Richtlinien zur Organtransplantation gem. 16 TPG

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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

                                                   BUNDESÄRZTEKAMMER

                                                       Bekanntmachungen

                             Richtlinien zur Organtransplantation
                                        gem. § 16 TPG
                                          Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 u. 5 TPG
                                          für die Wartelistenführung und Organvermittlung
                                                      zur Nierentransplantation

Der Vorstand der Bundesärztekammer hat in seiner Sitzung vom               – durch die Transplantation erfolgreich behandelt werden
15.05.2020 auf Empfehlung der Ständigen Kommission Organ-                     können.
transplantation beschlossen, die                                     4.    Kontraindikationen einer Organtransplantation können sich
                                                                           anhaltend oder vorübergehend aus allen Befunden, Erkran-
      Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 u. 5 TPG                    kungen oder Umständen ergeben, die das Operationsrisiko
     für die Wartelistenführung und Organvermittlung                       erheblich erhöhen oder den längerfristigen Erfolg der Trans-
                  zur Nierentransplantation                                plantation in Frage stellen wie
                                                                           – nicht kurativ behandelte bösartige Erkrankungen, soweit
in der Fassung vom 22.03.2013 (Bekanntgabe in Dtsch Ärztebl                   sie nicht der Grund für die Transplantation sind,
110, Heft 37 [13.09.2013]: A 1700–1701) zu ändern.                         – klinisch manifeste oder durch Immunsuppression erfah-
Das Bundesministerium für Gesundheit hat am 16.06.2020 der                    rungsgemäß sich verschlimmernde Infektionserkrankungen,
Richtlinienänderung zugestimmt. Sie tritt am 16.03.2021 in Kraft.          – schwerwiegende Erkrankungen anderer Organe,
Die Richtlinie samt zugehöriger Begründung ist auf der Internet-           – vorhersehbare schwerwiegende operativ-technische Pro-
seite der Bundesärztekammer abrufbar unter:                                   bleme.
http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/                    Die als Beispiele genannten möglichen Kontraindikationen
downloads/pdf-Ordner/RL/RiliOrgaWlOvNierenTx20210316.pdf.                  gelten insbesondere dann nur eingeschränkt, wenn die
DOI: 10.3238/arztebl.2021.rili_baek_OrgaWlOvNierenTx20210316               Transplantation eines weiteren Organs indiziert ist.
Die geltenden Richtlinien zur Organtransplantation sind abrufbar           Auch die unzureichende oder sogar fehlende Mitarbeit des Pa-
unter www.bundesaerztekammer.de/organtransplantation.                      tienten (Compliance) kann zu einer Kontraindikation werden.
                                                                           Compliance eines potentiellen Organempfängers bedeutet über
                                                                           seine Zustimmung zur Transplantation hinaus seine Bereit-
A    Richtlinientext                                                       schaft und Fähigkeit, an den erforderlichen Vor- und Nachun-
                                                                           tersuchungen und -behandlungen mitzuwirken. Compliance ist
I    Allgemeine Grundsätze für die Aufnahme in die Warte-                  kein unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal, sondern kann
     liste zur Organtransplantation                                        aus verschiedenen Gründen im Laufe der Zeit schwanken. De-
1.   Für die Aufnahme von Patienten in die Warteliste zur Or-              ren Fehlen kann auch auf sprachlichen und somit überbrückba-
     gantransplantation wird der Stand der Erkenntnisse der me-            ren Schwierigkeiten beruhen. Anhaltend fehlende Compliance
     dizinischen Wissenschaft gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2               schließt die Transplantation aus. Bevor die Aufnahme in die
     des Transplantationsgesetzes (TPG) von der Bundesärzte-               Warteliste aus diesem Grund ärztlich endgültig abgelehnt wird,
     kammer in Richtlinien festgestellt.                                   ist der Rat einer weiteren, psychologisch erfahrenen Person
2.   Über die Aufnahme in die Warteliste legt § 13 Abs. 3 Satz 1           einzuholen. Die behandelnden Ärzte müssen sowohl bei der
     TPG fest: „Der behandelnde Arzt hat Patienten, bei denen              Aufnahme in die Warteliste als auch nach der Transplantation
     die Übertragung vermittlungspflichtiger Organe medizi-                auf die Compliance achten und hinwirken.
     nisch angezeigt ist, mit deren schriftlicher Einwilligung un-   5.    Die Entscheidung über die Aufnahme eines Patienten in die
     verzüglich an das Transplantationszentrum zu melden, in               Warteliste, ihre Führung sowie über die Abmeldung eines Pa-
     dem die Organübertragung vorgenommen werden soll.“                    tienten trifft eine ständige, interdisziplinäre und organspezifi-
     Vermittlungspflichtige Organe sind nach § 1 a Nr. 2 TPG               sche Transplantationskonferenz des Transplantationszen-
     das Herz, die Lungen, die Leber, die Nieren, die Bauchspei-           trums. Dies erfolgt im Rahmen des jeweiligen Behandlungs-
     cheldrüse und der Darm postmortaler Spender.                          spektrums und unter Berücksichtigung der individuellen Si-
3.   Eine Organtransplantation kann medizinisch indiziert sein,            tuation des Patienten. In der interdisziplinären Transplantati-
     wenn Erkrankungen                                                     onskonferenz muss neben den direkt beteiligten operativen
     – nicht rückbildungsfähig fortschreiten oder durch einen              und konservativen Disziplinen mindestens eine weitere von
        genetischen Defekt bedingt sind und das Leben gefähr-              der ärztlichen Leitung des Klinikums benannte medizinische
        den oder die Lebensqualität hochgradig einschränken und            Disziplin vertreten sein, die nicht unmittelbar in das Trans-

A1                                                                   Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.rili_baek_OrgaWlOvNierenTx20210316
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      plantationsgeschehen eingebunden ist. Die Mindestanforde-                           scheidung des Patienten ist zu dokumentieren. Gegebenenfalls
      rungen an die Zusammensetzung dieser Konferenz sind in                              empfiehlt sich eine vorherige Vorstellung des Patienten mit sei-
      den besonderen Regelungen dieser Richtlinie festgelegt.                             nen Behandlungsunterlagen im vertretenden Zentrum.
      Die Mitglieder der interdisziplinären Transplantationskonferenz                 9. Besteht bei einem auf der Warteliste geführten Patienten
      sind der Vermittlungsstelle namentlich zu benennen und sind für                     vorübergehend eine Kontraindikation gegen die Transplan-
      alle vermittlungsrelevanten Meldungen und Entscheidungen                            tation, wird er als „nicht transplantabel“ (NT) eingestuft
      verantwortlich. Sie unterzeichnen insbesondere die Entschei-                        und bei der Organvermittlung nicht berücksichtigt. Besteht
      dung über die Aufnahme eines Patienten in die Warteliste und                        die Kontraindikation nicht mehr, ist der Patient umgehend
      übermitteln das Dokument als Grundlage für die Anmeldung der                        wieder in der Warteliste mit der dann aktuell gegebenen
      Vermittlungsstelle. Die ärztliche Leitung des Klinikums ist darü-                   Dringlichkeit als transplantabel zu melden. Der Patient ist
      ber zugleich schriftlich, einschließlich eventuell abweichender                     jeweils über seinen Meldestatus auf der Warteliste von ei-
      Stellungnahmen, in Kenntnis zu setzen. Diese kann ggf. ein Vo-                      nem Arzt des Transplantationszentrums zu informieren.
      tum einer externen Transplantationskonferenz einholen.                          10. Zur Überprüfung bisheriger und Gewinnung neuer Erkenntnis-
      Soweit in diesen Richtlinien nichts anderes bestimmt ist,                           se der medizinischen Wissenschaft auf dem durch diese Richt-
      legt die Vermittlungsstelle Form und Inhalt der mit der                             linie geregelten Gebiet kann nach vorheriger Unterrichtung der
      Anmeldung und fortgesetzten Führung einzureichenden medi-                           Vermittlungsstelle und der Bundesärztekammer im Rahmen
      zinischen Angaben eines Patienten sowie den hierfür nament-                         medizinischer Forschungsvorhaben für eine begrenzte Zeit und
      lich zu benennenden verantwortlichen Personenkreis fest.                            eine begrenzte Zahl von Patienten von dieser Richtlinie abge-
      Nach Aufnahme eines Patienten in die Warteliste sind alle für                       wichen werden, sofern durch die Vermittlungsstelle keine Ein-
      die Organvermittlung relevanten Behandlungen, Ergebnisse                            wände erhoben werden. Die Bewertung der zuständigen Ethik-
      und Entscheidungen, insbesondere der Zuteilung von einge-                           Kommission oder die Entscheidung der zuständigen Genehmi-
      schränkt vermittelbaren Organen, von dem jeweils verantwort-                        gungsbehörde bleiben unberührt. Die Vermittlungsstelle und
      lichen Arzt nachvollziehbar zu dokumentieren und der interdis-                      die Bundesärztekammer sind nach Abschluss der jeweiligen
      ziplinären Transplantationskonferenz unverzüglich bekannt zu                        Studie zeitnah über das Ergebnis zu unterrichten.
      geben. Die Mindestanforderungen an die Dokumentation sind
      in den besonderen Regelungen dieser Richtlinie festgelegt.                      II     Allgemeine Grundsätze für die Vermittlung postmor-
6.    Über die Aufnahme in die Warteliste zur Organtransplanta-                              tal gespendeter Organe
      tion ist insbesondere nach Notwendigkeit und Erfolgsaus-
      sicht zu entscheiden (§ 10 Abs. 2 Nr. 2 TPG). Patienten kön-                    II.1   Rechtliche Grundlagen, medizinische Definitionen und
      nen dann in die jeweilige Warteliste aufgenommen werden,                               Leitgedanken
      wenn die Organtransplantation mit größerer Wahrschein-                                 a) Vermittlungspflichtige Organe (Herz, Lungen, Leber,
      lichkeit eine Lebensverlängerung oder eine Verbesserung                                   Nieren, Bauchspeicheldrüse und Darm postmortaler
      der Lebensqualität erwarten lässt als die sonstige Behand-                                Spender) werden zur Transplantation in einem deutschen
      lung. Bei der Entscheidung über die Aufnahme ist jeweils                                  Transplantationszentrum gemäß dem Transplantations-
      zu prüfen, ob die individuelle medizinische Situation des                                 gesetz (TPG) und dem von der Bundesärztekammer in
      Patienten, sein körperlicher und seelischer Gesamtzustand                                 Richtlinien festgestellten Stand der Erkenntnisse der me-
      den erwünschten Erfolg der Transplantation erwarten lässt:                                dizinischen Wissenschaft (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG)
      das längerfristige Überleben, die längerfristig ausreichende                              vermittelt. Dabei sind die Wartelisten der Transplantati-
      Transplantatfunktion und die verbesserte Lebensqualität.                                  onszentren für das jeweilige Organ als bundeseinheitli-
      Für diese Beurteilung sind die Gesamtumstände zu berück-                                  che Warteliste zu behandeln. Die Richtlinien sind für die
      sichtigen. Dazu gehört auch die Compliance.                                               Vermittlungsstelle, die Vermittlungsentscheidungen für
7.    Vor Aufnahme in die Warteliste zur Transplantation ist der                                die Transplantationszentren verbindlich.
      Patient über die Erfolgsaussicht, die Risiken und die länger-                          b) Die vermittlungspflichtigen Organe dürfen nur
      fristigen medizinischen, psychologischen und sozialen Aus-                                 – gemäß den §§ 3 und 4 TPG entnommen,
      wirkungen der bei ihm vorgesehenen Transplantation aufzu-                                  – nach Vermittlung durch die Vermittlungsstelle und
      klären. Hierzu gehört auch die Aufklärung über die notwen-                                 – in dafür zugelassenen Transplantationszentren
      dige Immunsuppression mit den potentiellen Nebenwirkun-                                      transplantiert werden (§ 9 Abs. 1 und § 10 TPG).
      gen und Risiken sowie die Notwendigkeit von regelmäßi-                                 c) Die Vermittlung muss insbesondere nach Erfolgsaussicht
      gen Kontrolluntersuchungen. Zudem ist der Patient darüber                                 und Dringlichkeit erfolgen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 TPG) und
      zu unterrichten, an welche Stellen seine personenbezogenen                                dem Grundsatz der Chancengleichheit entsprechen. Der
      Daten übermittelt werden. Gegebenenfalls ist der Patient                                  Chancengleichheit dient insbesondere, dass die Wartelis-
      über die Möglichkeiten der Aufnahme in die Warteliste ei-                                 ten der Transplantationszentren für das jeweilige Organ
      nes anderen Zentrums zu informieren.                                                      bei der Vermittlung als bundeseinheitliche Warteliste zu
8.    Bei der Aufnahme in die Warteliste ist der Patient darauf hinzu-                          behandeln sind (§ 12 Abs. 3 Satz 2 TPG).
      weisen, dass ausnahmsweise ein ihm vermitteltes Organ aus                              d) Kriterien des Erfolgs einer Transplantation sind die
      zentrumsinternen organisatorischen oder personellen Gründen                               längerfristig ausreichende Transplantatfunktion und
      nicht rechtzeitig transplantiert werden kann. Vorsorglich für                             ein damit gesichertes Überleben des Empfängers mit
      diese Situation muss der Patient entscheiden, ob er in diesem                             verbesserter Lebensqualität. Die Erfolgsaussichten
      Fall die Transplantation in einem anderen Zentrum wünscht                                 unterscheiden sich nach Organen, aber auch nach defi-
      oder ob er auf das angebotene Organ verzichten will. Die Ent-                             nierten Patientengruppen.

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.rili_baek_OrgaWlOvNierenTx20210316                                                                   A2
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

       e) Der Grad der Dringlichkeit richtet sich nach dem ge-        folge: thorakale Organe, Leber, Dünndarm, Pankreas, Niere.
          sundheitlichen Schaden, der durch die Transplantati-        Im Rahmen kombinierter Organtransplantationen erfolgt die Allokati-
          on verhindert werden soll.                                  on gemäß den Regeln des nach dieser Reihenfolge führenden Organs.
          Patienten, die ohne Transplantation unmittelbar vom         Darüber hinaus werden die Voraussetzungen bevorzugter kombi-
          Tod bedroht sind, werden bei der Organvermittlung           nierter Transplantationen nicht-renaler Organe jeweils im Beson-
          vorrangig berücksichtigt.                                   deren Teil geregelt; in jedem Fall ist dafür ein Auditverfahren bei
          Bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden               der Vermittlungsstelle durchzuführen.
          wird berücksichtigt, dass ihre Entwicklung ohne             Änderungen bei der Organklassifikation, die sich erst nach er-
          Transplantation in besonderer Weise beeinträchtigt          folgtem Organangebot gegenüber einem Transplantationszen-
          oder anhaltend gestört wird.                                trum ergeben, werden nicht mehr berücksichtigt, auch wenn die-
       f) Chancengleichheit der Organzuteilung bedeutet zum ei-       se zu einer anderen Zuteilung geführt hätten. Das Zentrum wird
          nen, dass die Aussicht auf ein vermitteltes Organ insbe-    über diese Änderungen informiert. Entscheidet es sich – gegebe-
          sondere nicht von Wohnort, sozialem Status, finanzieller    nenfalls in Absprache mit dem vorgesehenen Empfänger –, das
          Situation und der Aufnahme in die Warteliste eines be-      Angebot daraufhin abzulehnen, wird die Allokation unter Ver-
          stimmten Transplantationszentrums abhängen darf. Zum        wendung der neuen Organklassifikation wieder aufgenommen.
          anderen sollen schicksalhafte Nachteile möglichst aus-      Voraussetzung für die Organvermittlung an einen Patienten ist
          geglichen werden. Dem dienen unter anderem die Be-          seine Aufnahme in die Warteliste eines Transplantationszentrums
          rücksichtigung der Wartezeit und die relative Bevorzu-      und seine Registrierung bei der Vermittlungsstelle mit den für die
          gung von Patienten mit einer seltenen Blutgruppe oder       Vermittlung notwendigen aktuellen medizinischen Daten.
          bestimmten medizinischen Merkmalen wie seltene Ge-          Die Aufnahme eines Patienten in die Warteliste zur Organtrans-
          webeeigenschaften und Unverträglichkeiten.                  plantation verpflichtet das Transplantationszentrum sicherzustel-
       g) Die Transplantationszentren sind verpflichtet, der Ver-     len, dass ein für ihn alloziertes Organ transplantiert werden kann,
          mittlungsstelle die für die Vermittlungsentscheidung        soweit keine medizinischen oder persönlichen Hinderungsgrün-
          und deren Auswertung benötigten Daten zu übermitteln.       de auf Seiten des Empfängers vorliegen.
       h) Zur Überprüfung bisheriger und Gewinnung neuer              Deshalb muss jedes Transplantationszentrum dafür sorgen, dass
          Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft auf             es selbst oder ein es vertretendes Zentrum
          dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet kann                 – über die Annahme eines Organangebots jederzeit und unver-
          nach vorheriger Unterrichtung der Vermittlungsstelle                züglich entscheiden kann, und zwar bei der Transplantation al-
          und der Bundesärztekammer im Rahmen medizini-                       lein der Niere in der Regel innerhalb von 60 Minuten, in allen
          scher Forschungsvorhaben für eine begrenzte Zeit                    anderen Fällen in der Regel innerhalb von 30 Minuten, und
          und eine begrenzte Zahl von Patienten von dieser                  – ein akzeptiertes Organ unverzüglich transplantiert, um die
          Richtlinie abgewichen werden, sofern durch die Ver-                 Ischämiezeit möglichst kurz zu halten; dies schließt ein, dass
          mittlungsstelle keine Einwände erhoben werden. Die                  der Patient, dem das Organ transplantiert werden soll, in an-
          Bewertung der zuständigen Ethik-Kommission oder                     gemessener Zeit für die Transplantation vorbereitet und ge-
          die Entscheidung der zuständigen Genehmigungsbe-                    gebenenfalls in das Zentrum transportiert werden kann.
          hörde bleiben unberührt. Die Vermittlungsstelle, die        Ist das Transplantationszentrum dazu nicht in der Lage, muss es
          Bundesärztekammer und ggf. die Koordinierungsstel-          dies der Vermittlungsstelle unter Angabe der Gründe unverzüg-
          le sind nach Abschluss der jeweiligen Studie zeitnah        lich mitteilen.
          über das Ergebnis zu unterrichten.                          Lässt sich das Transplantationszentrum länger als eine Woche
                                                                      zusammenhängend vertreten, hat es alle Patienten der betroffe-
II.2 Verfahren der Organvermittlung                                   nen Warteliste, die sich nicht für eine bedarfsweise Transplantati-
Das einzelne Transplantationszentrum kann im Rahmen seines            on in einem anderen Zentrum entschieden haben, zu informieren.
Behandlungsspektrums der Vermittlungsstelle allgemeine Akzep-
tanzkriterien für die Annahme von Spenderorganen für die in die       II.3     Allokation von eingeschränkt vermittelbaren Organen
jeweilige Warteliste aufgenommenen Patienten mitteilen (Zen-
trumsprofil). Darüber hinaus kann das Transplantationszentrum         II.3.1 Ausgangssituation
mit dem einzelnen Patienten nach angemessener Aufklärung per-         Die Vermittlungsfähigkeit postmortal gespendeter Organe kann
sönliche Akzeptanzkriterien absprechen (Patientenprofil). Das Pa-     durch Funktionsminderungen oder durch Vorerkrankungen der
tientenprofil kann sich im Laufe der Wartezeit ändern und ist ge-     Spender eingeschränkt sein. Eine exakte Definition von Kriterien
genüber der Vermittlungsstelle unverzüglich zu aktualisieren. Die     für diese unter bestimmten Umständen dennoch gut funktionsfä-
Weitergabe der für den Patienten wesentlichen Akzeptanzkriterien      higen Organe ist wegen der Vielfalt von Ursachen und Einzelhei-
des Patientenprofils setzt die informierte Einwilligung des Patien-   ten nicht möglich. Viele dieser Organe können unter den beson-
ten oder seines bevollmächtigten Vertreters voraus.                   deren Bedingungen, wie sie das modifizierte und das beschleunig-
Jedes Organ wird nach spezifischen Kriterien unter Verwendung ei-     te Vermittlungsverfahren (s. II.3.3) vorsehen, erfolgreich trans-
nes Allokationsalgorithmus vermittelt. Die Gewichtung der Alloka-     plantiert werden. Damit kann ein Organverlust verhindert werden.
tionsfaktoren wird fortlaufend gemäß dem Stand der Erkenntnisse       Voraussetzung für die Vermittlung nach einem der beiden beson-
der medizinischen Wissenschaft überprüft und angepasst. Jede Ver-     deren Verfahren sind die Angabe der allgemeinen Akzeptanzkri-
mittlungsentscheidung und ihre Gründe sind zu dokumentieren.          terien durch das einzelne Zentrum gegenüber der Vermittlungs-
Dies gilt auch für die Ablehnung eines angebotenen Spenderorgans.     stelle und die mit dem einzelnen Patienten abgesprochenen per-
Für die Allokation vermittlungspflichtiger Organe gilt die Reihen-    sönlichen Akzeptanzkriterien.

A3                                                                    Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.rili_baek_OrgaWlOvNierenTx20210316
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

Generell ist die Vermittlungsstelle verpflichtet, auch für eingeschränkt                 Die Zentren teilen ggf. der Vermittlungsstelle den gegenwärtig
vermittelbare Organe ein Vermittlungsverfahren durchzuführen und                         am besten geeigneten Empfänger mit. Wenn Patienten aus mehr
dabei die Zentrums- und Patientenprofile zu berücksichtigen.                             als einem Zentrum in Betracht kommen, wird das Organ dem Pa-
                                                                                         tienten zugeteilt, für den die Akzeptanzerklärung des zuständigen
II.3.2 Kriterien für die Einschränkung der Vermittlungsfä-                               Zentrums als erste bei der Vermittlungsstelle eingegangen ist.
       higkeit                                                                           Die Zentren müssen die Gründe für ihre Auswahlentschei-
Die Vermittlungsfähigkeit von Organen wird unter anderem                                 dung dokumentieren.
durch schwerwiegende Erkrankungen in der Vorgeschichte des                            3. Gelingt eine Vermittlung des Organs innerhalb des Zuständig-
Spenders oder durch Komplikationen im Verlauf seiner tödlichen                           keitsbereichs der Vermittlungsstelle nicht, kann diese das Or-
Erkrankung oder Schädigung oder durch Komplikationen vor                                 gan auch anderen Organaustauschorganisationen anbieten,
oder bei der Organentnahme eingeschränkt, insbesondere durch                             um den Verlust des Organs möglichst zu vermeiden.
       – Maligne Tumoren in der Anamnese,
       – Drogenabhängigkeit,                                                          II.3.4 Evaluation
       – Virushepatitis (jeweils alternativ HBS Ag+, anti-                            Neben der Dokumentation der Auswahlentscheidung sollen die
           HBC+ oder anti-HCV+),                                                      Ergebnisse der Transplantation aller eingeschränkt vermittelba-
       – Sepsis mit positiver Blutkultur,                                             ren Organe von der Vermittlungsstelle fortlaufend besonders do-
       – Meningitis.                                                                  kumentiert und jeweils in Abständen von zwei Jahren auf der
In den besonderen Regelungen dieser Richtlinie können weite-                          Grundlage eines gemeinsamen Berichts der Vermittlungs- und
re, organspezifische Kriterien für die Einschränkung der Ver-                         der Koordinierungsstelle evaluiert werden, soweit die organspe-
mittelbarkeit genannt sein.                                                           zifischen Richtlinien nichts anderes bestimmen.
Im Einzelfall muss die Einschränkung der Vermittlungsfähig-                           Die Transplantationszentren sind verpflichtet, der Vermittlungs-
keit von den an der Organentnahme, -verteilung oder -übertra-                         stelle die für die Evaluation benötigten Daten zu übermitteln.
gung beteiligten Ärzten beurteilt werden.
Auch Domino-Transplantate gelten als eingeschränkt vermittel-                         II.4 Sanktionen
bar. Domino-Transplantate sind Organe, die einem Empfänger                            Bei einem Verstoß gegen die Richtlinien zur Organvermittlung
im Rahmen der Transplantation eines Spenderorgans entnom-                             entfallen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Transplan-
men werden und anderen Patienten übertragen werden können.                            tation (§ 9 Abs. 1 Satz 2 TPG), und es liegt eine Ordnungswidrig-
                                                                                      keit vor (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 TPG). Wird der Vermittlungsstelle ein
II.3.3 Besondere Vermittlungsverfahren                                                Verstoß bekannt oder hat sie zureichende tatsächliche Anhalts-
                                                                                      punkte dafür, unterrichtet sie die nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4
II.3.3.1 Modifiziertes Vermittlungsverfahren                                          TPG gebildete Prüfungskommission. Diese entscheidet über die
Organe sollen unter den in Abschnitt II.2 beschriebenen Voraus-                       Information der zuständigen Bußgeldstelle.
setzungen nur solchen Transplantationszentren für solche Patien-
ten angeboten werden, für die sie nach dem Zentrums- und dem                          III    Besondere Regelungen zur Nierentransplantation
Patientenprofil in Betracht kommen. Im Übrigen erfolgt die Ver-
mittlung nach den allgemeinen Regeln für das jeweilige Organ.                         III.1 Gründe für die Aufnahme in die Warteliste
                                                                                      Indikation zur Nierentransplantation und Voraussetzung zur Auf-
II.3.3.2 Beschleunigtes Vermittlungsverfahren                                         nahme in die Warteliste ist das nicht rückbildungsfähige, termi-
Die Vermittlungsstelle entscheidet über die Einleitung des beschleu-                  nale Nierenversagen, das zur Erhaltung des Lebens eine chroni-
nigten Vermittlungsverfahrens auf der Grundlage aller vorhandenen In-                 sche Dialysebehandlung erforderlich macht.
formationen. Dieses Verfahren wird insbesondere durchgeführt, wenn                    Als Ausnahme kann eine Listung zu einer präemptiven postmor-
     – durch eine Kreislaufinstabilität des Spenders oder                             talen Nierentransplantation nur bei Kindern (siehe auch III.4.8)
     – aus logistischen oder organisatorischen Gründen oder                           und im Rahmen einer kombinierten Pankreas-Nierentransplanta-
     – aus spender- oder aus organbedingten Gründen                                   tion (siehe auch III.6) erfolgen sowie zur Aufnahme in die Warte-
ein Organverlust droht.                                                               liste im Rahmen der Vorbereitung einer Lebendnierentransplan-
Dabei ist das folgende abgestufte Vorgehen zu beachten:                               tation. Als Voraussetzung muss eine nicht rückbildungsfähige
1. Um die Ischämiezeit möglichst kurz zu halten, wird ein Organ im                    Nierenschädigung vorliegen und die abgeschätzte glomeruläre
   beschleunigten Vermittlungsverfahren allen Zentren einer Regi-                     Filtrationsrate (berechnet nach der CKD-EPI-Formel für Er-
   on der Koordinierungsstelle, in der sich das Organ zum Zeitpunkt                   wachsene bzw. nach der Schwartz-Formel für Kinder) folgende
   des Angebotes befindet, sowie anderen nahegelegenen Zentren                        Grenzwerte unterschreiten:
                                                                                                                                                2
   angeboten. Die Zentren wählen aus ihrer Warteliste bis zu zwei                             – Kindernierentransplantation: 20 ml/min/1,73m
   geeignete Empfänger aus und melden diese an die Vermittlungs-                              – kombinierte Pankreas-Nierentransplantation: 30 ml/min/
   stelle. Die Vermittlungsstelle vermittelt dann das Organ innerhalb                             1,73m2
   der Gruppe der so gemeldeten Patienten entsprechend der Rei-                       Für den Sonderfall der Konstellation einer chronischen Dialyse-
   henfolge, wie sie sich aus den im besonderen Teil der Richtlinie                   pflichtigkeit und des nicht sicher zu führenden Beweises einer
   beschriebenen Verteilungsregeln ergibt. Für jedes Organangebot                     nicht rückbildungsfähigen Nierenschädigung (insbesondere he-
   gilt eine Erklärungsfrist von maximal 30 Minuten. Wenn sie                         patorenales oder kardiorenales Syndrom) bei ansonsten indizier-
   überschritten wird, gilt das Angebot als abgelehnt.                                ter, zweizeitiger kombinierter Organtransplantation (z. B. se-
2. Gelingt eine Vermittlung nach diesem Verfahren nicht, kann die                     quentielle Nieren-nach-Leber- oder Nieren-nach-Herz-Trans-
   Vermittlungsstelle das Organ auch weiteren Zentren anbieten.                       plantation) kann eine Listung für die zweizeitige kombinierte Or-

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.rili_baek_OrgaWlOvNierenTx20210316                                                                   A4
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

                                                                                             1
gantransplantation erfolgen. In diesem Fall wird der Patient für                                       Als Ausnahme für hochimmunisierte Patienten, die in das
die Nierentransplantation als „nicht transplantabel“ geführt.                                          Acceptable-Mismatch(AM)-Programm aufgenommen wurden
(Weitere) spezielle bzw. ergänzende Regelungen für kombinierte                                         (s. III.4.6), gelten die folgenden Blutgruppenregeln:
Transplantationen von Nieren mit anderen soliden Organen fin-
den sich unter III.5 bis III.8.
                                                                                                                     Spender Blutgruppe             Empfänger Blutgruppe
III.2  Gründe für die Ablehnung einer Aufnahme in die                                                                          0                               0, B
       Warteliste                                                                                                              A                              A, AB
Als Gründe für die Ablehnung einer Aufnahme in die Warteliste
                                                                                                                               B                                B
gelten die im Allgemeinen Teil genannten Kriterien.
                                                                                                                              AB                               AB
III.3   Zusammensetzung der interdisziplinären Transplan-
        tationskonferenz
Der interdisziplinären Transplantationskonferenz nach Kapitel I                                        Im Rahmen von kombinierten Transplantationen von Nieren mit
Ziff. 5 des Allgemeinen Teils dieser Richtlinien gehören an:                                           anderen soliden Organen hat im Falle einer abweichenden Blut-
        ● als Vertreter der beteiligten operativen und konserva-                                       gruppenregelung des führenden, nicht-renalen Organs die Nie-
            tiven Disziplinen (Leiter oder Vertreter) ein                                              rentransplantation zweizeitig zu erfolgen, damit die Vorgabe der
            1. Chirurg/Urologe,                                                                        Blutgruppenidentität für die Nierentransplantation gewahrt
            2. Nephrologe                                                                              bleibt.
        ● und 3. ein Vertreter des ärztlichen Direktors (siehe auch I.5).                              Sollte eine postmortal zu vermittelnde Spenderniere nicht blut-
Der Transplantationskonferenz können Vertreter weiterer medi-                                          gruppenidentisch transplantiert werden können, kann eine blut-
zinischer Disziplinen (Leiter oder Vertreter) angehören. Es kom-                                       gruppenkompatible Vermittlung erfolgen. Hierfür gelten die fol-
men insbesondere in Betracht ein                                                                       genden Blutgruppenregeln:
        – Anästhesist,
        – Fachimmungenetiker/Transplantationsimmunologe,
                                                                                                                     Spender Blutgruppe             Empfänger Blutgruppe
        – Transfusionsmediziner,
        – Laborarzt,                                                                                                           0                            A, B, AB
        – Neurologe,                                                                                                           A                               AB
        – Pathologe,
                                                                                                                               B                               AB
        – Pharmakologe,
        – Psychosomatiker/Psychotherapeut/Psychiater,                                                                         AB                          nicht möglich
        – Radiologe
        sowie ein Vertreter der Pflege.
                                                                                                       III.4.2 Grad der Übereinstimmung der HLA-Merkmale
III.4 Kriterien für die Allokation von Nieren                                                          Im Hinblick auf den langfristigen Transplantationserfolg ist eine
Eine Allokation von postmortalen Spendernieren erfolgt nach                                            möglichst weitgehende Übereinstimmung der HLA-Merkmale
drei unterschiedlichen Verfahren:                                                                      anzustreben.
1.     Allokation nach Punktwert entsprechend III.4.1 – III.4.5                                        Berücksichtigt und in einer Punktzahl ausgedrückt wird bei der
       und III.4.7 – III.4.9                                                                           Organzuteilung die Summe der „Mismatches“ (Nicht-Überein-
2.     Allokation im Verfahren für Empfänger und von Spenderor-                                        stimmungen) der Antigene des HLA-A-, HLA-B- und HLA-
       ganen ab 65 Jahre („Alt für Alt“) gemäß III.4.10 und III.4.7                                    DR-Locus bzw. die Anzahl der zwischen Spender und Empfän-
3.     Allokation für hochimmunisierte Patienten im sogenann-                                          ger übereinstimmenden HLA-Antigene. Die Punktzahl wird wie
       ten Acceptable-Mismatch(AM)‑Programm gemäß III.4.6.                                             folgt berechnet:
                                                                                                       400 x [1– (∑broad HLA-A, -B, split HLA-DR Mismatches / 6)]
III.4.1 Blutgruppenkompatibilität (A-B-0-System)                                                       Dabei entspricht die Anzahl der nicht übereinstimmenden Merk-
Voraussetzung für die postmortale Nierentransplantation ist die                                        male folgenden Punktwerten:
Blutgruppenkompatibilität zwischen Spender und Empfänger.
Um eine gleichmäßige Verteilung der Spenderorgane zu gewähr-
                                                                                                                    Anzahl der HLA-A, -B, -DR-Mismatches               Punkte
leisten, erfolgt die Allokation grundsätzlich blutgruppenidentisch
nach den folgenden Regeln:                                                                                                               0                                400
                                                                                                                                         1                             333.33
                Spender Blutgruppe                    Empfänger Blutgruppe                                                               2                             266.67
                             0                                       0                                                                   3                             200.00
                             A                                      A                                                                    4                             133.33
                             B                                      B
                                                                                                                                         5                             66.67
                            AB                                     AB
                                                                                                                                         6                                0.00

1
 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher
Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für alle Geschlechter.

A5                                                                                                     Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.rili_baek_OrgaWlOvNierenTx20210316
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

Patienten mit einer 0-Mismatch-Konstellation in der HLA-Typi-                                     Zeitraum von 0 – 91 Tagen nach Nierentransplantati-
sierung im HLA-A-, HLA-B- und HLA-DR-Locus zwischen                                               on,
Spender und Empfänger erhalten bevorzugt vor allen anderen                                    – Anrechnung von 75% der vorbestehenden Wartezeit
Patienten ein Organangebot mit Ausnahme der hochimmunisier-                                       bei Eintritt einer chronischen Dialysepflichtigkeit im
ten Patienten im Acceptable-Mismatch-Programm (AM-Pro-                                            Zeitraum von 92 – 183 Tagen nach Nierentransplanta-
gramm) (s. III.4.6). Handelt es sich bei dem Spender um einen                                     tion,
bzgl. der berücksichtigten HLA-Antigene homozygoten Spen-                                     – Anrechnung von 50% der vorbestehenden Wartezeit
der, erfolgt die Zuteilung bevorzugt an bzgl. der berücksichtigten                                bei Eintritt einer chronischen Dialysepflichtigkeit im
HLA-Antigene homozygote Empfänger. Darüber hinaus ergibt                                          Zeitraum von 184 – 275 Tagen nach Nierentransplan-
sich die Reihenfolge innerhalb der Gruppe mit einer 0-Mis-                                        tation,
match-Konstellation aus dem Gesamtpunktwert.                                                  – Anrechnung von 25% der vorbestehenden Wartezeit
                                                                                                  bei Eintritt einer chronischen Dialysepflichtigkeit im
III.4.3 Mismatch-Wahrscheinlichkeit                                                               Zeitraum von 276 – 365 Tagen nach Nierentransplan-
Die Mismatch-Wahrscheinlichkeit (Mismatch Probability                                             tation,
(MMP)) bezeichnet die errechnete Wahrscheinlichkeit, ein weit-                                – Anrechnung von 0% der vorbestehenden Wartezeit
gehend in den HLA-Merkmalen übereinstimmendes Organ (ma-                                          bei Eintritt einer chronischen Dialysepflichtigkeit ab
ximal ein Mismatch) angeboten zu bekommen. Grundlage für                                          366 Tagen nach Nierentransplantation.
die Berechnung ist die Verteilung der HLA-Merkmale in der Be-                         Patienten, die nach einer Lebendnierentransplantation ein termi-
völkerung unter Berücksichtigung der Blutgruppen-Allokations-                         nales Nierentransplantatversagen erleiden und die die in III.1 ge-
regeln. Basierend auf der berechneten Mismatch-Wahrschein-                            nannten Voraussetzungen zur Listung für eine postmortale Re-
lichkeit wird ein Punktwert zwischen 0 und 100 Punkten zuge-                          Nierentransplantation erfüllen, wird die Wartezeit angerechnet,
teilt und wie folgt berechnet:                                                        die zum Zeitpunkt der vorangegangenen Lebendnierentransplan-
MMP=100 × (1-(AB0-match Häufigkeit × (1-(%PRA /100)) ×                                tation bestand.
(MMP0 + MMP1)))1000
                                            2
MMP0 = (a1+a2)2 * (b1+b2)2 * (dr1+dr2)                                                III.4.5 Ischämiezeit
MMP1 = MMP0 x                                                                         Eine sofortige und adäquate Funktionsaufnahme des Transplan-
                                         2     2
        ((((2*(a1+a2)*(1 – a1 – a2)) – a1 – a2                                        tats ist ein entscheidender Vorteil für einen langfristigen Trans-
                                             2          2
            + ∑(all HLA-A Ag Häufigkeiten )) / ((a1+a2) ))                            plantationserfolg. Daher ist eine möglichst kurze Ischämiezeit
                                           2     2
        + (((2*(b1+b2)*(1 – b1 – b2)) – b1 – b2                                       anzustreben und bei der Organallokation zu berücksichtigen.
            + ∑(all HLA-B Ag Häufigkeiten2)) / ((b1+b2)2))                            Hierzu erhält der Empfänger folgende Zusatzpunkte:
        + (((2*(dr1+dr2)*(1 – dr1 – dr2)) – dr12 – dr22                               Spender aus einem anderen ET-Land:                        0 Punkte
            +(all HLA-DR Ag Häufigkeiten2)) / ((dr1+dr2)2)))                          Spender aus Deutschland:                               100 Punkte
                                                                                      Spender innerhalb derselben
                                                                                      Organentnahmeregion zusätzlich:                        200 Punkte
             Parameter                      Häufigkeit von
                                                                                      Die Niere muss nach Ankunft im Transplantationszentrum un-
                                            st
                  a1                      1 HLA-A-Antigen                             verzüglich implantiert werden.
                  a2                      2nd HLA-A-Antigen
                                                                                      III.4.6 Hochimmunisierte Patienten
                  b1                       1st HLA-B-Antigen
                                                                                      Hochimmunisierte Patienten werden im Rahmen des Acceptable-
                  b2                      2nd HLA-B-Antigen                           Mismatch-Programms (AM-Programm) wegen ihrer sonst sehr
                 dr1                      1st HLA-DR-Antigen                          viel schlechteren Chancen für die Zuteilung eines Spenderorgans
                 dr2                     2nd HLA-DR-Antigen                           bevorzugt berücksichtigt. Diese Patienten erhalten ein Organan-
                                                                                      gebot vor allen anderen Patienten. In diesem Programm gelten
                                                                                      besondere Blutgruppenregelungen (s. III.4.1). Bei Listung im
                                                                                      AM-Programm ist eine Organallokation über die anderen Ver-
III.4.4 Wartezeit                                                                     fahren ausgeschlossen. Patienten im AM-Programm dürfen nicht
Die Wartezeit beginnt mit dem ersten Tag der chronischen Dialy-                       im beschleunigten Vermittlungsverfahren (s. II.3.3.2) transplan-
sebehandlung (Hämo- oder Peritonealdialyse). Die Wartezeit                            tiert werden.
wird in Tagen berechnet und in einer Punktzahl ausgedrückt. Die
Punktzahl wird wie folgt berechnet:                                                   III.4.7 Hohe Dringlichkeit (High Urgency – HU)
        Punkte pro Jahr: 33 (d. h. pro Tag Wartezeit: 0.091)                          In Einzelfällen, in denen eine lebensbedrohliche Situation vor-
Bei Retransplantationen beginnt die Wartezeit mit dem Tag der                         liegt bzw. absehbar ist, besteht eine besondere Dringlichkeit zur
ersten Dialyse nach Verlust der Transplantatfunktion.                                 Transplantation, die eine vorrangige Organzuteilung rechtfertigt.
Besteht nach der Transplantation weiterhin eine chronische Dia-                       Unter diese Regelung fallen insbesondere Patienten, die keine
lysepflichtigkeit oder tritt der Transplantatfunktionsverlust inner-                  weitere Shuntmöglichkeit oder die Möglichkeit zur Peritoneal-
halb von 365 Tagen nach der Transplantation auf, gelten folgen-                       dialyse haben. Darüber hinaus besteht eine besondere Dringlich-
de Regelungen für die Anrechnung der vor der Transplantation                          keit zur Nierentransplantation nach vorausgegangener Pankreas-
bestehenden Wartezeit:                                                                transplantation mit Drainage des Pankreassekretes in die Blase,
        – Anrechnung von 100% der vorbestehenden Wartezeit                            wenn es bei funktionierendem Pankreastransplantat zu einem
            bei Eintritt einer chronischen Dialysepflichtigkeit im                    Ausfall der Nierenfunktion kommt.

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.rili_baek_OrgaWlOvNierenTx20210316                                                                 A6
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

Diese Einzelfälle müssen besonders begründet und durch zwei         nommene Organ eines Spenders ab 65 Jahre ist von der Vermitt-
unabhängige, von der Vermittlungsstelle beauftragte Auditoren       lungsstelle zuerst demjenigen Patienten ab 65 Jahre zuzuordnen,
überprüft werden. Bei Uneinigkeit wird ein dritter Auditor hinzu-   der auf den Wartelisten eines der Transplantationszentren im Be-
gezogen, dessen Stimme dann entscheidet. Damit diese Patienten      reich dieser Organisationszentrale oder dieses Organisations-
bevorzugt transplantiert werden können, erhalten die Patienten      schwerpunkts steht, diesem Programm zugestimmt hat und bei
500 Zusatzpunkte bei der Allokation nach Punktwert bzw. Priori-     der Allokation die höchste Punktzahl für die Wartezeit erzielt.
tät im Programm für Empfänger und von Spenderorganen                Findet sich innerhalb des Bereichs dieser Organisationszentrale
ab 65 Jahre („Alt für Alt“). Bei mehreren HU-Patienten im Pro-      oder dieses Organisationsschwerpunkts kein geeigneter Empfän-
gramm für Empfänger und von Spenderorganen ab 65 Jahre er-          ger, ist das Allokationsverfahren auf alle Patienten ab 65 Jahre
folgt die Reihenfolge der Angebote nach der HU-Wartezeit.           auf den Wartelisten der Transplantationszentren in der betreffen-
Die Vermittlungsstelle berichtet über diese Fälle regelmäßig der    den Organentnahmeregion auszudehnen. Konkret werden post-
Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärzte-          mortal entnommene Nieren von Spendern ab 65 Jahre nach fol-
kammer.                                                             gender Reihenfolge alloziert:
                                                                            – 1. Allokation gemäß den hier unter III.4.10 genann-
III.4.8 Nierentransplantation bei Kindern und Jugendlichen                        ten Bedingungen
Kinder und Jugendliche sind wegen der erheblichen Auswirkun-                – 2. Allokation im beschleunigten Vermittlungsverfah-
gen eines irreversiblen Nierenversagens auf ihre Gesundheits-                     ren gemäß II.3.3.2.
und Entwicklungschancen besonders zu berücksichtigen. Des-          Patienten werden in dieses Programm nur aufgenommen, wenn
halb erhalten Kinder und Jugendliche, die vor Vollendung des        sie sich nach Aufklärung durch das Transplantationszentrum da-
18. Lebensjahres in die Warteliste aufgenommen wurden oder          für ausdrücklich entschieden haben. Diese Entscheidung ist je-
dialysepflichtig geworden sind, pädiatrische Zusatzpunkte. Die-     derzeit widerruflich. Die Teilnahme an diesem Programm
se bestehen aus 100 Zusatzpunkten sowie einer Verdoppelung          schließt die Teilnahme am normalen Verteilungsverfahren und
der für die Übereinstimmung der HLA-Merkmale vergebenen             die Vergabe eines postmortal gespendeten Organs im Rahmen
Punkte. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres entfallen die pädia-    der 0-Mismatch-Allokation aus. Die Wartezeit bleibt bei jedem
trischen Zusatzpunkte sowie die Möglichkeit zur präemptiven         Wechsel erhalten.
Aufnahme in die Warteliste, bereits präemptiv aufgenommene
Patienten müssen von der Warteliste genommen werden.                III.5 Kombinierte Leber-Nierentransplantation
                                                                    Patienten, die in die Warteliste für eine kombinierte Leber-Nie-
III.4.9 Ermittlung der Allokationsreihenfolge                       rentransplantation aufgenommen wurden, können simultan oder
        (für die Nierenallokation)                                  sequentiell transplantiert werden. Für die bevorzugt durchzufüh-
Für die Bestimmung der Allokationsreihenfolge wird für alle         rende sequentielle Transplantation erhalten die gelisteten Patien-
transplantablen, gemäß den Blutgruppenregeln (s. III.4.1) und       ten nach erfolgreicher alleiniger Lebertransplantation einmalig
dem zentrums- und patientenspezifischen Spenderprofil geeigne-      500 Zusatzpunkte bzw. zweite Priorität im Programm für Emp-
ten Patienten auf der Warteliste ein Gesamtpunktwert aus der        fänger und von Spenderorganen ab 65 Jahre (nach den HU-gelis-
Summe der Punktwerte der unter III.4.2 bis III.4.8 genannten Al-    teten Patienten im Programm für Empfänger und von Spenderor-
lokationskriterien gebildet. Die Allokationsreihenfolge ergibt      ganen ab 65 Jahre) ab dem 90. Tag nach der Lebertransplantati-
sich aus der absteigenden Reihenfolge des so berechneten Ge-        on, sofern auch nach der Lebertransplantation durchgehend ein
samtpunktwertes. Werden beide Nieren eines Spenders zur Or-         terminaler Nierenfunktionsverlust mit chronischer Dialyse-
gantransplantation vermittelt, wählt das Transplantationszentrum    pflichtigkeit vorliegt. Bei mehreren Patienten, die im Programm
des höher gelisteten Patienten, ob dieser Patient die linke oder    für Empfänger und von Spenderorganen ab 65 Jahre für die kom-
die rechte Spenderniere erhalten soll.                              binierte Transplantation gelistet sind, erfolgt die Reihenfolge der
Im Falle eines Spenders, der jünger als 16 Jahre alt ist, werden    Angebote nach der Wartezeit.
Empfänger mit pädiatrischen Zusatzpunkten direkt nach Patien-       Wurde ein Patient nicht zur kombinierten Leber-Nierentrans-
ten mit vollständiger Übereinstimmung der HLA-Typisierung im        plantation gemeldet, können die Zusatzpunkte für die Nieren-
HLA-A, HLA-B und HLA-DR-Locus zwischen Spender und                  transplantation auch nachträglich beantragt werden, sofern bei
Empfänger (0-Mismatch-Allokation) gelistet. Die Rangfolge un-       diesem Patienten bereits vor der Lebertransplantation eine chro-
ter diesen Empfängern ergibt sich aus dem oben angegebenen          nische Dialysepflichtigkeit vorlag.
Gesamtpunktwert.                                                    Die Voraussetzungen zur Lebertransplantation im Rahmen der
                                                                    kombinierten Transplantation sind in der Richtlinie für die War-
III.4.10 Allokationsregelung für Empfänger und von                  telistenführung und Organvermittlung zur Lebertransplantation
         Spenderorganen ab 65 Jahre („Alt für Alt“)                 beschrieben.
Empfänger im Alter ab 65 Jahren können von folgender Allokati-
onsregelung zur Transplantation von Spenderorganen ab 65 Jah-       III.6 Kombinierte Pankreas-Nierentransplantation
ren Gebrauch machen:                                                Die Pankreastransplantation erfolgt überwiegend kombiniert mit
Hinsichtlich der Blutgruppenkompatibilität gelten die Regelun-      einer Nierentransplantation vom gleichen Spender bei Patienten
gen unter III.4.1. Die Übereinstimmung der HLA-Merkmale             mit Diabetes mellitus und fortgeschrittener bzw. terminaler Nie-
zwischen Spender und Empfänger wird in diesem Fall nicht be-        reninsuffizienz.
rücksichtigt.                                                       Bei der kombinierten Pankreas-Nierentransplantation kann eine
Das innerhalb des Bereichs einer Organisationszentrale oder ei-     Anmeldung zur präemptiven Nierentransplantation erfolgen,
nes Organisationsschwerpunkts der Koordinierungsstelle ent-         wenn von einer nicht rückbildungsfähigen Nierenschädigung

A7                                                                  Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.rili_baek_OrgaWlOvNierenTx20210316
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

ausgegangen werden muss und die abgeschätzte glomeruläre Fil-                         In medizinisch begründeten Einzelfällen kann nach Beschluss der
                              2
trationsrate < 30 ml/min/1,73m beträgt.                                               interdisziplinären Transplantationskonferenz Darm und nach Be-
Die Voraussetzungen zur Pankreastransplantation im Rahmen                             schluss der interdisziplinären Transplantationskonferenz Niere ei-
der kombinierten Transplantation sind in der Richtlinie für die                       ne Listung zur kombinierten Darmtransplantation bzw. kombinier-
Wartelistenführung und Organvermittlung zur Pankreastrans-                            ten Transplantationen unter Einschluss des Darms mit einer prä-
plantation beschrieben.                                                               emptiven Nierentransplantation erfolgen. Voraussetzung ist das
                                                                                      positive Votum einer Auditgruppe der Vermittlungsstelle. Die Au-
III.7   Kombinierte Nierentransplantation mit Transplantation                         ditgruppe umfasst Experten aus dem Bereich Darm- bzw. Multi-
        thorakaler Organe (Herz, Lunge, Herz-Lungen)                                  viszeraltransplantation und dem Bereich Nierentransplantation.
Patienten, die in die Warteliste für eine kombinierte Nierentrans-                    Die Voraussetzungen zur Transplantation des Darms im Rahmen
plantation mit der Transplantation thorakaler Organe aufgenom-                        der kombinierten Transplantation sind in der Richtlinie zur War-
men wurden, können simultan oder sequentiell nierentransplan-                         telistenführung und Organvermittlung zur Dünndarmtransplanta-
tiert werden. Für die bevorzugt durchzuführende sequentielle                          tion beschrieben.
Nierentransplantation erhalten die gelisteten Patienten nach er-
folgreicher alleiniger Transplantation thorakaler Organe einma-                       IV     Inkrafttreten
lig 500 Zusatzpunkte bzw. zweite Priorität im Programm für                            Die Richtlinienänderung tritt nach Bekanntgabe im Deutschen
Empfänger und von Spenderorganen ab 65 Jahre (nach den HU-                            Ärzteblatt und Veröffentlichung auf der Internetseite der Bundes-
gelisteten Patienten im Programm für Empfänger und von Spen-                          ärztekammer am 16.03.2021 in Kraft.
derorganen ab 65 Jahre) ab dem 90. Tag nach der Transplantation
des thorakalen Organs oder der thorakalen Organe, sofern auch
nach der Transplantation durchgehend ein terminaler Nieren-                           B           Begründung gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 TPG
funktionsverlust mit chronischer Dialysepflichtigkeit vorliegt.
Bei mehreren Patienten, die im Programm für Empfänger und                             I      Rechtsgrundlagen
Spenderorgane ab 65 Jahre für die kombinierte Transplantation                         Die Bundesärztekammer stellt gem. § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 7
gelistet sind, erfolgt die Reihenfolge der Angebote nach der War-                     Transplantationsgesetz (TPG) den Stand der Erkenntnisse der
tezeit.                                                                               medizinischen Wissenschaft fest und legt gem. § 16 Abs. 2 S. 1
Wurde ein Patient nicht zur kombinierten Transplantation des                          TPG das Verfahren für die Erarbeitung der Richtlinien und für
thorakalen Organs mit der Nierentransplantation gemeldet, kön-                        die Beschlussfassung fest. Die vorliegende Richtlinie beruht auf
nen die Zusatzpunkte für die Nierentransplantation auch nach-                         der Vorschrift des § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 und 5 TPG.
träglich beantragt werden, sofern bei diesem Patienten vor der
Transplantation des thorakalen Organs eine chronische Dialyse-                        II    Eckpunkte der Entscheidung zur Richtlinienfort-
pflichtigkeit vorlag.                                                                       schreibung
Die Voraussetzungen zur Transplantation thorakaler Organe im                          Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf Kapitel III
Rahmen der kombinierten Transplantation sind in den Richtlini-                        (Besondere Regelungen zur Nierentransplantation) der Richtlinie.
en für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Herz-
transplantation und Wartelistenführung und Organvermittlung                           II.1        Zusammenfassung und Zielsetzung
zur Lungentransplantation beschrieben.
                                                                                      II.1.1 Einleitung
III.8 Kombinierte Darm-Nierentransplantation                                          Die Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2 u. 5 TPG für die
Patienten, die in die Warteliste für eine kombinierte Darm-Nie-                       Wartelistenführung und Organvermittlung zur Nierentransplan-
rentransplantation aufgenommen wurden, können simultan                                tation wurde überarbeitet und aktualisiert. Im Rahmen der No-
oder sequentiell nierentransplantiert werden. Für die bevorzugt                       vellierung wurde sie teilweise neu strukturiert. Die vorliegende
                                                                                                                                            2
durchzuführende sequentielle Nierentransplantation erhalten                           Richtlinie wurde zuletzt geändert am 25.-27.06.2010 (Neube-
die gelisteten Patienten nach erfolgreicher alleiniger Transplan-                     kanntmachung) sowie am 13.-14.12.2012 (Interdisziplinäre
tation des Darms einmalig 500 Zusatzpunkte bzw. zweite Prio-                          Transplantationskonferenz) und 09.12.2013 (Rescue-Verfahren).
rität im Programm für Empfänger und von Spenderorganen ab                             Die vorgenommenen Änderungen waren erforderlich, um die
65 Jahre (nach den HU-gelisteten Patienten im Programm für                            seither stattgehabten Entwicklungen in der medizinischen Wis-
Empfänger und von Spenderorganen ab 65 Jahre) ab dem                                  senschaft und der transplantationsmedizinischen Praxis adäquat
90. Tag nach der Darmtransplantation, sofern auch nach der                            abzubilden.
Transplantation durchgehend ein terminaler Nierenfunktions-
verlust mit chronischer Dialysepflichtigkeit vorliegt. Bei meh-                       II.1.2 Verfahren zur Feststellung des Novellierungsbedarfs
reren Patienten, die im Programm für Empfänger und von                                Die Feststellung des Novellierungsbedarfs erfolgte auf der
Spenderorganen ab 65 Jahre für die kombinierte Transplantati-                         Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und im Erfah-
on gelistet sind, erfolgt die Reihenfolge der Angebote nach der                       rungsaustausch in den Sitzungen der mit der Überarbeitung be-
Wartezeit.                                                                            fassten Arbeitsgruppe, wobei auch Erfahrungen aus den Prüfun-
Wurde ein Patient nicht zur kombinierten Darm-Nierentrans-                            gen der Transplantationszentren, aus medizinischen Anfragen an
plantation gemeldet, können die Zusatzpunkte für die Nieren-                          die Ständige Kommission Organtransplantation sowie aus den
transplantation auch nachträglich beantragt werden, sofern bei                        Beratungen im Eurotransplant-Verbund eingeflossen sind.
diesem Patienten bereits vor der Transplantation des Darms eine
chronische Dialysepflichtigkeit vorlag.                                               2
                                                                                          Angegeben ist jeweils das Datum des Beschlusses des Vorstands der Bundesärztekammer.

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.rili_baek_OrgaWlOvNierenTx20210316                                                                                       A8
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

II.1.3 Ziel der Richtlinienüberarbeitung                              Ausnahmen nicht ausreichend genau definiert und als Vorausset-
Die Überarbeitung der Richtlinie dient der Anpassung an den           zung einer präemptiven Nierentransplantation die unmittelbare
Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und an          Vorbereitung zur Dialyse, d. h. die Anlage eines Dialyse-Shunts
transplantationsmedizinische Entwicklungen. Dies betrifft unter       vorgesehen hat. Jedoch besteht der Vorteil einer präemptiven
anderem Regelungen zur Allokationsreihenfolge und Dringlich-          Transplantation genau darin, Dialyse-vorbereitende Maßnahmen
keit bei Nierentransplantation, Regelungen zur Nierentransplan-       und Dialysetherapien mit allen damit verbundenen Komplikatio-
tation bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden, Sonder-         nen vermeiden zu können.
regelungen für Empfänger und von Spenderorganen ab 65 Jahre           Die regelhaften Ausnahmen für eine Listung zu einer präempti-
und kombinierte Transplantationen von Spendernieren mit ande-         ven, postmortalen Nierentransplantation, d. h. die Kindernieren-
ren soliden Organen.                                                  transplantation, die kombinierte Pankreas-Nierentransplantation
Mit Ausnahme der Regelungen zur Nierentransplantation bei             und die Lebendnierentransplantation sind nun namentlich spezi-
Kindern und Heranwachsenden wurden in den genannten Berei-            fiziert.
chen nur moderate kriterielle oder Verfahrensanpassungen vor-         Die präemptive Kindernierentransplantation ist seit langem ge-
genommen, dies auch im Hinblick auf eine Konkordanz mit den           sellschaftlicher und medizinischer Konsens und dient dazu, den
anderen organbezogenen Richtlinien. Insbesondere wurde aus            Kindern Nachteile der Dialysebehandlung (verzögertes Wachstum,
Gründen der besseren Übersicht und zur Vermeidung von Re-             fehlende Zeit für schulische Fortentwicklung) zu ersparen [2, 3].
dundanz darauf geachtet, dass Regelungen zur Organtransplanta-        Die bisher sehr allgemeine Formulierung wurde nunmehr durch
tion durch diese Richtlinie sich nicht mit Regelungen in anderen      Setzen eines Grenzwertes für eine präemptive Listung präzisiert,
Richtlinien überschneiden.                                            der sich aufgrund klinischer Erfahrung als internationaler Kon-
Im Ergebnis wird eine unmittelbare Verbesserung der Lage der          sens etabliert hat [4]. Bei der Erarbeitung des Grenzwertes wurden
Wartelistenpatienten erwartet.                                        folgende Überlegungen vorgenommen: Einerseits sollte die Vor-
                                                                      gabe eines Grenzwertes eine zu frühe und damit noch nicht indi-
II.2   Darstellung der aktuellen wissenschaftlichen                   zierte Listung verhindern. Andererseits bedeutet die Möglichkeit
       Erkenntnisse                                                   einer Listung nicht eine unmittelbare Verfügbarkeit eines Spen-
                                                                      derorgans, d. h. zwischen der Aufnahme auf die Warteliste bis
Zu III.1 Gründe für die Aufnahme in die Warteliste zur                zur Realisierung der Organtransplantation können – insbesonde-
Nierentransplantation                                                 re in Deutschland und auch mit der Gewährung pädiatrischer Bo-
In Kapitel III.1 „Gründe für die Aufnahme in die Warteliste“          nuspunkte – Monate bis Jahre vergehen. Aufgrund der Heteroge-
wurden folgende Aspekte behandelt:                                    nität der Nierengrunderkrankungen und deren Verlauf ist eine
Zur besseren Verständlichkeit wird mit anderen Worten definiert,      exakte Vorhersage der Zeit bis zum Eintritt einer Dialysepflich-
dass die Grundlage für eine Listung zur postmortalen Nieren-          tigkeit in Abhängigkeit einer aktuell gemessenen Nieren-Rest-
transplantation das nicht rückbildungsfähige, terminale Nieren-       funktion nicht sicher möglich. Ausgehend von der üblichen Ein-
versagen mit dem Erfordernis einer chronischen Dialysebehand-         teilung des Schweregrades einer Nierenfunktionsstörung nach
lung zur Lebenserhaltung ist.                                         ICD-10-WHO (https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikatio
Indikationen für eine chronische Dialysebehandlung sind bei-          nen/icd/icd-10-who/) wurde der Grenzwert mit einer glomerulä-
spielsweise:                                                          ren Filtrationsrate (GFR) von 20 ml/min bezogen auf die nor-
        – eine anderweitig nicht therapierbare Hypervolämie,          mierte Körperoberfläche so gewählt, dass eine Listung erst im
        – eine anderweitig nicht therapierbare Säure-Basen-           fortgeschrittenen Stadium IV (= Stadium der schweren Nierenin-
           Störung,                                                   suffizienz) ermöglicht wird und zugleich die angestrebte, prä-
        – anderweitig nicht therapierbare Elektrolytstörungen         emptive Transplantation für die überwiegende Mehrzahl der be-
           und                                                        troffenen Patienten erfolgen kann.
        – eine Urämie bzw. drohende Urämie.                           Über den Grenzwert für die kombinierte Nieren-Pankreastrans-
Ein Nierenersatzverfahren kann unmittelbar als chronische Dia-        plantation wurde intensiv beraten. Die Präzisierung des Grenz-
lysebehandlung indiziert sein, z. B. nach Nephrektomie bei vor-       wertes basiert auf internationalem Konsens [6–10], wonach das
bestehender Einnierigkeit, aber auch nach Einleitung einer Dia-       Patientenüberleben bei einer kombinierten Pankreas-Nieren-
lysebehandlung bei progredientem, irreversiblem Nierenfunkti-         transplantation im Fall einer präemptiven Nierentransplantation
onsverlust. Bessert sich unter chronischer Dialysebehandlung die      langfristig signifikant besser ist.
Nierenfunktion wieder (z. B. nach Besserung eines hepatorena-         Sofern die Möglichkeit zu einer Lebendnierentransplantation
len oder kardiorenalen Syndroms nach Leber- oder Herztrans-           besteht, sollte optimalerweise auch diese präemptiv durchge-
plantation) und entfällt dadurch die Indikation zur Dialysebe-        führt werden, da seit ca. 20 Jahren Evidenz besteht, dass eine
handlung, dann entfällt auch die Indikation zur Nierentransplan-      präemptive Lebendnierentransplantation im Vergleich zu einer
tation.                                                               Transplantation nach Einleitung der Dialyse zu einem Vorteil
Für präterminal niereninsuffiziente Patienten ist bekannt, dass ei-   des Transplantat- und Patientenüberlebens führt [11]. Diese er-
ne präemptive Nierentransplantation gegenüber einer Transplan-        höhte Erfolgsaussicht ist sowohl aus Spender- als auch aus
tation nach Dialyseeinleitung Vorteile bietet [1]. Dennoch ist hier   Empfängersicht wünschenswert. Darüber hinaus wird bei einer
derzeit aufgrund der höheren Dringlichkeit und der einge-             präemptiven Lebendnierentransplantation der Empfänger vor
schränkten Verfügbarkeit von Organen die Allokation von post-         typischen Komplikationen geschützt, die für Dialysepatienten
mortalen Spendernieren prinzipiell auf Patienten mit chronischer      beschrieben sind. Die gesetzlich vorgesehene Indikation für die
Dialysebehandlung bei terminalem Nierenversagen beschränkt.           Lebendspende, die Heilung einer schwerwiegenden Krankheit
Hier bestand Klärungsbedarf, da der bisherige Richtlinientext         (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 TPG), ist regelmäßig schon zum Zeitpunkt der

A9                                                                    Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2021.rili_baek_OrgaWlOvNierenTx20210316
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