Ringier-Chef Marc Walder: "Von wem sollen die Medien konkret abhängig werden?"

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Ringier-Chef Marc Walder: "Von wem sollen die Medien konkret abhängig werden?"
11.11.2021                                                   «Von wem sollen die Medien konkret abhängig werden?»

             INTERVIEW

             Ringier-Chef Marc Walder: «Von wem
             sollen die Medien konkret abhängig
             werden?»
             Marc Walder, CEO der Ringier AG, sagt, warum die staatliche Medienförderung
             wichtig ist. Und er fordert Geld von Google und Facebook.

             René Donzé
             06.11.2021, 21.45 Uhr

                                                                   Hören              Teilen

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Ringier-Chef Marc Walder: "Von wem sollen die Medien konkret abhängig werden?"
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             «Medien sind ein Hochrisikogeschäft»: Ringier-CEO Marc Walder. (Zürich, 1. November 2021)
             Thomas Buchwalder

                                                                   Hören              Teilen

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             NZZ am Sonntag: Herr Walder, im Februar stimmen wir über das
             Medienpaket ab. Was steht dabei für Ringier auf dem Spiel?

                   Marc Walder: Für Ringier selber steht eher wenig auf dem Spiel, vor allem
                   im Vergleich zu den anderen grossen Medienunternehmen wie TX-Group,
                   CH Media oder NZZ. Wir haben keine regionalen und lokalen Medien in
                   unserem Portfolio. Und wir sind stark im Ausland tätig. Aber für die
                   Schweiz geht es um sehr viel: um die Medienvielfalt in unserem Land und
                   um die Existenz der kleinen und mittleren Zeitungen.

             Bitte etwas konkreter. Wie viel erhält Ringier von den 150 Millionen
             Franken für Medienförderung, die der Bund verteilen wird?

                   Wir können nur schätzen. Wohl ungefähr fünf bis acht Millionen Franken.

             Gegner sagen, hier würden Bundesgelder an ohnehin reiche Verleger
             gehen.

                   Die Digitalisierung hat diese Industrie komplett verändert. Die Auflagen
                   sinken, die Werbung geht in die USA zu den Tech-Plattformen Google und
                   Facebook. Global sind in dieser Zeit unzählige Medienunternehmen
                   verschwunden. Es ist gerade in einer direkten Demokratie wichtig und
                   richtig, dass der Staat die Zustellung der Zeitungen durch die Post
                   unterstützt, wie er dies seit der Gründung des Bundesstaates tut. Und die
                   Onlineförderung, die neu dazukommt, bevorteilt die Kleinen. Das finden
                   wir nicht lustig, es ist aber korrekt und im Sinne des Landes.

             Sie sprachen im Zusammenhang mit dieser Kritik auch schon von billigem
             Populismus. Warum so enerviert?

                                                                   Hören              Teilen

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                   Hier bereichert sich niemand. Das Geld geht vor allem an die Post und die
                   Kleinen. Im Gegenteil. In unserem Fall hat die Familie Ringier zwei
                   Milliarden investiert, um das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Sie
                   ist an ihr Limit gegangen, hat viel riskiert.

             Nächster Vorwurf der Gegner: Indem Medien mehr Geld aus Bern erhalten,
             geben sie ihre Unabhängigkeit preis. Ist das richtig?

                   Nein. Das Medienpaket ist ein austarierter politischer Kompromiss. Das
                   Parlament hat viel und lange daran gearbeitet. Von wem sollen die Medien
                   konkret abhängig werden? Von den Linken, den Rechten, der Mitte?

             Die Finanzierung durch den Staat ist toxisch für die Glaubwürdigkeit des
             Journalismus.

                   Haben Sie wirklich das Gefühl, dass die Journalistinnen und Journalisten
                   nach einer Annahme des Gesetzes weniger kritisch berichten über die
                   Politik in Bern?

             Schon nur der schiere Verdacht kann schaden.

                   Wie gesagt: Es ändert sich ja nicht viel mit dem neuen Gesetz. Der Vertrieb
                   wird seit über hundert Jahren gefördert, da wird nur der Betrag für die Post
                   erhöht. Und die Onlineförderung hilft den kleinen, neuen, lokalen, zeitlich
                   begrenzt in dieser Übergangszeit von Print zu Digital.

             Das ist ein wesentlicher Schritt von der reinen Förderung des Vertriebs hin
             zu der direkten Förderung journalistischer Arbeit.

                                                                   Hören              Teilen

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                   Nur Onlineportale mit einem Abo-Modell erhalten die direkte
                   Unterstützung, die Kleinen proportional mehr als die Grossen. Der «Blick»
                   etwa erhält von der direkten Förderung praktisch nichts.

             Apropos Unabhängigkeit. Wie kommt es, dass der «Blick» zeitgleich mit
             dem Bund eine Kampagne für die Impfung lanciert? Am Donnerstag
             platzierte die Zeitung auf der Titelseite einen Impfaufruf von 80
             Prominenten.

                   Das war die Idee von André Bechir, dem ehemaligen Good-News-Chef.
                   Diese hat die Redaktion aufgenommen. Unsere Berichterstattung geschieht
                   in allen Publikationen unabhängig. Aber es ist wichtig, dass wir Meinungen
                   vertreten, das tut die «NZZ am Sonntag» ja auch. Wir unterstützen die
                   Impfkampagne, weil es wichtig ist, die Impfquote zu erhöhen – damit wird
                   der medizinische und der wirtschaftliche Schaden der Pandemie
                   substanziell begrenzt. Und wir können trotzdem in den Zirkus, ins
                   Restaurant, ins Fitness, ans Eishockeyspiel und ins Kino.

             Ringier hat auch alles Interesse, als Veranstalterin und Inhaberin von
             Sportrechten. Eine gefährliche Interessenkollision?

                   Nein. Jedes Unternehmen, gross oder klein, hat ein Interesse, dass das
                   gesellschaftliche Leben bestmöglich stattfinden kann.

             Verdient Ringier an dieser Impfoffensive des Bundes, etwa als Veranstalter
             der dazugehörigen Konzerte?

                   Nein.

                                                                   Hören              Teilen

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                                                Zur Person
                                                Marc Walder
                                                Der 56-Jährige ist seit 2012 CEO der
                                                Ringier AG. Der ehemalige Tennisprofi
                                                hat seine Medien-Karriere 1991
                                                begonnen. Er absolvierte die
                                                Journalistenschule bei Ringier, wurde
                                                Sportchef der «Blick»-Gruppe,
                                                Chefredaktor der «Schweizer
                                                Illustrierten» und dann Chef der Blick-
                                                Gruppe. Der gebürtige St. Galler ist
                                                mit 10 Prozent an Ringier beteiligt.

             Zurück zum Mediengesetz. Mittlerweile gibt es eine Opposition von
             politisch rechts bis Mitte. Kann man diese Abstimmung gewinnen?

                   Es dürfte eng werden. Es muss uns gelingen, den Bürgerinnen und Bürgern
                   zu erklären, wie wichtig Medienvielfalt für die Schweiz und unsere direkte
                   Demokratie ist.

             Für einmal sind die Medien direkt von einer Abstimmung betroffen. Das
             wirft Fragen auf. Wie sollen sie berichten? Wie stark darf sich der Verlag in
             die Redaktion einbringen? Wie geht Ringier mit dem Dilemma um?

                   Wir haben dazu keine Richtlinien herausgegeben. Die Redaktionen
                   berichten wie vor jeder Abstimmung unbefangen und ausgewogen. Die
                   vergangenen Wochen zeigen, dass dem so ist.

             Wäre es nicht gescheiter, den Markt spielen zu lassen, statt nach
             Staatsgeldern zu rufen?

                                                                   Hören              Teilen

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                   Der Markt spielt sowieso, aber global. Darum sind vom Medienstandort
                   Schweiz aus Hunderte von Millionen Franken in die USA abgewandert. Die
                   Grossen sind nicht Ringier oder die NZZ, die Grossen sind Google und
                   Facebook.

             Diese Plattformen sind zwar Umsatzmaschinen, die mit Werbung viel Geld
             verdienen. Aber Journalismus betreiben sie nicht. Da liegt die Macht bei
             den grossen Medienhäusern.

                   Da treffen Sie ins Schwarze. Wir erarbeiten mit viel Aufwand Inhalte, und
                   diese werden dann von Google und Facebook verwertet. Dieser Fehler muss
                   nun korrigiert werden.

             Sie sprechen das Leistungsschutzrecht an, das teilweise im Ausland schon
             besteht.

                   Korrekt. Dies ist vielleicht die wichtigste Weichenstellung für die
                   Medienindustrie überhaupt. Medien sollten für die Nutzung ihrer Inhalte
                   fair entschädigt werden von Google und Facebook. Da sind sich
                   mittlerweile alle einig. Aber es dürfte noch Jahre dauern, bis wir in der
                   Schweiz so weit sind. Ein Teil des Gewinns der Tech-Konzerne gehört den
                   Medien.

             Wie hoch soll dieser Anteil in der Schweiz sein?

                   In vielen Ländern rechnet man mit zehn Prozent des mit diesen Inhalten
                   erzielten Umsatzes. Das scheint fair.

             Das wären alleine von Google in der Schweiz rund 100 Millionen für die
                                                                   Hören              Teilen
             Verlage.
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                   Diese Grössenordnung dürfte stimmen.

             Und weshalb sollen bloss die Verlage Geld erhalten, einzelne Blogger etwa
             nicht?

                   Alle sollen entschädigt werden, wenn sie nach journalistischen Kriterien
                   Inhalte erstellen.

             Sind Sie konkret am Verhandeln mit Google und Facebook?

                   Die TX-Gruppe, CH Media, die NZZ und Ringier wollen dieses fundamentale
                   Thema gemeinsam angehen. Wir suchen für alle Marktteilnehmer eine
                   gemeinsame Lösung mit den grossen Tech-Plattformen.

             Das heisst, Sie führen Gespräche?

                   Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.

             Anders gefragt: Streben Sie eine privatwirtschaftliche oder eine gesetzliche
             Lösung an?

                   Beides. Ohne Leistungsschutzrecht gibt es keine juristische Legitimation,
                   eine Entschädigung von Google und Facebook zu fordern. Darum braucht
                   es eine gesetzliche Grundlage und dann faire Verhandlungen.

             Was erwarten Sie von der Politik?

                                                                   Hören              Teilen

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                   Wir hoffen, dass der Bundesrat aktiv wird und eine Vorlage präsentiert.
                   Jedes Land braucht ein Leistungsschutzrecht. Sonst bleibt das Internet
                   diesbezüglich ein rechtsfreier Raum.

             Auch hier machen sich die Medien also wieder von der Politik abhängig.

                   Nicht mehr als andere Branchen auch. Alles hat mit Politik zu tun. Sie
                   schafft die Rahmenbedingungen, mit denen wir alle leben.

             Vor zehn Jahren sagten Sie einmal in der Zeitung «Die Zeit», Ihr oberstes
             Ziel sei es, dass die Familie Ringier gut schlafen könne. Wie steht es nun um
             deren Schlaf?

                   In den letzten Jahren hat sie oft unruhig geschlafen. Heute darf man sagen:
                   Die Transformation weg vom Verlag zu einem diversifizierten
                   Medienunternehmen ist geglückt. Was den Schlaf weiterhin beeinträchtigt,
                   sind die Medien: Wir haben immer noch 120 Medienmarken in über
                   15 Ländern. Sie bleiben ein unsicheres Geschäftsmodell.

                                                                   Hören              Teilen

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                                                Medienpaket: Redaktion
                                                dagegen – Unternehmen dafür

                                                Das Medienpaket, über das am 13.
                                                Februar 2022 abgestimmt wird,
                                                umfasst mehrere Elemente der
                                                Medienförderung. Zum einen
                                                subventioniert der Bund die
                                                Zustellung von Zeitungen neu mit 120
                                                Millionen Franken statt wie bisher mit
                                                50 Millionen. Zum anderen sind neu
                                                30 Millionen Franken für die
                                                Förderung von Onlinepublikationen
                                                vorgesehen. Dazu kommen etwas
                                                mehr Mittel für die privaten Radio-
                                                und Fernsehstationen.

                                                Die Redaktion der «NZZ am Sonntag»
                                                lehnt die Vorlage ab, weil mit der
                                                Online-Förderung der Staat Inhalte
                                                privater Medien direkt finanziert.
                                                Damit und mit dem Ausbau der

              Mehr zum Thema
             MEINUNG
             Medienförderung: Schweizer Modell ist legal, ideal ist es nicht
             Ein Kurzkommentar.

             Thomas Isler

                                                                   Hören              Teilen

https://nzzas.nzz.ch/schweiz/von-wem-sollen-die-medien-konkret-abhaengig-werden-ld.1653959                          10/11
11.11.2021                                                   «Von wem sollen die Medien konkret abhängig werden?»

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                                                                   Franziska Pfister                                 Martin Amrein

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