RESISTENTE KEIME - Equinella
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| 21. Oktober 2020 Der gesunde Reiter | 41
RESISTENTE KEIME
auch für Pferde eine Gefahr
Wie in der Humanmedizin stel-
len Infektionen mit multiresisten-
ten Keimen auch in der Behand-
lung von Pferden eine grosse
Herausforderung dar. Im Krank-
heitsfall sind ein verantwor-
tungsbewusster, wohlüberlegter
Einsatz von Antibiotika und spe-
zielle Hygienemassnahmen ge-
fragt. Die «Pferdewoche» hat
nachgefragt bei Tierärztin Fran-
ziska Remy-Wohlfender von der
ISME Pferdeklinik in Bern und
Equinella, der Melde- und Infor-
mationsplattform für Pferdein-
fektionskrankheiten.
Ruth Müller
Resistente und multiresistente Keime,
wie zum Beispiel MRSA (Methicillin-re-
sistente Staphylokokkus aureus-
Stämme), sind Bakterien, die gegen-
über gewissen antimikrobiellen Wirk-
stoffen Resistenzen entwickelt haben.
Sie können Mensch und Tier gefährlich
werden, da sie entsprechend schwer
zu behandeln sind. Gängige Antibiotika
wirken oft nicht mehr. Nebst MRSA gibt
es noch weitere Bakterienarten, die Re-
sistenzen entwickelt haben.
Sekundärelektronen-
Seit wann sind MSRA schlecht funktionierenden Immunsys- bekannten Bakterien hartnäckige
mikroskopische Auf-
in der Pferdemedizin bekannt? tem Wund- oder Hautinfektionen ver- Komplikationen machen und welche nahme von Staphylo-
Seit den 1990er Jahren. Sowohl in der ursachen. Mit Antibiotika sind solche Pferde sind besonders gefährdet? kokkus aureus.
Human- als auch in der Tiermedizin re- Erkrankungen gut behandelbar, sofern Staphylokokkus aureus im Allgemeinen
gistriert man seit Jahren eine Zu- es sich eben nicht um einen MRSA han- und MRSA im Speziellen sind sogenannt
nahme solcher (multi-)resistenter Bak- delt. opportunistische Keime, das heisst, sie
terien. Staphylokokkus aureus ist ei- können zum Beispiel die Heilung einer
gentlich ein normaler Hautbewohner Was hat zur bestehenden Wunde verzögern, insbe-
beim Menschen und bei verschiedenen MRSA-Problematik geführt? sondere bei bereits geschwächten Indi-
Tierarten, unter anderen beim Pferd Ein übermässiger Antibiotikaeinsatz in viduen. Gesunde Tiere und Menschen
und Schwein. Bei rund 50 Prozent der der Human- und Tiermedizin förderte können also symptomlose Träger sein.
Menschen findet man diesen Keim auf das Auftreten von Resistenzen und Da in Kliniken naturgemäss viele ver-
den Schleimhäuten, vor allem in der demzufolge auch von MRSA. letzte und erkrankte Tiere behandelt
Nase. Normalerweise sind diese Sta- werden, ist auch die Chance von Kom-
phylokokken harmlos. Sie können aber Unter welchen Umständen können plikationen durch ein solches Bakte-
bei Menschen und Tieren mit einem die auch als «Krankenhauskeime» rium deutlich erhöht. Gefürchtet sind
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Von MRSA-Keimen be-
siedelte Wunde: Eit-
rige Infektion des
Kronsaums.
Diese Bauchnaht ist
mit MSRA infiziert und
zeigt eine Wundhei-
lungsstörung.
Die MRSA-Erreger
finden sich beim Pferd
– wie auch beim
Menschen – vor allem
in der Nasenschleim-
haut. Fotos: Franziska
Remy-Wohlfender,
ISME, Ruth Müller, pd
MRSA vor allem im Zusammenhang mit Zum Einsatz kommen rund zehn ver- Idealerweise mittels Bakterienkultur
Wundinfekten und daraus resultieren- schiedene Wirkstoffe. Wir haben also und Antibiogramm.
den Wundheilungsstörungen. nicht unendlich viele verschiedene
Präparate zur Verfügung. Umso wichti- Und welche anderen Behandlungs-
MRSA-Keime sind vom Menschen auf ger ist es, durch korrekten Einsatz die möglichkeiten gibt es, wenn Antibio-
das Pferd und umgekehrt übertrag- Wirksamkeit dieser Antibiotika zu er- tika unwirksam sind?
bar. Welche Vorsichtsmassnahmen halten. Bei Wunden sind eine gründliche
sind zu beachten? Wundreinigung – wenn nötig inklu-
Allgemeine Hygienemassnahmen, wie Wie werden Antibiotika sive chirurgischem Débridement,
sie seit der Corona-Krise bekannt sind: korrekt verabreicht? dem Entfernen von abgestorbenem
Händewaschen und -desinfektion so- Es ist wichtig, die Anweisungen des Tier- und infiziertem Gewebe – und eine
wie das Tragen von Einweghandschu- arztes zur Dosierung und zur Anwen- Desinfektion ganz wichtig. Auch
hen bei der Wundbehandlung. Diese dungsdauer genau zu befolgen. Eine die lokale Behandlung mit antisep-
Massnahmen sind nicht nur im Zusam- Therapie soll insbesondere nicht ohne tischen Mitteln kann Erfolg bringen.
menhang mit MRSA wichtig, sondern Rücksprache mit dem Tierarzt abgebro- Antibiotika sind nicht immer nötig!
allgemein gültig im Umgang mit ver- chen werden. Eine zu kurze Anwen- Ihr Einsatz sollte jeweils kritisch
letzten und erkrankten Tieren und in dungsdauer oder zu tiefe Dosierung för- evaluiert werden. Zum Beispiel
unserem Fall Pferden. dert die Bildung von Resistenzen. braucht es bei oberflächlichen Wun-
den nur in seltenen Fällen Antibio-
Wie viele verschiedene Antibiotika Wie wird definiert, welches Antibio- tika. Und auch bei anderen Sympto-
kommen in der Pferdemedizin zur tikum das Passende zur jeweiligen men wie Husten sind sie nicht immer
Anwendung? Erkrankung ist? erforderlich.
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Wie werden MRSA festgestellt? mit dies gelingt und was können Die elektronenmik-
Ebenfalls mittels Bakterienkultur und Pferdehalter dazu beitragen? roskopische Aufnahme
zeigt einen Ausschnitt
dazugehörendem Antibiogramm oder Es gibt bestimmte Protokolle, wie ein
aus einer MRSA-
mittels moderner molekularbiologi- menschlicher MRSA-Träger den Keim Kolonie.
scher Verfahren wie PCR-Tests. wieder loswerden kann (sogenannte
Dekontamination oder Sanierung), un-
Was ist Standard in der Pferdeklinik, ter anderem mittels Ganzkörperwa-
wenn multiresistente Keime beim schungen und Nasen-Rachenspülun-
Tier festgestellt werden? gen mit antiseptischen Mitteln. Ob
Diese Pferde werden in Isolationsbo- MRSA vollständig ausgerottet werden
xen gehalten, um eine Kontamination können, ist heute fraglich, weil sie bei
der Umgebung sowie von weiteren Menschen und Tieren schon sehr oft
Pferden und Personal zu unterbinden. vorkommen und weltweit verbreitet
Zutritt hat nur Personal, das entspre- sind. Ihre Weiterverbreitung kann aber
chende Schutzanzüge trägt. durch gezielte Hygienemassnahmen
verhindert werden. Durch korrekten
Wenn ein Pferd in Isolationshaltung Einsatz von Antibiotika in der Human-
behandelt werden muss, was be- und Tiermedizin kann zudem die Bil-
dingt dies alles? dung weiterer Resistenzen verhindert
Diese Stallungen sind speziell dafür oder zumindest stark reduziert wer- und bei spezifischen Erkrankungen wie
eingerichtet und das Prozedere ist sehr den. der Mauke.
aufwändig. Sämtliches Pflegematerial
wird nur für diese eine Box respektive Welche Forschungsprojekte laufen Sie betreuen Equinella, das Melde-
dieses eine Pferd gebraucht. Zutritt ist diesbezüglich in der Schweiz? system für infektiöse Pferdekrank-
nur in Schutzkleidung inklusive Hand- Im ISME (Pferdeklinik Bern und Aven- heiten. Inwieweit sind MRSA bei
schuhen und Schuhüberzügen mög- ches), sowie auch bei unseren Partnern Equinella ein Thema?
lich. Danach müssen Hände und der Pferdeklinik der Vetsuisse Fakultät MRSA und weitere multiresistente
Schuhe desinfiziert werden. Eine Be- Zürich, wird die Problematik mit MRSA Keime werden auch bei Equinella dis-
handlung in der Isolationsbox ist sehr und anderen resistenten Keimen seit kutiert. Es ist vorstellbar, dass in Zu-
viel arbeitsintensiver und kostet daher Jahren aktiv erforscht. Diese Studien kunft solche Fälle via Equinella gemel-
auch entsprechend mehr. untersuchen die Problematik resisten- det werden können. Dabei würde uns
ter Keime und des Antibiotikaeinsatzes vor allem auch das möglichst frühe Er-
Können MRSA jemals ausgerottet bei hospitalisierten Patienten, aber kennen von neuen Resistenzmustern
werden? Was müsste passieren, da- auch «draussen» in der Pferdepraxis interessieren.
Pferde mit MRSA
werden in der Isola-
Mechanismus der Resistenz
tionsbox gehalten Gegen Antibiotika resistente Erreger kommen ver-
und dürfen nur von Spezialistin für
Personal im Schutz- infektiöse Pferde-
mehrt dort vor, wo Antibiotika verwendet werden. Die
anzug behandelt krankheiten: Tierärz- Antibiotika töten zwar fast alle Individuen der Erreger
werden. tin Franziska Remy- ab, aber einige wenige können überleben, weil sie auf-
Wohlfender. grund einer Mutation gegen das angewendete Anti-
biotikum resistent sind. Diese resistenten Individuen
vermehren sich dann trotz der Antibiotika-Therapie
weiter – eine klassische Selektion im evolutionsbiolo-
gischen Sinne. Die Resistenz vermittelnden Gene kön-
nen zum Teil auch artübergreifend weitergegeben
werden, zum Beispiel von Staphylococcus aureus an
andere Arten. Die Entstehung von Resistenzen gegen
Antibiotika kann aber auch durch die Verwendung von
Reinigungsmitteln begünstigt werden, die quartäre
Ammoniumverbindungen (QAV) mit desinfizierender
Wirkung enthalten. Denn dieselben Gene der Bakte-
rien, welche solche Resistenzen begünstigen, vermit-
teln teilweise auch Resistenzen gegen Antibiotika.
Für weiterführende Informationen kann der offizielle
Flyer «Antibiotika retten Leben – sind aber nicht immer
nötig» des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und
Veterinärwesen BLV auf folgender Internetseite herunter-
geladen werden:
www.bundespublikationen.admin.ch, Art.-Nr. 341.310.D
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