. 35 Abs. 1 lit. e StHG
men insoweit privilegiert [1].                                    ­wieder auf.
  Die Spezialregelung für TBTF-Instrumente bei der Betei­             Wird die Reform wie geplant umgesetzt, kommt für die
ligungsermässigung ist aus Sicht des Bundesrats zwar ver­           aus hypothekarisch gesicherten Obligationen fliessenden
fassungskonform. Dennoch strebt er mittel- bis langfristig         Zinsen ab dem Inkrafttreten ein neues Steuerregime («nor­
eine gesamtheitliche Lösung an.                                     male» Quellensteuer anstatt Verrechnungssteuer) zum Tra­
                                                                    gen, auch wenn sie vor diesem Zeitpunkt emittiert worden
2.2 Syndizierung von Kreditverträgen. Die Abschaffung               sind (siehe dazu Ziff. 4.4), was zu praktischen Schwierigkei­
der Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen hat nicht nur        ten führen kann.
Auswirkungen auf den Fremdkapitalmarkt, sondern auch auf
die Syndizierung von Kreditverträgen. Der Begriff der Obli­       2.4 Übergangsregelung (Art. 70e E-VStG). Gemäss Art. 70e
gation von Art. 4 Abs. 1 lit. a VStG ist nämlich ausgesprochen    E-VStG sollen die Anpassungen auf sämtliche Erträge An­
breit. Eine der Verrechnungssteuer unterstellte Anleihensobli­    wendung finden, die nach dem Inkrafttreten, mit dem frü­
gation liegt bereits dann vor, wenn diese an mehr als zehn        hestens am 1. Januar 2024 gerechnet wird, fällig geworden
Nicht-Bank-Gläubiger syndiziert wird (sog. 10 Non-Bank Rule).     sind. Mithin soll gelten, was auch ohne explizite Übergangs­

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R eform der Verrechnungssteuer                                                                                       STE U E R N

bestimmung gelten würde: Die Verrechnungssteuer entfällt          (Art. 5c lit. c VStG) von der Verrechnungssteuer ausgenom­
auf Zinsen, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens fällig      men. Dabei wird nicht mehr gefordert, dass diese Erträge
werden – unbesehen darum, ob die zugrunde liegende An­            «über gesonderten Coupon ausgerichtet werden», sondern
leihe vor oder nach diesem Zeitpunkt emittiert worden ist.        bloss, dass sie «separat ausgewiesen werden». Beides ent­
   U. E. fragt sich, ob dies im Lichte des Ziels der Vorlage –    spricht bereits jetzt gelebter Verwaltungspraxis. Die besag­
Stärkung des inländischen Emissionsmarkts bei gleichzeiti­        ten Erträge zeichnen sich dadurch aus, dass sie bei inländi­
ger Minimierung von Steuerausfällen – sinnvoll erscheint.         schen natürlichen Personen nicht der Einkommenssteuer
Einen positiven Anreiz für den Emissionsstandort vermag           unterliegen und somit der Sicherungscharakter der Verrech­
die Vorlage nämlich einzig für Neuemissionen zu schaffen.         nungssteuer ins Leere fallen würde.
Die Aufhebung der Verrechnungssteuer auf den bereits emit­
tierten Anleihen ist hingegen mit erheblichen Steueraus­          3.2 Inländische Obligationenzinsen. Keine Ausnahme ist
fällen verbunden, ohne dass positive Wirtschaftsanreize ge­       demgegenüber für Zinsen aus inländischen Obligationen
schaffen würden. Es ist davon auszugehen, dass ein grosser        vorgesehen, obwohl diese künftig nicht mehr der Verrech­
Teil der aufgrund der Reform prognostizierten Steueraus­          nungssteuer unterliegen. Dies ist insofern konsequent, als
fälle durch eine Limitierung des zeitlichen Anwendungsbe­         diese Erträge weiterhin der Einkommenssteuer unterliegen
reichs auf Neuemissionen vermieden werden könnte. So              und sie somit wegen des Sicherungscharakters der Verrech­
dürfte nämlich das Gros der Verrechnungssteuererträge auf         nungssteuer an sich erfasst werden müssten. Nur ist hier –
Zinsen auf durch ausländische Investoren gehaltene Staats­        wie bei den Obligationenzinsen selbst – der Sicherungscha­
anleihen zurückzuführen sein.                                     rakter der Verrechnungssteuer ein blosses Lippenbekenntnis,
   Da gemäss aktuellem Entwurf der heutige Art. 4 Abs. 1          da steuerunehrliche Investoren die Verrechnungssteuer über
lit. a VStG, welcher die Obligationenzinsen als Verrechnungs­     ausländische Fonds einfach umgehen können.
steuerobjekt definiert, vollumfänglich gestrichen werden            In Bezug auf Zinsen von inländischen Obligationen sind
soll, bedürfte es für die Weiterbesteuerung von Zinsen auf        bislang aber die Spiesse des ausländischen Fonds und des in­
vor Inkrafttreten der Gesetzesnovelle emittierten Obligatio­      ländischen Fonds insofern gleich lang, als der inländische
nen auch nach der Reform einer gesetzlichen Grundlage.            Fonds – im Gegensatz zum ausländischen Fonds – gemäss
   Mit einer solchen Regelung liesse sich zudem die Proble­       Art. 26 VStG die Verrechnungssteuer auf den Zinsen zurück­
matik lösen, dass auf bereits emittierten hypothekarisch be­      fordern kann, wohingegen seine Erträge – im Gegensatz zu
sicherten Anleihen mit der Abschaffung der Verrechnungs­          jenen eines ausländischen Fonds – der Verrechnungssteuer
steuer die Quellensteuer nach Art. 94 DBG/Art. 35 Abs. 1 lit. e   unterliegen. Dies würde sich mit der Abschaffung der Ver­
StHG wieder auflebt (siehe Ziff. 2.3).                            rechnungssteuer auf Zinsen aus inländischen Obligationen
                                                                  ändern, sodass ausländische Fonds, welche in inländische
2.5 Reduktion des Sicherungszwecks. Mit der Abschaf­              Obligationen investieren, nunmehr im Vorteil wären. Die
fung der Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen wird           Benachteiligung inländischer Fonds könnte dadurch beho­
der Sicherungszweck der Verrechnungssteuer geschwächt,            ben werden, dass Art. 5c VStG um eine Ausnahme für inlän­
auch wenn dieser im derzeitigen Zinsumfeld nicht im Vor­          dische Obligationenzinsen erweitert würde [7].
dergrund stehen dürfte. Entscheidend aber ist, dass eine In­
vestition in verrechnungssteuerfreie CHF-Anleihen bereits         3.3 Fehlende DBA-Konformität der geltenden Regelung.
heute über Auslandemissionen möglich ist, womit sich der          U. E. drängt es sich auf, das Problem grundsätzlicher anzuge­
Sicherungszweck leicht aushebeln lässt. Der entschlackte          hen. Die derzeit geltende Praxis zur Erhebung der Verrech­
Reformvorschlag beruht somit auf einer Interessenabwä­            nungssteuer auf Erträgen kollektiver Kapitalanlagen ist näm­
gung: Der (marginalen) Schwächung des Sicherungszwecks            lich aus abkommensrechtlicher Sicht nicht unproblematisch.
der Verrechnungssteuer stehen gewichtige Standortvorteile         Die ESTV gewährt die Rückerstattung auf der nach Art. 4
gegenüber. Letzteren den Vorrang einzuräumen, dürfte auch         Abs. 1 lit. c VStG erhobenen Verrechnungssteuer nach der sog.
aus verfassungsrechtlicher Sicht vertretbar sein [6].             Präponderanzmethode: Sind die Erträge des Fonds überwie­
                                                                  gend auf (in- oder ausländische) Dividenden zurückzuführen,
3. KOLLEKTIVE KAPITALANLAGEN                                      wird die Rückerstattung nach Massgabe von Art. 10 OECD-
3.1 Neuer Art. 5c VStG. Im Wesentlichen unverändert bleibt        MA (Dividendenartikel) gewährt [8]. Dies führt i. d. R. zu einer
Art. 4 Abs. 1 lit. c VStG, welcher die Ausschüttungen und the­    Residualbelastung von 15 %. Sind die Erträge des Fonds dage­
saurierten Erträge von inländischen kollektiven Kapitalan­        gen überwiegend auf (in- oder ausländische) Zinsen zurück­
lagen der Verrechnungssteuer unterstellt. Die Änderungen,         zuführen, wird die Rückerstattung nach Massgabe von Art. 11
welche die Bestimmungen im VStG zu den kollektiven Kapi­          OECD-MA (Zinsenartikel) gewährt, was im Verhältnis zu ei­
talanlagen erfahren, sind überwiegend redaktioneller Natur.       nigen Staaten zu einer vollständigen Rück­erstattung führt [9].
  Die bisherige Ausnahme von Art. 5 Abs. 1 lit. b VStG wird          Da es sich bei einer transparent besteuerten kollektiven Ka­
dabei in einen neuen Art. 5c VStG überführt und an die be­        pitalanlage aber klarerweise nicht um eine «ansässige Gesell­
reits jetzt gelebte Verwaltungspraxis angepasst. Neben Kapi­      schaft» i. S. v. Art. 10 Abs. 2 OECD-MA handelt, ist fraglich,
talgewinnen (Art. 5c lit. a VStG) und Erträgen aus direktem       inwiefern die Schweiz als Quellenstaat gestützt auf Art. 10
Grundbesitz (Art. 5c lit. b VStG) sind nun auch Rückzahlun­       Abs. 2 lit. b OECD-MA ein Besteuerungsrecht geltend machen
gen der durch die Anleger geleisteten Kapitaleinzahlungen         kann. Auch eine Qualifikation als «Zins» i. S. v. Art. 11 OECD-

    AUGUST | 2021 E X P E R T F O C U S                                                                                      437
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MA erscheint zweifelhaft. Richtigerweise sind die Erträge kol­
lektiver Kapitalanlagen somit grundsätzlich als «übrige Er­           Ausländische Investoren könnten die Verrechnungssteuer
träge» i. S. v. Art. 21 OECD-MA einzustufen, was unter fast allen     nach Massgabe von Art. 10 Abs. 2 lit. b OECD-MA bis
Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz zu einer voll­                 zum Residualsatz von 15 % zurückfordern. Verzichtet der
ständigen Rückerstattung der Verrechnungssteuer führt [10].           Fonds auf die Rückforderung der Verrechnungssteuer
  Die Rückerstattung nach Massgabe von Art. 10 Abs. 2 lit. b          auf den inländischen Dividenden, würde keine Verrech­
OECD-MA ist nur dann sachgerecht, wenn der Ertrag der                 nungssteuer auf den Erträgen des Fonds erhoben.
kollektiven Kapitalanlage auf inländische Dividenden zu­
rückzuführen ist. Da die kollektive Kapitalanlage selbst ge­
mäss Art. 26 VStG zur Rückerstattung der Verrechnungs­              Da zudem die Rückerstattung nach Art. 27 VStG bzw. das Af­
steuer auf solchen Dividenden berechtigt ist, hat die Er­           fidavitverfahren nach Art. 11 Abs. 2 VStG i. V. m. Art. 34 ff. VStV
hebung der Verrechnungssteuer auf der Ausschüttung im               aufgegeben werden könnte, käme es sogar zu einer Schlies­
Ergebnis bloss stellvertretenden Charakter [11].                    sung einer diesbezüglichen Besteuerungslücke (Beispiel 3).

3.4 Vorschlag de lege ferenda. Die Verrechnungssteuer auf
Erträgen von kollektiven Kapitalanlagen nach Art. 4 Abs. 1            Beispiel 3: Ein inländischer Fonds investiert in in- und
lit. c VStG sollte daher konsequent auf eine stellvertretend          ausländische Aktien und Obligationen. Die Erträge set­
erhobene Verrechnungssteuer beschränkt werden. Mithin                 zen sich wie folgt zusammen: 80 % ausländische Divi­
würden Ausschüttungen von kollektiven Kapitalanlagen in­              denden und Zinsen, 20 % inländische Dividenden.
 soweit der Verrechnungssteuer unterliegen, als diese selbst            Der Fonds kann gemäss Art. 26 VStG die Verrech­
die Verrechnungssteuer zurückfordern. Ein solches Modell              nungssteuer auf inländischen Dividenden zurückfor­
hätte den Vorteil, dass einerseits DBA-rechtliche Bedenken            dern. Die Ausschüttungen des Fonds an ausländische
gemildert und andererseits die Benachteiligung des Fonds­             Investoren unterliegen nicht der Verrechnungssteuer,
 standorts durch die Verrechnungssteuer vollkommen besei­             da es sich um einen affidavitfähigen Fonds handelt. Im
tigt würden, ohne dass es zu einer Gefährdung des schweize­           Umfang der zurückgeforderten Verrechnungssteuer gibt
rischen Verrechnungssteuersubstrats käme (Beispiel 2) [12].           die Schweiz somit Verrechnungssteuer­substrat preis.
Zugegebenermassen würde der Sicherungszweck der Ver­
rechnungssteuer mit Bezug auf inländische Investoren nicht
mehr im gleichen Mass greifen. Da steuerunehrliche Inves­           4. BESTEUERUNG VON ERSATZZAHLUNGEN
toren aber – wie gesagt – ohne Weiteres auf ausländische            4.1 Urteil des Bundesgerichts vom 21. November 2017.
Fonds ausweichen können, erscheint dies vertretbar. Der             Mit Urteil vom 21. November 2017 entschied das Bundesgericht,
­automatische Informationsaustausch (AIA) greift bei einem          dass die bisherige Praxis der ESTV [13] zur Erhebung der Ver­
 ausländischen Fonds, welcher in einem inländischen Depot           rechnungssteuer auf Dividendenersatzzahlungen (Manu­
gehalten wird, nämlich nicht.                                       factured Dividends) bei Securities Lending einer hinreichen­
                                                                    den Rechtsgrundlage entbehre [14]. Dadurch wurde ein er­
                                                                    heblicher Kollateralschaden verursacht, da die Erhebung der
  Beispiel 2: Ein inländischer Fonds investiert in in- und          Verrechnungssteuer auf der Manufactured Dividend letzt­
  ausländische Aktien und Obligationen. Die Erträge set­            lich die Voraussetzung dafür ist, dass dem Borger (Borrower)
  zen sich wie folgt zusammen: 50 % ausländische Divi­              auf der Originaldividende die Rück­erstattung (bis zum Re­
  denden, 10 % ausländische Zinsen, 10 % inländische Zin­           sidualsatz von Art. 10 Abs. 2 lit. b OECD-MA) gewährt wird.
  sen, 30 % inländische Dividenden.                                    Die ESTV könnte die Rückerstattung der Verrechnungs­
    Gemäss geltendem Recht kann der Fonds die Verrech­              steuer beim Securities Lending nämlich sowohl dem inländi­
  nungssteuer, die auf inländischen Dividenden erhoben              schen wie auch dem ausländischen Borrower gegenüber ohne
  wird, gemäss Art. 26 VStG zurückfordern. Im Gegen­                Weiteres verweigern, da dieser nicht nutzungsberechtigt ist [15].
  zug unterliegen sämtliche Erträge des Fonds der Ver­              Wenn der Leihgeber (Lender) selbst Ansprüche auf die Rück­
  rechnungssteuer. Somit werden auch die ausländischen              erstattung nach VStG oder nach einem Doppelbesteuerungs­
  Dividenden und Zinsen sowie die inländischen Zinsen               abkommen geltend machen könnte, würde die Verweigerung
  indirekt mit der Verrechnungssteuer erfasst. In einem             der Rückerstattung der Verrechnungssteuer dem Borrower
  DBA-Staat ansässigen Investoren würde die Rückerstat­             gegenüber aber zu wenig sachgerechten Ergebnissen führen.
  tung der Verrechnungssteuer gemäss Praxis der ESTV
  nach Massgabe von Art. 10 Abs. 2 lit. b OECD-MA bis               4.2 Vorgeschlagener Art. 4 Abs. 1 lit. d E-VStG. Gemäss
  zum Residualsatz von 15 % gewährt. Richtigerweise                 der vom Bundesrat vorgeschlagenen Regelung sollen sämtli­
  müsste aber gemäss Art. 21 OECD-MA die vollständige               che «Erträge aus Ersatzzahlungen für Erträge aus Kapital­
  Rückerstattung gewährt werden.                                    vermögen nach den Buchstaben a–c» der Verrechnungs­
    Gemäss Vorschlag würde die Verrechnungssteuer auf               steuer unterliegen. Von praktischer Relevanz dürften nur
  den Erträgen nur im Umfang von 30 % erhoben und auch              die Ersatzzahlungen auf Beteiligungsrechten i. S. v. Art. 4
  entsprechend gegenüber den Investoren ausgewiesen.                Abs. 1 lit. b VStG (d. h. Dividenden) sein, weshalb vorliegend
                                                                    vereinfachend von Manufactured Dividends die Rede ist.

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R eform der Verrechnungssteuer                                                                                        STE U E R N

Dabei wird im Wesentlichen das bisher (auf freiwilliger Basis)    4.4 Rückerstattung der Verrechnungssteuer durch Aus-
gehandhabte System der Mehrfacherhebung und Mehrfach­             länder. Doch auch wenn der Anwendungsbereich von Art. 4
rückerstattung der Verrechnungssteuer in ein Bundesge­            Abs. 1 lit. e E-VStG auf inländische Schuldnern beschränkt wird,
setz umgegossen (vgl. Abbildung). Dies scheint auf den ersten     ergeben sich heikle Fragen in Bezug auf die Rückerstattung
Blick wenig revolutionär, ist aber durchaus mit gewissen Tü­      der auf dieser Ersatzzahlung erhobenen Verrechnungssteuer.
cken behaftet. Diese beruhen im Wesentlichen darauf, dass           Im Ergebnis sollte sichergestellt werden, dass die Person, die
die Ersatzzahlung zum Steuerobjekt erhoben wird.                  die Ersatzzahlung empfängt (Lender beim Securites Lending),
                                                                  im gleichen Umfang die Rückerstattung der Verrechnungs­
                                                                  steuer erhält, wie wenn sie die auf der Original­dividende ein­
  Abbildung: SECURITIES LENDING                                   behaltene Verrechnungssteuer zurückfordern würde. Mithin
                                                                  sollte die Rückforderung durch einen ausländischen Empfän­
           Rückerstattung 35%
                                             Borger               ger nach Massgabe des Dividendenartikels des einschlägigen
                                           (Borrower)             Doppelbesteuerungsabkommens (vgl. Art. 10 OECD-MA) ge­
                            Dividende
            SwissCo
                                                                  währt werden. Portfolioaktionäre sind somit i. d. R. nur bis zum
                                             Bank                 Residualsatz von 15 % zur Rück­erstattung der Verrechnungs­
                                                                  steuer berechtigt. Einzig für institutionelle Investoren ist unter
        VSt                                                       einigen Doppelbesteuerungsabkommen die volle Rückerstat­
        35%          VSt                         Manufactured
                     35%                         Dividend         tung der Verrechnungssteuer bei Portfoliobeteiligungen vor­
                                                                  gesehen.
                                                                    Rechtlich ist aber nicht restlos klar, ob die Rückforderung
                                           Leihgeber              der Verrechnungssteuer unter dem Dividendenartikel oder
                                            (Lender)              nach Massgabe von Art. 21 OECD-MA zu gewähren ist. Da
                    Rückerstattung                                Art. 21 OECD-MA das Besteuerungsrecht ausschliesslich
   ESTV
                                                                  dem Ansässigkeitsstaat zuweist, würde es im Ergebnis zu
                                                                  einer vollen und damit übermässigen Rückerstattung der
4.3 Ausländischer Schuldner als Steuersubjekt der Ver-            Verrechnungssteuer kommen.
rechnungssteuer. Die Verrechnungssteuer nach Art. 4                 Die Beurteilung, ob eine Dividende i. S. v. Art. 10 Abs. 3
Abs. 1 lit. d E-VStG soll nicht nur bei inländischen Schuld­      OECD-MA vorliegt, steht grundsätzlich dem Quellenstaat
nern von Manufactured Dividends, sondern auch bei aus­            zu. Zugleich gibt Art. 10 Abs. 3 OECD-MA vor, dass Dividen­
ländischen Schuldnern erhoben werden. Steuerpflichtig             den ihren Ursprung im Gesellschaftsverhältnis haben müs­
sein soll bei Ersatzzahlungen nach Art. 4 Abs. 1 lit. d E-VStG,   sen. Die Er­satz­zahlung aber ist vertraglicher Natur und hat
«wer steuerbare Erträge ausbezahlt, überweist, gutschreibt,       ihren Ursprung bloss (aber immerhin) indirekt im Gesell­
verrechnet oder vergütet» (Art. 10 Abs. 3 E-VStG).                schaftsverhältnis.
  Zwar ist es aus völkerrechtlicher Sicht nicht per se unzuläs­     Um sicherzustellen, dass die Rückerstattung unter dem
sig, ausländische Sachverhalte für inländische Besteuerungs­      Titel von Art. 10 OECD-MA und nicht unter dem Titel von
zwecke mitzuberücksichtigen, sofern ein hinreichender Bin­        Art. 21 OECD-MA erfolgt, muss ein Konnex zwischen der
nenbezug vorliegt. Jedoch ist die Schweiz nicht befugt, die       Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf der Original­
Steuererhebung im Ausland durchzusetzen. Darüber hinaus           dividende und der Erhebung der Verrechnungssteuer auf der
kann sie vom ausländischen Staat auch keine Vollstreckungs­       Ersatzzahlung hergestellt werden.
hilfe einfordern (in den Abkommen fehlen mit Art. 27 OECD-
MA vergleichbare Bestimmungen). Dessen ist sich auch der          4.5 Möglicher Lösungsansatz. Die gesetzliche Lösung sollte
Bundesrat bewusst; die Erstreckung auf ausländische Schuld­       so gut wie möglich das bisherige «Gentlemen’s Agreement»
nern geschehe, so die Botschaft, im Wissen darum, dass die        zur Erhebung der Verrechnungssteuer auf Manufactured Di­
Durchsetzbarkeit an rechtlichen Hürden scheitern dürfte. Die      vidends spiegeln. Letztlich müsste die Ablieferung der Ver­
Einführung einer von vornherein mit einem Durchsetzungs­          rechnungssteuer auf den Ersatzzahlungen somit auf frei­
defizit behafteten Regelung erscheint u. E. wenig sinnvoll.       williger Basis erfolgen. Die die Ersatzzahlung schuldende Per­
  Zudem hätte dies zur Konsequenz, dass ein ausländisches         son hat mithin ein Wahlrecht, ob sie die Verrechnungssteuer
Finanzinstitut gegen schweizerisches Recht verstösst, wenn        auf der Ersatzzahlung abliefert und dafür die Rückerstattung
es die Verrechnungssteuer auf Ersatzzahlungen nicht ablie­        der Verrechnungssteuer auf der Original­dividende erhält
fert – und zwar auch dann, wenn es auf der Originaldividende      oder ob sie auf Ablieferung und Rückforderung verzichtet.
keine Rückerstattung geltend macht. Das erscheint unbillig.          Dies könnte dadurch erreicht werden, dass die Erhebung
  Daher ist es u. E. aus Praktikabilitätsgründen angezeigt,       der Verrechnungssteuer auf der Ersatzzahlung von der
auf die Erhebung der Verrechnungssteuer bei ausländischen         Rückforderung der Verrechnungssteuer auf der Original­
Schuldnern von Ersatzzahlungen zu verzichten. Dies hat            dividende abhängig gemacht wird. Oder umgekehrt könnte
freilich zur Konsequenz, dass diesen die Rückerstattung           die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auf der Original­
der Verrechnungssteuer auf der Originaldividende zu ver­          dividende davon abhängig gemacht werden, dass auf der Ma­
weigern ist, was mit der fehlenden Nutzungsberechtigung           nufactured Dividend freiwillig die Verrechnungssteuer abge­
begründet werden kann [16].                                       liefert wird.

     AUGUST | 2021 E X P E R T F O C U S                                                                                       439
STE U E R N                                                                                                                           R eform der Verrechnungssteuer

In beiden Fällen hat die auf der Ersatzzahlung abgelieferte                             Art. 5b Abs. 1 lit. b E-VStG sieht sodann eine De-minimis-Re­
Verrechnungssteuer den Charakter einer stellvertretend für                              gel vor, wonach die Verrechnungssteuer nicht erhoben wird,
die auf der Originaldividende zurückgeforderten Verrech­                                wenn der Zinsbetrag für ein Kalenderjahr CHF 200 nicht
nungssteuer, weshalb eine Subsumption unter den Dividen­                                übersteigt.
denartikel Art. 10 OECD-MA sachgerecht erschiene.
  Eine zwingende Beschränkung des Besteuerungsrechts des                                6. ABSCHAFFUNG DER UMSATZABGABE AUF
Quellenstaats kann bei einer freiwillig an die ESTV abgeführ­                           INLÄNDISCHEN OBLIGATIONEN
ten Zahlung aber ohnehin nicht greifen. Insofern wird das                               Der Reformvorschlag sieht zudem vor, die Umsatzabgabe auf
Recht zum Einbehalt der «Verrechnungssteuer» auf der Ma­                                Sekundärmarkttransaktionen mit inländischen Obligatio­
nufactured Dividend auch nicht durch Art. 21 OECD-MA be­                                nen (von derzeit 0,15 %) aufzuheben. Primärmarkttransakti­
schränkt. Da die freiwillige Leistung der «Verrechnungssteuer»                          onen sind gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. a StG bereits heute von
das Pendant zur Gewährung der Rückerstattung der Verrech­                               der Umsatzabgabe ausgenommen. Die Emissionsabgabe auf
nungssteuer auf der Originaldividende ist, wäre die Rücker­                             der Ausgabe von Obligationen ist ebenfalls bereits seit dem
stattung nach Massgabe des Dividendenartikels im ein­                                   1. März 2012 aufgehoben.
schlägigen Doppelbesteuerungsabkommen zu gewähren.                                         Weiterhin der Umsatzabgabe von 0,3 % unterliegen dem­
                                                                                        gegenüber Sekundärmarkttransaktionen mit ausländischen
5. BEIBEHALTUNG DER VERRECHNUNGSSTEUER                                                  Obligationen. Ausländische Geldmarktpapiere bleiben hin­
AUF ZINSEN AUS KUNDENGUTHABEN                                                           gegen gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. g VStG nach wie vor von der
Die Verrechnungssteuer auf Zinsen auf Kundenguthaben                                    Umsatzabgabe befreit.
(Art. 4 Abs. 1 lit. d VStG) soll – anders als bei Obligationen­
zinsen – nach wie vor erhoben werden. Im Vergleich zur gel­                             7. FAZIT
tenden Rechtslage erfolgen jedoch gewisse Präzisierungen,                               Mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf könnte dem Bundesrat
welche den Anwendungsbereich sachgerecht abstecken.                                     der erhoffte «Befreiungsschlag» [20] gelingen. Die ersatzlose
   Einmal soll die Verrechnungssteuer auf Kundenguthaben                                Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Obligationenzinsen
von inländischen natürlichen Personen beschränkt werden.                                ohne Einführung eines Zahlstellenprinzips fördert die Stand­
Auf Kundenguthaben von ausländischen Personen wird hin­                                 ortattraktivität der Schweiz zweifelsohne. In einer Zeit ange­
gegen keine Verrechnungssteuer mehr erhoben. Dies ist                                   spannter Staatsfinanzen muss beim Abbau von Steuern
auch folgerichtig, da solche Konten dem AIA unterstehen [17].                           ohne Gegenfinanzierung aber immer mit politischem Wi­
   Weiter ist Art. 4 Abs. 1 lit. a E-VStG (welcher Art. 4 Abs. 1                        derstand gerechnet werden. Hier böte die Abschaffung der
lit. d VStG ersetzt) auf Kundenguthaben von natürlichen                                 Verrechnungssteuer nur auf Neuemissionen einen Ausweg,
Personen beschränkt. Juristische Personen als Kontoinhabe­                              da sich so wohl das Gros der Steuerausfälle vermeiden liesse.
rinnen sind nicht mehr vom Anwendungsbereich erfasst.                                      Die auf Erträgen aus kollektiven Kapitalanlagen erhobene
   Nach geltendem Recht wird der Begriff «Kundenguthaben                                Verrechnungssteuer ist nicht nur aus standortpolitischer
bei inländischen Banken und Sparkassen» ausserordentlich                                Sicht unbefriedigend. Vielmehr steht die derzeit geltende
weit gefasst. Er umfasst alle Gesellschaften, die fortgesetzt Gel­                      Verwaltungspraxis auch im Widerspruch zum Abkommens­
der gegen Zins entgegennehmen, sobald der Bestand an Nicht-                             recht. Hier besteht Handlungsbedarf, dessen sich die Re­
Bank-Gläubigern bei über 100 liegt und die gesamte Schuld­                              formvorlage leider nicht annimmt.
summe CHF 5 Mio. übersteigt [18]. Folglich waren u. U. auch Zin­                           Das Ziel, eine gesetzliche Grundlage für die Erhebung der
sen aus dem Cash-Pooling umfasst, auch wenn dies durch die                              Verrechnungssteuer auf Ersatzzahlungen zu schaffen, ist
Bestimmung von Art. 14a VStV weitgehend behoben wurde [19].                             zu begrüssen. Der vorgeschlagene Art. 4 Abs. 1 lit. e E-VStG
Neu soll der Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 1 lit. a E-VStG                          fällt u. E. aber zu weit aus. Hier sollte der Gesetzgeber noch
auf regulierte Banken und Versicherungen beschränkt werden.                             einmal über die Bücher gehen.                               n
Die «100-Nicht-Banken-Regel» von Art. 4 Abs. 1 lit. d VStG ge­
hört damit der Vergangenheit an.
Fussnoten: 1) Vgl. zur Rechtfertigung dieser Privi­      schlag von Jaussi, T., Vortrag anlässlich der ISIS Tax        77 ff., 85 f. 13) Vgl. dazu SBVg, Zirkular Nr. 6584
legierung Botschaft zum Bundesgesetz über die            Talks vom 11. Mai 2021. 8) Hess, T., Steuern kollek­          vom 22. Mai 1990; ESTV, KS 13 vom 1. 1. 2018, Ziff. 3.
Berechnung des Beteiligungsabzugs bei Too-big-           tiver Kapitalanlagen, Basel 2015, § 42 N 259. 9) So           14) BGer, 21. 11. 2017, 2C_123/2016; vgl. dazu etwa
to-fail-Instrumenten, BBl 2018 1263 ff. Siehe auch       nach den DBA mit Dänemark, Deutschland, Estland,              Liebel-Kotz, S., Verrechnungssteuerpraxis der ESTV
Botschaft zum Bundesgesetz über die Verrechnungs­        Finnland, Frankreich, Georgien, UK, Hongkong, Ir­             bei Dividendenersatzzahlungen hinfällig, Expert
steuer (Stärkung des Fremdkapitalmarkts), BBl            land, Island, Katar, Liechtenstein, der Niederlande,          Focus 2018/4, 294 ff. 15) Vgl. nur BGE 146 I 105
2021. 2) Zu den Einzelheiten vgl. Oesterhelt, S., Ver­   Norwegen, Österreich, Russland, Schweden, Spanien,            (BGer, 16. 12. 2019, 2C_209/2017) in Bezug auf das
rechnungssteuer und Emissionsabgabe bei Kon­             der Tschechischen Republik, Ungarn, USA, VAE und              DBA-rechtliche Nutzungsrecht. 16) Vgl. in diesem
zernfinanzierung, Expert Focus 2011/9, 756 ff. 3) Für    Zypern. 10) Keine solche Bestimmung enthalten die             Sinne etwa BGer, 16. 12. 2019, 2C_209/2017 E. 3.
eine Übersicht über die üblichen Klauseln vgl. Oes­      Abkommen mit Argentinien, Australien, Chile, In­              17) Vgl. hierzu eingehend Ismajli, P./Hofstetter, B.,
terhelt, S., ISIS-Seminar vom 17. März 2016, Ver­        donesien, Kanada, Malaysia, Mexiko, Pakistan, den             in: Zweifel/Beusch/Oesterhelt (Hrsg.), Amtshilfe,
rechnungssteuer auf Zinszahlungen. 4) Vgl. dazu          Philippinen, Thailand, Trinidad und Tobago, Viet­             Basel 2020, § 30 N 1 ff. 18) Art. 9 Abs. 2 VStG i. V. m.
Oesterhelt, S., in: Zweifel, M./Beusch, M./Oester­       nam. 11) Vgl. Oesterhelt, S., in: Bösch, R./Rayroux,          ESTV, KS 34 vom 26. 7. 2011 betreffend Kundengut­
helt, S. (Hrsg.), Immobiliensteuern, Basel 2021, § 29    F./Winzeler, C./Stupp, E., Basler Kommentar KAG,              haben. 19) Vgl. dazu Oesterhelt, S., Verrechnungs­
N 42. 5) Oesterhelt, S./Winzap, M., Quellensteuern       2. Aufl., Basel 2016, vor Art. 1 N 264 ff. 12) Vgl. bereits   steuer und Emissionsabgabe bei Konzernfinanzie­
bei hypothekarisch gesicherten Kreditverträgen,          Oesterhelt, S., Das steuerliche Umfeld für Private-           rung, Expert Focus 2011/9, 756 ff. 20) So Baumer, F.,
FStR 2008, 28 ff., 36 f. 6) In diesem Sinne auch die     Equity-Anlagen, -Manager, -Investitionen und -Rea­            Bundesrat wagt Befreiungsschlag bei der Verrech­
Botschaft, BBl 2021, 976 Ziff, 1.2.2 7) Vgl. der Vor­    lisierungen, in: Gericke, D. (Hrsg.), Private Equity V,       nungssteuer, StR 75/2020, 820 ff.

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