Hygienemaßnahmen zur Prävention der Infektion durch Enterokokken mit speziellen Antibiotikaresistenzen - RKI
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Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen Bundesgesundheitsbl 2018 · 61:1310–1361 https://doi.org/10.1007/s00103-018-2811-2 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil Hygienemaßnahmen zur von Springer Nature 2018 Prävention der Infektion durch Enterokokken mit speziellen Antibiotikaresistenzen Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut 1 Einleitung, Definitionen und eine Liste von zwölf Bakteriengruppen 1.1 Zielgruppe dieser Empfehlung Hintergrund veröffentlicht, die in der Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika zukünf- Diese Empfehlung richtet sich primär an Allgemein gelten Enterokokken als nur tig Priorität haben sollten. VRE wurden die Leiter und Mitarbeiter1 von Kranken- bedingt pathogen und nicht sehr viru- in dieser Liste eine hohe Priorität zuge- häusern und insbesondere an das Hygi- lent, sie sind aber dennoch mit humanen wiesen [7]. enefachpersonal. Auch in anderen me- Infektionen assoziiert. Zunehmend wer- Über die Zunahme der VRE-Nachwei- dizinischen Einrichtungen, in denen mit den Enterokokken insbesondere in Zu- se hinaus finden sich in den letzten Jahren Krankenhäusern vergleichbare Therapien, sammenhang mit speziellen Patienten- weitere Resistenzen auch gegen neue Re- z. B. Beatmungen in der neurologischen gruppen als Verursacher verschiedener serveantibiotika wie Linezolid oder Tige- Frührehabilitation, durchgeführt werden, nosokomialer Infektionen mit erhebli- cyclin [6]. kann sie hilfreich sein. Andere Einrich- cher Letalität (z. B. der Gefäßkatheter-as- Nachdem in Deutschland zunächst tungen, die den Lebensbereich der Pa- soziierten Sepsis) beschrieben und damit entsprechend den US-amerikanischen tienten darstellen (Alten- und Pflegehei- auch verstärkt im klinischen Alltag wahr- Empfehlungen zur Prävention der Ver- me), werden in dieser Empfehlung nicht genommen [1]. breitung von VRE meist Screening von berücksichtigt. Hier ist eine individuelle Enterokokken sind in der Lage, extra- Patienten und Isolierung von VRE-Trä- Risikoabwägung empfehlenswert, wie sie chromosomale Elemente zu akquirieren, gern eingesetzt wurden [8], findet derzeit in den Empfehlungen zur Infektionsprä- die Antibiotikaresistenzen kodieren. Zu eine kontroverse Diskussion zur Notwen- vention in Heimen dargestellt wird [12]. den wichtigsten akquirierten Resistenzen digkeit der Isolierung solcher Patienten gehört die Resistenz gegenüber Glyko- statt [9–11]. 1.2 Bezug zu vorausgegangenen peptidantibiotika. Bereits in den 90er Jah- Anliegen der Kommission war es da- Empfehlungen der KRINKO ren wurden die Vancomycin-resistenten her, auf Basis der vorliegenden Literatur Enterokokken (VRE) in den USA als die eine Empfehlung zum Umgang mit Pa- Die Empfehlungen stellen Maßnahmen multiresistenten Erreger der Dekade be- tienten mit Infektion oder Besiedelung zur Prävention der Infektion mit Ente- zeichnet [2]. Zu dieser Zeit wurde auch in mit VRE und darüber hinaus mit ande- rokokken mit speziellen Antibiotikare- Deutschland eine Zunahme von VRE be- ren antibiotikaresistenten Enterokokken sistenzen zusammen. Hierbei wird aus- obachtet, die jedoch mit dem Verbot von zu erstellen. Die Maßnahmen sollen da- drücklich die endemische Situation oder Avoparcin (ein Glykopeptid-Antibioti- bei die Epidemiologie, die Übertragungs- das Auftreten von einzelnen Fällen be- kum) als Wachstumsförderer in der Vieh- wege, die Pathogenität des Erregers und handelt. Für Maßnahmen, die bei Ausbrü- zucht wieder zurückging [3, 4]. In jünge- die Risikopopulationen einer Einrich- chen zu ergreifen sind, sei auf die Emp- rer Zeit war eine erneute Zunahme der tung genauso berücksichtigen wie die fehlungen zum Ausbruchsmanagement Nachweise von VRE zu beobachten [5] Verlässlichkeit der Prävention durch Ba- und strukturierten Vorgehen bei gehäuf- und Deutschland war eines der europäi- sishygiene. schen Länder mit der stärksten Zunahme 1 Bei allen Berufs- oder Gruppenbezeichnun- [6]. Im Jahr 2017 wurde von der Weltge- gen sind grundsätzlich immer beide Geschlech- sundheitsorganisation (WHO) erstmals ter gemeint. 1310 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10 · 2018
tem Auftreten nosokomialer Infektionen Inhalt verwiesen [13]. Diese Maßnahmen sind 1 Einleitung, Definitionen und Hintergrund selbstverständlich auch erforderlich, wenn 1.1 Zielgruppe dieser Empfehlung die Häufung Mikroorganismen mit ande- 1.2 Bezug zu vorausgegangenen Empfehlungen der KRINKO ren Resistenzmustern als den hier behan- 1.3 Definitionen und Hintergrund 1.4 Mikrobiologische Diagnostik delten betrifft. 1.5 Surveillance nach § 23 IfSG Grundlegende Maßnahmen zur In- 2 Epidemiologie der Infektion und Besiedelung mit antibiotikaresistenten Enterokokken fektionsprävention sind den entsprechen- 2.1 Eigenschaften und natürliches Habitat der Enterokokken (Reservoire, Persistenz in der den weiteren Empfehlungen der KRINKO Umgebung, Hitzeresistenz) zu entnehmen. Hier sei insbesondere auf 2.2 Epidemiologie klinisch bedeutsamer Resistenzmechanismen bei Enterokokken 2.2.1 Penicillin/Ampicillin die Empfehlungen zur Basishygiene [14], 2.2.2 High-level Gentamicin Händehygiene [15] und Flächendesinfek- 2.2.3 Glykopeptide tion [16] verwiesen. Spezielle Maßnahmen 2.2.4 Oxazolidinone (Linezolid/Tedizolid) für besonders gefährdete Patientenpopu- 2.2.5 Tigecyclin lationen finden sich in den Empfehlun- 2.2.6 Daptomycin 2.3 Bedeutung der Enterokokken als Infektionserreger gen „Anforderungen an die Hygiene bei 2.3.1 Pathogenität der medizinischen Versorgung von im- 2.3.2 Übertragung munsupprimierten Patienten“ [17] und 2.3.3 Kolonisation „Empfehlung zur Prävention nosokomi- 2.3.4 Dauer der Besiedelung aler Infektionen bei neonatologischen In- 2.3.5 Nosokomiale Infektion 2.4 Outcome von Enterokokken-Infektionen in Abhängigkeit von der Antibiotikaresistenz tensivpflegepatienten mit einem Geburts- 2.4.1 Outcome bei Infektionen mit high-level Gentamicin resistenten Enterokokken gewicht unter 1500 g“ [18]. 2.4.2 Outcome bei Infektionen mit VRE Die hier aufgeführten Empfehlungen 2.4.3 Outcome bei Infektionen mit Linezolid-resistenten Enterokokken sind mit Kategorien entsprechend der 2.4.4 Outcome bei Infektionen mit Tigecyclin-resistenten Enterokokken Mitteilung „Die Kategorien in der Richt- 2.4.5 Outcome bei Infektionen mit Daptomycin-resistenten Enterokokken 2.5 Zusammenfassung der Bedeutung von Enterokokken mit speziellen Resistenzen linie für Krankenhaushygiene und Infek- 3 Präventionsmaßnahmen tionsprävention – Aktualisierung der De- 3.1 Screening finitionen“ von 2010 versehen (. Tab. 1) 3.1.1 Effektivität von Screening [19]. 3.1.2 Screeningmethoden 3.2 Isolierung 3.3 Maßnahmen der Basishygiene und Barrieremaßnahmen 1.3 Definitionen und Hintergrund 3.4 Schulung des Personals 3.5 Einbeziehung von Patienten Enterokokken besitzen eine natürliche 3.6 Reinigungs- und Desinfektionsprogramme Unempfindlichkeit gegenüber einer Viel- 3.7 Antiseptisches Waschen der Patienten zahl von Antibiotika (siehe Abschnitt 2.2). 3.8 Maßnahmen der Eradikation 3.9 Antibiotic Stewardship Vor einiger Zeit wurde durch eine in- 4 Internationale Empfehlungen zum Umgang mit VRE ternationale Arbeitsgruppe ein Vorschlag 5 Empfehlungen für Standarddefinitionen multiresistenter 5.1 Erkennen, Erfassung und Bewertung von Infektionen durch Enterokokken (MDR), extensiv-resistenter (XDR) und 5.2 Empfehlungen zur Prävention von Infektionen durch VRE panresistenter (PDR) Mikroorganismen 5.3 Mögliche Komponenten von Präventionsbündeln 5.3.1 Screening vorgelegt [20]. Für die Klassifizierung der 5.3.2 Isolierung Enterokokken werden dabei die Antibio- 5.3.3 Antiseptisches Waschen tika-Gruppen Aminoglykoside (Gentami- 5.3.4 Einbeziehung der Patienten in Hygienemaßnahmen cin -high-level, Streptomycin -high-level), 5.3.5 Intensivierte Reinigung und Desinfektion der Umgebung Carbapeneme, Fluorchinolone, Glyko- 5.4 Weitere Maßnahmen zur Prävention von VRE-Infektionen oder -Transmissionen 5.4.1 Antibiotic Stewardship-Programme peptide, Glycylcycline, Lipopeptide, Oxa- 5.4.2 Maßnahmen zur Eradikation zolidinone, Penicilline, Streptogramine 5.5 Empfehlungen zur Prävention von Infektionen durch LRE oder LVRE und Tetracycline herangezogen. Dabei 5.6 Empfehlungen zur Prävention von Infektionen durch Enterokokken mit anderen Antibiotika- gelten Isolate mit Resistenz gegenüber resistenzen mindestens drei Gruppen als MDR, Iso- 5.7 Begleitende Maßnahmen im Rahmen der Umsetzung 6 Anlagen late die gegenüber zwei oder weniger der 7 Literatur Gruppen empfindlich sind, als XDR und Isolate, die gegenüber allen Substanzgrup- pen unempfindlich sind, als PDR [20]. Bei dieser Definition werden alle Antibiotika- Gruppen als gleichwertig betrachtet. Von Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10 · 2018 1311
Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen Tab. 1 Kategorien in der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (2010) [19] Kategorie IA Diese Empfehlung basiert auf gut konzipierten systematischen Reviews oder einzelnen hochwertigen randomisierten kontrollierten Studien. Kategorie IB Diese Empfehlung basiert auf klinischen oder hochwertigen epidemiologischen Studien und strengen, plausiblen und nachvollziehbaren theoretischen Ableitungen. Kategorie II Diese Empfehlung basiert auf hinweisenden Studien/Untersuchungen und strengen, plausiblen und nachvollziehbaren theoretischen Ableitungen. Kategorie III Maßnahmen, über deren Wirksamkeit nur unzureichende oder widersprüchliche Hinweise vorliegen, deshalb ist eine Empfehlung nicht möglich. Kategorie IV Anforderungen, Maßnahmen und Verfahrensweisen, die durch allgemein geltende Rechtsvorschriften zu beachten sind. Tab. 2 Kurzbezeichnung antibiotikaresistenter Enterokokken mit Resistenz gegenüber ausgewählten Antibiotika Resistenz der Enterokokken (E) Vancomycin Linezolid High-level Gentamicin Andere Antibiotika Vancomycin (V) VRE LVRE VRE VRE Linezolid (L) LVRE LRE LRE LRE High-level Gentamicin (HL-G) VRE LRE HL-GRE HL-GRE Andere Antibiotika VRE LRE HL-GRE Keine spezifische Abkür- zung den Autoren selbst wird betont, dass die Resistenz gegenüber Vancomycin un- abhängig von der Enterokokken-Spe- Definition epidemiologischen Zwecken abhängig von der Enterokokken-Spe- zies. Kombinierte Resistenzen werden dient, aber nicht als Basis für die Infekti- zies und unabhängig davon, welche hier nicht berücksichtigt. Liegt zusätz- onskontrolle geeignet ist. weiteren Resistenzen vorliegen, wobei lich eine Resistenz gegenüber Vanco Entsprechend hat sich die KRINKO bei zusätzlich bestehender Linezolid- mycin und/oder Linezolid vor, so entschlossen, die vorgeschlagene Defini- Resistenz die Abkürzung LVRE ver- werden nur die oben beschriebenen tion nicht für die Erarbeitung von Präven- wendet wird. Abkürzungen gebraucht. tionsstrategien zu Grunde zu legen. 55LRE: Linezolid-resistente Enterokok- 55Resistenzen gegenüber anderen Anti- Traditionell wird bei der Beschreibung ken für Enterokokken-Isolate mit Re- biotika werden nicht durch Abkür- der Epidemiologie von multiresistenten sistenz gegenüber Linezolid unab- zungen charakterisiert. Enterokokken Vancomycin als Leitanti- hängig von der Enterokokken-Spezies biotikum verwendet; die entsprechenden und unabhängig davon, welche weite- 1.4 Mikrobiologische Diagnostik Isolate werden als Vancomycin-resistente ren Resistenzen vorliegen, wobei bei Enterokokken (VRE) bezeichnet. Hierbei zusätzlich bestehender Vancomycin- Mit den kulturbasierten, mikrobiologi- ist die Resistenz gegenüber dem Leitanti- Resistenz die Abkürzung LVRE ver- schen Standardmethoden werden Entero biotikum oft mit der Resistenz gegenüber wendet wird. kokken in der Regel gut nachgewiesen. weiteren Antibiotika vergesellschaftet, so 55VSE oder LSE: Vancomycin- bzw. Li- Für die Enterokokken-Spezies Enterococ- dass die Abkürzung zum Synonym für nezolid-sensible Enterokokken wer- cus (E.) faecalis gelingt die Differenzierung multiresistente Enterokokken wurde. den im klinisch-praktischen Bereich auf Speziesebene mit kommerziellen bio- Aufgrund der weiten Verbreitung und nicht mit Abkürzungen versehen. In chemischen Testsystemen in der Regel Akzeptanz des Begriffs VRE wird dieser dieser Empfehlung werden die Ab- gut, für E. faecium in etwas geringerem Bezug zum Leitantibiotikum beibehalten. kürzungen nur dann genutzt, wenn Ausmaß. Moderne Identifikationssyste- Nach der Einführung neuerer Antibio- im Rahmen von Studien die entspre- me (MALDI TOF MS) sind in der Lage, tika (auch als Reserveantibiotika bezeich- chenden Isolate den resistenten Isola- nahezu 100 % der E. faecalis- und E. faeci- net) haben sich auch hierzu entsprechen- ten gegenüber gestellt werden. um-Isolate korrekt zu identifizieren [21]. de Resistenzeigenschaften entwickelt, die 55LVRE: Linezolid-Vancomycin-resisten- Auf die Differenzierung von Van- ebenfalls häufig mit Bezug zum Antibio- ter Enterokokken für Enterokokken- comycin-sensiblen Enterokokken auf tikum abgekürzt werden, z. B. Linezolid- Isolate mit Resistenz gegenüber Line- Speziesebene wird bei Isolaten aus be- resistente Enterokokken (LRE). zolid und Vancomycin unabhängig stimmten Materialien (z. B. Enterokok- Im Rahmen dieser Empfehlung wer- von der Enterokokken-Spezies. ken aus Urin) und/oder bei fraglicher den folgende Abkürzungen verwendet 55HL-GRE: High-level Gentamicin- klinischer Bedeutung (z. B. polymikro- (. Tab. 2): resistente Enterokokken für Entero bielle Wundinfektion unter Beteiligung 55VRE: Vancomycin-resistente Entero- kokken-Isolate mit hochgradiger von Enterokokken) häufig verzichtet. kokken für Enterokokken-Isolate mit Resistenz gegenüber Gentamicin un- Dies muss insbesondere bei der Erstel- 1312 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10 · 2018
lung und Bewertung von Resistenzstatis- 1.5 Surveillance nach § 23 IfSG grund ihrer Umweltpersistenz müssen tiken berücksichtigt werden. Reservoire von (antibiotikaresistenten) Die verfügbaren Methoden zur Vor- Da es sich bei den hier behandelten Mik- humanpathogenen Enterokokken in der hersage antimikrobieller Empfindlich- roorganismen um Erreger mit speziellen unbelebten Umgebung der Patienten be- keiten bei Enterokokken funktionieren Resistenzen handelt, muss eine Surveil- rücksichtigt werden. generell zuverlässig. Die Korrelation zwi- lance entsprechend den Erläuterungen des Enterokokken bilden eine eige- schen phänotypisch-nachgewiesener Re- Robert Koch-Institutes zur Surveillance ne Gattung innerhalb der Familie der sistenz, vor allem bei Vancomycin, und von nosokomialen Infektionen sowie zur Streptococcaceae. Es sind über 40 verschie- einem genotypischen Nachweis von Re- Erfassung von Erregern mit speziellen dene Enterokokken-Spezies bekannt [24], sistenzgenen ist sehr gut. Schwierigkeiten Resistenzen und Multiresistenzen gemäß wovon die meisten Spezies keine human- bestehen in geringem Maße bei erworbe- § 23 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG) medizinische Bedeutung besitzen. Me- ner Vancomycin-Resistenz vom VanB- erfolgen [23]. Die hierbei zu erfassenden dizinisch haben letztlich nur Isolate der Typ (siehe Abschnitt 2.2.3), da einzelne Daten dienen einer patientenbezogenen Spezies E. faecalis und E. faecium größe- Stämme die Resistenz schwach ausprägen und nach Untersuchungszeitraum und re Bedeutung erlangt; gelegentlich treten können (Minimale Hemmstoffkonzent- Herkunft des Isolats (d. h. mindestens auch Isolate anderer Spezies als Infekti- ration (MHK) für Vancomycin unterhalb Abteilungsebene) aufgeschlüsselten Be- onserreger auf (E. avium, E. hirae, E. du- des Grenzwerts möglich). In diesen Fällen wertung des Vorkommens von E. faecalis rans, E. gallinarum, E. casseliflavus). sind die Vancomycin Etest® Makrometho- und E. faecium mit speziellen Resistenzen Vorkommen: Das natürliche Habitat von de oder ein genotypischer Nachweis des in der jeweiligen Einrichtung. E. faecalis und E. faecium ist der Gastro- vanB-Gens mittels Nukleinsäureamplifi- Aufgrund der epidemiologischen Re- intestinaltrakt. Enterokokken sind bei ca. kationstechnik (NAAT) verlässlicher. levanz der Erreger sollen die entsprechen- 80 % der Kinder und Erwachsenen kultu- Für die Typisierung von Enterokok- den Daten monatlich in einer gesonder- rell nachweisbar [25]. Bei Neugeborenen ken werden verschiedene Methoden ein- ten Tabelle zusammengefasst werden, wurde in einer Studie E. faecalis nach- gesetzt. Als Goldstandard gilt derzeit noch aus der die Zahl der betroffenen Patien- gewiesen, E. faecium jedoch nicht [26]. die Analyse von Restriktionsfragmenten ten pro Organisationseinheit (z. B. Stati- In dieser Studie wurde E. faecalis bei ca. der chromosomalen DNA mit Hilfe der on) und Zeit unmittelbar hervorgeht. Die 30 % der Erwachsenen vorgefunden [26]. Pulsfeldgelelektrophorese (PFGE). Die Erfassung und regelmäßige zeitnahe Be- Enterococcus spp. besiedeln den Darm als Methode eignet sich sehr gut um ver- wertung ist geeignet, die Erkennung eines Kommensalen, wobei sie üblicherweise wandte Stämme zu identifizieren. Als Clusters/Ausbruches (einer ungewöhnli- nur einen kleinen Teil der kommensalen schwieriger gestaltet sich eine Interpre- chen Häufung) zu erleichtern und unter- Mikrobiota ausmachen. Je Gramm Stuhl tation der Ergebnisse bei nur weitläufig stützt die Umsetzung der vorliegenden sind 105–107 KBE E. faecalis und 104–105 verwandten Stämmen, da einzelne gene- Empfehlung. KBE E. faecium anzüchtbar [27]. Neben tische Ereignisse zu substantiellen Ände- dem distalen Gastrointestinaltrakt kön- rungen in den DNA-Fragmentmustern 2 Epidemiologie der nen Magen, Genitaltrakt, Oropharynx, führen und somit einen gewissen Zusam- Infektion und Besiedelung Haut und Wunden mit Enterokokken ko- menhang verschleiern können [21]. Für mit antibiotikaresistenten lonisiert sein. populationsbezogene Analysen sollte be- Enterokokken Molekulare Epidemiologie und Patho- vorzugt auf DNA-sequenzbasierte Me- genitätsfaktoren: Aus Typisierungen thoden wie die Multilocus-Sequenztypi- 2.1 Eigenschaften und natürliches von Stämmen mittels verschiedener mo- sierung (MLST) zurückgegriffen werden. Habitat der Enterokokken lekularer Verfahren ist bekannt, dass no- Die MLST erlaubt die Zuweisung von Se- (Reservoire, Persistenz in der sokomiale Infektionen und Häufungen quenztypen (z. B. ST117), die in phylo- Umgebung, Hitzeresistenz) mit multi- und Vancomycin-resistenten genetisch verwandte Gruppen zusam- Enterokokken durch bestimmte klonale mengefasst werden können (z. B. klonaler Der Darm ist das bedeutendste Reser- Linien hervorgerufen werden. Komplex CC17). Vergleiche von VRE/ voir für Enterokokken. Innerhalb der Bei E. faecalis betrifft dies Isolate der Enterokokken auf der Basis des Gesamt- Spezies E. faecalis und E. faecium exis- mittels MLST bestimmten klonalen Kom- genoms ermöglichen die ultimative Dis- tieren klonale Linien. Während einige plexe CC2 und CC9. Zu diesen Linien kriminierungsfähigkeit und eignen sich Linien Mensch und Tier zumeist nur zählen u. a. Stämme aus den USA, die eine sowohl für Ausbruchsanalysen als auch besiedeln (kommensale Enterokokken) Penicillinase bilden (in Europa sehr selten) für die Erfassung von überregional ver- existieren andere klonale Linien, die für und die häufig high-level Gentamicin-Re- breiteten Epidemiestämmen und könn- den überwiegenden Teil der nosokomi- sistenz besitzen (siehe Abschnitt 2.2.2). ten zukünftig als Goldstandard bewertet alen Infektionen verantwortlich sind Isolate von E. faecalis unterschiedlicher werden [22]. (Hospital-assoziierte (HA) E. faecalis/ phylogenetischer Linien zeigen allerdings E. faecium). Letztere stellen auch den keine Unterschiede in ihrer Pathogenität, Großteil der antibiotika- und Vanco- z. B. in Tierexperimenten. Sie unterschei- mycin-resistenten Enterokokken. Auf- den sich auch nicht signifikant hinsicht- Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10 · 2018 1313
Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen lich des Besitzes von Virulenzfaktoren, die 2.2 Epidemiologie fehldiagnostizierte Isolate von E. faecium bei E. faecalis eher ubiquitär verbreitet sind klinisch bedeutsamer darstellen. Mit der Umstellung von bio- [28–30]. So besitzen auch viele Besied- Resistenzmechanismen bei chemischer Identifikation auf MALDI lungsisolate von Mensch und Tier die klas- Enterokokken TOF MS-basierter Speziesdiagnostik ist sische Pathogenitätsinsel von E. faecalis. der Anteil der „Ampicillin-resistenten“ E. Dies ist für die Spezies E. faecium deut- Enterokokken besitzen eine natürliche faecalis-Isolate in den Surveillancedaten lich anders. Hier sind Isolate aus bestimm- Unempfindlichkeit gegen Cephalospo- bereits kontinuierlich zurückgegangen, da ten klonalen Linien verantwortlich für die rine, semisynthetische Penicilline (z. B. letztere Methode wesentlich verlässlicher überwiegende Mehrzahl an nosokomialen Oxacillin), Monobactame, Aminoglyko- die korrekte Spezies diagnostiziert. Infektionen und Häufungen mit multi- side (low-level Resistenz), Lincosamide In E. faecium wird Resistenz gegen und Vancomycin-resistenten E. faecium. und Polymyxine. Einzelne natürliche Re- Ampicillin nicht durch Enzyme wie Pe- Diese Isolate lassen sich von klassischen sistenzen beschränken sich auf bestimm- nicillinasen (Beta-Lactamasen), sondern Besiedlungsisolaten von Mensch und te Spezies wie eine Resistenz gegen Strep- durch Mutationen im Gen des Penicillin- Tier abgrenzen. Sie unterscheiden sich togramine und Mupirocin bei E. faecalis bindenden Proteins 5 (PBP5Efm) kodiert hinsichtlich ihres Kerngenoms („core ge- und low-level Vancomycin-Resistenz bei [51–54]. Das pbp5Efm-Gen ist in einzel- nome“), weswegen sie auch durch ältere E. gallinarum und E. casseliflavus. nen Stämmen mit anderen Resistenzge- Typisierungsverfahren wie AFLP, MLVA nen (wie z. B. vanB) assoziiert, somit ge- und letztlich MLST abzugrenzen waren 2.2.1 Penicillin/Ampicillin netisch verlinkt und mittels Konjugation (frühere Bezeichnungen sind klonaler Isolate von E. faecalis sind bis auf sehr auch zwischen verschiedenen Stämmen Komplex C1 oder CC17). Zudem besit- seltene Ausnahmen Ampicillin-sensi- übertragbar [55]. Weitere Ursachen der zen nur HA-E. faecium-Stämme als Teil bel. HA-Stämme von E. faecium sind Ampicillin-Resistenz in E. faecium sind des Zusatzgenoms („accessory genome“) überwiegend Ampicillin-resistent; die möglich [51, 52]. Ampicillin-Resistenz in bestimmte genomische Inseln und z. T. Ursache sind Mutationen im Penicil- klinischen E. faecium-Isolaten ist eine sehr eine Pathogenitätsinsel, welche u. a. das lin-bindenden Protein PBP5. Vancomy- verbreitete Eigenschaft und tritt in > 90 % Biofilm-assoziierte esp-Gen kodieren cin-resistente E. faecium sind zu nahezu der klinischen Isolate auf [56]. Klinisch re- kann [31]. Bestimmte genetische Marker 100 % auch resistent gegen Ampicillin. levante Isolate mit Vancomycin-Resistenz sind ausschließlich bei Hospitalstämmen Beta-Lactame wie Ampicillin (auch sind nahezu vollständig auch resistent ge- verbreitet und lassen sich für eine Diffe- Amoxicillin und Piperacillin) sind wich- gen Ampicillin [57–59]. renzierung von kommensalen E. faecium tige Basis- und first-line-Antibiotika zur heranziehen [32, 33]. Vancomycin-Resis- Behandlung von unkomplizierten Entero- 2.2.2 High-level Gentamicin tenz ist in Deutschland und Europa fast kokkeninfektionen sowie wichtige Kom- Gentamicin und Streptomycin wirken nur mit der Spezies E. faecium assoziiert binationspartner bei invasiven Infektio- kombiniert mit einem Zellwand-wirk- und tritt hier nahezu ausschließlich bei nen mit E. faecalis. Die Resistenzsituation samen Antibiotikum (Glykopeptid, HA-Stammlinien auf. Die Zunahme in- ist hierbei deutlich speziesabhängig. Eine Penicillin) bei Enterokokken synergis- vasiver nosokomialer Infektionen mit Resistenz gegen Ampicillin ist bei E. faeca- tisch, was lediglich bei der Behandlung Enterokokken ist überproportional häu- lis sehr selten (< 1 %), bei HA-Isolaten von von Endokarditis eine Bedeutung hat. fig mit HA-Stämmen von E. faecium as- E. faecium hingegen sehr weit verbreitet Enterokokken besitzen eine low-level soziiert [34–38]. (> 90 %). Kommensale Isolate von E. faeci- Resistenz gegen Aminoglykoside und Persistenz: Enterokokken zeichnen sich um wiederum zeigen eine deutlich niedri- können durch Erwerb bestimmter Re- durch eine erhebliche Widerstandsfähig- gere Ampicillin-Resistenz als HA-klonale sistenzgene eine high-level Resistenz er- keit gegenüber Umwelteinflüssen aus. So- Linien [34, 35]. werben, bei Letzterem erlischt die syner- wohl E. faecalis als auch E. faecium können In E. faecalis wird eine Resistenz ge- gistische Wirkung. 60 °C für 30 min überleben [27, 39–42]. gen Ampicillin durch Penicillinasen Enterokokken sind natürlich resistent Die Persistenz von Enterokokken ein- (Beta-Lactamasen) kodiert, wobei die gegen Aminoglykoside. Einzelne Ami- schließlich VRE und VSE wurde auf tro- Penicillinasen in Staphylokokken und noglykoside (nur Gentamicin, Strepto- ckenen Flächen mit fünf Tagen bis 30 Enterokokken phylogenetisch ähnlich mycin) erzielen in Kombination mit ei- Monate ermittelt [43–49]. Aufgrund ih- sind. E. faecalis-Stämme mit Penicillina- nem Zellwand-wirksamen Antibiotikum rer hohen Resistenz und Persistenz gegen sen wurden in den 1990er Jahren in den (Glykopeptid, Penicillin) eine synergisti- Umwelteinflüsse kommen Enterokokken USA beschrieben und zeigten dort eine sche Wirkung. Insofern ist eine Erfassung in einem breiten Spektrum von Untersu- Tendenz zur überregionalen Verbreitung der Empfindlichkeiten gegen Gentami- chungsmaterialien außerhalb des Men- (epidemische Stämme; klonaler Komplex cin (und ggf. Streptomycin) klinisch inte- schen vor (z. B. Staub, Lebensmittel, Was- CC9) [28, 29, 50]. In anderen Teilen der ressant. Die synergistische Wirkung wird ser). Welt inklusive Europa und Deutschland speziell bei Endokarditiden gewünscht, sind diese Stämme sehr selten. Es ist da- weswegen die Diagnostik einer high- von auszugehen, dass Ampicillin-resis- level Gentamicin-Resistenz hierbei von tente Isolate von E. faecalis größtenteils Bedeutung ist. Daten aus Resistenz-Sur- 1314 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10 · 2018
Tab. 3 Varianten der erworbenen Vancomycin-Resistenz in Enterococcus spp. Resistenzphänotyp VanA VanBb VanDb VanE VanGb VanL VanM VanN Vancomycin MHK 16–1000 4–32 16–512 8–32 16 8 128–>256 12–16 (in mg/L) (–1000) Teicoplanin MHK (4–) 16–512 0,5–1 0,5–64c 0,5 0,5 E 0,75/96c 0,5 (in mg/L) Expression induzierbar induzierbar konstitutiv induzierbar induzierbar induzierbar induzierbar konstitutiv Übertragbarkeit +/– +/– – – + – + +/– Vorkommen in E. faecium E. faecium E. faecium E. faecalis E. faecalis E. faecalis E. faecium E. faecium Enterococcus spp. E. faecalis E. faecalis E. faecalis E. durans E. durans E. raffinosus E. hirae E. gallina- E. gallina- E. gallinaruma ruma ruma E. casseliflavusa E. raffinosus E. avium E. mundtii E. cecorum E empfindlich (keine MHK angegeben) a Erwerb von vanA-, vanB- oder vanD- Genen zusätzlich zu vanC1/vanC2 (selten), das vanB-Gen hat auch ein Reservoir in anaeroben Darmkommensalen (keine Entero- kokken) b Subtypen existieren (vanB1–3, vanD1–5, vanG1–2) c verschiedene VanD- bzw. VanM-Stämme zeigten variable Teicoplanin MHK-Werte veillance-Studien, z. B. EARS-Net, zeigen tenz in Darmkommensalen (keine En- Resistenz aus hygienischen und infektio- hier mittlere Prävalenzen (2016: ca. 30 % terokokken). logischen Gesichtspunkten zu bedenken. im Durchschnitt) bei invasiven E. faecalis- Acht verschiedene Varianten der er- Eine Weitergabe eines Resistenzplasmids Isolaten europaweit, wobei die Schwan- worbenen Vancomycin-Resistenz (VanA– unter Ausbruchsbedingungen ist anschei- kungsbreite von ca. 15 % in Frankreich, N) sind bisher beschrieben (. Tab. 3). Die nend bei VRE seltener als z. B. bei multire- Schweden und Norwegen bis > 50 % in Spezies E. gallinarum und E. casseliflavus sistenten gramnegativen Bakterien (ESBL- Rumänien reicht (Daten aus 2016 [60]). (identisch mit E. flavescens [62]) besitzen Plasmide) [63–65]. Für E. faecium-Isolate zeigen diese Da- eine natürliche Resistenz gegen Vanco- Die beiden häufigsten Resistenztypen ten ebenfalls mittlere bis hohe Prävalen- mycin (MHK von 2–32 µg/mL), die als vom VanA-und VanB-Typ sind in der Re- zen von ca. 20 % in Deutschland, Schwe- VanC-Phänotyp bezeichnet wird (VanC1 gel induzierbar, d. h. die Resistenzgene den und Griechenland und bis zu 80 % – E. gallinarum, VanC2 – E. casseliflavus). werden erst bei Anwesenheit des Antibio- in Rumänien und Bulgarien (Daten aus Erworbene Vancomycin-Resistenz betrifft tikums exprimiert. Die VanB-vermittelte 2016 [60]). High-level Gentamicin-Re- nahezu ausschließlich Isolate der Spezies Resistenz wird nur durch Vancomycin, sistenz wird in Staphylokokken und Ente- E. faecium, wohingegen Vancomycin-re- aber nicht durch Teicoplanin induziert. rokokken meist durch ein bifunktionales sistente E. faecalis und Isolate anderer Spe- Daher sind VRE vom VanB-Typ in vitro Enzym vermittelt. Das entsprechende Gen zies selten sind. Von den acht derzeit be- Teicoplanin-empfindlich. Unter Teico- aac(6’)-Ie-aph(2“)-Ia (syn. aacA-aphD) ist kannten Resistenztypen haben lediglich planin-Therapie kann es zu einer Selek- Teil eines mobilen Elements, Transposon VanA und VanB medizinische Bedeutung tion gegen Teicoplanin konstitutiv-resis- Tn5281 bzw. Tn4001 [61]. erlangt, so dass im Folgenden auf diese tenter Mutanten kommen (Resistenzgene beiden Varianten verstärkt eingegangen werden unabhängig von der Anwesen- 2.2.3 Glykopeptide wird. heit von Antibiotika kontinuierlich expri- Klinisch bedeutsame Vancomycin-Re- Resistenzen vom VanA–N-Typ sind miert), was den Erfolg einer Teicoplanin- sistenz wird durch Gencluster vom Typ durch eine Vielzahl genetischer Elemente Therapie auch bei in vitro empfindlichen vanA und vanB kodiert und verbreitet kodiert und gehen mit einem relativ kom- Enterokokken vom VanB-Typ mindern sich in an das Krankenhausmilieu ad- plexen Resistenzmechanismus einher. Das kann [66]. aptierten E. faecium-Stämmen. Beide Gencluster vom vanA- bzw. vanB-Typ ist Die vanA- und vanB-tragenden E. fae- Varianten sind genetisch mobil, womit mobil bzw. häufig auf übertragbaren Ele- cium-Stämme unterscheiden sich in ihren sich die Resistenz sowohl klonal als auch menten lokalisiert und kann somit auch übrigen Eigenschaften nicht grundsätzlich durch horizontalen Gentransfer (HGT) zwischen nicht verwandten Stämmen voneinander. Die beiden Resistenzgene auf nicht verwandte Stämme verbrei- weitergegeben werden (. Tab. 3). Inso- bzw. -gencluster sind vor allem in HA- ten kann. Es existiert ein Reservoir der fern ist sowohl die klonale Verbreitung Stämmen nachweisbar (z. B. ST117, ST17, vanB-vermittelten Vancomycin-Resis- als auch die horizontale Weitergabe der ST18; ehemals klonaler Komplex CC17) Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10 · 2018 1315
Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen [58, 59, 63]. Diese HA-E. faecium-Stämme auch zeitlich variieren [53, 72, 73], d. h. be- MRSA zu reduzieren, um der Möglichkeit mit Ampicillin- und Fluorchinolon-Resis- stimmte Krankenhäuser oder Regionen des Gentransfers und damit der Infekti- tenz lassen sich als Glykopeptid-empfind- sehen nur einen bestimmten (vorherr- on mit Vancomycin-resistenten S. aureus liche Stämme bereits bei vielen Kranken- schenden) VRE-Typ, wobei dieser durch vorzubeugen [87]. hauspatienten nachweisen [6]. Sie sind zur einen anderen abgelöst werden oder auch klonalen Verbreitung innerhalb und zwi- gleichzeitig mit einem anderen auftreten 2.2.4 Oxazolidinone (Linezolid/ schen Krankenhäusern fähig. Diese Stäm- kann [53]. Tedizolid) me sind meist mit Virulenzmarkern (Esp In Deutschland und benachbarten EU- Linezolid ist eine wichtige Therapieop- und/oder Hyl als Marker für enterococcal Staaten traten in den zurückliegenden tion zur Behandlung von VRE-Infektio- surface protein bzw. putative Hyaluroni- Jahren (2012–2016) verstärkt VanB-VRE nen. Resistenzen resultieren aus Punkt- dase) ausgestattet [32, 67–71]. HA-E. fae- auf [57, 58, 63, 72]. Dies betrifft sowohl mutationen in ribosomalen Genen. Es cium-Stämme werden klinisch meist erst Isolate aus endemischen Besiedlungen sind aber auch übertragbare Resistenz- nach dem Erwerb von Glykopeptid-Resis- und Infektionen als auch Isolate aus Häu- gene beschrieben worden (cfr, optrA). tenz-Determinanten (vanA- bzw. vanB- fungen von Besiedlungen und Infektionen Das Auftreten von Linezolid-resistenten Gencluster) erkannt. Viele Stammvarian- (Ausbrüche). Es ist denkbar, dass das häu- Isolaten korreliert meist mit einem er- ten können sowohl als VanA-Typ als auch figere Auftreten von VanB-Stämmen mit höhten Einsatz der Substanz in betroffe- als VanB-Typ VRE auftreten. Nichtsdes- einer verbesserten Diagnostik von VanB- nen Einrichtungen, kann aber auch un- totrotz gibt es bestimmte erfolgreiche VRE einhergeht. Trotzdem können bei abhängig davon auftreten. Stammvarianten, die eher als VanA-Typ einzelnen VanB-Stämmen die MHK-Wer- Linezolid war das erste Antibiotikum (ST203) bzw. als VanB-Typ VRE (ST192) te auch unterhalb des seit einigen Jahren der Gruppe der synthetischen Oxazoli- präsent sind [72, 73]. nach unten angepassten Grenzwertes für dinone [89]. Es verhindert die Initiation Das vanB-Gen kommt auch außerhalb Vancomycin liegen (EUCAST) und diese der Translation und hemmt die bakteriel- der Enterokokken in Darmkommensalen niedrige Expression der VanB-Typ-Resis- le Proteinsynthese. Linezolid wirkt bakte- vor [74, 75] was wiederum zu diagnos- tenz kann diagnostische Schwierigkeiten riostatisch. Es gilt als ein Reserveantibio- tischen Unsicherheiten bei der Verwen- bei der Erkennung dieser Stämme verur- tikum bei VRE-Infektionen. Tedizolid ist dung von NAAT führen kann und immer sachen [82]. ein neueres Oxazolidinon mit verbesser- eine anschließende mikrobiologische Be- Obwohl immer wieder diskutiert, gibt ter Wirksamkeit gegen grampositive Bak- stätigung erfordert (siehe Abschnitt 3.1) es derzeit keine belastbaren Daten und terien insgesamt [90]. Eine verbesserte [32, 76]. Beim vanB-Gen gibt es drei Sub- belegbaren Studien, die ein Reservoir der Wirksamkeit gegen Enterokokken/VRE typen, die mittels Sequenzierung identi- vanB vermittelten Vancomycin-Resistenz ist nicht sicher. Bei EUCAST existiert für fiziert und differenziert werden können. bei Enterokokken im ambulanten Be- Tedizolid zum Zeitpunkt der Veröffent- Alle Subtypen werden von diagnostischen reich bzw. in der Allgemeinbevölkerung lichung kein Grenzwert (IE = insufficient Assays erkannt. In den meisten klinischen belegen. Für eine Krankenhaus-assozi- evidence), bei CLSI existiert für E. faecalis Stämmen tritt die vanB2-Variante auf. ierte Verbreitung spricht auch eine Präva- ein Grenzwert für die Sensibel-Kategorie Epidemiologie: Der VanA-Typ ist welt- lenzuntersuchung aus Irland. Dort waren (sensibel ≤ 0,5 mg/L). weit der häufigste Glykopeptid-Resistenz- 31,4 % der von Krankenhauspatienten, Enterokokken mit Resistenz gegen Li- typ. Für Deutschland deuten verschiedene aber 0 % der von ambulanten Patienten nezolid sind bekannt. Die Linezolid-Re- Surveillance- und Referenzsysteme in den entnommenen Stuhlproben VRE-positiv sistenz wird dabei durch Mutationen in letzten Jahren eine ungefähre Gleichver- [83]. Da die Untersuchung anonymisiert dem Gen, das die ribosomale 23S RNA teilung der VanA-Typ- und VanB-Typ-Re- erfolgte, ist nichts über vorbestehende Be- kodiert, Mutationen ribosomaler Protei- sistenz in VRE an [77–81]. Ebenso setzten siedelung bekannt. ne (RplC, RplD) und/oder durch die Plas- sich die VRE-Einsendungen an das Natio- Gentransfer auf S. aureus: Von besonde- mid-vermittelte Resistenz vom cfr-Typ nale Referenzzentrum für Enterokokken rer Bedeutung ist das Risiko der Übertra- verursacht [91]. Das erstmals in Koagu- in den letzten Jahren zu nahezu gleichen gung der Vancomycin-Resistenz auf an- lase-negativen Staphylokokken vom Tier Anteilen aus VanA- und VanB-VRE zu- dere Spezies, insbesondere auf S. aureus. beschriebene cfr-Gen [92] kodiert für eine sammen [57]. Aufgrund der relativ guten Horizontaler Gentransfer der vanA-Gene Methylase, die Kreuzresistenz gegen meh- Übereinstimmung zwischen Genotyp und zwischen Enterokokken und S. aureus rere Antibiotika vermittelt (Phenicole, Phänotyp kann eine Ableitung des Geno- wurde in vitro und in vivo beobachtet Oxazolidinone, Lincosamide, Pleuromu- typs aus dem Antibiogramm mit akzep- [84–86] und vor allem aus den USA [87] tiline, Streptogramin A). Eine Weitergabe tabler Sicherheit erfolgen (Vancomycin- aber auch aus Europa (Portugal) beschrie- dieser Resistenzplasmide auf verwandte und Teicoplanin-resistente Isolate: VanA, ben [88]. und nicht-verwandte Stämme über Spe- Vancomycin-resistente und Teicoplanin- Auch wenn ein solcher Gentransfer in zies- und Gattungsgrenzen hinweg ist be- sensible Isolate: VanB). niedriger Frequenz zu erfolgen scheint, legt [93, 94]. So wurde das cfr-Gen auch Die oben erwähnte überregionale wurde empfohlen, im Rahmen von In- in Enterokokken nachgewiesen, wobei Gleichverteilung kann im regionalen und fektionspräventionsprogrammen die Fre- mehrere Allele vorkommen können. In lokalen Kontext deutlich anders sein und quenz der Koinfektion durch VRE und Enterokokken wird allerdings die Rol- 1316 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10 · 2018
le von sowohl cfr als auch cfr(B) bei der Enterokokken. Tigecyclin sollte bei invasi- ≤ 4 mg/L) mit der Ausnahme, dass dieser Ausprägung der Linezolid-Resistenz kon- ven VRE-Infektionen nur nach Abwägung nicht für Isolate aus dem respiratorischen trovers diskutiert [95, 96]. möglicher Therapiealternativen und/oder Trakt gilt. Die Erfassung der Resistenz mit der- als Kombinationspartner als letzte Opti- Es gibt ein Empfehlungsschreiben von zeit kommerziellen Laborautomaten er- on bei gleichzeitigem Monitoring von Ne- EUCAST zur Verwendung von Daptomy- folgt zuverlässig; eine zweite, alternative benwirkungen in Betracht gezogen wer- cin bei Enterokokken-Endokarditis [109]. Methode zur Überprüfung der Resistenz den [103, 104]. Hierin wird der Stellenwert mit höheren ist vorteilhaft, aber nicht zwingend, da Unempfindlichkeit gegen Tigecyclin Dosierungen von Daptomycin zur Be- die Vorhersage aus Methoden der Mik- bei grampositiven Krankenhauserregern, handlung einer Enterokokken-Endokar- robouillonverdünnung zuverlässig erfolgt speziell Enterokokken, ist bisher sehr sel- ditis diskutiert. Analysen einer klinischen und die Resistenz stabil ist [97]. ten [105–107]. Es werden verschiedene Anwendung dokumentieren variable Er- Der Anteil der Linezolid-resistenten genetische Veränderungen in Enterokok- fahrungen, auch und vor allem bei En- Isolate korreliert in gewisser Weise mit ei- ken diskutiert, welche im Zusammenhang terokokken-Endokarditis [110]. Aktuelle nem zunehmenden Einsatz der Substanz. mit Tigecyclin-Resistenz stehen können. Artikel beschreiben ein Versagen einer Ansteigende Trends werden allerdings Möglicherweise ist der Mechanismus Daptomycin-Therapie in Abhängigkeit nur in Referenzlaboren auffällig [97]; in auch multifaktoriell. von der MHK und empfehlen eine An- klassischen Resistenz-Surveillance-Syste- Bei Verdacht auf Tigecyclin-Unemp- passung des Grenzwerts aus mikrobiolo- men wie ARS [78] und den Studien der findlichkeit ist die Verwendung von we- gischer Sicht [111]. Paul-Ehrlich-Gesellschaft ist der Anteil nigstens zwei unabhängigen, phänotypi- Insgesamt wird der Stellenwert von Linezolid-resistenter Enterokokken-Iso- schen Testverfahren zu empfehlen. Die Daptomycin ggf. auch in Kombinati- late seit Jahren konstant < 1 % [79]. Stämme sollten zur Überprüfung an ein on mit Beta-Lactam-Antibiotika zur Be- Referenzlabor geschickt werden. handlung von Enterokokken-Infektionen 2.2.5 Tigecyclin derzeit kontrovers diskutiert [112–115]. Tigecyclin ist ein Tetracyclin-Antibio- 2.2.6 Daptomycin Enterokokken mit erhöhter MHK ge- tikum mit bakteriostatischer Wirkung Daptomycin ist ein Lipopeptid-An- gen Daptomycin sind vor allem im ang- und sehr eingeschränkter Empfehlung tibiotikum. In den zugelassenen Do- loamerikanischen Raum nachgewiesen für den Einsatz bei Enterokokkeninfek- sierungen ist die Substanz nicht und intensiver bearbeitet worden. Meh- tionen. Resistenzen in Enterokokken gegen Enterokokken wirksam. Resis- rere Faktoren, die mit der Zusammenset- sind bisher selten, die zugrundeliegen- tenzen in Enterokokken sind sehr sel- zung der Zellmembran, dem Ladungspo- den Mechanismen sind komplex und ten, die zugrundeliegenden Mechanis- tenzial und der Fluidität assoziiert sind, multifaktoriell. men schließen Mutationen in Genen stehen im Zusammenhang mit der Ausbil- Tigecyclin ist ein Tetracyclin-Antibio- des Zellmembranstoffwechsels, der dung und Selektion von Resistenzen un- tikum mit einer zusätzlichen Seitenkette Membranzusammensetzung und des ter Daptomycin-Therapie [116–119]. Alle am Molekül und damit einer Wirksamkeit -Ladungspotenzials ein. Das Auftre- diese Modifikationen beeinflussen im wei- auch gegenüber Tetracyclin-resistenten ten von Daptomycin-resistenten Ente- testen Sinne die bakterielle Zellwand- und Bakterien [98, 99]. Es ist das bisher einzi- rokokken korreliert mit einem erhöh- Zellmembranhomöostase und verändern ge am Markt verfügbare Glycylcyclin. Es ten Einsatz der Substanz in betroffenen somit die Effektivität von Daptomycin. wirkt bakteriostatisch. Einrichtungen. Das NRZ hat bisher nur wenige Entero- Für den Einsatz von Tigecyclin bei Daptomycin ist ein zyklisches Lipo- kokken mit Daptomycin-Unempfindlich- Bakteriämie und/oder Sepsis durch VRE peptid. Es wirkt gegen die (innere) bakte- keit erhalten, in welchen die Unempfind- liegen nur begrenzt Daten und Empfeh- rielle Zellmembran und somit ausschließ- lichkeit mit zwei unabhängigen Methoden lungen vor. Problematisch bei der Sub- lich gegen grampositive Bakterien [108]. bestätigt werden konnte [97]. Allerdings stanz ist, dass die erreichten Serumspiegel Daptomycin lagert sich in die Membran ist bekannt, dass in Einrichtungen mit ei- für die Therapie einer Sepsis nicht ausrei- ein und verursacht einen Efflux von Ka- nem häufigen Einsatz der Substanz Dap- chend hoch sind. In bestimmten Konstel- lium-Ionen, was zur Destabilisierung der tomycin-resistente Enterokokken selek- lationen wurde Tigecyclin erfolgreich als Membran und Änderung des Ladungspo- tiert werden [120]. Nicht selten kann eine Kombinationspartner mit anderen Anti- tenzials führt. Unter optimalen Bedingun- ursprünglich angezeigte Unempfindlich- biotika wie Carbapenemen oder Dapto- gen ist die Wirkungsweise bakterizid. Laut keit gegen Daptomycin in nachfolgenden mycin bei Fällen von schwerer Sepsis ein- Einschätzung von EUCAST (Stand 2018) Tests nicht bestätigt werden, was an einem gesetzt [100–102]. Es ist zugelassen für die hat Daptomycin in den zugelassenen Do- instabilen Resistenzphänotyp liegen kann Behandlung von komplizierten Haut- und sierungen keine nachgewiesene Wirksam- und nicht zwangsläufig auf eine fehlerhaf- Weichteilinfektionen sowie komplizierten keit gegen Infektionen mit Enterokokken te Diagnostik zurückzuführen ist. intraabdominellen Infektionen und auch und folglich existiert auch kein klinischer nur für diese Therapien existieren Grenz- Grenzwert (Status „IE = insufficient evi- werte bei EUCAST. Bei CLSI hingegen dence“). Bei CLSI existiert ein Grenz- gibt es keine Grenzwerte für Tigecyclin bei wert für die Sensibel-Kategorie (sensibel Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10 · 2018 1317
Bekanntmachungen – Amtliche Mitteilungen 2.3 Bedeutung der Enterokokken onen vor allem bei älteren und immun- Infektionen nachgewiesen wurden [131, als Infektionserreger supprimierten Patienten auf [1]. In einer 132]. Studie wurde die Inzidenzrate der Entero- Weitere Daten zur Übertragbarkeit von 2.3.1 Pathogenität kokkenbakteriämie unter Patienten einer Enterokokken ergeben sich aus Untersu- Enterokokken werden bei Infektionen Intensivstation mit 3,0 Fällen/1000 Patien- chungen von VRE, da die Resistenz hier oft als Teil einer Mischflora nachgewie- tentage unter Risiko angegeben, wobei die als Marker zur Verfügung steht. Im Ver- sen; bei unkomplizierten Infektionen meisten Infektionen mit einem zentralve- gleich verschiedener multiresistenter Mi- kann häufig auf eine gezielte Therapie nösem Katheter assoziiert waren [127]. kroorganismen wurde gezeigt, dass für der Enterokokken verzichtet werden. Die betroffenen Patienten wiesen eine er- VRE häufiger ein nosokomiales Erwer- Enterokokken-bedingte Infektionen bei höhte Letalität auf, die allerdings in der ben nachgewiesen werden konnten als für Intensivtherapie- und immunsuppri- untersuchten Population nicht höher war alle anderen multiresistenten Mikroorga- mierten Patienten, insbesondere nach als die Letalität der katheterassoziierten nismen [133], so dass die Autoren daraus Lebertransplantation, können hinge- Sepsis durch Koagulase-negative Entero- schließen, dass der nosokomiale Nach- gen mit einer hohen direkten Letalität kokken. weis von VRE zumeist durch nosokomi- einhergehen. Bei schwerkranken Patienten in ale Übertragungen bedingt ist. Enterokokken gelten als wichtiger Be- schlechtem Allgemeinzustand mit kom- Der Anteil von Kontaktpatienten zu standteil der menschlichen Mikrobio- plexen Infektionen, wie multiplen Ab- VRE-Patienten, die positiv auf VRE ge- ta. Wenn jedoch durch Antibiotika, wie szessen, Anastomoseninsuffizienzen, screent wurden, wurde mit ca. 3–10 % be- z. B. Metronidazol, die anaerobe Flora im Cholangitiden mit Leberabszessen, abs- funden [134, 135]. Bettnachbarn von neu Darm gehemmt wird, kann es im Darm zedierenden Pankreatitiden ist der Nach- identifizierten VRE-Trägern können in ca. zu massiver Proliferation von Enterokok- weis von Enterokokken mit erhöhter Mor- 10–20 % ebenfalls VRE erwerben [136, ken mit Translokation in tiefere Gewebe bidität und Letalität verbunden, was bei 137]. Austin et al. errechneten für die Pa- und in die Blutbahn mit Auslösung von der Therapie berücksichtigt werden soll- tienten einer ITS eine Reproduktionszahl Erkrankungen kommen [121–124]. Auch te [128, 129]. von 3,8, d. h. jeder VRE-Patient führte zur durch exogenen Eintrag von Enterokok- Bisweilen wurde davon ausgegangen, Übertragung auf drei bis vier weitere Pa- ken z. B. in Wunden und die Harnwege dass Enterokokken zu häufigen Kontami- tienten [138]. können Infektionen verursacht werden. nanten von Blutkulturen gehören, insbe- Als Wege der Übertragung werden ne- Bei der Diagnostik von Harnwegsin- sondere, wenn sie nur in einer von mehre- ben der direkten Übertragung zwischen fektionen finden sich Enterokokken, ins- ren Kulturen nachgewiesen wurden. Eine zwei besiedelten oder infizierten Perso- besondere bei der Untersuchung von Mit- Untersuchung von 206 bakteriämischen nen, die indirekte Übertragung durch die telstrahlurin, häufig in einer Mischflora. Episoden durch Enterokokken zeigte je- Hände des Personals und die Übertragung In einer Studie an immunkompetenten doch, dass die Zahl positiver Blutkultu- durch kontaminierte Oberflächen disku- jungen Frauen mit unkomplizierter Zysti- ren nicht mit dem klinischen Outcome tiert. tis wurde gezeigt, dass es sich in der unter- der Episode korreliert [130], das heißt, In Ausbruchsituationen wurde gezeigt, suchten Population in der Regel um eine ein einmaliger Nachweis von Enterokok- dass die Hände der Mitarbeiter eine wich- Kontamination handelte [125]. ken in der Blutkultur kann genauso mit ei- tige Rolle für die Übertragung von Ente- Bei intraabdominellen Infektionen ner Infektion assoziiert sein wie ein mehr- rokokken spielen [139], was insbesondere werden Enterokokken häufig nachgewie- facher Nachweis. für VRE wiederholt nachgewiesen wurde sen, meist als Teil einer Mischflora. Die [140–145]. Nur in einer einzelnen Studie pathogenetische Bedeutung ist daher im 2.3.2 Übertragung wurde gezeigt, dass ein Mitarbeiter mit in- Einzelfall oft unklar. Wahrscheinlich ist Enterokokken können direkt oder indi- testinaler Kolonisation mit VRE zur Ver- ihre Rolle bei Patienten in gutem All- rekt über die Hände des Personals, aber breitung des Erregers im Krankenhaus gemeinzustand und einfacheren Infek- auch direkt durch Patienten und ebenso beigetragen hat [146]. tionen wie Appendizitis perforata oder über kontaminierte Oberflächen über- Enterokokken werden leicht in die Um- Salpingitis als ursächliches Pathogen be- tragen werden. Enterokokken werden gebung von Patienten freigesetzt [147]. grenzt; häufig wird auf die gezielte The- häufig in der unbelebten Umgebung So wurden wiederholt Reservoire in der rapie der Enterokokken in diesem Kon- nachgewiesen. An Untersuchungen von Umgebung als Quelle für Ausbrüche no- text verzichtet. Zunehmende Bedeutung VRE-besiedelten Patienten zeigt sich, sokomialer Infektionen mit Enterokokken erlangen jedoch Enterokokken-bedingte dass der Anteil von Kontaktpatien- nachgewiesen, z. B. Beatmungsschläuche Infektionen bei Intensivtherapie-pflichti- ten, die besiedelt werden, hoch zu sein [148], kontaminierte Inkubatoren [149], gen und immunsupprimierten Patienten, scheint (3–10 %). Griffe von Thermometern [150, 151] und insbesondere nach Lebertransplantation Enterokokken gehören zu den Mikro- andere kontaminierte Oberflächen [152, [126]. Besonders Enterokokken-Bakte- organismen, für die mittels Typisierungen 153]. Die Bedeutung der Umgebungskon- riämien gehen mit einer hohen direkten auch im endemischen Setting Übertra- tamination zeigt sich auch darin, dass sich Letalitätsrate von bis zu 30 % einher und gungen mit der Folge von nosokomialen nach Neuaufnahme in Patientenzimmer, treten wie andere Enterokokkeninfekti- die zuvor mit Trägern von VRE belegt wa- 1318 Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10 · 2018
ren, ein erhöhtes Risiko für den Erwerb siedelung nur für antibiotikaresistente druck) und der Neubesiedelung von Pa- von VRE ergab [154, 155]. Enterokokken durchgeführt. tienten mit VRE untersucht wurde [157]. Enterokokken wurden sowohl in der Die Dosis für den Beginn einer in- Ein Review aus dem Jahr 2011 zeigte, dass patientennahen Umgebung auf der Toi- testinalen Kolonisation mit VRE ist un- Studien, in denen ein Zusammenhang lette [156], auf Gegenständen wie Ther- bekannt, vermutlich aber gering, weil zwischen Kolonisationsdruck und Neuer- mometer, Instrumente, Handschuhe als die Restkontamination mit VRE nach werb multiresistenter Erreger untersucht auch auf Griffkontaktflächen wie Tür- Schlussdesinfektion des Patientenzim- wurde, aufgrund verschiedener Definiti- klinke, Bettenholm, Nachttisch, Telefon, mers für nachfolgend aufgenommene onen des Kolonisationsdruckes (z. B. Prä- Lichtschalter, PC-Display, Wasserhahn Patienten das Kolonisationsrisiko erhöh- valenz oder Inzidenzdichte von Patienten sowie auf dem Fußboden nachgewiesen te [154]. Bei Mäusen war allerdings nach mit multiresistenten Erregern) nur schwer [157]. Häufig zeigt sich jedoch eine hohe oraler Applikation von 5 × 108 KBE Vanco- vergleichbar sind. Dennoch zeigten zehn Umgebungskontamination, ohne dass mycin-resistente E. faecium nur eine tran- von 13 Studien eine unabhängige Assozi- ein direkter Bezug zu konkreten Infekti- siente Kolonisation nachweisbar [164]. ation zwischen Kolonisationsdruck und onsfällen hergestellt werden konnte, z. B. Als Infektionsdosis von VRE sind in Tier- Erwerb von VRE [173]. auf Touchscreens von Computern [158], modellen < 103 KBE beschrieben [165]. Für Patienten bei Aufnahme in ein Computer-Tastaturen [159], Mobiltelefo- Krankenhaus untersuchten Tacconel- nen und Smartphones [160] oder Aufzug- Risikofaktoren für eine Besiedelung mit li et al. an zwei US-amerikanischen Uni- knöpfen [161]. Enterokokken. Patienten mit schwerer versitätskliniken mit einer hohen ende- Von den kontaminierten Flächen oder Komorbidität, insbesondere Immunsup- mischen VRE-Rate die Risikofaktoren für der Haut des Patienten können Entero- pression und hämatologischen Krankhei- eine Besiedelung mit VRE, um einen Risi- kokken über die Hände bzw. über die be- ten, haben ein erhöhtes Risiko, mit VRE koscore zu erstellen, mit dem VRE-Träger handschuhte Hand des Personals auf wei- kolonisiert oder infiziert zu werden [166, bereits bei Aufnahme identifiziert werden tere Oberflächen übertragen werden. In 167]. Eine Punkt-Prävalenz-Studie be- können [174]. Auf Basis der unabhängi- Transferbeobachtungen zu VRE wurden züglich VRE an einer Universitätsklinik gen Risikofaktoren und deren assoziierter die Enterokokken in 11 % der Beobach- ergab, dass vorangegangene Hospitalisie- Odds Ratio wurden folgende Komponen- tungen von besiedelten Patienten über rung, chronisches Nierenversagen sowie ten für einen Score vorgeschlagen: Hände auf reine Flächen übertragen [139]. ein langer Krankenhausaufenthalt mit 55MRSA-Besiedelung in Nach Berührung des Patienten und seiner VRE-Besiedelung assoziiert waren [167, den vorangegangenen Umgebung waren 75 % der bloßen Hän- 168]. 12 Monaten 4 Punkte de und nach Ablegen von Handschuhen Eine Untersuchung in einem endemi- 55Langzeit-Dialyse3 Punkte noch 9 % der Hände des Personals mit schen Setting zeigte für eine Kohorte von 55Übernahme aus VRE kontaminiert. Wurden nur kontami- Patienten bei Aufnahme in eine Rehabili- einem Pflegeheim 3 Punkte nierte Flächen berührt, waren 21 % bzw. tationsklinik, dass Diabetes mellitus, eine 55Einnahme von mehr 0 % der Hände kontaminiert [162]. Pneumonie in der Anamnese und die als einem Antibiotikum Bei Felduntersuchungen im Rahmen Therapie mit Cotrimoxazol Risikofakto- in den letzten 30 Tagen 3 Punkte der Pflege von Patienten rangierten VRE ren für die Besiedelung mit VRE waren 55Krankenhausaufenthalt nach multiresistenten Acinetobacter bau- [169]. in den vorangegangenen mannii und Pseudomonas aeruginosa an Vorausgehende Therapie mit Antibio- 12 Monaten 3 Punkte dritter Stelle in der Übertragungshäufig- tika war Gegenstand mehrerer Studien 55Alter höher als 60 Jahre 2 Punkte keit auf Kittel bzw. Handschuhe [163]. mit widersprüchlichen Ergebnissen [170, 171]. Eine frühere Therapie mit Cephalo- In Abhängigkeit vom Cut-off für den 2.3.3 Kolonisation sporinen der dritten Generation, Metro- Score lag die Sensitivität bei 44 % (Spezifi- Wie viele Enterokokken zur Entste- nidazol und Fluorchinolonen wurde als tät 98 %) bei einem Cut-off von > 9 Punk- hung einer Kolonisation mit antibioti- Risikofaktor für die VRE-Kolonisierung ten und bei 75 % (Spezifität 92 %) bei karesistenten Enterokokken notwendig identifiziert, nicht jedoch eine Behand- einem Cut-off von > 6 Punkten für die sind, ist unbekannt. Eine geringe Erre- lung mit Vancomycin [170, 172]. Aller- Detektion von VRE-Trägern. germenge scheint jedoch auszureichen. dings konnten viele der klinischen Studi- Als Risikofaktoren für eine Kolonisation en aufgrund ihres Designs (retrospektiv, VRE bei Mitarbeitern im Krankenhaus. sind schwere Komorbidität, insbesonde- Monocenter, kleine Stichprobengröße) in Es existieren nur wenige Daten zur Be- re Immunsuppression und hämatologi- systematischen Untersuchungen nicht zur siedelung von Mitarbeitern, welche in der sche Krankheiten, vorausgegangene An- Kontrolle herangezogen werden [173]. Pflege oder Behandlung von VRE-Patien- tibiotikatherapie und vorausgegangene Für den Erwerb von VRE im Kranken- ten beteiligt sind. Decker et al. fanden in (längere) Hospitalisierung bekannt. haus wurden bereits zu Beginn der Ver- einer Kohorte von nahezu 400 Mitarbei- Da Enterokokken zur normalen intes- breitung von VRE Modelle entwickelt, in tern, die Kontakt zu Patienten mit multi- tinalen Flora gehören, wurden Untersu- denen der Zusammenhang zwischen Prä- resistenten Erregern, darunter auch VRE, chungen zu Risikofaktoren für eine Be- valenz von VRE-Trägern (Kolonisations- hatten, keinen Mitarbeiter bei dem VRE Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10 · 2018 1319
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