Sanierung der Mittellandseen: Bewertung möglicher seeinterner Massnahmen - (Beantwortung Postulat P343, R. Zurbriggen) - DORA 4RI
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Sanierung der Mittellandseen: Bewertung möglicher seeinterner Massnahmen (Beantwortung Postulat P343, R. Zurbriggen) Beat Müller und Alfred Wüest Eawag – Das Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs Kastanienbaum, August 2020
2 Dieser Bericht ist Teil der Beantwortung des ‘Postulats Zurbriggen Roger und Mit. für eine Evaluierung verschiedener Technologien für seeinterne Sanierungsmassnahmen’ (P 343) an den Kantonsrat von Luzern. Er enthält eine Zusammenstellung der heute gängigen Technologien und jeweils eine Diskussion der Vor- und Nachteile dieser Massnahmen hinsichtlich einer verbesserten Effizienz bei der Restaurierung von Baldegger-, Sempacher- und Hallwilersee. Seeinterne Sanierungshilfen können zur Milderung der Folgen externer Nährstoffbelastung sinnvoll oder notwendig sein (Gächter et al., 1983). Solche seeinternen Unterstützungen können während oder nach der Beseitigung der Ursachen der Eutrophierung (Überversorgung mit Nährstoffen) angewendet werden. Mehrere Technologien für seeinterne Anwendungen sind bis heute erprobt worden. Die grundlegenden Prinzipien und ihre Anwendungsmöglichkeiten sind in der Tabelle am Ende dieses Berichts zusammengefasst und werden im Folgenden im Hinblick auf die Mittellandseen Baldegger-, Sempacher- und Hallwilersee vorgestellt und bewertet. 1. Anreicherung mit (Rein)Sauerstoff im Tiefenwasser mittels Blasenschleier Während des Sommers sind die Seen geschichtet, mit warmem / leichtem Wasser an der Oberfläche (~15 m) und kaltem / schwerem Tiefenwasser (~5 oC bis zum Grund). Bei übermässigem Algenwachstum reicht der im Tiefenwasser gespeicherte Sauerstoff nicht aus, um vor der nächsten Winterzirkulation die sedimentierten Algen vollständig abzubauen. Unter diesen Umständen kommt es typischerweise im Herbst zu Sauerstoff- mangel im Tiefenwasser. Mit dem Eintrag von Reinsauerstoff während der Zeit der Schichtung (Frühling bis Herbst) kann das Tiefenwasser als Lebensraum für höhere Organismen aufrecht erhalten werden. Von einem Tank an Land mit Flüssigsauerstoff oder einer Extraktionsanlage von Sauerstoff aus der Atmosphäre wird das Gas über Schläuche zum Seegrund geleitet. Von da wird es über poröse Metallfritten, sog. Diffusoren, als Blasenschleier ins Tiefenwasser abgegeben. Die Blasen lösen sich nach wenigen Metern auf und stören so die Schichtung des gesamten Sees nicht – weder im Oberflächen- noch im Tiefenwasser. Die einzutragende Menge Sauerstoff kann mit dieser Technologie kurzfristig, dem aktuellen Bedarf entsprechend, dosiert werden, so dass die Anforderung der Gewässerschutzverordnung von 4 mg L-1 eingehalten werden kann. Die Massnahme hat jedoch keinen Einfluss auf den Phosphor-Haushalt des Sees und damit auch keinen Einfluss auf das Algenwachstum (Gächter et al., 1989; Gächter und Wehrli, 1998). Die Massnahme dient ausschliesslich der momentanen Erhaltung eines sauerstoffhaltigen Lebensraums und dem Abbau des sedimentierenden Algenmaterials. Die Massnahme muss deshalb so lange weitergeführt werden, bis die Phosphorfracht aus dem Einzugsgebiet auf ein seeverträgliches Mass gesunken ist. Der Baldeggersee war 1982 der grösste künstlich belüftete See weltweit. Mit Einträgen von ~2.5 t Rein- sauerstoff pro Tag konnte das früher vollständig sauerstofffreie Tiefenwasser aerob gehalten werden, was langfristig die Wiederbesiedelung des Sediments mit Organismen ermöglichte. Der Sempachersee wurde von 1984 bis 1997 mit Reinsauerstoff belüftet. Danach konnte die Belüftung während der Sommerstagnation nur mit Druckluft aus der Atmosphäre weitergeführt werden, so dass nur noch Stromkosten anfallen. Die mittels Wintermischung aufgenommene Menge an Sauerstoff ist bis heute ausreichend, um eine mittlere Konzentration von 4 mg L-1 zu halten. Im Sommer eingetragene Druckluft hilft
3 dabei, das sauerstoffarme Wasser unmittelbar über dem Sediment in das grosse Tiefenwasservolumen zu mischen. Seit 1986 wird auch der Hallwilersee während der Dichteschichtung im Sommer mit Reinsauerstoff belüftet. Mit zunehmender Verbesserung des Baldeggersees, als Oberlieger die wichtigste Quelle von Phosphat, erholte sich der Zustand des Sees beträchtlich. Seit 2016 wird kein Reinsauerstoff mehr eingesetzt und die Belüftung nur noch mit Druckluft betrieben. Diese Methode der Anreicherung von Sauerstoff im Tiefenwasser mittels Sauerstoffblasen hat sich als sehr schonender Eingriff gegenüber dem See bewährt und ist im Betrieb unkompliziert und ausserordentlich kostengünstig. 2. Künstliche Zirkulationsunterstützung im Winter mittels Luft-Blasenschleier Während der Winterzirkulation nehmen die Seen Sauerstoff aus der Atmosphäre auf. Im Idealfall erfasst die Winterzirkulation das gesamte Seevolumen. Manche Seen mischen jedoch nur kurze Zeit vollständig oder die winterliche Mischung gelangt nicht bis zur maximalen Tiefe des Sees. Solche ungünstigen Bedingungen ergeben sich, wenn Seen zu wenig windexponiert sind (Baldegger-, Sempacher- und Hallwilersee), die Geometrie und Ausrichtung des Seebeckens ungünstig ist (zB. Zugersee) oder die Winter zu mild (wenig Wind und nicht kalt) ausfallen. Für die Zirkulationsunterstützung im Winter kann dabei dieselbe Infrastruktur benutzt werden wie für die Belüftung mit Reinsauerstoff oder Druckluft im Sommer. Für die Zirkulations- unterstützung wird Druckluft grossblasig über dem Sediment eingebracht. Die Luftblasen steigen durch die ganze Wassersäule bis zur Wasseroberfläche und erzeugen eine vertikale Strömung, welche die natürliche, durch die Abkühlung bedingte Mischung unterstützt und verstärkt. Mit einer solchen Anlage kann die natürliche Mischung im Herbst etwas früher angeregt und im Frühling etwas länger aufrechterhalten werden. In allen drei Mittellandseen wird die Zirkulationsunterstützung (dosiert) betrieben, was zur Folge hat, dass im Frühling die Seen mit fast maximalem Sauerstoffinhalt in die sommerliche Phase der Dichteschichtung starten. Da die Infrastruktur vorhanden ist, fallen dabei nur Stromkosten an. Ebenfalls im Türlersee (seit 1987) und Pfäffikersee (1992-2011) bewirkten Blasenschleier als Zirkulationsunterstützung jeden Winter eine vollständige Durchmischung der Wassersäule (Matzinger et al., 2008). Da der Sauerstoff aus der Atmosphäre umsonst und jederzeit bereitliegt, ist die Unterstützung bzw. Optimierung der natürlichen Wintermischung die bevorzugte und kostengünstigste Methode mit dem geringsten Eingriff ins Ökosystem See. 3. Sauerstoffanreicherung des Tiefenwassers mittels Oberflächenmischern Das Prinzip dieser Methode besteht darin, sauerstoffreiches Wasser von der Oberfläche des Sees mecha- nisch ins Tiefwasser zu transportieren und somit das Tiefenwasser mit Sauerstoff zu versorgen. (Für die winterliche Zirkulationsunterstützung ist ein solches System im Türlersee in Betrieb – AWEL, 2015). Für die Realisierung dieser Methode gibt es zwei verschiedene Ansätze (Lewis et al., 2001; Morillo et al., 2009): (i) Tiefenwasser kann in einem Rohr an die Oberfläche gepumpt werden (Mammutpumpe), wobei die Pumpleistung entweder durch Blasenschleier oder durch Propeller erzeugt wird. Zur Kompensation dieses
4 aufwärtsgerichteten Wassertransports wird Oberflächenwasser in Richtung Tiefenwasser verschoben. Im Extremfall von sehr grossem Wassertransport wird diese Methode gleichbedeutend zur Methode der Zirkulationsunterstützung - jedoch während der Sommerschichtung. Diese Methode eignet sich, wenn ein Wasserreservoir dauernd im komplett durchmischten Zustand gehalten werden soll. (ii) Oberflächenwasser wird direkt mittels Propellern in die Tiefe gepumpt. Der nach unten gerichtete Wassertransport kann dabei im offenen Wasser erfolgen, falls die Propeller im offenen Wasser montiert werden. Alternativ kann das Wasser in einem Rohr mit sehr grossem Durchmesser in eine präzis gewählte Tiefe geführt werden. Die Anwendung mit Propellern im offenen Wasser wurde im Comersee getestet (Morillo et al., 2009), jedoch aufgrund diverser Nachteile und der hohen Kosten nicht realisiert. Diese Vorgehensweise hat mehrere massive Nachteile: (i) Die natürliche Temperaturschichtung zwischen warmem Oberflächen- und kaltem Tiefenwasser wird stark verändert. (ii) Nährstoffreiches und sauerstoff- armes Tiefenwasser wird in die Oberflächenschicht gemischt und die Lebensgemeinschaften von Algen, Zooplankton und Fischen gestört. Nur bei geringem Volumenanteil des Tiefenwassers im Vergleich zum sauerstoffhaltigen Oberflächenwasser könnte diese Methode in Betracht gezogen werden, weil sie sonst gesetzeswidrig wäre. Angesichts der grossen Tiefenwasser-Volumina wird diese Methode für die tiefen Mittellandseen bedeutungslos. Schlussendlich wäre diese Methode sehr energieintensiv und die Investitionskosten enorm. 4. Tiefenwasserableitung Absinkende Algen werden hauptsächlich am Seeboden abgebaut, was zu einer Abnahme der Sauerstoff- konzentration und einer Freisetzung von Phosphat im Tiefenwasser führt. Bei der Tiefenwasserableitung wird Wasser aus möglichst grosser Tiefe durch eine oder mehrere Rohrleitungen direkt in den Ausfluss geleitet. Dadurch wird Phosphat aus dem See entfernt und kann somit in den Folgejahren nicht mehr zum Algen- wachstum beitragen (Hupfer und Scharf, 2002). Die Massnahme ist umso wirkungsvoller, je grösser die Differenz der Phosphatkonzentrationen von bodennahem Wasser (künstlicher Abfluss) und demjenigen an der Oberfläche (natürlicher Abfluss) ist. Die Massnahme wurde für die Sanierung des Sempachersees in Betracht gezogen und die Auswirkungen auf den See berechnet (Bührer und Gächter, 1979). Es zeigte sich, dass wegen der geringen Wasserführung der Suhre (lange hydraulische Aufenthaltszeit im See) nur wenig Tiefenwasser abgeleitet werden könnte und diese Massnahme allein die damals stark zunehmende Phosphatkonzentration im See nicht senken würde. Nach der neuen Gewässerschutzverordnung darf die Temperatur eines Fliessgewässers durch Einleitung um nicht mehr als 3 oC verändert werden (GSchV Art.12, 4), was die Ableitung von (kaltem) Tiefenwasser im Sommer weiter einschränkt. Heute ist die Rücklösung – die lokale Freisetzung von Phosphat im sediment- nahen Tiefenwasser und im Sediment selber – viel geringer als früher. Die Konzentrationen des Oberflächen- und Tiefenwassers unterscheiden sich deshalb nur noch wenig, so dass die Massnahme heute praktisch wirkungslos wäre und somit nicht mehr in Betracht kommt. Für den Baldeggersee kam die Option Tiefenwasserableitung nicht in Frage, da durch den erhöhten Austrag von Phosphat der Hallwilersee übermässig belastet worden wäre. Ausserdem wären Geruchsbelästigungen durch Ammoniak entstanden. Wie beim Sempachersee sind auch beim Baldegger- und Hallwilersee die
5 Phosphat-Konzentrationen im Oberflächen- und Tiefenwasser seit gut 20 Jahren sehr ähnlich und damit eine Tiefenwasserableitung praktisch wirkungslos. 5. Externe Phosphor-Elimination Bei Phosphat-Konzentrationen von 200 mg P m-3 oder mehr kann mit einem verfahrenstechnischen Prozess an Land der Nährstoff ausgefällt, filtriert und das Wasser anschliessend wieder in den See zurückgegeben werden (Hupfer und Scharf, 2002). Diese externe Phosphor-Elimination mit Rückgabe in den See wird in manchen kleinen und sehr stark belasteten Seen praktiziert. Durch den mit abnehmender Phosphor- Konzentration ebenfalls abnehmenden Wirkungsgrad ist es nicht möglich, Phosphat-Konzentrationen zu erreichen, bei denen das Algenwachstum limitiert wird (10-15 mg P m-3). Wir haben diese Massnahme im Gutachten zur Beurteilung von Sanierungsmöglichkeiten für den Zugersee als Variante evaluiert (Müller et al., 2019). Die Diskussion mit Verfahrensingenieuren der Eawag ergab, dass sogar im Zugersee mit einer mittleren Phosphat-Konzentration von 90 mg P m-3 das Ziel von 30 mg P m-3 kaum zu erreichen wäre und dabei mit sehr grossem Energieaufwand grosse Mengen Fällschlamm erzeugt würden, die kostenpflichtig entsorgt werden müssten (Böhler und Siegrist, 2008). Es wäre aussichtslos, mit derartigen Technologien Phosphat-Konzentrationen in der Grössenordnung von 10-15 mg P m-3 zu erreichen, wie sie der Sauerstoffhaushalt der Mittellandseen erfordert. 6. Chemische Phosphor-Fällung Entfernung von Phosphat aus der Wassersäule ist in verschiedenen kanadischen und deutschen Seen mit Fällmitteln, welche Phosphat binden und somit ins Sediment transportieren, versucht worden. Diese Fällmittel müssen über die gesamte Seefläche mit z.T. aufwendigen Misch- und Belüftungssystemen (zB. Hupfer und Scharf, 2002; Koschel et al., 2001; 2006, Wauer et al., 2005) verteilt werden, die Effizienz ist konzentrations- abhängig – sowohl vom Fällmittel wie von der Phosphat-Konzentration - und die Massnahme muss während mehrerer Jahre wiederholt werden. Der sedimentierte Phosphat-Komplex wird zum Teil aus dem Sediment rückgelöst. Die Anpassungszeit des Sees an eine verringerte externe Phosphatfracht kann damit verkürzt werden (zB. Mehner et al., 2008). Oft ist die Wirkung schwer zu beurteilen, da langfristiges Monitoring oder Untersuchungen zur Sediment-Rückhaltekapazität fehlen (zB. Rydin et al., 2000, Lewandowski et al., 2003). Phosphatfällung mit chemischen Substanzen ist naturgemäss ein schwerer Eingriff in die Biozönose und das Ökosystem See. Die in Frage kommenden Fällmittel sind entweder starke Basen (Calciumhydroxid) oder Säuren (Aluminium- und Eisensalze), die den pH des Seewassers verändern. Bei grossen Seen wächst die Menge an Fällmittel und somit der Aufwand, das Fällmittel mit dem Wasser zu vermischen, stark an. Bisher behandelte Seen sind um Grössenordnungen kleiner als der Baldeggersee. Ausserdem wäre im Baldegger- see die Wirkung einer Phosphatfällung im Wasserkörper nur von kurzfristiger Wirkung, da die P-Fracht immer noch fast doppelt so hoch ist als seeverträglich. Die Jahresfracht von Phosphat in den Baldeggersee ist höher als der P-Seeinhalt selbst. Damit ist unmissverständlich klar, dass eine seeinterne Phosphatfällung keine nachhaltige Wirkung auf das Algenwachstum haben könnte. Lanthan-dotiertes Benthonit (sogenanntes ‚Phoslock’; Nürnberg und LaZerte, 2015) ist eine neue Substanz mit ähnlicher Wirkung, das relativ häufig in kleinen Seen (einige ha, wenige m Tiefe) mehrmals eingesetzt
6 wurde. Auch hier ist das fehlende Langzeit-Monitoring der Grund, dass die Wirkung nicht klar dokumentiert worden ist. 7. Sedimentabdeckung Beim Verfahren «Sedimentabdeckung» ist die Absicht, den Diffusionsweg des im Sediment gebundenen Phosphats (oder andere Problemstoffe) zum bodennahen Tiefenwasser (Wasser direkt über dem Sediment) des Sees so weit zu verlängern, dass nur noch wenig zurück ins Seewasser gelangen kann. Naturgemäss braucht es deshalb grosse Mengen Material zur Abdeckung des Sediments, und mit Vorteil sollte dieses Material auch P-sorbierende Eigenschaften haben. Sedimentabdeckung wird angewendet bei kleinen Flä- chen, die man vom überliegenden Wasser isolieren möchte, da sie mit toxischen oder umwelttoxischen Substanzen, Altlasten o.ä. belastet sind (zB. Simpson et al., 2002; Palermo, 1998; Bona et al., 2000), aber auch um den Rückhalt von Nährstoffen zu erhöhen (Berg et al., 2004; Gu et al., 2017). Phoslock (siehe oben) wird aus diesem Grund auf kleinen Flächen ebenfalls zur Sedimentabdeckung verwendet. Da die Flächen der Mittellandseen vergleichsweise gross und die Sedimente nur noch schwache Quellen für die Rücklösung von Phosphat sind, ist diese Technologie für eine solche Anwendung ungeeignet. 8. Entschlammung mittels Pflügen und/oder Entfernen des Sediments Absaugen oder Ausbaggern von Sedimentablagerungen wird in Flachseen und Weihern gegen die Verlan- dung und bei zugänglichen Flächen zur Entfernung von kontaminiertem Material praktiziert (zB. Ludewig und Weyer, 2017). Auch das ‚Umpflügen’ von Sedimentablagerungen in Seen ist schon in Betracht gezogen worden. Eine derartige Massnahme bedeutet eine ökologische Katastrophe für den gesamten See. Sie kommt für die Mittellandseen nicht in Betracht, da das Sediment heute – im Gegensatz zu den 1980er Jahren - keine bedeutende Phosphat-Quelle (mehr) darstellt. Das ‚Umpflügen’ des Sediments hat keine positive Wirkung auf den Abbau der Algen: Innerhalb weniger Tage bis Wochen würde sich wiederum dieselbe Situation wie zuvor einstellen. Eine Rückgewinnung des Phosphors als Rohstoff aus dem Sediment ist aufgrund der geringen Menge und des kleinen Gehalts (0.04-0.1%) unwirtschaftlich und steht in keinem Verhältnis zum ökologischen Schaden, der angerichtet würde. 9. Adsorption an Trägermaterialien (Einsatz in Zuflüssen) Mit Phosphat-sorbierenden Materialien könnte dieser Nährstoff in stark belasteten Zuflüssen vermindert werden. Die in den Bächen auftretenden Konzentrationen liegen heute (im Gegensatz zu den 1980er Jahren, Steger et al., 2013) jedoch selten und nur an wenigen Stellen über 200 mg P m-3, und die grossen Frachten treten nur kurzfristig während weniger Starkregenereignissen auf, welche aber in dieser kurzen Zeit einen grossen Teil der Jahresfracht in die Seen eintragen. Gerade bei hohen Abflüssen – und entsprechend grossen Wasservolumen - ist jedoch die Technologie ineffizient, bzw. sie müsste auf diese Spitzenereignisse dimen- sioniert werden, um effizient zu sein, was mit enormen Kosten verbunden wäre.
7 10. Literatur: AWEL (2015): Zirkulationsunterstützung Türlersee. Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft. Kt. Zürich, Baudirektion. http://hw.zh.ch/chemie/see/04_Zi.pdf Berg U., T. Neumann, D. Donnert, R. Nüesch und D. Stüben (2004): Sediment capping in eutrophic lakes – efficiency of undisturbed calcite barriers to immobilize phosphorus. Appl. Geochem. 19(11), 1759-1771. https://doi.org/10.1016/j.apgeochem.2004.05.004. Bona F., G. Cecconi and A. Maffiotti (2000): An integrated approach to assess the benthic quality after sediment capping in Venice lagoon. Aquatic Ecosystem Health and Management, 3(3), 379-386. https://doi.org/10.1080/14634980008657035. Böhler M. und H. Siegrist (2008): Potenzial zur Reduktion der Phosphor-Emissionen kommunaler Kläranlagen in Hessen. Gutachten für das Bundesland Hessen (D), Hg. v. Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie (HLUG) der Eawag, Dübendorf, Schweiz (2008). https://www.dora.lib4ri.ch/eawag/islandora/object/eawag:18588 Bührer H. und R. Gächter (1979): Gutachten über die Sanierungsmöglichkeiten des Sempachersees. Auftrag Nr. 4564. Gächter R., D. Imboden, H. Bührer und P. Stadelmann (1983): Mögliche Massnahmen zur Restaurierung des Sempacher- sees. Schweizerische Zeitschrift für Hydrologie, 45(1), 246-266. Gächter R., A. Mares, E. Grieder, A. Zwyssig und P. Höhener (1989): Auswirkungen der Belüftung und Sauerstoffbega- sung auf den P-Haushalt des Sempachersees. Wasser, Energie, Luft, 11(12), 335-341. Gächter R. and B. Wehrli (1998): Ten years of artificial mixing and oxygenation: No effect on the internal phosphorus loading of two eutrophic lakes. Environmental Science and Technology, 32, 3659-3665. Gu B., C. Lee, T. Lee and S. Park (2017): Evaluation of sediment capping with activated carbon and nonwoven fabric mat to interrupt nutrient release from lake sediments. Science of the total Environment 599-600, 413-421. https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2017.04.212. Hupfer M. und B.W. Scharf (2002): Seentherapie – Interne Massnahmen zur Verminderung der Phosphorkonzentration. In: Handbuch angewandte Limnologie, VI-2.1. Koschel R.H., M. Dittrich, P. Casper, A. Heiser and R. Rossberg (2001): Induced hypolimnetic calcite precipitation – ecotechnology for restoration of stratified eutrophic hardwater lakes. Internationale Vereinigung für theoretische und angewandte Limnologie: Verhandlungen, 27, 3644-3649. Koschel R.H., P. Casper, T. Gonsiorczyk, R. Roßberg and G. Wauer (2006): Hypolimnetic Al and CaCO3 treatments and aeration for restoration of a stratified eutrophic hardwater lake in Germany. Internationale Vereinigung für theoretische und angewandte Limnologie: Verhandlungen, 29(5), 2165-2171. https://doi.org/10.1080/03680770.2006.11903075. Lewandowski. J., I. Schauser and M. Hupfer (2003): Long term effects of phosphorus precipitation with alum in hypertrophic Lake Süsser See (Germany). Water Research 37, 3194-3204. Lewis D.M., J.P. Antenucci, J.D. Brookes and M.F. Lambert (2001): Numerical simulation of surface mixers used for destratification of reservoirs. MODSIM 2001: International Congress on Modelling and Simulation, the Australian National University, Canberra, Australia, 10-13 December 2001: integrating models for natural resources management across disciplines, issues and scales : proceedings / F. Ghassemi et al. (eds.): pp.311-316. http://www.mssanz.org.au/MODSIM01/Vol%201/Lewis.pdf. Ludewig C. und G. Weyer (2017): Entschlammung von Flachseen am Beispiel des Steinhuder Meeres. Wasser, Energie und Umwelt, https://doi.org/10.1007/978-3-658-15922-1_39.
8 Matzinger A., B. Müller, M. Schmid, J. Little, R. Stierli, A. Zwyssig und A. Wüest. Zirkulationsunterstützung im Türlersee und Pfäffikersee. Gutachten zHd. des AWEL, Kt. Zürich. August 2008. Mehner T., M. Diekmann, T. Gonsiorczyk et al. (2008): Rapid recovery from eutrophication of a stratified lake by disruption of internal nutrient load. Ecosystems 11, 1142–1156. https://doi.org/10.1007/s10021-008-9185-5. Morillo S., J. Imberger, J.P. Antenucci and D. Copetti (2009): Using impellers to distribute local nutrient loadings in a stratified lake: Lake Como, Italy. Journal of Hydraulic Engineering 135(7), 564-574. https://doi.org/10.1061/(ASCE)HY.1943-7900.0000048. Müller B., A. Gaudard und A. Wüest (2019): Beurteilung see-interner Massnahmen zur beschleunigten Sanierung des Zugersees (inkl. Kostenschätzungen Bau und Betrieb). Gutachten zHd. des Kt. Zug. Nürnberg G.K. and B.D. LaZerte (2016): Trophic state decrease after lanthanum-modified bentonite (Phoslock) application to a hyper-eutrophic polymictic urban lake frequented by Canada geese (Branta canadensis). Lake and Reservoir Management, 32(1), 74-88. http://dx.doi.org/10.1080/10402381.2015.1133739. Palermo M.R. (1998). Design considerations for in-situ capping of contaminated sediments. Water Science and Technology 37(6-7), 315-321. https://doi.org/10.1016/S0273-1223(98)00213-3. Rydin E., B. Huser, and E.B. Welch (2000): Amount of phosphorus inactivated by alum treatments in Washington lakes. Limnology and Oceanography 45(1), 226-230. https://doi.org/10.4319/lo.2000.45.1.0226| Simpson S.L., I.D. Pryor, B.R. Mewburn, G.E. Batley, and D. Jolley (2002): Considerations for capping metal-contaminated sediments in dynamic estuarine environments. Environmental Science and Technology 36(17), 3772-3778. https://doi.org/10.1021/es025632v. Steger C., D. Amschwand, P. Kathriner und B. Müller (2013): Untersuchung der Einleitungen und Zuflüsse zum Baldeggersee 2012-2013. Bericht Eawag. Wauer G., T. Gonsiorczyk, K. Kretschmer, et al. (2005): Sediment treatment with a nitrate-storing compound to reduce phosphorus release. Water Research 39(2–3), 494–500.
9 Seesanierungsmassnahmen Methode Vorteile Nachteile Relevanz für BA- und SE-see Anreicherung mit Reinsauerstoff Wirkt direkt auf den Sauerstoffgehalt im Der Preis für Reinsauerstoff beträgt Die Volumina diverser Mittellandseen oder Luftsauerstoff im Tiefenwasser; kann sorgfältig und nach rund 300 CHF/Tonne O2; hat jedoch sind von einer Grösse, dass diese Tiefenwasser Bedarf dosiert werden; wirkt direkt praktisch keinen Einfluss auf die Technologie ohne grossen Aufwand positiv auf die Lebewesen im Tiefen- Nährstoffbilanz realisiert werden kann wasser (Fische, Würmer, welche helfen das Sediment zu mineralisieren); das Sauerstoffdefizit im Sediment kann abgebaut werden (ist im SE-See weitgehend geschehen) Künstliche Zirkulations- Vollständige Durchmischung trotz Investitions-, Strom- und Unterhalts- Kann gemeinsam mit der Anlage zur Unterstützung im Winter gelegentlich milden Wintern, maximale kosten fallen an, jedoch in Sauerstoff-Anreicherung im Tiefen- (Blasenschleier) Sauerstoff-Aufnahme aus der Atmos- bescheidenem Rahmen wasser realisiert werden. Kein phäre. Einfachste und kostengünstigste zusätzlicher technischer Aufwand (nur Stromkosten) Sauerstoff-Zuführung. Sauerstoff-Anreicherung des Sauerstoffhaltiges Wasser, welches an Grosser technischer Aufwand mit gros- Für Seen mit grossem Volumenanteil Tiefenwassers via Einmischung der Oberfläche frei zur Verfügung steht, sen Pumpen, grossen Leitungen und Tiefenwasser bedeutungslos. Komp- von Oberflächenwasser mittels wird ins Tiefenwasser gepumpt, so dass entsprechend grossen (teuren) lett unvorteilhaftes Nutzen/Kosten- Pumpen, Luftschleier oder der Sauerstoff das organische Material Generatoren. Hydrodynamische Mi- Verhältnis. Unakzeptabler und Propeller im Tiefenwasser abbauen kann. schung wäre mit grossen Turbinen/ gesetzeswidriger Eingriff in ein Propellern zu realisieren. Das Vorge- natürliches Gewässer hen wäre gesetzeswidrig, da die natür- liche Schichtung des Sees massiv verändert würde Tiefenwasserableitung Saisonale Schichtung wird nicht gestört, Unterlieger bzw. Abfluss erhält kaltes, Die Konzentrationen von Phosphat jedoch vertikal verzogen. Das Tiefen- sauerstoffarmes Wasser, erhöhte Kon- über dem Sediment sind heute nicht wasser wird wärmer, falls ein grosser zentration von Phosphat und reduzier- mehr stark erhöht, da alle drei Seen Teil des Tiefenwassers abgeleitet wird te Substanzen (zB Ammonium), wel- im Winter bis maximale Tiefe mi- che die Wasserqualität beeinflussen. schen. (Dies war in den 1970/80er Im Falle Baldeggersee wird die Bela- Jahren anders). Deshalb nur sehr stung in den Hallwilersee verschoben geringe Wirkung. Erhöhte Sauerstoff- konzentration über dem Sediment hat keine Wirkung auf Phosphat-Rück- lösung (Gächter&Wehrli, 1998)
10 Externe Phosphor-Elimination Sehr grosse Volumina. P-Konzentra- Es wäre widersinnig, Phosphor in den tion im Tiefenwasser ist zu klein für See gelangen zu lassen und nach effiziente P-Fällung. Sehr kleiner der Verdünnung mit grossem Wirkungsgrad. Erzeugt riesige Mengen Aufwand wieder herauszuholen. Die Fällschlamm der zu entsorgen wäre Alternative wäre P-belastetes Zu- fluss-Wasser direkt zu behandeln. Sehr aufwendig und teuer Chemische Phosphat-Fällung Kurzfristig effektive P-Elimination Grosse Seeflächen bedeuten grosse Heute unnötig, da die aktuelle P- Mengen an Fällmittel. Problem der Rücklösung aus dem Sediment nicht gleichmässigen horizontalen Vertei- (mehr) relevant ist. lung. Eingriff in den sich erholenden Sediment-Lebensraum. Verwendete Metallsalze enthalten Verunreinigun- gen mit toxischen Schwermetallen. Nur kurzzeitige Wirkung falls P-Einträge unverändert bleiben Sedimentabdeckung Effektive Abdeckung für einige Jahre Sedimentfläche ist zu gross, deshalb Unnötig, da die aktuelle P-Rücklö- technisch sehr aufwendig. Nur von sung aus dem Sediment heute nicht kurzfristiger Wirkung, falls Einträge (mehr) relevant ist unverändert bleiben. Einbringung von grossen Mengen festem Material verstösst gegen das GSchG. Entschlammung / Pflügen Katastrophaler Eingriff ins Ökosystem. und/oder Entfernen des Seefläche zu gross, nur geringe Sediments Mächtigkeit der ‘belasteten’ Zone. Längerfristig wirkungslos für den Phosphor-Haushalt Adsorption an Trägermaterialien Die Phosphor-Fracht in den See wird P-Frachten sind überproportional hoch Grosser Eingriff und hohe Kosten im (Einsatz in Zuflüssen) gesenkt bei hohen Abflüssen – unter diesen Vergleich zur beseitigten P-Fracht Umständen ist die Adsorptionswirkung (Kontaktzeit, Sorptionskapazität) am geringsten
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