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Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in Deutschland Risikobewertung | FLI | Stand 08.11.2017
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland Zusammenfassung Die HPAI H5N8-Epidemie, die seit dem 08.11.2016 in Deutschland zu über 1.150 Fällen bei Wildvögeln und 107 Ausbrüchen bei gehaltenen Vögeln (92 Geflügelhaltungen und 15 Zoos/Tierparks) geführt hat, verebbte zwar im Frühjahr 2017, jedoch wurden auch danach HPAI H5N8-Infektionen in Deutschland beobachtet (drei verendete Höckerschwäne im Südharz, Sachsen-Anhalt im August und eine erlegte Stockente in Niedersachsen im Oktober 2017). In Europa kam es im Juni zu einer Reihe von epidemiologisch verbundenen Ausbrüchen bei gehaltenen Vögeln in Belgien (10) und Luxemburg (4). Neben sporadischen Ausbrüchen in Großbritannien (1), Belgien (2) und Nordfrankreich (1) ist seit Juni 2017 vor allem der Norden Italiens von Ausbrüchen bei Geflügel (>50) betroffen. Zwei weitere Ausbrüche in Geflügelbetrieben wurden in Bulgarien festgestellt. Darüber hinaus meldeten im August und September Großbritannien, die Schweiz und Italien HPAI H5N8-Fälle bei wilden Wasservögeln. Außerhalb Europas wurden seit Juni 2017 Ausbrüche von HPAI H5N8 bei Geflügel in Nigeria, Simbabwe, Südafrika und der Demokratischen Republik Kongo sowie im europäischen Teil der Russischen Föderation bestätigt. HPAI H5N1 der Klade 2.3.2.1c ist in Asien und einigen Ländern Afrikas wie z.B. in Ägypten endemisch. In Asien zirkulieren darüber hinaus weitere mit HPAIV H5N1 verwandte H5-Stämme verschie- dener Kladen. Genetische Untersuchungen und die ermittelten Verwandtschaftsbeziehungen der seit Juni aufgetrete- nen HPAIV H5N8 bei Wildvögeln deuten darauf hin, dass sich das Virus in Europa seit seinem erstmaligen Eintrag im Oktober 2016 mindestens in den Regionen mit den letzten Virusfunden gehalten hat. Es ist daher von einem Risiko der Entstehung von Infektketten auszugehen, welches mit der Zunahme an emp- fänglichen Wasservögeln im Rahmen des Herbstzuges ansteigt. Biosicherheitsmaßnahmen in Geflügelbe- trieben sollten daher überprüft und optimiert werden. Der beste Schutz des Geflügels vor Infektionen wird durch die weitgehende Unterbindung von direkten und indirekten Kontakten zwischen Geflügel und Wildvögeln erreicht. Bisher ist keiner der in Europa nachgewiesenen HPAIV-Subtypen als Infektionserreger beim Menschen aufgefallen. Allerdings gilt dem Subtyp H5N6 der Klade 2.3.4.4c (derzeit nur in Asien) wegen seines zoonotischen Potentials besondere Aufmerksamkeit. Zusammenfassend wird das Risiko für die Einschleppung und Verbreitung von HPAIV H5 in Hausgeflügel- bestände in der Bundesrepublik Deutschland folgendermaßen bewertet: Risiko des Eintrags von HPAIV H5 Risiko Einschleppung nach Deutschland durch illegale Einfuhr aus Drittländern bzw. illegales innergemeinschaftliches Verbringen mäßig legale Einfuhr aus Drittländern bzw. legales innergemeinschaftliches Verbringen mäßig Personen- und Fahrzeugverkehr mäßig Wildvögel wahrscheinlich* * abhängig vom Gebiet 2 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
Summary The HPAI H5N8 epidemic, which has caused more than 1,150 cases in wild birds and 107 outbreaks in captive birds (92 poultry holdings and 15 zoos/wildlife parks) in Germany since 8 November 2016, ebbed away in spring 2017. However, further HPAI H5N8 infections have been observed in Germany since then (three dead mute swans in the South Harz region, Saxony-Anhalt, in August and one shot mallard duck in Lower Saxony in October 2017). In June, a series of epidemiologically linked outbreaks occurred in Europe in captive birds in Belgium (10) and Luxemburg (4). In addition to sporadic outbreaks in Great Britain (1), Belgium (2), and Northern France (1), Northern Italy (>50) has been particularly affected by outbreaks in poultry since June 2017. Two further outbreaks in poultry holdings have been detected in Bulgaria. Furthermore, HPAI H5N8 cases were reported wild water birds in Great Britain, Switzerland, and Italy in August and September. Outside Europe, HPAI H5N8 outbreaks in poultry have been confirmed since June 2017 in Nigeria, Simba- bwe, South Africa, and the Democratic Republic of Congo, as well as in the Asian part of the Russian Federation. HPAI H5N1 Clade 2.3.2.1c is endemic in Asia and in some African countries, e.g. in Egypt. Furthermore, other H5 strains related to HPAIV H5N1 are circulating in Asia. Genetic investigations and the determined relationship between HPAIV H5N8 detected in wild birds since June indicate that the virus has persisted in Europe at least in those regions, where the most recent cases of HPAIV H5N8 have been detected, since its first introduction to Europe in October 2016. There- fore, it must be assumed that there is a risk of new infection chains which will increase with the number of susceptible water birds during their migration in autumn. Biosafety measures in poultry holdings should be reviewed and optimized. The most effective protection of poultry from infection is to prevent direct and indirect contact between poultry and wild birds. So far, none of the HPAIV subtypes detected in Europe has been found to cause disease in humans. However, subtype H5N6 of clade 2.3.4.4c (so far only detected in Asia) is currently observed with in- creased attention due to its zoonotic potential. In summary, the risk for the introduction and spread of HPAIV H5 into domestic poultry holdings in Germany is assessed as follows: Entry risk assessment of HPAIV H5 Risk category Introduction into Germany by Illegal trade from third countries and European states moderate Legal trade from third countries and European states moderate persons and vehicle traffic moderate Wild birds likely* * depending on the site Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 3
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung .......................................................................................... 2 Summary ...................................................................................................... 3 Hintergrundinformation ................................................................................... 6 Allgemeiner Überblick über HPAI H5 Ausbrüche im letzten Jahrzehnt ............................6 Übersicht zur HPAI-Situation ........................................................................... 12 Grundlagen der Risikobewertung ...................................................................... 18 Gefahrenidentifizierung .................................................................................. 19 1. RISIKO der Einschleppung von HPAIV H5 durch illegale Einfuhr HINTERGRUND ............................................................................................ 20 EINTRAGSABSCHÄTZUNG ................................................................................ 21 EXPOSITIONSABSCHÄTZUNG ............................................................................ 23 KONSEQUENZABSCHÄTZUNG ........................................................................... 24 RISIKOEINSCHÄTZUNG (Risk Statement) .............................................................. 25 HANDLUNGSOPTIONEN .................................................................................. 25 2. RISIKO der Einschleppung von HPAIV H5 durch legale Einfuhr bzw. legales inner- gemeinschaftliches Verbringen HINTERGRUND ............................................................................................ 26 EINTRAGSABSCHÄTZUNG ................................................................................ 29 EXPOSITIONSABSCHÄTZUNG ............................................................................ 32 KONSEQUENZABSCHÄTZUNG ........................................................................... 33 RISIKOEINSCHÄTZUNG (Risk Statement) .............................................................. 34 HANDLUNGSOPTIONEN .................................................................................. 34 3. RISIKO der Einschleppung von HPAIV H5 mittels kontaminierter Kleidung oder durch Fahrzeuge im Reiseverkehr HINTERGRUND ............................................................................................ 35 EINTRAGSABSCHÄTZUNG ................................................................................ 35 EXPOSITIONSABSCHÄTZUNG ............................................................................ 36 4 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
KONSEQUENZABSCHÄTZUNG ........................................................................... 38 RISIKOEINSCHÄTZUNG (Risk Statement) .............................................................. 39 HANDLUNGSOPTIONEN .................................................................................. 39 4. RISIKO des Eintrags von HPAIV H5 durch Wildvögel in Geflügelbestände HINTERGRUND ............................................................................................ 39 EINTRAGSABSCHÄTZUNG ................................................................................ 46 EXPOSITIONSABSCHÄTZUNG ............................................................................ 49 KONSEQUENZABSCHÄTZUNG ........................................................................... 50 RISIKOEINSCHÄTZUNG (Risk Statement) .............................................................. 51 HANDLUNGSOPTIONEN .................................................................................. 51 Quellennachweis ........................................................................................... 53 Zitierte Rechtsvorschriften .............................................................................. 61 Abkürzungen................................................................................................ 64 Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 5
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland Hintergrundinformation Allgemeiner Überblick über HPAI H5-Ausbrüche im letzten Jahrzehnt Entstehung der asiatischen HPAI H5-Viren Bis zum Jahr 1995 waren Geflügelpestausbrüche weltweit eher seltene Ereignisse. Seit dem Nachweis eines hochpathogenen aviären Influenzavirus (HPAIV) vom Subtyp H5N1 in Asien im Jahr 1996 und insbe- sondere durch die überregionale Ausbreitung dieses Virus und seiner Abkömmlinge in Südostasien seit 2003 ist weltweit eine stark ansteigende Fallzahl zu verzeichnen. Durch ausgeprägte Reassortierungsereignisse zwischen verschiedenen Influenzavirus-Subtypen in Asien, welche unter anderem auf die extensive Haltung von Wassergeflügel mit einer Vielzahl von Kontaktmög- lichkeiten zu wilden Wasservögeln zurückzuführen ist, stieg seit 2008 auch die Vielfalt an HPAIV H5-Sub- und Genotypen asiatischen Ursprungs an (Abb. 1, 2,3). Dabei hat sich die asiatische H5-Linie, die aus einem HPAIV hervorging, das erstmals bei Gänsen in der südchinesischen Provinz Guangdong nachgewie- sen wurde (goose/Guangdong, gs/GD-Linie), innerhalb der letzten Jahre mittlerweile in mindestens zehn phylogenetische Gruppen (Kladen) diversifiziert. Einige dieser Kladen konnten sich in bestimmten Regi- onen Asiens etablieren, während sich andere zum Teil weltweit ausbreiteten. Weitere Kladen gelten als erloschen. HPAI H5N1 Klade 2.2 In der Zeit von 2005 bis 2008 gelangte gs/GD HPAIV H5N1 (Klade 2.2) erstmals nach Europa und Afrika. Während es in Europa und Westafrika nur zu zeitlich begrenzten Epidemien kam, bei denen auch Wild- vögel betroffen waren, konnte sich dieses Virus in Ägypten bis heute endemisch festsetzen und fortent- wickeln, ohne dass dort derzeit Aussicht auf eine erfolgreiche Bekämpfung besteht. HPAI H5N1 Klade 2.3.2.1(c) Zwischen 2008 und 2013 breitete sich auch HPAIV H5N1 Klade 2.3.2.1(c) transkontinental nach Europa, auf die arabische Halbinsel und nach Afrika aus. In Europa verursachten Viren dieser Klade nur vereinzelte Ausbrüche bei Geflügel und Fälle bei Wildvögeln, insbesondere im Bereich der Schwarzmeerküste; in Westafrika verursachen sie hingegen seit dem Winter 2014/2015 bis in die Gegenwart kontinuierlich Ge- flügelpestausbrüche. 6 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
HPAI H5Nx Klade 2.3.4.4 a Aufgrund der Reassortierung mit verschiedenen niedrig- und hochpathogenen Influenzaviren entstanden in China seit 2010 neue HPAIV H5-Subtypen innerhalb der Klade 2.3.4.4 mit neuen Neuraminidase-Subty- pen (N2, N5, N6, N8), die sich rasch in Ostasien (China und Korea) sowohl bei Geflügel als auch unter Wildvögeln verbreiteten (Yoon et al., 2015; Kim et al., 2015). Ab 2012/13 entwickelten sich die 2.3.4.4 HPAI H5-Viren in vier unterschiedliche Gruppen. HPAIV H5N8a wurden 2014 in China, Südkorea, Japan und Taiwan gefunden und im Winter 2014/2015 außerdem in Europa, Kanada und dem Nordosten der USA (Verhagen et al., 2015; Conraths et al., 2015; Harder et al., 2015; Lee et al., 2016a; Abbildung 1). Erstmals gelangte damit Ende 2014 das asiatische HPAIV H5 auf den amerikanischen Kontinent und brei- tete sich rasant und mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen bei Hausgeflügel in einer Vielzahl von US- Staaten und Kanada aus, wobei auch Nachweise in Wildvögeln geführt wurden (Torchetti et al., 2015; Ip et al., 2015). Im zweiten Halbjahr 2015 kam dieses Seuchengeschehen nach massiven Tötungsaktionen zum Erliegen. Auch bei nachfolgenden umfangreichen Untersuchungen bei Wasservögeln entlang der Hauptzuglinien in den USA konnte HPAI H5Nx nicht mehr gefunden werden (Krauss et al., 2016). Aller- dings gelang Lee et al. (2017a) der Nachweis von HPAIV H5Nx der Klade 2.3.4.4a in wilden Wasservögeln in Alaska. Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 7
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland Abbildung 1: Geographische Lokalisationen aller HPAIV-Ausbrüche verschiedener Genotypen bei Geflügel und Wildvögeln weltweit im Jahr 2015. Quelle: Empres-i, ADNS, TSN HPAI H5Nx Klade 2.3.4.4 b HPAI H5N8 2.3.4.4b-Viren wurden zunächst nur in China (2013) und später in Südkorea (2014) gefunden. Im Mai 2016 wurde eine neue Reassortante der Gruppe b-Viren bei Wildvögeln am See Uvs-Nuur in der Republik Tuwa in Sibirien isoliert (Lee et al., 2016b). Dabei sind nur drei der acht Gensegmente der ursprünglich seit 2013 in China und Korea zirkulierenden Form erhalten geblieben, während fünf Genseg- mente anderen Ursprungs sind (Adlhoch et al., 2016). Am 27. Oktober 2016 berichtete Ungarn als erster europäischer Staat vom Nachweis eines HPAI H5N8 2.3.4.4b-Virus bei einem verendeten Höckerschwan. In den folgenden Wochen entwickelte sich ein epidemisches Geschehen, welches fast alle Staaten Euro- pas durch Geflügelpestausbrüche bei gehaltenen Vögeln und Infektionen bei Wildvögeln erfasste. Das Virus wurde auch in Nord- und Westafrika sowie in einigen Ländern südlich der Sahara nachgewiesen. In Deutschland erfolgte die erste Meldung Anfang November 2016. Zunächst waren Wildvögel und erst nach- folgend Geflügelbetriebe betroffen. Später tauchte eine neue Reassortante auf (HPAIV H5N5), welche zwar weniger häufig, aber räumlich weit verbreitet bei Wildvögeln auftrat und einen Ausbruch in einer kommerziellen Putenhaltung in Deutschland auslöste. 8 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
Abbildung 2: Geographische Lokalisationen aller HPAIV-Ausbrüche verschiedener Genotypen bei Geflügel und Wildvögeln weltweit im Jahr 2016. Quelle: Empres-i, ADNS, TSN Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 9
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland Abbildung 3: Geographischen Lokalisationen aller HPAIV-Ausbrüche verschiedener Genotypen bei Geflügel und Wildvögeln welt- weit im Jahr 2017. Quelle: Empres-i, ADNS, TSN. Stand: 31.08.2017 Bei der Ausbreitung von HPAIV H5-Stämmen asiatischen Ursprungs über große Entfernungen innerhalb eines kurzen Zeitraums (2005/2006: H5N1 Klade 2.2; 2014/2015: H5N8 Klade 2.3.4.4a; 2016/17: H5N8 Klade 2.3.4.4b) wird vor allem migrierenden wilden Wasservögeln eine bedeutende Rolle zugeschrieben (Ottaviani et al., 2010; Verhagen et al., 2015; Lee et al., 2015; Kuiken et al., 2016; EFSA, 2017). Eine Vielzahl von experimentellen HPAIV H5-Infektionen bei Wasservögeln verschiedener Spezies belegt, dass für Hühnervögel hochvirulente Stämme bei bestimmten Wasservogelarten (vor allem Gründelenten) zu kaum erkennbaren bis fehlenden klinischen Erscheinungen führen können (Kalthoff et al., 2008; Kim et al., 2014; Kang et al., 2014; Nunez et al., 2016; Lee et al., 2017b). Vereinzelt in der Europäischen Union, Russland und Asien gefundene HPAIV H5Nx-infizierte, aber gesund erscheinende Wasservögel untermau- ern in Verbindung mit genetischen Verwandtschaftsanalysen der bei diesen Vögeln nachgewiesenen Viren die Hypothese des Eintrags von HPAIV H5-Viren asiatischen Ursprungs durch Wildvögel in andere Regionen (Marchenko et al., 2015; Verhagen et al., 2015; Harder et al., 2015; Fan et al., 2015; Jeong et al., 2014). 10 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
HPAI H5Nx Klade 2.3.4.4 c Während die 2.3.4.4 HPAIV H5Nx der Gruppen a und b sich unter Beteiligung von Wildvögeln global aus- breiteten, verursachte die Gruppe c seit 2013 Ausbrüche in China und nachfolgend auch in Laos, Vietnam und Hongkong. Diese Viren weisen eine erhöhte Virulenz für Säugetiere auf und konnten neben Wildvö- geln, Geflügel, Tauben auch von Schweinen, Katzen und Menschen isoliert werden. Sie scheinen sich kontinuierlich fortzuentwickeln (Bi et al., 2016). HPAI H5 2.3.4.4 d-Viren sind zwischen 2013 und 2014 in China und Vietnam aufgetreten (Lee et al., 2017b). Niedrig pathogene aviäre Influenzaviren Auch außerhalb von HPAIV-Endemiegebieten kommt es gelegentlich zu einem Eintrag von niedrigpatho- genen (low pathogen) aviären Influenzaviren (LPAIV) durch Wildvögel in Hausgeflügelbestände, wo sie auf eine große Zahl von empfänglichen Vögeln treffen, in denen sich diese Viren stark vermehren können. Bei Influenzaviren der Subtypen H5 und H7 birgt dies die Gefahr der spontanen Mutation zu einer hoch- pathogenen Form. Anzumerken ist, dass auch LPAIV anderer Subtypen wegen ihres virulenten Infektions- verlaufs – entweder bei Geflügel (H9) oder beim Menschen (H7N9 in China) – als Krankheitserreger in Erscheinung treten. Auf diese Viren wird in der vorliegenden Risikobewertung nicht weiter eingegangen. Infektionen des Menschen mit HPAI H5-Viren Im Jahre 1997 wurde aus Hongkong erstmals über Todesfälle beim Menschen berichtet, die auf eine Infektion mit HPAIV H5N1 zurückzuführen waren (Yuen et al., 1998). Seither wurden weltweit vor allem in Asien und in Ägypten insgesamt 860 humane H5N1-Fälle dokumentiert, davon 454 mit letalem Ausgang (WHO, September 2017). Die Meldungen sind seit 2016 stark rückläufig. In fast allen Fällen ist der menschlichen Infektion ein enger Kontakt mit infiziertem Geflügel vorausgegangen. Eine nachhaltige Mensch-zu-Mensch Übertragung konnte bisher nicht nachgewiesen werden (Anderson et al., 2010). Wäh- rend Infektionen des Menschen mit HPAIV H5N8 und H5N5 der Klade 2.3.4.4a und b (asiatischen Ur- sprungs) bisher nicht auffällig geworden sind, infizierte HPAIV H5N6 (Klade 2.3.4.4c) mindestens 17 Men- schen in Asien, von denen bisher zwölf verstarben (EFSA, 2017). Endemisch infiziertes Geflügel bildet also in bestimmten Gebieten, insbesondere in Südostasien, Ägyp- ten, und Westafrika, das Reservoir für hochpathogene Influenzaviren des Subtyps H5. Dort können sich Wildvögel anstecken und zu Überträgern werden, vor allem wenn die Mobilität der Vögel durch die In- fektion nicht wesentlich eingeschränkt wird (Bourouiba et al., 2011; Bin et al., 2010). Darüber hinaus tragen insbesondere wilde Wasservögel als Reservoir für niedrigpathogene Influenzaviren im Kontakt Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 11
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland mit (HPAIV-)infiziertem Hausgeflügel durch Reassortierung zur Entstehung von neuen Virusstämmen bei. Diese Viren können sich dann in geeigneten Wirtspopulationen (z. B. Wassergeflügel) etablieren. Auch vor dem Hintergrund der zunehmenden weltweiten Vernetzung der Geflügelwirtschaft in Verbin- dung mit dem hohen Variabilitätspotenzial von Influenzaviren, das auch eine speziesübergreifende Über- tragung ermöglichen kann, wird die aviäre Influenza auch künftig eine Herausforderung bleiben, auf die sich die Geflügelindustrie und alle Vögel haltenden Einrichtungen einstellen müssen. Um die Entstehung neuer Influenzaviren und deren Verbreitung zu minimieren, sind drastische Bekämpfungsmaßnahmen im Nutzgeflügel notwendig. Diese Maßnahmen sollten eine schnelle Erkennung, Tötung des Bestandes, ein für einen gewissen Zeitraum geltendes Wiederaufstallungsverbot und vermehrte Untersuchungen ein- schließen. Übersicht zur HPAI-Situation Deutschland (seit 01. Juni 2017) Zwischen dem 1. November 2016 und dem 20. Oktober 2017 wurden in Deutschland über 1.150 Fälle von HPAI H5N8 bei Wildvögeln und 107 Ausbrüche bei gehaltenen Vögeln (92 Geflügelhaltungen und 15 Zoos/Tierparks) gemeldet (Abbildungen 4 und 5). HPAI H5N8 trat in allen Bundesländern auf; die meisten Fälle wurden bis März 2017 nachgewiesen (Abbildung 4). Der letzte bestätigte Ausbruch in einer Klein- haltung (Hühner) wurde am 09.05.2017 im Kreis Lippe festgestellt. Die bis zur Erstellung dieser Risiko- bewertung letzten gemeldeten Fälle bei Wildvögeln wurden am 24.08.2017 bei drei Höckerschwänen in Sachsen-Anhalt (Kreis Mansfeld-Südharz) und bei einer erlegten und am 18.10.2017 untersuchten Wild- ente im Landkreis Grafschaft Bentheim (Niedersachsen) bestätigt (Abbildung 5, rechts, grüne Punkte). Diese Befunde weisen in Verbindung mit entsprechenden Virusnachweisen in anderen Ländern Europas (Schweiz, Bulgarien, Italien) auf ein fortdauerndes Zirkulieren des HPAIV H5 in der Wildvogelpopulation in Europa hin. Von den Ausbrüchen beim Hausgeflügel waren sowohl kommerzielle Betriebe als auch Kleinhaltungen betroffen. Eine Häufung von Ausbrüchen war bei Putenbeständen festzustellen. Die im März 2017 beo- bachteten Ausbrüche beim Hausgeflügel betrafen Haltungen in Niedersachsen, insbesondere Putenbe- triebe, aber auch einen Elternentenbestand und nicht gewerbliche Kleinhaltungen von Hühnern. Während für 75 % der Ausbrüche ein Primäreintrag durch direkte oder indirekte Kontakte mit infizierten Wildvögeln als wahrscheinlichste Eintragsursache festgestellt wurde, geschah bei etwa 25% eine Ausbreitung von Bestand zu Bestand vor allem bei Putenhaltungen im Landkreis Cloppenburg. Seit dem am 23.01.2017 in Schleswig-Holstein festgestellten Ausbruch von HPAI H5N5 in einem Puten- mastbestand wurde dieser Subtyp bei Wildvögeln in Schleswig-Holstein und Sachsen gefunden. In den 12 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
Niederlanden, Polen, Montenegro, Serbien, Slowenien, Italien und Kroatien wurden ebenfalls Fälle von HPAIV H5N5 bei Wildvögeln festgestellt. In Kroatien gab es HPAIV H5N5-Ausbrüche auch in kleinen Geflü- gelhaltungen. Seit Februar 2017 wurde kein Fall von HPAI H5N5 mehr beobachtet. Abbildung 4: HPAIV H5N8/N5 bei Wildvögeln (grün), Geflügelhaltungen (rot) und Zoos/Tierparks (gelb) in TSN, in Wochen aufge- teilt zwischen November 2016 und Oktober 2017. Nach dem 22.10. sind keine neuen Fälle hinzugekommen. Stand: 08.11.2017. Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 13
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland Abbildung 5: HPAI in Deutschland. Links: HPAIV-Ausbrüche bei Hausgeflügel (Dreiecke), Zoovögeln (Quadrate) und Fälle bei Wild- vögeln (Punkte) in 2016 (blau) und 2017 (rot); in grün sind Fälle bei Wildvögeln seit August 2017 eingetragen. Rechts: HPAIV- Ausbrüche bei gehaltenen Vögeln zwischen November 2016 und November 2017. Quelle: TSN. Stand: 08.11.2017 Europäische Union (seit 01. Juni 2017) Zwischen Oktober 2016 und Mai 2017 hatte sich HPAIV H5N8 der Klade 2.3.4.4b in zahlreichen europäi- schen Staaten ausgebreitet. In diesem Zeitraum wurden mehr als 1.030 Ausbrüche bei Geflügel und 34 Ausbrüche bei gehaltenen Vögeln in Tierparks/Zoos an das Tierseuchenmeldesystem der EU (Animal Dise- ase Notification System, ADNS) gemeldet. Die 804 gemeldeten Wildvogelinfektionen sind Mindestzahlen und stellen lediglich die Lokalisationen dar, an denen das Virus bei Wildvögeln zirkulierte (Abbildung 6). In Belgien kam es im Juni und Juli 2017 zu insgesamt 13 HPAI H5N8-Ausbrüchen bei gehaltenen Vögeln. Die epidemiologischen Ermittlungen ergaben, dass sieben der im Juni 2017 gemeldeten Ausbrüche in Zusammenhang mit einem Vogelmarkt standen, der auch in Verbindung mit vier Fällen in Luxemburg stand. Ein Händler hatte Vögel, hauptsächlich Entenküken und Hühner, auf sechs verschiedenen Märkten verkauft. In Belgien wurde daraufhin der Verkauf von Wasservögeln in den nicht reglementierten Gebie- ten vorsorglich verboten. In Frankreich wurde letztmalig am 30. Juni 2017 ein H5N8-Ausbruch in einer Kleinhaltung in Brillon (grenznah zu Belgien) gemeldet, der vermutlich auch mit den belgischen Fällen im Zusammenhang stand. In Frankreich gelten seit September 2017 neue Vorschriften bezüglich Reini- 14 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
gung und Desinfektion von Transportkäfigen sowie zum Verbringen von Geflügel aus anderen EU-Mit- gliedsstaaten. Sporadische Meldungen von HPAIV H5N8 Klade 2.3.4.4b bei Wasservögeln in der Schweiz, Deutschland, Finnland (Verdacht im Mai 2017, bestätigt und gemeldet im Juni 2017), Italien, dem Verei- nigten Königreich und Zypern weisen darauf hin, dass das Virus weiterhin in der Wasservogelpopulation Europas kursiert (Tabelle 1). In Italien begann im Juli 2017 eine weitere HPAI-Epidemie, die überwiegend Putenhaltungen betraf und zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Risikobewertung fortdauert. Mittlerweile sind dort seit Juni knapp 40 Ausbrüche gemeldet (Tabelle 1). Die betroffenen Regionen im Norden des Landes (Lombardei und Venetien) weisen eine hohe Geflügeldichte und für Wildvögel attraktive Gebiete auf. Da bisher keine aktive Überwachung bei Wildvögeln durchgeführt wurde, kann das Ausmaß der HPAI- Situation in der Wildpopulation nicht verlässlich beurteilt werden. Die Fälle scheinen jedoch darauf hin- zuweisen, dass das Virus in der residenten Wasservogelpopulation in Norditalien zirkuliert. Möglicher- weise stehen auch die Fälle bei Wildvögeln in der Schweiz damit in Zusammenhang. Weiterhin wurden in Bulgarien HPAIV-Ausbrüche gemeldet (Abbildung 7). Tabelle 1: Meldungen in ADNS zu HPAIV H5 bei Wildvögeln sowie gehaltenen Vögeln in Europa seit Juni 2017. Stand: 08.11.2017. Quelle: ADNS Staat Geflügelhaltungen Wildvögel Gehaltene Vögel Gesamtergebnis Belgien 2 0 11 13 Bulgarien 4 0 0 4 Deutschland 0 4 0 4 Finnland 0 1 0 1 Frankreich 1 0 0 1 Italien 55 6 0 61 Luxemburg 0 0 4 4 Schweiz 0 7* 0 7 Vereinigtes Königreich 1 1 0 2 Zypern 0 1 0 1 Gesamtergebnis 63 20 15 98 * 7 Meldungen bezogen sich auf insgesamt 12 Wildvögel. Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 15
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland Abbildung 6: HPAIV-Ausbrüche bei Hausgeflügel (Dreiecke), Zoo- bzw. gehaltenen Vögeln (Quadrate) und Fälle bei Wildvögeln (Punkte) in 2016 (blau) und 2017 (rot) in Europa. Quelle: TSN, FLI, Empres-i, ADNS. 16 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
Abbildung 7: HPAIV-Ausbrüche bei Hausgeflügel (Dreiecke) und Fälle bei Wildvögeln (Punkte) seit Juni 2017 in Europa. Quelle: TSN, FLI, Empres-i, ADNS. Epidemiologische Lage außerhalb Europas (seit Juni 2017) H5N8 2.3.4.4b Außerhalb Europas wurde HPAIV H5N8 seit Juni 2017 in einem gewerblichen Geflügelbetrieb in Simbabwe sowie einer Vielzahl von gewerblichen Geflügelbetrieben, darunter eine Straußenfarm, in Südafrika ge- meldet. HPAIV H5N8 wurde dort auch bei Falken, einem Sperling, einer Taube und einer Krähe entdeckt. Allein acht Ausbrüche bei Geflügel ereigneten sich bisher im Oktober. Seit Juni 2017 meldete die Demokratische Republik Kongo eine Vielzahl an Ausbrüchen von HPAI H5N8 bei Hausgeflügel. Im Juni 2017 ereigneten sich in der Republik Korea Ausbruchsserien bei Geflügel mit HPAI H5N8. Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 17
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland In der Russischen Föderation wurde Anfang August 2017 bei Geflügel in einer Kleinhaltung HPAI H5N8 nachgewiesen. Zuvor hatte Russland zuletzt im Mai 2017 einen Fall an die OIE gemeldet. Im September 2017 wurde in Nigeria ein weiterer Ausbruch von HPAI H5N8 in einer gewerblichen Geflü- gelhaltung (Hühner) festgestellt. Andere HPAI H5-Viren HPAIV H5N1 ist mittlerweile in weiten Teilen Asiens endemisch. Im Juni 2017 meldeten Indonesien, Laos, Myanmar und Vietnam Ausbrüche. In Afrika wurde HPAIV H5N1 in Burkina Faso, Kamerun, Elfenbeinküste, Ghana, Niger, Nigeria und Togo nachgewiesen. In Asien, insbesondere in China und Taiwan, treten darüber hinaus auch die Subtypen HPAI H5N6 und H5N2 auf. H5N6 wurde im August 2017 auch auf den Philippinen nachgewiesen. Die Abbildungen 1 - 3 zeigen die globale Verbreitung verschiedener HPAI-Viren in den Jahren 2015, 2016 und 2017. Grundlagen der Risikobewertung Tabelle 3 gibt eine Übersicht über die in dieser Risikobewertung verwendeten Bewertungsstufen und ihre Interpretation. Tabelle 3: Begriffe und ihre Interpretation in qualitativen Risikobewertungen (OIE, 2004). Qualitativ Interpretation Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist: Vernachlässigbar keiner weiteren Betrachtung bedürftig Gering liegt unterhalb des normalerweise oder im Mittel zu erwartenden Ma- ßes Mäßig normalerweise oder im Mittel zu erwarten Wahrscheinlich vernünftigerweise zu erwarten Hoch liegt über dem normalerweise oder im Mittel zu erwartenden Maß In Analogie zu Risikobewertungen der Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Natio- nen (FAO) wird zur Bewertung zusätzlich ein Unsicherheitsgrad verwendet (Tabelle 4): 18 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
Tabelle 4: Begriffe und ihre Interpretation zur Bestimmung eines Unsicherheitsgrads. Qualitativ Interpretation Der Unsicherheitsgrad ist: Gering es gibt ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine Aussage oder Einschätzung unterstützen es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse und/oder vergleichbare Stu- Mäßig dien, die eine Aussage oder Einschätzung unterstützen es gibt wenig wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine Aussage oder Hoch Einschätzung unterstützen Gefahrenidentifizierung Als Gefahr (Hazard) werden in dieser Bewertung hochpathogene aviäre Influenzaviren der Subtypen H5Nx der Klade 2.3.4.4 und 2.3.2.1c bezeichnet (im Folgenden „HPAIV H5“). Der in der Volksrepublik China bei Menschen und Geflügel zirkulierende aviäre Influenzavirusstamm H7N9 wird in dieser Risikobe- wertung nicht berücksichtigt. Folgende Risiken werden bewertet: Das Risiko 1. der Einschleppung von HPAIV H5 durch illegale Einfuhr bzw. illegales, innergemeinschaftliches Ver- bringen von gehaltenen Vögeln, von Geflügel stammenden Lebensmitteln oder von Vögeln stammen- den tierischen Nebenprodukten aus Ländern, die von HPAIV H5 betroffen sind oder deren Status hinsichtlich des Vorkommens von HPAIV H5 unbekannt ist 2. der Einschleppung von HPAIV H5 durch legale Einfuhr bzw. legales, innergemeinschaftliches Verbrin- gen von gehaltenen Vögeln, von Geflügel stammenden Lebensmitteln oder von Vögeln stammenden tierischen Nebenprodukten 3. der Einschleppung von HPAIV H5 mittels Personenverkehr (kontaminierte Kleidung oder Schuhe) oder durch Fahrzeuge 4. des Eintrags von HPAIV H5 durch Wildvögel in Geflügelbestände Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 19
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland 1. RISIKO der Einschleppung von HPAIV H5 durch illegale Einfuhr von ge- haltenen Vögeln, von Geflügel stammenden Lebensmitteln oder von Vögeln stammenden tierischen Nebenprodukten aus Ländern, die von HPAIV H5 betroffen sind oder deren Status hinsichtlich des Vorkom- mens von HPAIV H5 unbekannt ist HINTERGRUND Das illegale Verbringen von gehaltenen Vögeln (Geflügel oder in Gefangenschaft gehaltene Vögel anderer Arten i. S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Geflügelpest-Verordnung, zu denen gezüchtete Ziervögel ebenso wie Wildfänge zählen), von Lebensmitteln, die vom Geflügel stammen, sowie von tierischen Nebenpro- dukten, die von Vögeln stammen, wie beispielsweise Trophäen und Federn, stellt ein Risiko für die Ein- schleppung von HPAIV H5 und von bisher in Europa noch nicht aufgetretenen, aber im asiatischen Raum zirkulierenden Influenzaviren dar (Gauthier-Clerc et al., 2007; Shibata et al., 2017). Dabei kann die Wahrscheinlichkeit der Einschleppung nach Deutschland schwer eingeschätzt werden, weil unbekannt ist, welches Ausmaß die illegale Einfuhr hat und ob damit eine Einschleppung von HPAIV H5 verbunden ist. Die bekannt gewordenen Fälle von HPAIV H5N1-Infektionen bei illegal eingeführten Vögeln in Taiwan, Österreich, Belgien und Großbritannien zeigen jedoch, dass vom Schmuggel mit exotischen Ziervögeln ein hohes Risiko ausgeht. Auch wurden am Rhein-Main-Flughafen (Frankfurt/Main) bei Stichprobenkon- trollen im Jahre 2015 illegal transportierte, lebende Girlitze, aber auch unbehandelte Vogelkörper (z. B. Hühner, Puten) sichergestellt (HMUKLV, 2015). Influenzaviren werden in Abhängigkeit von der Einwirkdauer im Allgemeinen bei Temperaturen über 50 °C inaktiviert. Die Widerstandsfähigkeit des Virus ist auch von Schwankungen des pH-Wertes sowie von der Ionenzusammensetzung und -konzentration in den umgebenden Medien abhängig. Dabei kann das Virus in isotonen Salzlösungen bei neutralem pH-Wert und niedrigen Temperaturen über 100 Tage infek- tiös bleiben. Detergenzien zerstören die Infektiosität rasch, während sie in gekühlten und gefrorenen Erzeugnissen lange erhalten bleibt (Granoff & Webster, 1999; Shahid et al., 2009). Für den persönlichen Bedarf illegal eingeführte Geflügelprodukte, die durch Erhitzen zubereitet wurden, stellen keine Gefahr dar, da ein Erhitzen über 50 °C Influenza A-Viren schnell inaktiviert. Wie sich bei drei HPAIV H5N1- Ausbrüchen in Brandenburg im Jahr 2007 zeigte, können aber aus einem Kontakt von Geflügel zu nicht oder unzureichend erhitztem Gewebe von HPAIV H5N1-infiziertem Geflügel Infektionen resultieren (Har- der et al., 2009). Nach Informationen des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz (HMUKLV) zu stichprobenartigen Kontrollen im Personen- und Warenverkehr des internatio- nalen Reiseverkehrs am Flughafen Frankfurt am Main erfolgen illegale Einfuhren in erheblichem Umfang. 20 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
Im Jahr 2016 wurden beispielsweise 776 Flugzeugkontrollen durchgeführt (insgesamt 5.863 Passagiere). Dabei ergaben sich 274 Beanstandungen (35 %), bei denen 333 kg Milchprodukte, 639 kg Fleischprodukte und 40 kg sonstiges illegal eingeführtes Material beschlagnahmt wurde (HMUKLV, 2016). Auch innerhalb der EU kann es grundsätzlich zu illegalen Tiertransporten aus Restriktionsbezirken kom- men. Der Umfang dieser illegalen Verbringungen kann schwer eingeschätzt werden, würde vermutlich allerdings in erster Linie Hobby- und Kleinhalter oder Züchter betreffen. EINTRAGSABSCHÄTZUNG Im Rahmen der Eintragsabschätzung wird geprüft, wie groß das Risiko eines Eintrags von HPAIV H5 durch illegale Einfuhr von gehaltenen Vögeln, von Geflügel stammenden Lebensmitteln oder von Vögeln stam- menden tierischen Nebenprodukten ist. Bedingung Risikoabschätzung 1. Gehaltene Vögel, von Ge- Für gehaltene Vögel, von Geflügel stammende Lebensmittel und flügel stammende Lebens- von Vögeln stammende tierische Nebenprodukte aus den Aus- mittel oder von Vögeln bruchsländern außerhalb der EU besteht ein nicht zu vernachläs- stammende tierische Ne- sigendes Risiko der Infektion bzw. Kontamination mit HPAIV H5N8, benprodukte in einem H5N1, H5N5, H5N6 oder anderen H5Nx-Subtypen. Insbesondere Drittland sind mit HPAIV H5 bei der Herkunft aus endemisch infizierten Ländern (Ägypten und infiziert. Indonesien und mit Einschränkungen Nord- und Südkorea, Vietnam und die Volksrepublik China) aber auch aus Westafrika besteht ein hohes Risiko. Ähnliches gilt für Indien aufgrund der unübersichtli- chen Untersuchungs- und Meldelage sowie für Länder des Mittle- ren Ostens und Innerasiens. Das Risiko für Bedingung 1 wird auf- grund der Situation außerhalb Europas, speziell in Asien, West- und Südafrika, als hoch eingeschätzt. Da es sich um eine anzeigepflichtige Tierseuche handelt, müssen Fälle bei der OIE gemeldet werden. Obwohl im Meldesystem nicht alle Fälle erfasst sind, ist diese Bewertung aufgrund der guten Da- tenlage mit einem geringen Unsicherheitsgrad behaftet. 2. HPAIV H5 überlebt Lage- Das Virus ist sehr resistent gegenüber niedrigen Temperaturen, rung und Transport nach jedoch empfindlich gegenüber denaturierenden Agenzien (Gran- Deutschland. off & Webster, 1999; Shahid et al., 2009) und Wärme (Kurmi et Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 21
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland al., 2013). In frischen Wurstwaren und unbehandelten Geflügel- produkten sowie bei konfiszierten lebenden Greifvögeln und Exo- ten konnte vermehrungsfähiges Virus nachgewiesen werden (Tum- pey et al., 2002; Van Borm et al., 2005; EFSA, 2008; AGES, 2013; Shibata et al., 2017). Das Risiko für Bedingung 2 wird daher als wahrscheinlich eingeschätzt. Da ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, ist der Unsicherheitsgrad dieser Bewertung gering. 3. HPAIV H5–infizierte gehal- Im Rahmen von risikoorientierten Stichproben bei Reiseverkehrs- tene Vögel, von Geflügel kontrollen am Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt kommt es regel- stammende Lebensmittel mäßig zu Beanstandungen. Im Jahr 2015 wurden bei Kontrollen oder von Vögeln stam- 1.193 kg Fleischerzeugnisse sichergestellt, darunter befanden sich mende tierische Nebenpro- auch Geflügelprodukte aus Ländern mit unbekanntem HPAI-Sta- dukte passieren unbemerkt tus. Es wurden zudem illegal eingeführte Singvögel aus Saudi-Ara- die Grenzkontrolle. bien sichergestellt. Sehr häufig werden Eier eingeschmuggelt. Auch in den Jahren 2016/2017 kam es zu zahlreichen Beanstan- dungen bei Stichprobenkontrollen. Aufgrund der Daten muss da- von ausgegangen werden, dass die illegale Einfuhr von unbehan- delten Geflügel und Geflügelprodukten nach Deutschland nicht selten ist, doch kann ihr quantitativer Umfang nur geschätzt wer- den. Die Testung auf AIV aus einer Stichprobe der in Verwahrung genommenen Fleischerzeugnisse verlief im Jahr 2015 für den Frankfurter Flughafen negativ. Dennoch ist zu beachten, dass in der Vergangenheit auf Flughäfen in Taiwan, Österreich und Bel- gien geschmuggelte exotische Vögel beschlagnahmt wurden, die mit HPAIV H5N1 infiziert waren (AGES, 2013; Van Borm et al., 2011; Alexander et al., 2010). Auch in Japan konnte bei konfis- zierten unbehandeltem Enten- und Hühnerfleisch, das überwie- gend aus China illegal nach Japan eingeführt wurde, HPAIV H5N1, H5N6, H9N2 und H1N2 isoliert werden (Shibata et al., 2017). Das Risiko für Bedingung 3 wird deshalb als mäßig eingeschätzt. Der Umfang des illegalen Handels mit infizierten Produkten ist un- bekannt, so dass der Unsicherheitsgrad dieser Bewertung hoch ausfällt. 22 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
4. Gehaltene Vögel, von Ge- Nach dem Abebben der HPAI H5N8-Epidemie in Europa meldeten flügel stammende Lebens- seit Juni 2017 fünf europäische Staaten Ausbrüche von HPAI H5N8 mittel oder von Vögeln bei Geflügel. Nach Feststellung eines jeden Ausbruchs wurden Be- stammende tierische Ne- kämpfungsmaßnahmen entsprechend den in der EU geltenden benprodukte in einem EU- Vorschriften eingeleitet. Gemäß dem Durchführungsbeschluss Mitgliedsstaat sind mit (EU) 2017/1841 der Kommission vom 10.10.2017 betreffend Maß- HPAIV H5 infiziert und ge- nahmen zum Schutz vor Ausbrüchen der HPAI in bestimmten Mit- langen nach Deutschland. gliedsstaaten wurden Restriktionsgebiete eingerichtet, aus denen lebendes Geflügel einschließlich Junglegehennen aus betroffenen Mitgliedsstaaten nicht, Eintagsküken und Bruteier nur unter Ein- haltung strenger Regeln verbracht werden dürfen. Alle Mitglieds- staaten sind verpflichtet, den Ausbruch von HPAI bei Wildvögeln oder gehaltenen Vögeln der EU-Kommission zu melden. Häufig werden zusätzliche Maßnahmen in Mitgliedsstaaten getroffen, die besonders von Ausbrüchen betroffen sind (z.B. intensivierte Über- wachungsuntersuchungen derzeit Italien). Ein illegales Verbringen von lebendem Geflügel aus dem Restriktionsgebiet, der Schutz- oder Überwachungszone kann zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Das Risiko wird aufgrund der weiterhin andauernden Aus- bruchsmeldungen aus der geflügeldichten Region Norditaliens als mäßig eingestuft. Der Unsicherheitsgrad dieser Einschätzung ist mäßig. EXPOSITIONSABSCHÄTZUNG Im Rahmen der Expositionsabschätzung wird geprüft, wie groß im Falle eines Eintrags von illegal einge- führten gehaltenen Vögeln, von Geflügel stammenden Lebensmitteln oder von Vögeln stammenden tie- rischen Nebenprodukten das Risiko einer Exposition von Geflügel gegenüber einer Infektion mit HPAIV H5 ist. Bedingung Risikoabschätzung 1. Geflügel in Deutschland Die Wahrscheinlichkeit des Kontaktes von Geflügel zu infizier- hat Kontakt zu HPAIV H5-infizier- ten gehaltenen Vögeln - insbesondere infiziertem Geflügel, von ten gehaltenen Vögeln oder Geflügel stammenden Lebensmitteln und/oder von Vögeln Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 23
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland zu kontaminierten von stammenden tierischen Nebenprodukten - kann der Höhe nach Geflügel stammenden nicht bestimmt werden. Das Risiko für einen Kontakt von infi- Lebensmitteln oder zu kontami- ziertem Material oder Vögeln mit Geflügel aus einer Kleinhal- nierten von Vögeln stammenden tung wird als höher eingestuft als für gewerbliche Haltungen, tierischen Nebenprodukten. in denen die Biosicherheitsmaßnahmen in der Regel höher sind. Bei letzteren wird das Risiko für Wassergeflügelbestände wie- derum als höher eingestuft als für Puten- oder Hühnerhaltun- gen. Das Risiko für Bedingung 1 wird daher als wahrscheinlich eingeschätzt. Der Unsicherheitsgrad dieser Bewertung ist hoch, da es wenig verlässliche Daten zum Umfang des Kontaktes von infiziertem Geflügel/infizierten Vögeln bzw. Geflügelprodukten mit Geflü- gelhaltungen gibt. Drei Fälle sind jedoch für HPAIV H5N1 im Rahmen eines Geschehens in Deutschland beschrieben worden (Harder et al., 2009). KONSEQUENZABSCHÄTZUNG Im Rahmen der Konsequenzabschätzung wird geprüft, wie groß das Risiko schwerwiegender Folgen eines Eintrages von HPAIV H5 in eine Geflügelhaltung in Deutschland ist. Bedingung Risikoabschätzung 1. Geflügel aus einer Kleinhal- Das Risiko schwerwiegender Folgen (Bestandstötung, Bekämp- tung in Deutschland wird mit fungsmaßnahmen inklusive Handelsrestriktionen, Ausbrei- HPAIV H5 infiziert. Es kommt tungsmöglichkeit) wird als mäßig eingeschätzt. zu einem Ausbruch der Geflü- Der Unsicherheitsgrad dieser Bewertung ist gering, da es aus gelpest in einer Kleinhaltung. den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Erfahrungswerten mit Ausbrüchen in Kleinhaltungen gibt. 2. Geflügel aus einer kommerzi- Das Risiko schwerwiegender Folgen (Bestandstötung, Bekämp- ellen Haltung in Deutschland fungsmaßnahmen, Ausbreitungsmöglichkeit) nach einem Ein- wird mit HPAIV H5 infiziert. trag in eine kommerzielle Haltung in einer geflügeldichten Re- Es kommt zu einem Ausbruch gion wird als hoch eingeschätzt. Bei der HPAI H5N8-Epidemie in Deutschland (2016/2017) kam es im Landkreis Cloppenburg 24 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
der Geflügelpest in einer sol- zu einer solchen Situation. Dort waren zahlreiche Putenbe- chen Haltung in einer geflü- triebe von Ausbrüchen, Tötungen und Sperrmaßnahmen betrof- geldichten Region. fen. Ein erheblicher Teil der Ausbrüche stellte Sekundäraus- brüche dar, d. h. es kam zur Verbreitung von Betrieb zu Betrieb (EFSA, 2017). Erreicht H5 einen Enten- oder Gänsebestand, so kann es zu subklinischen Infektionen und einer unerkannten Verbreitung kommen. In der Vergangenheit sind HPAIV H5N1- infizierte Enten nicht nur zur Schlachtung, sondern auch in den Handel gelangt (Harder et al., 2009). Der Unsicherheitsgrad dieser Bewertung ist gering, da es aus der jüngsten Epidemie und den vergangenen Jahren eine Viel- zahl von Erfahrungswerten mit Ausbrüchen in kommerziellen Haltungen in geflügeldichten Regionen gibt. RISIKOEINSCHÄTZUNG (Risk Statement) Das Risiko einer Einschleppung von HPAIV H5 aus Drittländern oder betroffenen Mitgliedsstaaten nach Deutschland über illegale Verbringungen von gehaltenen Vögeln oder Wildvögeln, einschließlich Ziervö- geln, Trophäen, Federn, von Geflügel stammenden Lebensmitteln oder von Vögeln stammenden tieri- schen Nebenprodukten wird insgesamt als mäßig eingeschätzt. Diese Bewertung ist mit einem mäßigen Unsicherheitsgrad behaftet, da keine flächendeckenden, alle Eintrittspforten für Drittlandverkehr wie Flughäfen, Häfen und Bahnhöfe abdeckende Stichprobenkon- trollen durchgeführt werden. Daher ist das wahre Ausmaß der illegalen Einfuhr von Waren und von po- tenziell mit HPAIV behafteten Waren unbekannt. HANDLUNGSOPTIONEN Durchführung von Kontrollen an Grenzkontrollstellen (Flug-, Bahn-, Schiff- und PKW-Reisende) Eigendeklaration über mitgeführte Waren von Reisenden bei der Einreise aus Ausbruchsländern Erhöhung von Biosicherheitsmaßnahmen in Geflügelhaltungen: Bezug von Tieren und Futter sicherer und bekannter Herkunft Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 25
Qualitative Risikobewertung zur Einschleppung sowie zum Auftreten von hochpathogenem aviären Influenzavirus H5 in Hausgeflügelbestände in der Bundesrepublik Deutschland 2. RISIKO der Einschleppung von HPAIV H5 durch legale Einfuhr bzw. lega- les innergemeinschaftliches Verbringen von gehaltenen Vögeln, von Geflügel stammenden Lebensmitteln oder von Vögeln stammenden tie- rischen Nebenprodukten HINTERGRUND Die Verordnung über das innergemeinschaftliche Verbringen sowie die Einfuhr und Durchfuhr von Tieren und Waren (BmTierSSchV) setzt unter anderem auch die Richtlinie 2009/158/EG des Rates um, die den innergemeinschaftlichen Handel mit Geflügel und Bruteiern sowie deren Einfuhr regelt. Demnach darf innergemeinschaftlicher Handel mit Geflügel und Bruteiern nur durch zugelassene Betriebe erfolgen, die entsprechende tierseuchenhygienische Auflagen – insbesondere auch hinsichtlich der Aviären Influenza – erfüllen. Die Herkunft des Geflügels bzw. der Bruteier aus gesunden Geflügelbeständen, die keiner tier- seuchenrechtlichen Maßnahme unterworfen sind, wird durch amtstierärztliche Überprüfung vor dem Ver- sand bescheinigt. Geflügel und Bruteier können nur dann in die EU eingeführt werden, wenn das jeweilige Herkunftsland gelistet ist, d. h. das Drittland für sein Territorium oder eindeutig benannte Teile davon garantiert, dass es sanitäre Bedingungen erfüllt, die den gemeinschaftlichen Vorschriften in der EU min- destens gleichwertig sind (Verordnung (EG) Nr. 798/2008). Kontrollen des Food and Veterinary Office der EU sind sowohl bei zugelassenen Betrieben der Gemeinschaft als auch bei zugelassenen Betrieben gelis- teter Länder vorgesehen. In diesen Ländern muss darüber hinaus eine Anzeigepflicht für Geflügelpest und Newcastle-Krankheit bestehen. Amtliche Gesundheitsbescheinigungen sind sowohl beim innerge- meinschaftlichen Verbringen als auch beim Transport aus Drittländern mitzuführen. Für andere Vögel, die zu Handelszwecken eingeführt oder verbracht werden sollen, gelten entsprechende Regelungen ge- mäß der Richtlinie 92/65/EWG bzw. der Verordnung (EG) Nr. 318/2007 für nicht unter die genannte Richtlinie fallende Einfuhren von Vögeln. Darüber hinaus sind Maßnahmen zum Schutz gegen die HPAI im Zusammenhang mit der Einfuhr von Heimvögeln, die von ihren Besitzern aus Drittländern mitgeführt werden, gesondert in der Entscheidung 2007/25/EG aufgeführt. Analog zu den Voraussetzungen für den Handel mit Geflügel gelten entsprechende spezifische Hygiene- vor-schriften für mit Lebensmitteln tierischer Herkunft handelnde Betriebe, die ebenfalls durch die zu- ständige Veterinärbehörde zugelassen sein müssen (Verordnung (EG) Nr. 853/2004). Eine Listung der zugelassenen Betriebe ist ebenfalls vorgesehen (Verordnung (EG) Nr. 882/2004). Aus Drittländern einge- führte Erzeugnisse tierischen Ursprungs müssen den für Gemeinschaftserzeugnisse geltenden Anforde- rungen entsprechen. Die Drittländer müssen analog zum Handel mit Geflügel gelistet sein. Mit der Richt- linie 2002/99/EG wurden die zuvor in verschiedenen Rechtsvorschriften enthaltenen 26 | Risikobewertung | Stand 08.11.2017
tierseuchenrechtlichen Anforderungen zusammengeführt, harmonisiert und verschärft. Alle Verarbei- tungs- und Vertriebsstufen von Erzeugnissen tierischen Ursprungs, d. h. die Primärproduktion, Verarbei- tung, Beförderung, Lagerung und Abgabe an den Endverbraucher einschließlich der lebenden zum Ver- zehr bestimmten Tiere werden erfasst. Spezifische Grundregeln wurden für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführte Tiere und Erzeugnisse festgelegt (Richtlinie 91/496/EWG bzw. Richtlinie 97/78/EG). Entspre- chende Verzeichnisse regeln darüber hinaus, welche Tiere und Erzeugnisse in welchem Umfang an den dafür zugelassenen Grenzkontrollstellen durch entsprechende Veterinärkontrollen zu überprüfen sind (Entscheidung 2007/275/EG). Die seitens der EU für die Lebensmitteleinfuhr vorgesehenen Maßnahmen, die außer tierseuchenrechtlichen auch verbraucherschutzrechtliche Überprüfungen einbeziehen, wurden mit der Lebensmitteleinfuhrverordnung in nationales Recht umgesetzt. Zur Sicherung der Einhaltung der Regelungen für Sendungen, die für den persönlichen Verbrauch bestimmte Erzeugnisse tierischen Ur- sprungs enthalten, sind ebenfalls wirksame Kontrollen durch die zuständigen Behörden an den Orten des Eingangs in das Gebiet der Gemeinschaft in Zusammenarbeit mit Hafen- und Flughafenbetreibern und Betreibern anderer Eingangsorte vorgesehen (Verordnung (EG) Nr. 206/2009). Die Anzeige der Ankunft ist für Tiere ebenso wie für Erzeugnisse tierischen Ursprungs und tierische Nebenprodukte vorgeschrie- ben. Letztere unterliegen gesonderten seuchenhygienischen Maßnahmen zur Vorbeugung der Einschlep- pung von Tierseuchenerregern durch innergemeinschaftliches Verbringen oder Einfuhr (Verordnung (EG Nr. 1069/2009, Verordnung (EU) Nr. 142/2011). Nach der EU-Verordnung 139/2013 dürfen keine wild gefangenen Vögel in die EU eingeführt werden. Erlaubt ist nur der Import von gezüchteten Vögeln aus bestimmten, von Landesbehörden zugelassenen und der EU-Kommission gemeldeten Zuchtbetrieben bestimmter Drittländer oder Drittlandgebiete unter strengen Bedingungen und Kontrollen, die eine Untersuchung auf aviäre Influenza und Quarantänevor- schriften einschließen. Nach der von der EU-Kommission veröffentlichten aktuellen Liste sind bislang nur Zuchtbetriebe in Kanada, den USA und Israel für Importe in die EU zugelassen. Im Fall der Feststellung eines Ausbruchs von Infektionen mit HPAIV der Subtypen H5 oder H7 in einem Drittland oder einem Mitgliedsstaat hat die ordnungsgemäße offizielle Bekanntmachung des Ausbruchs über die OIE bzw. EU eine unmittelbare Beschränkung bzw. ein Verbot des freien Handels- und Waren- verkehrs aus dem betreffenden Herkunftsland bzw. der betreffenden Region zur Folge. Die Richtlinie 2005/94/EG des Rates vom 20.12.2005 mit Gemeinschaftsmaßnahmen zur Bekämpfung der aviären In- fluenza regelt die Bekämpfungsmaßnahmen bei Verdacht und Feststellung von Geflügelpest und anzei- gepflichtiger niedrigpathogener aviärer Influenza (H5 und H7 Subtypen) einschließlich der Errichtung von Schutz- und Überwachungszonen. Risikobewertung | Stand 08.11.2017 | 27
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