Sächsischer Vergabedialog 2019 Jahr E-Vergabe-Praxis Erfahrungen und Hinweise - ABSt Sachsen eV
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Sächsischer Vergabedialog 2019 ½ Jahr E-Vergabe-Praxis Erfahrungen und Hinweise Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 1
Themenübersicht 1. Überblick Rechtsgrundlagen eVergabe 2. öffentlicher Auftraggeber – Anbieter eVergabe- Dienstleister – Bieter 3. Informationen für die Bieter zur eUmgebung 4. Anforderungen an elektronische Angebote 5. Öffnung elektronischer Angebote 6. Kommunikation mit den Bietern im VergabeVerf 7. Datenschutz im Vergabeverfahren Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 2
Themenübersicht vor 3.300 Jahren, erster überlieferter schriftlicher Vertrag Friedensvertrag zwischen Ägypten und dem Hethitischen Reich Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 3
Themenübersicht 19. Oktober 2018, erster elektronisch errichteter und geschlossener Vertrag über Unterhaltsreinigungsdienstleistungen Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 4
1 Rechtsgrundlagen eVergabe Oberhalb der EU-Schwellenwerte (DL und LL) ▶ § 9 VgV – Grundsätze der Kommunikation ▶ § 10 VgV – Anforderungen an die elektronischen Mittel ▶ § 11 VgV – Anforderungen an den Einsatz elektronischer Mittel ▶ § 41 VgV – Bereitstellung der Vergabeunterlagen ▶ § 53 VgV – Form und Übermittlung von Angeboten… ▶ § 54 Satz 1 VgV – Verschlüsselung und Kennzeichnung von Angeboten… Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 6
1 Rechtsgrundlagen eVergabe Unterhalb der EU-Schwellenwerte (VOL/A) ▶ § 13 Abs. 1 VOL/A – Form der Angebote ▶ § 13 Abs. 2 VOL/A – Unversehrtheit und Vertraulichkeit elektronischer Angebote ▶ § 14 Abs. 1 Satz 2 VOL/A – Verschlüsselung und Kennzeichnung ▶ ACHTUNG: Verweis auf Signaturgesetz ist veraltet, aktuell Vertrauensdienstegesetz (VDG, in Kraft seit 29.07.2017) und eIDAS- VO (VO (EU) 910/2014) Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 7
2 Das „Vergabedreieck“ öAG Bieter - Internet-Service-Provider des Bieters - Bieterhardware einschließlich Signaturhardware eDL - Bietersoftware einschließlich Signatursoftware - Sonst. ITK-Dienstanbieter - Vergabesoftware zur Nutzung durch öAG (z.B. AI-Vergabemanager) - durch öAG für Bieter bereitgestellte Software (z.B. AI-Bietercokpit) einschließlich Signatursoftware - ext. Vergabeplattform (z.B. eVergabe) - Sonst. ITK-Dienstanbieter öAG bzw. eDL Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 9
3 Informationen zur eUmgebung Anforderungen - § 11 Abs. 3 VgV – Information der Bieter über ▶ im Vergabeverfahren verwendete elektronische Mittel (Hard- und Software). Nur, soweit es für den Bieter zum Zwecke einer ordnungsgemäßen Teilnahme am Vergabeverfahren von Bedeutung ist. ▶ technische Parameter zur Einreichung von Angeboten, Teilnahmeanträgen und Interessensbestätigungen mithilfe elektronischer Mittel. Insbesondere: Anforderungen der vom Auftraggeber eingesetzten Vergabesoftware, der vom Bieter zur Angebotserstellung, -bearbeitung und Übermittlung zu verwendenden Software und damit Verbunden die Anforderungen an Bieter- Hardware/Software, der Dateiformate des Angebots, ihrer Verschlüsselung, ihrer Signierung und des Übermittlungsweges ▶ verwendete Verschlüsselungs- und Zeiterfassungsverfahren ▶ Verweis auf Handbücher der Softwarehäuser idR ausreichend, wenn die verwendete Software hinreichend genau bezeichnet wird (VK München, Beschluss vom 19. März 2018, Az. Z3-3-3194-1-54- 11/11, juris – Rz. 111f.) – aber ACHTUNG: der Teufel liegt im Detail… Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 11
3 Informationen zur eUmgebung Anforderungen - § 11 Abs. 3 VgV – Verweis auf Handbücher der Softwarehersteller / Vergabeplattformbetreiber, Fallstricke ▶ Dynamische Veränderung der Softwarefunktionalitäten und Hardwareanforderungen – Änderungen praktisch jederzeit möglich – kann kurz vor Ende der Angebotsfrist kritisch werden! Vgl. § 20 Abs. 3 Nr. 2 VgV bei wesentlichen Änderungen der Vergabeunterlagen ▶ Unterschiedliche Informationsstände von Vergabeplattformbetreiber und Softwarehaus (was gilt?) – Transparenzgrundsatz! Screen-Shot von Website Anbieter Vergabeplattform Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 12
3 Informationen zur eUmgebung Anforderungen - § 11 Abs. 3 VgV – Verweis auf Handbücher der Softwarehersteller / Vergabeplattformbetreiber - Fallstricke auf der Website Anbieter Vergabeplattform verlinkter Download der Software beim Softwareanbieter AI (aktuellster Stand) Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 13
3 Informationen zur eUmgebung Anforderungen - § 11 Abs. 3 VgV – Verweis auf Handbücher der Softwarehersteller / Vergabeplattformbetreiber - Fallstricke https://www.[ADRESSE]/assets/downloads- cms/171024_Benutzerhandbuch.pdf auf der Website Anbieter Vergabeplattform verlinktes Dokument zu den Systemvoraussetzungen Screen-Shot vom verlinkten Dokument des Anbieters der Vergabeplattform (Benutzerhandbuch Stand August 2017) Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 14
3 Informationen zur eUmgebung Anforderungen - § 11 Abs. 3 VgV – Verweis auf Handbücher der Softwarehersteller / Vergabeplattformbetreiber - Fallstricke https://www.bietercockpit.de/res/docs/AI-BC_Benutzerhandbuch.pdf auf der Website des Softwarehauses AI verlinktes Benutzerhandbuch Screen-Shot vom auf der Website des Softwarehauses verlinkten Dokuments (Benutzerhandbuch Stand April 2019) Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 15
3 Informationen zur eUmgebung Anforderungen - § 11 Abs. 3 VgV – Verweis auf Handbücher der Softwarehersteller / Vergabeplattformbetreiber - Fallstricke https://www.[ADRESSE].de/assets/downloads- cms/Systemvoraussetzungen_AI_Bietercockpit_8v7.pdf auf der Website Anbieter Vergabeplattform verlinktes Dokument zu den Systemvoraussetzungen Screen-Shot vom verlinkten Dokument (Beschreibung der Systemanforderung durch das Softwarehaus für SW-Version v7, veraltet) Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 16
3 Informationen zur eUmgebung Anforderungen - § 11 Abs. 3 VgV – Verweis auf Handbücher der Softwarehersteller / Vergabeplattformbetreiber - Fallstricke ▶ Kosten für die Inanspruchnahme ggfs. wichtiger Informationen zur Handhabung der Software- Anwendung durch eine kostenpflichtige Hotline des Softwarehauses fallen dem Bieter zur Last ▶ § 11 Abs. 1 Satz 2 VgV Elektronisches Mittel dürfen den Zugang zum Vergabeverfahren nicht einschränken. ▶ § 12 Abs. 1 Nr. 1 VgV: Grundsatz der Kostenlosigkeit des Zugangs zu allen vom öAG geforderten nicht allgemein verfügbaren elektronischen Mitteln Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 17
3 Informationen zur eUmgebung (Screen-Shot vom Website Softwarehaus AI) Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 18
4 Anforderungen an elektronische Angebote Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 19
4 Formanforderungen Angebote § 53 VgV – Form und Übermittlung von Angeboten ▶ zuerst Festlegung der Übermittlungsanforderungen (1) ▶ danach Festlegung der Formanforderungen (2) Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 20
4 Formanforderungen Angebote Übermittlungsvorgaben - §§ 53, 9 VgV Grundsatz: ▶ „mithilfe elektronischer Mittel“ - § 53 I VgV ▶ D.h. mit Geräten und Programmen zur elektronischen Datenübermittlung - § 9 I VgV Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 21
4 Formanforderungen Angebote Übermittlungsvorgaben - §§ 53, 9 VgV (geschriebener) Ausnahmetatbestand I: ▶ § 53 II VgV ▶ § 41 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VgV o d e r ▶ Einreichung physischer oder maßstabsgetreuer Modelle Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 22
4 Formanforderungen Angebote Übermittlungsvorgaben - §§ 53, 9 VgV (geschriebener) Ausnahmetatbestand II: ▶ § 53 IV VgV ▶ (1) Besonders schutzwürdige Daten u n d ▶ (2a) Kein angemessener Schutz durch allgemein verfügbare (§ 11 VgV) oder alternative elektronische Mittel (§ 12 VgV) o d e r ▶ (2b) Fehlende Sicherheit der elektronischen Mittel Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 23
4 Formanforderungen Angebote Übermittlungsvorgaben - §§ 53, 9 VgV ungeschriebener Ausnahmetatbestand? ▶ Angebotsbestandteile können nicht (formgültig) elektronisch übermittelt werden ▶ z.B. bestimmte, besonders formbedürftige Eignungsnachweise bestimmte Nachweise zur wirtschaftlich‐finanziellen Leistungsfähigkeit (einschließlich schriftformbedüftige Bankbürgschaften), Bescheinigungen Dritter, die nur körperlich ausgestellt werden und mit einem Originalvorbehalt für deren Gültigkeit versehen sind (Sozialversicherungsabgabenbescheinigungen, Steuerbescheinigungen), Auszüge aus dem Bundeszentralregister, die nur körperlich erteilt werden und nur im Original gültig sind. ▶ Nicht geklärt, „muss“ aber möglich sein (Verhältnismäßigkeit) Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 24
4 Formanforderungen Angebote Formvorgaben - § 53 VgV Übermittlung mithilfe elektronischer Mittel: ▶ Textform iSd § 126b BGB - § 53 I VgV ▶ Bei erhöhten Anforderungen an die „Sicherheit“ Fortgeschrittene elektronische Signatur Qualifizierte elektronische Signatur Fortgeschrittenes elektronisches Siegel Qualifiziertes elektronisches Siegel Bekanntmachung nicht vergessen (EU‐Formular, mind. AA) ▶ Technischer Rahmen: Verordnung (EU) Nr. 910/2014 (eIDAS-VO) ▶ Zweck: Sichere Identifizierung des Erklärenden des Angebots ▶ Begründungspflicht öAG für höhere Anforderungen: z.B. gesetzliche Formerfordernisse – z.B. für öffentlich-rechtliche Verträge: §§ 57, 3a VwVfG Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 25
4 Formanforderungen Angebote Formvorgaben - § 53 VgV Beispiel für unzulässige Formanforderung: ▶ Geforderte Eigenerklärung nach §§ 123, 124 GWB vom Bieter auf körperlicher Vorlage handschriftlich unterschrieben als pdf-Scan ▶ Geforderte handschriftlich unterschriebene Preisblätter als pdf-Scan. Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 26
4 Formanforderungen Angebote Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 27
4 Formanforderungen Angebote Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 28
4 Formanforderungen Angebote Formvorgaben - § 53 VgV Beispiel für unzulässige Formanforderung: ▶ § 126b BGB, Textform: Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das 1. es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und 2. geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben. ▶ § 126 Abs. 1, § 127 Abs. 2 BGB, Schriftformerfordernisse bei gewillkürter Schriftform: § 126 Abs. 1 BGB: Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. § 127 Abs. 2 BGB: Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form genügt, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, die telekommunikative Übermittlung und bei einem Vertrag der Briefwechsel. Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 29
5 Öffnung elektronischer Angebote Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 30
5 Öffnung elektronischer Angebote Anforderungen - § 55 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 VgV ▶ Durchführung der Öffnung durch mindestens zwei Vertreter des öffentlichen Auftraggebers gemeinsam ▶ = zwei Berechtigte, die nur zusammen die Öffnung durchführen können („Und-Befugnis“) ▶ Erfordert Übersetzung dieser Anforderung in die Funktionalität der „elektronischen Mittel“ – also Hard- und Software zum Empfang der Angebote - § 10 Abs. 1 Satz 2 VgV ▶ Elektronische Mittel müssen gewährleisten, dass nur die Berechtigten Zugriff auf die empfangenen Daten haben (§ 10 I 2 Nr. 4 VgV) ▶ Hard- und Softwareumgebung muss sicherstellen, dass nur die beiden Berechtigten zusammen – nie unabhängig voneinander – den erstmaligen Zugriff auf die Angebotsinhalte (Öffnung) nehmen können. Das setzt voraus, dass hard- und softwaretechnisch sichergestellt wird, dass kein einzelner Mitarbeiter allein die zur Öffnung der Angebote erforderlichen beiden Schlüssel generieren, speichern oder bei Öffnung Zugriff auf beide Schlüssel nehmen kann Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 31
5 Exkurs: Kennzeichnung elektronischer Angebote VOL/A bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte Anforderungen - § 14 Abs. 1 Satz 2 VOL/A 2009 ▶ Elektronische Angebote: Verschlüsselte Aufbewahrung und Kennzeichnung auf geeignete Weise ▶ § 54 Satz 1 VgV: Elektronische Angebote sind auf geeignete Weise zu kennzeichnen = Zeitstempel auf verschlüsselten Angeboten (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 VgV, § 11 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 3 VgV) – Vergabesoftware muss dies automatisiert sicherstellen, Frage ob einfacher oder qualifizierter elektronischer Zeitstempel ▶ Abschnitt 6 der VO (EU) 910/2014: Art. 41 und 42. ▶ Abwicklung des Empfangs elektronischer Angebote per E-Mail daher in der Regel nicht geeignet (z.B.: Zeitangaben in der E-Mail beziehen sich auf den Zeitpunkt des Versands der Nachricht, keine nachvollziehbare Zeitquelle, Anhang wird nicht mit Zeitangabe verknüpft) Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 32
5 Exkurs: Kennzeichnung elektronischer Angebote VOL/A bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte Anforderungen - § 14 Abs. 1 Satz 2 VOL/A 2009 Auszug eIDAS-Verordnung EU Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 33
5 Exkurs: Kennzeichnung elektronischer Angebote VOL/A bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte Auszug eIDAS-Verordnung EU Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 34
6 Kommunikation öAG und Bieter im Vergabeverfahren Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 35
6 Kommunikation öAG - Bieter § 9 VgV – Grundsätze der Kommunikation ▶ Elektronische Mittel – Geräte und Programme zur elektronischen Datenübertragung ▶ keine CDs, USB-Sticks oder sonstige physische Übermittlung von elektronischen Datenträgern Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 36
6 Kommunikation öAG - Bieter § 9 VgV – Grundsätze der Kommunikation ePostfachlösungen von Vergabeplattformen (intern/extern) ▶ Zugangsfragen § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB: Empfangsbedürftige Willenserklärungen erfordern Zugang Zugang: Gelangen in den Machtbereich des Empfängers Hinterlegung auf der Vergabeplattform? Eingang elektronische Information über die Hinterlegung beim Bieter? Tatsächlicher Abruf der Nachricht durch Bieter auf der Vergabeplattform (Abholen der Nachricht)? Entscheidend für Fristen im Vergabeverfahren! ▶ Empfehlung: Regelung zum ePostfach in den Bewerbungsbedingungen, spezifizierte Benachrichtigungen an den Bieter (Kurzmitteilung auch zum Inhalt einer Nachricht) ▶ Zugangsnachweise (eVergabe‐Softwarefunktionalitäten!) Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 37
6 Kommunikation öAG - Bieter § 9 VgV – Grundsätze der Kommunikation ePostfachlösungen von Vergabeplattformen (intern/extern) OLG München, B. v. 15.3.2012, Verg 2/12, - juris Rz. 50 „Die Vorabinformation nach § 101a GWB ist bei der Antragstellerin per email am 7.11.2011 zugegangen. Nach herrschender Meinung geht eine E-Mail dann dem Empfänger zu, wenn sie abrufbereit in seinem elektronischen Postfach eingegangen ist (Palandt-Ellenberger BGB 71.Aufl. § 130 Rn. 7a); auf die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger kommt es nicht an.“ Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 38
6 Kommunikation öAG - Bieter § 9 VgV – Grundsätze der Kommunikation ePostfachlösungen von Vergabeplattformen (intern/extern) LG Berlin, Urt. v. 4.3.2010, Az. 37 S 6/09, - juris Rz. 16 f. „Die vorgenannte Regelung macht den Fristbeginn vom Erhalt der Abrechnung und damit von deren Zugang im Sinne des § 130 BGB abhängig. Als zugegangen gilt eine Erklärung einem Abwesenden dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Dabei zählt die Rechtsprechung auch die vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bereit gehaltenen Einrichtungen wie etwa ein e-mail Postfach zu seinem Bereich (Palandt/ Ellenberger, BGB, 68. Aufl., §130, Rn. 5). Im Rahmen des Onlinebanking, auf das sich die Parteien bei Abschluss des Kreditkartenvertrages verständigt hatten, stellt das von der Bank für den Kunden eingerichtete elektronische Postfach die Empfangsvorrichtung des Kunden dar, die den Zugang der Kreditkartenabrechnung ermöglicht. Entgegen der Sichtweise der Klägerin steht dem der Umstand, dass es die Bank ist, die dieses Postfach einrichtet, nicht entgegen. Für die Zuordnung zum Bereich des Kunden kommt es vielmehr entscheidend darauf an, dass das elektronische Postfach vereinbarungsgemäß dazu dient, dem Kunden die Kenntnisnahme der Abrechnungen zu ermöglichen.“ Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 39
6 Kommunikation öAG - Bieter § 9 VgV – Grundsätze der Kommunikation ePostfachlösungen von Vergabeplattformen (intern/extern) ▶ Zugang(szeitpunkt) von Nachrichten bei ePostfachlösungen auf der vom öAG eingeschalteten Vergabeplattform ist nicht höchstrichterlich geklärt. ▶ Sicher erst mit dem tatsächlichen Abholen der Nachricht vom ePostfach durch den Bieter. ▶ Wohl auch schon mit Einlegen und Zugang einer Benachrichtigung an die Bieter‐E‐Mail‐Adresse (vgl. LG Berlin). ▶ Festlegung des Kommunikationsprozesses (Zugangsregelung) in den Bewerbungsbedingungen dingend anzuraten – insbesondere bei ePostfach‐Modellen. ▶ Dennoch gesonderte Information des Bieters per E‐Mail über geänderte Vergabeunterlagen, wenn Änderung nach Hochladen des Angebots erfolgt, ratsam: VK München, B. v. 17.10.2016, Az. 09/16 Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 40
6.1 Elektronische Übermittlung von Informationsschreiben Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 41
6.1 Elektronische Übermittlung von Informationsschreiben ▶ § 134 Abs. 1 GWB – Information in Textform (§ 126b BGB) ▶ Übermittlung auf elektronischem Weg (§ 9 VgV): E-Mail, Bereitstellung in eVergabeplattform-Postfach und Benachrichtigung über die Bereitstellung per E-Mail (Achtung BWB-Regelung dringend empfohlen) ▶ Telefax? § 134 Abs. 2 Satz 2 GWB (+), aber § 9 VgV „grundsätzlich“ elektronische Mittel Telefax als elektronisches Kommunikationsmittel? Verdrängt § 134 Abs. 2 Satz 2 GWB § 9 VgV? Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 42
6.2 Nichterreichbarkeit der Vergabe-Plattform Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 43
6.2 Nichterreichbarkeit der Vergabeplattform ▶ Wann ist Vergabeplattform nicht erreichbar? Immer 1 Stunde vor Ende der Angebotsfrist. Wann laden die Bieter die Angebote hoch? Immer eine Stunde vor Ende der Angebotsfrist. ▶ Folgen der Nichterreichbarkeit hängt von ihren Ursachen und unmittelbaren Auswirkungen ab. Beispiele für Auswirkungen: Das Angebot kann nicht rechtzeitig übermittelt werden. Zusätzliche Informationen erreichen den Bieter nicht oder nicht rechtzeitig. Der Bieter kann vom öAG keine zusätzlichen Auskünfte innerhalb einer dazu vom öAG gesetzten Frist erlangen (verspäteter Eingang einer Bieteranfrage). Der Bieter kann eine Aufklärungsanfrage des öAG nicht fristgerecht beantworten. ▶ Abgrenzung der Ursachen nach Sphären – siehe Folie S. 9 ▶ Ist die Ursache der Sphäre des Bieters zuzuordnen, geht dies verfahrensrechtlich zu seinen Lasten ▶ Ist die Ursache der Sphäre des Auftraggebers zuzuordnen, darf dies Bieterchancen nicht nachteilig beeinflussen Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 44
6.2 Nichterreichbarkeit der Vergabeplattform ▶ Abgrenzung der Verantwortungssphären öAG und Bieter erforderlich (VK Baden- Württemberg, B. v. 30. Dez. 2016, Az. 1 VK 51/16; OLG Karlsruhe, B. v. 17. März 2017, Az. 15 Verg 2/17). ▶ öAG-Sphäre (Fehlerursachen): sämtliche technischen Mängel der von ihm eingesetzten vergabespezifischen Hard- und Software sowie seiner elektronischen Erreichbarkeit (das Verhalten seiner Dienstleister muss sich der öAG zurechnen lassen), ausgenommen: Bedien-, Anwendungsfehler des Bieters Verstoß gegen Informationspflichten des öAG (§ 11 Abs. 3 VgV): falsche oder widersprüchliche Informationen (Zurechnung von Mängeln der Informationen, die von Dienstleistern bereitgestellt werden an den öAG) ungenügende Informationen (ausgenommen Lücken aufgrund einer Verletzung von Informationsbeschaffungsobliegenheiten des Bieters) verspätete, notwendige Informationen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Information über die Handhabung der dem Bieter bereitgestellten Software zur Angebotserstellung und –abgabe nicht abschließend in der Rechtsprechung geklärt; Tendenz: keine allzu strengen Pflichten Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 45
6.2 Nichterreichbarkeit der Vergabeplattform ▶ Bietersphäre (Fehlerursachen): sämtliche technischen Mängel der von ihm eingesetzten vergabespezifischen Hard- und Software sowie seiner elektronischen Erreichbarkeit bzw. seines Zugangs zum elektronischen Übertragungsweg (das Verhalten seiner Dienstleister muss sich der Bieter zurechnen lassen) Verstoß gegen Prüfpflichten und Informationsbeschaffungsobliegenheiten des Bieters: VK München, B. v. 18. März 2018, Az. Z3-3-3194-1-54-11/17 – selbständiges Updaten der dem Bieter bereitgestellten Vergabesoftware (Aktualisierungspflicht des Bieters) – gesonderter Verstoß gegen den rechtzeitigen Beginn mit der Angebotsübermittlung (keine Angebote „auf den allerletzten Drücker“) – Zeitmindestvorlauf aber nicht geklärt. ▶ Praktische Schwierigkeit – rechtzeitige Aufklärung/Beseitigung der Hinderungsgründe rechtzeitig vor Ablauf von Fristen / Terminen. Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 46
6.2 Nichterreichbarkeit der Vergabeplattform Wie umgehen? ▶ Generell: Einschalten des Technischen Supports des Diensteanbieters der Vergabeplattform / der Vergabesoftware des öAG, Dokumentation der Kommunikation und der Ermittlungsergebnisse und getroffenen Maßnahmen ▶ Nie: Übermittlung eines Angebots per E-Mail an den öAG (Ausweichen auf andere Kommunikationskanäle) – OLG Karlsruhe, B.v. 17.3.2017, 15 Verg 2/17: führt zur dauerhaften Verletzung der Vertraulichkeit von Angebotsinhalten! – Daher Bieter nie auf diesen Weg verweisen! ▶ Kritisch: Verlängerung von Fristen „ins Blaue“ hinein, ohne Feststellung der konkreten Hindernisursachen. Stellt sich heraus, dass Hindernisursache der Bietersphäre zuzuordnen war, durfte öAG Frist nicht ohne Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verlängern. Vergaberechtsverstoß des öAG durch Fristverlängerung. IdR besser: nachträgliche Aufklärung und bieterindividuelle Behebung von Folgen einer Fristversäumung, wenn öAG- Sphäre. Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 47
7 Datenschutz im Vergabeverfahren Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 48
7 Datenschutz ▶ Formelle und materielle Anforderungen datenschutzrechtlicher Art insbesondere aus der DSGVO (Verordnung (EU) 2016/679) und dem SächsDSG sowie den SächsDSDG. ▶ Betroffen sind nur personenbezogene Daten, Art. 4 Nr. 1 DSGVO: alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person, z.B. ▶ Persönliche Angaben zu den Vertretungspersonen (auch Handelsregisterauszug) ▶ Erklärungen und Nachweise nach §§ 123, 124 und 125 GWB ▶ Benennung Projektteam und Nachweise berufliche Qualifikationen und Erfahrungen ▶ Referenzangaben (z.B. Benennung auskunftsfähige Person des Referenzgebers, der ausführenden Mitarbeiter u.a.) ▶ Ggfs. Gesundheitszeugnisse (Achtung, besondere Anforderungen nach Art. 9 DSVGO) ▶ Formelle Anforderungen: Informationspflichten im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten, Erfüllung durch Informationsblatt als Bestandteil der Vergabeunterlagen ▶ Informationen nach Art. 13 DSGVO (Erhebung personenbezogener Daten bei der betroffenen Person) ▶ Informationen nach Art. 14 DSGVO (Erhebung personenbezogener Daten bei Dritten, hier beim Bieter) ▶ Information über die Freiwilligkeit der Datenübermittlung, Folgenbelehrung bei Unterlassen der Übermittlung geforderter ▶ Materielle Anforderungen I: Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten ▶ Insbesondere Fachrechtliche Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung ▶ §§ 97 ff. GWB, §§ 1 ff. VgV als RGL nach Art. 6 Abs. 1 lit. c und e DSVGO nicht geklärt ▶ Art. 6 Abs. 1 lit. c und e DSVGO (Verarbeitung zur Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen, Verarbeitung in Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben) ▶ Art. 6 Abs. 1 lit. a DSVGO (Einwilligung) nicht ratsam, da Einwilligung jederzeit widerruflich ist ▶ ACHTUNG: Besondere Anforderung für besonders schutzwürdige personenbezogene Daten nach Art. 9 DSVGO beachten ▶ Materielle Anforderungen II: Erfüllung von Pflichten des Verantwortlichen im Zusammenhang mit der (zulässigen) Datenverarbeitung (Art. 24 bis 43 DSGVO, z.B. Datensicherheit, Auftragsdatenverarbeitung, Datenschutzbeauftragte) ▶ Missachtung: Rechtsschutz, Haftung auf Schadensersatz, Geldbußen nach Art, 83 DSVGO ▶ Möglichst Orientierung an Empfehlungen SächsDSB: https://www.saechsdsb.de/handlungsbedarf-zur-umsetzung-ds-gvo-fuer-oeffentliche- stellen Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 49
VIELEN DANK. Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 50
VIELEN DANK. Dr. Markus Bach Rechtsanwalt Königstraße 1 01097 Dresden T +49(0)351 2856910 F +49(0)351 28569129 E m.bach@phplaw.de www.petersenhardrahtpruggmayer.de Dr. Markus Bach 23.04.2019 Seite 51
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