Riethis Comic - Projektnahe Weisheiten

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Riethis Comic - Projektnahe Weisheiten
DerRiethi

                                   Vertragswerke: Alle Rechte dem Her-
                                   steller, alle Pflichten dem Anwender

                                   Comicstrip-Folge 153: Diese Verträge verdienen
                                   meine Unterschrift nicht

                                                   Dr. Christian E. Riethmüller
                                                                     Juni 2013

Riethis Comic –
Projektnahe Weisheiten

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   Juni 2013 DerRiethi – Folge 153: Vertragswerke. Diese Verträge verdienen meine Unterschrift nicht Seite 1(9)
                                        Autor: Dr. Christian E. Riethmüller
                          Fachbeitrag #1104 im Trovarit software-markt September 2013
Riethis Comic - Projektnahe Weisheiten
Dr. Christian E. Riethmüller, RiConsult, Künzelsau

DerRiethi
Vertragswerke: Alle Rechte dem Hersteller, alle Pflichten dem
Anwender

Comicstrip-Folge 153: Diese Verträge verdienen meine Unterschrift nicht

Lizenzverträge sind häufig formuliert, als ob es sich um ein Thekenpro-
dukt handelt – wie gesehen und hinsichtlich des Anwendungserfül-
lungsgrades vermutet, gekauft. Viele ERP-Vertragswerke werden dem
Anspruch des Projektumfangs nicht gerecht, die ein Unternehmen un-
terzeichnen muss: Hier wird eine Partnerschaft eingegangen, die sich im
Regelfall über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte erstreckt. Einer
derartigen Partnerschaft widerspricht, wenn der Lizenzgeber alle Rech-
te, der Lizenznehmer nur die Pflichten erhält. Das Vertragswerk muss
ausgewogen und fair aufgebaut sein. Restriktive Vertragswerke, die den
Lizenznehmer besonders in die Pflicht nehmen, erwecken Misstrauen,
werden als Absicherung gegenüber dem Lizenznehmer verstanden.

Das ERP-Vertragswerk muss dem Stellenwert eines ERP-Projektes
Rechnung tragen. Hier übernimmt der Lizenzgeber eine erhebliche Ver-
antwortung.

Die folgende Unterhaltung ist nur ein Beispiel für einseitige Vertragswerke, die
eine Unterschrift nicht verdienen:

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Juni 2013 DerRiethi – Folge 153: Vertragswerke. Diese Verträge verdienen meine Unterschrift nicht Seite 2(9)
                                     Autor: Dr. Christian E. Riethmüller
                       Fachbeitrag #1104 im Trovarit software-markt September 2013
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Juni 2013 DerRiethi – Folge 153: Vertragswerke. Diese Verträge verdienen meine Unterschrift nicht Seite 3(9)
                                     Autor: Dr. Christian E. Riethmüller
                       Fachbeitrag #1104 im Trovarit software-markt September 2013
Der beste Vertrag ist immer noch der, der in der Schublade schlummert und
nicht auf den Tisch gelegt wird. Aber dazu muss der Lizenznehmer aktiv einen
Vertragszustand erreichen, der eine faire Basis zwischen den Vertragspartnern
legt. Der Lizenznehmer wird gerade in der Diskussion um die Verträge erfahren,
auf welche partnerschaftliche Ebene er seinen ERP-System-Lieferanten einstufen
kann.

In fast allen Verträgen fehlt der Projektbezug, dabei geht es um die Mitverant-
wortung des System-Lieferanten. Er hat durch seine Präsentation(en) und seine
Antworten zu entscheidenden Fragen einen Zuschlag erhalten, für den er gerade
stehen soll. Vielleicht handelt es sich um semantische Missverständnisse, die sich
erst während der Inbetriebnahmevorbereitung oder gar erst bei der Inbetrieb-
nahme offenbaren. Der Lieferant darf sich nicht darauf zurückziehen, dass es
nicht seine Entscheidung war, ihn auszuwählen, er hat dafür gesorgt, dass er
ausgewählt wurde, das ist nicht unerheblich.

                                                  Das ERP-Vertragswerk verdient mehr
                                                  Aufmerksamkeit. Jedem Lizenznehmer
                                                  muss bewusst sein, dass die Lasten aus
                                                  den Verträgen wirtschaftlich sind: Lizenz
                                                  und Wartungskosten kosten erfordern ei-
                                                  nen nachweisen Mehrwert.

Bild 1: Die Lasten aus den Verträgen
(Bild aus MS ClipArt)

Beim ERP-Scoring fragt DerRiethi seit einiger Zeit mit Verweis auf die eigenen
Veröffentlichungen1, ob die Verträge ausgewogen sind, ob Rechte und Pflichten
fair verteilt sind, ob sie dem Projekt gerecht werden.

Bei zahlreichen System-Lieferanten erhält der Lizenznehmer keinen Lizenzver-
trag, sondern lizenzrechtliche Angelegenheiten sind in den AGB geregelt. Hier
wird gern argumentiert, dass der Rechtsanwalt dies so vorgeschlagen hat, da
der System-Lieferant ausschließlich Software verkauft.

Wird Software über die Theke verkauft, mag das ausreichend sein; bei einem
Projekt, für das auch umfangreiche Dienstleitungen für Inbetriebnahme und An-
passungen erforderlich sind, sind projektabhängige Spielregeln zu vereinbaren.

Dazu gehören2:

       Auslieferungsumfang und Dokumentation
       Zweck und Ziele des Inbetriebnahme-Projekts
       Art der Zusammenarbeit

1
  Vgl. hierzu die Literaturhinweise
2
  Riethmüller, Christian E., Risiken in der ERP-Vertragsgestaltung, Themenbereich Vertragsmana-
gement, ERP-Management 1/2013, 9. Jg., März 2013, S. 41 f.
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Juni 2013 DerRiethi – Folge 153: Vertragswerke. Diese Verträge verdienen meine Unterschrift nicht Seite 4(9)
                                      Autor: Dr. Christian E. Riethmüller
                        Fachbeitrag #1104 im Trovarit software-markt September 2013
   Effizienz des Lenkungsausschusses
       Ergebnis der Negativselektion aus dem Anforderungsprofil
       Funktionsfähige, fehlerfreie, leicht erweiterbare, nach Software-
        Engineering-Gesichtspunkten entwickelte Vorgangsbelege
       Ein „anwenderverträgliches“ Antwortzeitverhalten der Anwendung (An-
        wenderperformance)
       Generelle Qualitätsstandards in der Softwareentwicklung und -prüfung
       Fehlerklassifikationen und Reaktionszeiten
       Eine größtmögliche Fehlerfreiheit in jeder Auslieferung
       Maßnahmen bei Fehlern, deren Behebung mehrere Tage oder länger dau-
        ern
       Verschwiegene Mängel der Anwendung, die aus dem Anforderungsprofil
        dem Lizenzgeber hätten erkannt werden müssen
       Leistungen, die keiner Qualitätsprüfung standhalten
       Maßnahmen bei Schlechtleistungen

Beim Wartungsvertrag sollte geklärt sein, welche Dienstleistungen enthalten sind
und was das Unternehmen erhält (Mehrwert aus den Wartungsgebühren).

Da reicht folgende Vereinbarung als Beispiel aus dem realen Vertragsleben nicht
aus:

Im Rahmen des Updatevertrages erhalten Sie (der Kunde; Anm. des Autors) alle
während der Laufzeit erscheinenden Programmupdates zu einem festen Pau-
schalpreis. Darüber hinaus erhalten Sie bevorzugten und kostenlosen Zugriff auf
alle verfügbaren Patches. Eine Installation der Updates ist nicht Bestandteil des
Vertrages.

Das sind 16 % Textanteil des gesamten Vertrages; der Rest setzt sich zusam-
men aus Laufzeit, salvatorischer Klausel, Zahlungsbedingen und allgemeinen
Vertragsbedingungen:

Keine Fehlerklassifikation, keine Reaktionszeit, kein Maßnahmenkatalog bei
Fehlern der Gefahrenklasse 1, keine Aussage über den Testzustand der ausgelie-
ferten Updates und Patches, zu Datenmigrationen bei Änderungen des Daten-
modells bei einem Releasewechsel oder zu Datenfehlern in der Datenbank als
Folgeproblem von Programmfehlern etc. Und keine Aussage zum Mehrwert aus
dem Wartungsvertrag.

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Juni 2013 DerRiethi – Folge 153: Vertragswerke. Diese Verträge verdienen meine Unterschrift nicht Seite 5(9)
                                     Autor: Dr. Christian E. Riethmüller
                       Fachbeitrag #1104 im Trovarit software-markt September 2013
Der Supporteinsatz wird zur tickenden Zeitbombe,
                                 wenn keine klaren Regeln formuliert sind. Allein die
                                 Diskussion über den Grad der Gefahrenklasse eines
                                 Fehlers kann nicht nur zu Verstimmungen zwischen den
                                 Partnern, sondern auch temporär zu erheblichen Ein-
                                 schränkungen der Anwendungslösung(en). Besonders
                                 erschwerend kann sich die Fehlersituation gestalten,
                                 wenn Schnittstellen zwischen Systemkomponenten
                                 nicht (mehr) funktionieren.

Bild 2: Der Supporteinsatz als tickende Zeitbombe (Bild aus MS ClipArt)

Im Regelfall hat der Lizenznehmer durch den Wartungsvertrag nach ungefähr
fünf Jahren die Lizenzkosten ein weiteres Mal bezahlt.3 Jeder Lizenznehmer hat
zu beachten, dass er dadurch keine Verdopplung an für ihn brauchbarer Funktio-
nalität erhält, er sich im Prinzip (nur) absichert, Fehlerbehebungen in einer hof-
fentlich festgelegten Reaktionszeit geliefert zu bekommen.4

Fehlerbehebung als Mehrwert?

Prüfen Sie Ihre Vertragsinhalte vor der Unterschrift vollständig.

3
  Die jährlichen Wartungsgebühren (inkl. Hotline) können zwischen 15 bis 36 % der Lizenzkosten
liegen; vielfach werden 18 oder 20 % verlangt.
4
  Den häufig genannten Gesichtspunkt, dass durch die Wartungsgebühren eine stete „Modernisie-
rung“ des Systems erfolgt, wird hier nicht berücksichtigt.
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Juni 2013 DerRiethi – Folge 153: Vertragswerke. Diese Verträge verdienen meine Unterschrift nicht Seite 6(9)
                                     Autor: Dr. Christian E. Riethmüller
                       Fachbeitrag #1104 im Trovarit software-markt September 2013
Literaturhinweise

Christian E. Riethmüller
ERP-Vertragsgestaltung unter der Lupe. ERP-Hersteller reklamieren die Rechte
für sich, die Pflichten überlassen sie dem Auftraggeber. Partnerschaft hat oft sehr
unterschiedliche Sichtweisen, Juli 2011, (#1045), software-markt – das it-
matchmaker e-zine, Ausgabe 08/2011,
Download unter http://www.trovarit.com/veroeffentlichungen/fachartikel-und-
praesentationen.html
mit einem eigenen Nachtrag zum Fachbericht: Die Auflösung der Hersteller-
Textstellen, August 2011

Christian E. Riethmüller
ERP-Systeme – zwischen Risiko und Erfolg. Ein Leitfaden zu System-Auswahl und
-Inbetriebnahme, Reihe Beuth-Praxis, Beuth-Verlag Berlin 2012; ISBN 978-3-
410-21335-2, als E-Book ISBN 978-3-410-21336-9

Christian E. Riethmüller
Risiken in der ERP-Vertragsgestaltung, Themenbereich Vertragsmanagement,
ERP-Management 1/2013, 9. Jg., März 2013, S. 40 – 42

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Juni 2013 DerRiethi – Folge 153: Vertragswerke. Diese Verträge verdienen meine Unterschrift nicht Seite 7(9)
                                     Autor: Dr. Christian E. Riethmüller
                       Fachbeitrag #1104 im Trovarit software-markt September 2013
Bisher veröffentlichte Folgen
001: Jetzt kommt DerRiethi. Anwendern, Managern, ERP-Herstellern,–
Beratern und Professoren aufs Maul geschaut. Der erste Comicstrip: Wa-
ren wir in derselben Veranstaltung?, April 2013, (#1092), software-markt
– das it-matchmaker e-zine, Ausgabe 05/2013,
Download unter http://www.trovarit.com/veroeffentlichungen/fachartikel-
und-praesentationen.html

153: DerRiethi. Vertragswerke: Alle Rechte dem Hersteller ,alle Pflichten
dem Anwender. Diese Verträge verdienen meine Unterschrift nicht, Juni
2013, (#1104), software-markt – das it-matchmaker e-zine, Ausgabe
09/2013,
Download unter http://www.trovarit.com/veroeffentlichungen/fachartikel-
und-praesentationen.html

162: DerRiethi. Der Release-Wechsel – Oh Wunder, kein Mehrwert in der
Tüte. Das Märchen von der Wundertüte „Neues Release“, Juni 2013,
(#1105), software-markt – das it-matchmaker e-zine, Ausgabe 09/2013,
Download unter http://www.trovarit.com/veroeffentlichungen/fachartikel-
und-praesentationen.html

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Juni 2013 DerRiethi – Folge 153: Vertragswerke. Diese Verträge verdienen meine Unterschrift nicht Seite 8(9)
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                       Fachbeitrag #1104 im Trovarit software-markt September 2013
Vitae des Autors

Dr. Christian E. Riethmüller, Jahrgang 1950, studierte Betriebswirtschaftslehre an der
Technischen Universität Berlin und promovierte zum Thema „Dynamische Modellierung
betrieblicher Systeme“. Seit Ende der 70er Jahre beschäftigt er sich mit Systemauswahl-
verfahren.

Seine Erfahrungen erstrecken sich auf Beratung in den Bereichen Controlling, Logistik,
Reengineering sowie auf Konzepte und Realisierung von Automatisierungsprozessen im
ERP-Umfeld. Zu seinen Projektinhalten gehören über 20 ERP-Einführungsprojekte, darun-
ter auch einige Projekte, bei denen das bereits vorhandene ERP-System erst einem rich-
tigen Einsatz entgegengeführt wurde. In etwa dem gleichen Umfang hat Riethmüller ERP-
Auswahlverfahren begleitet. Darüber hinaus führt er Reengineering- und Sanierungs-
Projekte durch, die „lahmende“ Software wieder aktiviert. Riethmüller entwirft und reali-
siert Software-Komponenten, die in diesen Ausprägungen auf dem Markt nicht in „Stan-
dard“-Software vorzufinden sind. Das können zum Beispiel Module zum Controlling im
Maschinen- und Anlagenbau, zur WIP-Ermittlung, zur Kalkulation, zur Bewertung nach
IFRS/IAS und HGB oder Methoden der Verfügbarkeit und Reservierung sein. Auch die
Mediation in ERP-Vertragsabschlussangelegenheiten und ERP-Audits gehören zu seinem
Aufgabenumfeld.

Riethmüller gilt als Vor-, Quer- und Antidenker in Sachen ERP-Auswahl, -Inbetriebnahme
und –Beurteilung. Im Interesse der Anwender denkt er stets laut nach, auch wenn Sys-
temanbieter manchmal darüber verzweifeln. Die Suche nach der Komplexität ohne Kom-
plexität, dem Komplexitätsabstellschalter, motiviert ihn jeden Tag aufs Neue.

Seit Herbst 2011 gibt Riethmüller seine Erfahrungen an der Hochschule weiter; in seiner
Lehre zeigt er auf, dass die ERP-Welt nicht nur aus SAP besteht.

Kontaktdaten:

RiConsult - Künzelsau

Rubensweg 14
74653 Künzelsau

c.riethmueller@ri-consult.eu

Sie erreichen den Riethi unter den Mailadressen
                                                                   derriethi@erpguru.de
                                                                   info@der-riethi.de

www.erpguru.de
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                       Fachbeitrag #1104 im Trovarit software-markt September 2013
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