RIDGE PRESERVATION IM SEITEN- UND FRONTZAHNBEREICH - Zeitschrift für ...
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I FALLBERICHT I RIDGE PRESERVATION IM SEITEN- UND FRONTZAHNBEREICH Alveolenmanagement: Geht es nur um maximalen Volumenerhalt? Dr. Kai Fischer, Prof. Dr. Patrick Schmidlin Ziel: Darstellung und Diskussion ver- Notwendigkeit für komplexe, gestufte schiedener Behandlungskonzepte zur Augmentationsverfahren. Versorgung von kompromittierten Extrak- tionsalveolen im Front- und Seitenzahn- Schlüsselwörter: Extraktionsalveole; bereich. Ridge Preservation; Knochenersatzmate- → Warum Sie diesen Material und Methode: Anhand zweier rial; Barrieremembran; Knochenregenera- Beitrag lesen sollten? klinischer Fallbeispiele werden unter- tion Dieser Beitrag gibt einen schiedliche Herangehensweisen und Ma- kritischen Überblick über die terialkombinationen primär zur Versor- Zitierweise: Fischer K, Schmidlin P: Rid- aktuelle Literatur zum Thema gung von defizitären Alveolen aufgezeigt. ge Preservation im Seiten- und Frontzahn- Ridge Preservation. Der Fokus In beiden Fällen erfolgte eine Augmentati- bereich. Z Zahnärztl Implantol 2021; 37: liegt v.a. auf den Aspekten des on im Sinne einer gesteuerten Knochenre- 156–162 maximalen Volumenerhalts generation (GBR). Dazu wurde im Seiten- DOI.org/10.3238/ZZI.2021.0156–0162 gegenüber einem möglichst zahnbereich eine kreuzvernetzte Mem- hohen Umbau der eingebrachten bran exponiert belassen. Im Frontzahnfall EINLEITUNG Materialien in vitalen Knochen. wurde mithilfe eines Bindegewebstrans- Die Entfernung eines Zahns ist ein alltägli- Die dargestellten Fälle zeigen plantats gleichzeitig eine Verdickung der cher chirurgischer Eingriff in der zahnärzt- 2 Konzepte mit unterschiedlichen Weichgewebe und der Verschluss der Al- lichen Praxis. Soll die so entstandene Lü- Materialkombinationen im Seiten- veole erzielt. Neben der knöchernen Re- cke prothetisch versorgt werden, kann aus und Frontzahnbereich. konstruktion wurde die Vermeidung einer ästhetisch-funktionellen Gründen für die Verschiebung der Mukogingivalgrenze mit spätere Gestaltung eines Brückenglieds den dargestellten Techniken angestrebt. oder für die verzögerte Insertion eines Im- Schlussfolgerung: Individuelle defekt- plantats eine kammerhaltende Maßnah- bezogene Konzepte zur Ridge Preservati- me im Sinne einer sogenannten Ridge on (RP) können auch komplexe alveoläre Preservation (RP), früher auch Socket Defekte nach Extraktion erfolgreich rege- Preservation genannt, sinnvoll sein. Eine neriert werden. Aus Behandler- und Pa- Vielzahl von Techniken, verschiedene tientensicht reduziert sich somit nicht nur Membranen und Knochenersatzmateria- die Behandlungszeit, sondern auch die lien (KEM) wurden zu diesem Zweck in - 156 - Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2021 I 37 I 03
I FALLBERICHT I Falldarstellung 1 Abb. 1–20: Kai Fischer Abb. 1: Klinische Ausgangssituation vor Ent- Abb. 2: Ausschnitt aus der Panoramaschichtaufnahme (PSA) vor Extraktion; tiefe parodontale fernung der Zähne 45 und 47 Defekte regio 45 und 47 Abb. 3: Nach Entfernung der beiden Zähne Abb. 4: Readaption der Lappenränder ohne Abb. 5: Unkomplizierte Heilung mit beginnen- sowie Augmentation mittels partikulären Allo- Versuch des primären Verschlusses über der dem Weichgewebsverschluss nach 14 Tagen grafts zeigt sich der Umfang der Defekte. so exponierten Zucker-kreuzvernetzen Mem- bran Abb. 6: Nach 4 Wochen konnte ein vollständi- Abb. 7: Sechs Monate nach RP zeigt sich ein Abb. 8: Breites Knochenangebot regio 45 und ger Verschluss der Alveolen beobachtet wer- guter Erhalt der keratinisierten, befestigten 47 zur Insertion von 4.1 bzw. 4.8 mm Durch- den. Mukosa. messer-Implantate; der regenerierte Knochen erscheint gut vaskularisiert und vital. Abb. 9: PSA nach Insertion der beiden Im- Abb. 10: Transgingivale Einheilung der Implantate bei guter Primärstabilität sowie guter Weich- plantate gewebssituation präklinischen und klinischen Studien un- chendes horizontales und vertikales Kno- chirurgische Entfernung von Zähnen wird tersucht. chenangebot. Somit kommt dem Erhalt jedoch in der Regel von ausgeprägteren Grundlage jeder erfolgreichen Versor- der knöchernen Struktur nach Zahnverlust Veränderungen der Hart- und Weichge- gung mit Zahnimplantaten ist ein ausrei- eine zentrale Bedeutung zu. Gerade die webe im Operationsgebiet begleitet. Pro- Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2021 I 37 I 03 - 157 -
I FALLBERICHT I blematisch ist dies v.a. bei dünnen paro- lust einer oder mehrerer Knochenwände, vermutet, ausgedehnte Knochendefekte dontalen Phänotypen, da hier die bukkale wird im Sinne der „Gesteuerten Knochen- mit Verlust der bukkalen Alveolenwand in Lamelle vornehmlich aus funktionellem regeneration“ (GBR) empfohlen. Vorteil- regio 45 dar. Die Alveolen wurden mit ei- Bündelknochen besteht und somit eine haft erscheinen bei offener Heilung lang- nem allogenen KEM (Puros Spongiosa ausgeprägte Resorption der bukkalen sam resorbierende Membranen aus Zu- 1–2 mm, ZimmerBiomet GmbH, Mün- Knochenlamelle antizipiert werden muss cker-kreuzvernetztem Kollagen, da diese chen) bis auf Niveau der umgebenden [15]. Dadurch kommt es auch zu einem eine sekundäre Heilung über der freilie- Knochenstrukturen gefüllt (Abb. 3) und an- Kollaps des bukkalen Weichgewebes in genden Membran erlauben, was zu einem schließend im Sinne einer GBR mit einer die Extraktionsalveole, wodurch der Raum besseren Erhalt des Weichgewebes führt, porcinen Zucker-kreuzvernetzten Mem- für die knöcherne Regeneration verklei- ohne die Knochenregeneration zu beein- bran (OSSIX Plus, Regedent GmbH, Det- nert wird und die vestibulo-orale Breite in trächtigen [3, 11, 20]. Bei geschlossener telbach) abgedeckt. Auf einen primären der Folge insgesamt abnimmt. Einheilung spielt das Degradationsprofil Wundverschluss wurde bewusst verzich- Die primären Ziele einer RP sind daher der Membran eine eher untergeordnete tet und die Alveole einer sekundären Hei- der maximale Erhalt der Hart- und Weich- Rolle. lung überlassen; dadurch sollte nach Gra- gewebe im Bereich der Extraktionsalveole Insgesamt scheint RP also besonders nulation und sekundärer Heilung über die sowie die Erleichterung einer späteren Im- bei fehlenden bukkalen oder oralen Kno- nach krestal exponierte Membran eine Zu- plantation [12]. Dadurch sollen im Idealfall chenwänden vorteilhaft sein und zeigt nahme an befestigter Mukosa ermöglicht weitere augmentative Verfahren vermie- dann ggf. sogar weniger Volumenverlust werden. den oder zumindest reduziert werden und als bei intakten Alveolen. Tatsächlich tritt Die Wunde wurde mit sogenannten trotzdem hohe Erfolgsraten der Implantate in diesen Fällen kein Verlust des Bündel- Double-Sling- bzw. Hidden-X-Nähten sta- erzielt werden. Bisher hat sich noch keine knochens mehr auf, da dieser bereits ver- bilisiert und angenäht (Abb. 4). Zum Zeit- spezifische Technik oder ein Biomaterial loren gegangen ist, und eine Regenerati- punkt der Nahtentfernung nach 14 Tagen als absolut in der Lage erwiesen, die ur- on der fehlenden Strukturen scheint mög- zeigte sich dabei eine reizlose Abheilung sprünglichen Alveolarkammdimensionen lich [15]. In diesem Bereich sind jedoch mit intakter Membran (Abb. 5), wobei nach vollständig zu erhalten. Der Einfluss von weitere Untersuchungen erforderlich, um 4 Wochen die Alveolen bereits weichge- RP auf den langfristigen Implantaterfolg die Heilungskapazität von intakten gegen- webig verschlossen waren (Abb. 6). oder das Auftreten von periimplantären über defizitären Alveolen unter Verwen- Sechs Monate nach RP erfolgte die Im- Erkrankungen bleibt in vielerlei Hinsicht dung verschiedener Materialkombinatio- plantation in regio 45 sowie 47. Neben ei- ebenso unklar [14, 20]. Nach Auffüllung nen zu verstehen. nem breiten Band an befestigter Mukosa mit v.a. bovinem oder auch synthetischem Im Folgenden sollen anhand zweier (Abb. 7) lag ein sowohl in der Vertikalen Knochenersatzmaterial (KEM) mit langsa- klinischer Fälle unterschiedliche Techni- als auch Horizontalen gut erhaltener Kie- mer Resorptionsrate wurde über eine ver- ken für die funktionelle respektive ästheti- ferkamm vor. Es konnten keine losen zögerte Heilung der Extraktionsalveole, sche Zone aufgezeigt, erläutert und disku- KEM-Partikel gefunden werden und eine gepaart mit einer unvollständigen Kno- tiert werden. Unterscheidung zwischen Augmentat und chenregeneration und der Einkapselung nativem Knochen war kaum möglich. von KEM-Partikeln im Weichgewebe, be- FALL 1 – SEITENZAHN Während der Implantatbettaufberei- richtet [1, 9, 13, 18]. Ein 57-jähriger Patient ohne besondere tung zeigte sich ein gut durchbluteter und Durch die eingeschränkte Regenerati- anamnestische Auffälligkeiten wurde zur vitaler Knochen (Abb. 8). In regio 45 (BLT on kann es so zu einer reduzierten Kon- Entfernung der Zähne 45 und 47 mit an- 4.1x12, Straumann AG, Freiburg) sowie in taktfläche zwischen Implantat und Kno- schließender Implantatbehandlung zur regio 47 (BLT 4.8x10) konnten Standard- chen im besonders empfindlichen Implan- Vorbereitung eines festsitzenden Zahner- durchmesser-Implantate mit guter Primär- tatverbindungsbereich kommen. Soll dies satzes überwiesen. Klinisch (Abb. 1) wie stabilität ohne weitere Knochenaugmen- vermieden werden, hilft letztlich nur die auch röntgenologisch (Abb. 2) zeigte sich tations-Massnahmen inseriert werden, die Entfernung freier Partikel mit Re-Augmen- ein stark fortgeschrittener Attachmentver- einer offenen Einheilung überlassen wur- tation [18]. KEM mit einer relativ schnellen lust mit Lockerungsgrad III und Furkati- den (Abb. 9, 10). Die Implantate wurden Substitutionsrate wie Allografts sind eben- onsbefall Grad 3 an Zahn 47. Da aufgrund später durch die Überweiserin prothetisch falls für RP geeignet und scheinen nach der ausgeprägten Defekte beim Initialbe- versorgt. entsprechender Heilungszeit einen Kno- fund nach Abheilung der Alveolen mit ei- chen mit weniger bis keinen verbleiben- nem markanten Verlust der sehr dünnen FALL 2 – FRONTZAHN den Partikeln zu erzielen [4, 5, 19, 21]. Be- Knochenwände lingual wie bukkal gerech- Ein 25-jähriger Patient präsentierte sich dingt durch ihr schnelleres Resorptions- net werden musste, wurde mit dem Pa- mit einem prognostisch behandlungsun- profil weisen Allografts, je nach Indikati- tienten eine kammerhaltende Maßnahme würdig taxierten Zahn 11 nach zurücklie- onsstellung, jedoch einen ggf. geringeren bereits im Rahmen der Zahnentfernung gendem Frontzahntrauma mit anschlie- Volumenerhalt auf. besprochen. ßender endodontisch-prothetischer Ver- Die Verwendung einer Barriere-Mem- Nach der sich einfach gestaltenden sorgung sowie Wurzelspitzenresektion bran, insbesondere bei Alveolen mit Ver- Entfernung der Zähne stellten sich, wie vor (Abb. 11): Der Zahn konnte aufgrund - 158 - Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2021 I 37 I 03
I FALLBERICHT I Falldarstellung 2 Abb. 11: Klinische Ausgangssituation mit hoff- nungslosem Zahn 11 und günstigem Weich- gewebsverlauf Abb. 12: In der 3D-Aufnahme (DVT) lässt sich z.T. kein vestibulärer Knochen nachweisen. Abb. 13: Nach Lappenmobilisation zeigt sich Abb. 14: Insertion eines vollkonischen Implan- Abb. 15: Augmentation des Knochendefekts der erwartete Knochendefekt im Bereich der tats in Relation zum geplanten, späteren durch eine Mischung aus autologen Spähnen vestibulären Alveole. Weichgewebsverlaufs und porcinem KEM angemischt mit Hyaluron- säure Abb. 16: Abdeckung des Defekts mittels por- Abb. 17: Zur Weichgewebsaugmentation so- Abb. 18: Vier Monate nach Zahnentfernung, ciner Perikardmembran, die durch periostal wie zum Verschluss der Alveole wurde ein RP mit simultaner Implantatinsertion wurde verankerte Nähte stabilisiert wurde. Bindegewebstransplantat vom Gaumen ver- ein stabiles Kammvolumen vorgefunden. wendet und z.T. exponiert belassen. Abb. 19: Klinische Situation 4 Wochen nach Implantatfreilegung und anschließender provisori- Abb. 20: In der Aufsicht zeigen sich eine idea- scher Versorgung; zusätzlich wurde eine ästhetische Kronenverlängerung zur Verbesserung des le Kontur regio 11 sowie eine gesunde peri- Zahnbreiten- und Zahnlängen-Verhältnisses durchgeführt. implantäre Weichgewebsmanschette. Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2021 I 37 I 03 - 159 -
I FALLBERICHT I einer Längsfraktur im vestibulären Bereich knopfnähte (Abb. 17). Die Abheilung ver- Die erst kürzlich veröffentlichte nicht erhalten werden. In der 3D-Aufnah- lief komplikationslos und die Nähte konn- S2k-Leitline zum Thema „Implantologi- me sowie klinisch nach Lappenpräparati- ten nach 14 Tagen entfernt werden. sche Indikation für die Anwendung von on bestätigte sich ein partieller Verlust der Zum Zeitpunkt der Implantatfreile- Knochenersatzmaterialien“ bezieht eben- bukkalen Knochenlamelle – jedoch mit an- gung 4 Monate nach Zahnentfernung falls Stellung zum Thema RP [6]. So wird sonsten gut erhaltenen Knochenstruktu- (Abb. 18) und der provisorischen Versor- die Verwendung einer Membran für defizi- ren (Abb. 12, 13). gung wurde zusätzlich eine ästhetische täre Alveolen empfohlen. Daneben wird Kronenverlängerung von Zahn 13 bis 23 aufgrund der momentanen Datenlage die durchgeführt. Sechs Monate nach Zahn- Verwendung von primär xenogenem bzw. entfernung und RP sowie provisorischer allogenem KEM sowie auch syntheti- Versorgung des Implantats zeigte sich schen Materialien angeraten. Dennoch RP reduziert die sowohl vertikal als auch horizontal ein unterscheiden sich die möglichen Mate- Kammveränderung nach der guter Erhalt der Gewebe vor definitiver rialien hinsichtlich ihres Resorptionspro- Zahnextraktion und sollte Versorgung durch den Überweiser (Abb. fils und ihrer Einbaurate nach Augmenta- 19, 20). tion. So werden häufig bei der Anwen- somit in kritischen dung von langsam bzw. nicht resorbierba- Situationen in Erwägung DISKUSSION ren KEM (xenogen wie synthetisches Hy- gezogen werden. Bei der Beurteilung des Erfolgs einer RP droxylapatit) lose Partikel im koronalen stellen sich aus Sicht der Autoren folgende Bereich der Alveole unabhängig von der klinisch-relevanten Fragen: Wartezeit nach Extraktion beobachtet. Ist – Wie viel besser ist der Volumenerhalt es notwendig, diese nicht knöchern ein- im Vergleich zur spontanen Heilung? geheilten Anteile zu entfernen? Eine prä- Nach schonender Entfernung des Zahns – Ist es möglich, das Implantat ohne wei- klinische Studie unter Anwendung eines sowie gründlicher Degranulation des De- tere Augmentation in der korrekten xenogenen, bovinen KEM konnte keinen fekts konnte geführt mit einer Schablone prothetischen Position zu inserieren? statistisch signifikanten Unterschied mit ein Implantat (BLX 4.0x14, Straumann – Welche Biomaterialien sind besonders Blick auf z.B. den Bone-to-Implant-Con- AG) mit adäquatem Abstand zu den für die RP geeignet? tact (BIC) zwischen den Untersuchungs- Nachbarzähnen und zum späteren – Welchen Einfluss hat das angewandte gruppen mit losen Partikeln, nach Entfer- Weichgewebsverlauf inseriert werden Protokoll aus KEM mit/ohne Membran nung der Partikel und erneuter Augmen- (Abb. 14). Die Implantatposition wurde auf den Langzeiterfolg des Implantats? tation oder nach spontaner Heilung und bereits intraoperativ für die spätere provi- Leider ist es bisher nicht möglich auf simultaner Implantation und GBR finden sorische Versorgung registriert. Aus der diese Fragen auf Basis der aktuellen Stu- [18]. Bei der Interpretation der Studiener- Defektumgebung wurden autologe Kno- dienlage definitive Antworten zu geben. chenspähne gewonnen und mit einem Eine erst kürzlich veröffentlichte Über- porcinen KEM (THEGraft, Regedent sichtsarbeit kam dabei zu folgenden vor- GmbH) sowie mit Hyaluronsäure (Hya- läufigen Schlussfolgerungen [2]: dent BG, Regedent GmbH) vermischt, – RP reduziert die Kammveränderung Ist es notwendig, was eine modellierbare Knochenpaste er- nach Zahnextraktion und sollte somit diese nicht knöchern gab. Der Knochenaufbau erfolgte rein in- in kritischen Situationen in Erwägung nerhalb der vorgegeben Knochenwände; gezogen werden, eingeheilten Anteile auf eine Überkonturierung wurde bewusst – RP minimiert v.a. die horizontale zu entfernen? verzichtet (Abb. 15). Anschließend wurde Schrumpfung, eine Perikardmembran (Smartbrane, Re- – eine Art Goldstandard zur RP konnte gedent GmbH) über den Defekt einge- nicht gefunden werden, bracht und mit im Periost verankerter, ho- – die Notwendigkeit für Augmentation rizontaler Matratzennaht fixiert (Abb. 16). wird zwar reduziert, der Einfluss auf Zum Verschluss der Alveole sowie zur den langfristigen Implantaterfolg bleibt gebnisse stellt sich jedoch die Frage, ob weiteren weichgewebigen Augmentation jedoch weiterhin unklar. die Unterschiede zwischen den Gruppen des Defekts wurde ein subepitheliales Die eingeschlossenen Studien weisen und die große Varianz der Ergebnisse in Bindegewebstransplantat vom seitlichen meist ein hohes Risiko für wissenschaftli- der Gruppe mit losen Partikeln nicht doch Gaumen im zweiten Quadranten entnom- che Verzerrung respektive Voreingenom- klinisch relevant sind (z.B. firstBICbukkal(mm): men und über die Membran gelegt. Die menheit auf (Bias) und sollten deshalb mit RPlose Partikel 1,61 ± 2,24 versus GBR 0,45 Stabilisierung des Weichgewebstrans- Vorsicht interpretiert werden. Eine definiti- ± 0,65)? plantats sowie die Repositionierung der ve Empfehlung bzw. Schlussfolgerung auf Eine weitere Studie zeigte die Proble- mobilisierten Lappen erfolgte durch tiefe Basis der aktuellen Studienlage scheint matik eines Materialvergleichs (xenoge- Matratzennähte sowie doppelte Einzel- somit immer noch schwierig. nes KEM/native Membran vs. allogenes - 160 - Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2021 I 37 I 03
I FALLBERICHT I KEM/kreuzvernetzte Membran zur RP) Ein weiterer nicht zu vernachlässi- such eines Verschiebelappens absicht- ebenfalls auf [17]: In der Gruppe mit allo- gender Aspekt für den Behandlungser- lich nach krestal exponiert gelassen wur- genem KEM kam es zu einer verzögerten folg ist die Art und Weise der Abdeckung de. Nach 6 Monaten führte die Versuchs- Weichgewebsheilung, was jedoch aus des KEM (Membran vs. keine Membran, gruppe aufgrund des weniger invasiven Sicht der Autoren weniger auf die Eigen- native Kollagenmembran vs. nicht bzw. chirurgischen Behandlungsprotokolls zu schaften der beiden KEM zurückzuführen langsam resorbierbare Membran, voll- einer signifikant besseren Qualität des ist, als vielmehr auf die schlechtere Bio- ständiger Lappenverschluss vs. expo- bukkalen Gewebes unter Beibehaltung kompatibilität von mit glutaraldehydver- nierte Einheilung). Die aktuelle wissen- der mukogingivalen Grenze. Darüber hi- netzten im Vergleich zu nativen Membra- schaftliche Literatur bewertet die Ver- naus wurde in der Testgruppe trotz Expo- nen [16]. Somit kann aufgrund der ver- wendung von Barrieremembranen zur sition der Zucker-kreuzvernetzten Mem- schiedenen Membranen und der damit be- Abdeckung des KEM generell als vorteil- bran ein besserer Volumenerhalt der obachteten Heilung wiederum keine finale haft. In einer randomisierten kontrollier- augmentierten Alveolen verzeichnet; so- Schlussfolgerung mit Blick auf die Unter- ten klinischen Studie wurden zwei RP- wohl hinsichtlich Kammvolumen als auch schiede der KEM gezogen werden. Dazu Protokolle verglichen [11]. Als KEM wur- in der krestalen Kammbreite. wäre die Verwendung der gleichen Mem- de in beiden Gruppen ein allogenes KEM Im vorgestellten Fall im Seitenzahnge- bran in beiden Gruppen oder die Anwen- verwendet wurde. In der Kontrollgruppe biet wurde zur RP ein eher schnell resor- dung beider Membranen in Kombination wurde eine native Kollagenmembran ein- bierendes Spongiosa-Allograft eingesetzt, mit beiden KEM notwendig gewesen. gesetzt und ein vollständiger primärer das mit einer Zucker-kreuzvernetzten Kol- Es konnte histologisch jedoch gezeigt Wundverschluss mit Lappenmobilisie- lagenmembran abgedeckt und nach kres- werden, dass das Auffüllen der Extrakti- rung realisiert. In der Testgruppe wurde tal exponiert gelassen wurde. Diese Mate- onsalveole mit einem allogenen Knochen- eine Zucker-kreuzvernetzte Kollagen- rialkombination ermöglicht im Allgemei- ersatzmaterial in Kombination mit einer re- membran verwendet, die ohne den Ver- nen bereits nach 4–6 Monaten die Implan- sorbierbaren Membran zu keinerlei Zei- tation in eine vitale Knochenstruktur ohne chen von Entzündung führt. Darüber hi- die Notwendigkeit weiterer größerer, aug- naus fanden die Autoren 5–6 Monate nach mentativer Maßnahmen zur Verbesse- RP im Schnitt 68,5 % vitalen Knochen, rung der Hartgewebsstrukturen. 27,7 % Bindegewebe/Knochenmark und Im Frontzahngebiet mit höherem äs- 3,8 % nicht resorbiertes Transplantat [21]. thetischen Anspruch liegt der Fokus noch Ein Vergleich eines Allografts mit einem stärker auf dem bukkalen Hart- und Xenograft zeigte einen vergleichbaren Weichgewebsangebot. Zur Rekonstrukti- Verlust von 0,5 mm in der horizontalen on der bukkalen Knochenlamelle wurden Breite der Alveole. Die vertikale Dimension autologe Knochenspähne in Kombination Foto: privat zeigte ebenfalls einen nicht signifikanten mit einem langsam resorbierenden porci- Unterschied der Untersuchungsgruppen. nen KEM verwendet, das mit Hyaluron- Beide Materialien waren somit in der Lage säure (HA) im Sinne von „sticky bone“ sta- die Gewebsschrumpfung zu verringern. → DR. KAI FISCHER bilisiert und zugleich biologisiert wurde. Dagegen zeigte die histologische Un- Klinik für Zahnerhaltung & Präventivzahn- Die adjuvante Verwendung von HA ver- medizin, Bereich für Parodontologie & Peri- tersuchung auf vitalen Knochen einen An- implantäre Erkrankungen, Zentrum für bessert nicht nur die frühe Wundheilung, teil von 61 ± 9 % für das allogene KEM im Zahnmedizin, Universität Zürich sondern insbesondere auch die Knochen- Vergleich zu 26 ± 20 % für das bovine kai.fischer@zzm.uzh.ch und Weichgewebeheilung wird beschleu- KEM (p < 0,05) [9]. Aus diesem Grund bie- nigt [7]. Zudem kann durch vernetzte Hya- tet sich zur RP die Verwendung von luronsäure das Resorptionsprofil von nati- schneller resorbierenden KEM wie z.B. Al- ven Kollagenmembranen verlängert wer- lografts mit Blick auf die Knochenregene- den [8]. ration an, da diese aufgrund ihrer schnel- Zur Abdeckung des Augmentats und leren Substitutionsrate nach angemesse- zur gleichzeitigen Verbesserung der ner Heilungszeit einen vitaleren Knochen Weichgewebssituation wurde die Kombi- mit weniger bis keinen verbleibenden nation aus einer nativen porcinen Peri- Foto: privat Restpartikeln erzielen [5, 19, 21]. kardmembran und einem Bindegeweb- Ist das primäre Ziel jedoch maximaler stransplantat gewählt. So kann eine stabi- Volumenerhalt, wie unter Pontics, oder le bukkale Knochen- und Weichgewebs- kann eine erneute Augmentation nach →PROF. DR. PATRICK SCHMIDLIN kontur generiert werden und durch die Bio- Entfernung loser Partikel mit der Implanta- Klinik für Zahnerhaltung & Präventivzahn- logisierung mit HA das Risiko von post- medizin, Bereich für Parodontologie & Peri- tion durchgeführt werden, bieten xenogen implantäre Erkrankungen, Zentrum für operativen Komplikationen, ähnlich wie KEM eine sehr gut dokumentierte Be- Zahnmedizin, Universität Zürich bei der Verwendung von Eigenblutkon- handlungsoption. patrick.schmidlin@zzm.uzh.ch zentraten (z.B. PRF), reduziert werden. Deutscher Ärzteverlag I ZZI I 2021 I 37 I 03 - 161 -
I FALLBERICHT I FAZIT Allogenes KEM wird schneller umgebaut Interessenkonflikte: Die Autoren Dr. Kai Eine Vielzahl an Techniken und Materialien und ein hoher Anteil vitalen Knochens wird Fischer und Prof. Dr. Patrick Schmidlin wurden zur RP in der Literatur beschrie- erzielt. geben an, dass in dem Zusammenhang ben. V.a. xenogene (bovin wie porcin) so- Die Verwendung einer Barrieremembran mit diesem Beitrag keine Interessenkon- wie allogene KEM stellen eine ausreichend ist – wie in den vorgestellten Fällen ge- flikte bestehen. Außerhalb der einge- dokumentierte Option dar. Langsam resor- zeigt – bei defizitären Alveolen klar zu reichten Arbeit gibt Dr. Fischer an, Hono- bierende Materialien zeigen gute Ergebnis- empfehlen. In ästhetisch kritischen Situa- rare erhalten zu haben von ITI, Strau- se mit Blick auf den Volumenerhalt. Jedoch tionen sollte zusätzlich eine Weichge- mann, ZimmerBiomet, Tecnoss, RTI und kann es bei diesen Materialien zu einer un- websaugmentation erfolgen und Hei- Quintessenz, Prof. Schmidlin erhielt Ho- vollständigen Knochenregeneration mit lungsbooster können zusätzliche Vorteile norare von Straumann, ZimmerBiomet bindegewebiger Einkapselung kommen. bringen. und EMS. ■ Literatur 6 _ Deutsche Gesellschaft fu r Implan- 11 _Hong HR, Chen C-Y, Kim DM et collagen membranes in cultures of tologie im Zahn-, Mund und Kiefer- al.: Ridge preservation procedures human PDL fibroblasts and human 1 _ Araujo M, Linder E, Lindhe J: Effect bereich (DGI), Deutsche Gesell- revisited: A randomized controlled osteoblast-like cells. 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