Theorieheft Methode - Struktur - Modell - Kontext 2015 - 2025 - Marcello Nasso Architekten

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Theorieheft Methode - Struktur - Modell - Kontext 2015 - 2025 - Marcello Nasso Architekten
theorieheft
Methode - Struktur - Modell - Kontext
                  2015 - 2025

               Marcello Nasso Architekten
                   Rotachstrasse 4
                      8003 Zürich
           info@marcellonasso.com| +41 79 454 38 12
                     www.marcellonasso.com

                     28. Januar 2020
Theorieheft Methode - Struktur - Modell - Kontext 2015 - 2025 - Marcello Nasso Architekten
„Darüber hinaus schliesst der methodologische Ansatz den
  persönlichen Akzent nicht aus und in letzter Konsequenz nicht
      einmal die Frage nach dem Geschmack; andersherum be-
    trachtet, wird vielmehr klar, dass dieser persönliche Akzent,
jeder Architektur, jeder Zeit innewohnt. Ich bestehe darauf, dass
             unser Geschmack, die Freude an der Methode ist.“

                                                         XCR_000
                                       Ernesto Nathan Rogers 1958
                                        Erfahrungen der Architektur
Theorieheft Methode - Struktur - Modell - Kontext 2015 - 2025 - Marcello Nasso Architekten
METHODE
Theorieheft Methode - Struktur - Modell - Kontext 2015 - 2025 - Marcello Nasso Architekten
DOGMATISCHE METHODE

                                                                          Durch einen kollektiven Prozess führt die dogmatische
                                                                          Methode zum Bottom-Up-Ansatz.
                                                                          Der Dogmatiker und der Handwerker sammeln viele Einzel-
                                                                          daten, um ein allgemeines Gesetz zu finden, indem sie vom
                                                                          Besonderen auf das Ganze stossen.

    “Sag mir eine Sache Handwerker: “Wenn du entscheiden wür-
 dest einen Schuh von erstklassiger Qualität zu machen, würdest
         du nicht denken, dass du hochwertiges Leder brauchst?”
  -”Selbstverständlich würde ich das denken”, erwiderte dieser. -
   Und Sokrates: “Für eine Arbeit dieser Art, würdest Du das erst
   beste Leder nehmen, dass dir zwischen die Hände gerät, oder
 glaubst du, dass es besser wäre dieses aus einer Mustersamm-
 lung auszuwählen?” - “Klar würde ich das glauben”, antwortete
    dieser. - Sokrates fügte somit hinzu: “Und wie erkennst du die
   Qualität des Leders? Stellst Du Dich nicht vor etwas hin, bis dir
     durch das Abtasten der verschiedenen Typen, ein besonders
   gutes und geeignetes Material für deinen Zweck erscheint, um
        damit achtsam dein eigenes Leder auszuwählen, indem Du
       dieses mit dem Muster vergleichst und erkennst in was sich
  das Eine vom Anderen unterscheidet.” - “So mache ich es, er-
    widert der Handwerker. - Und Sokrates: “Derjenige der dieses
     erstklassige Leder gemacht hat, ist dieser per Zufall oder mit
  einer Methode zum Ziel gekommen, um dieses makellose Leder
   herstellen zu können? “ - “Mit einer Methode”, sagt der Ande-
 re. - “Und welche war die Methode”, fragte Sokrates, “um diese
        Aufgabe zu bewältigen? Vielleicht jene die er durch die Er-
   fahrung in der Bearbeitung von Leder gelernt hat? “ - “Genau
     diese,” antwortet der Handwerker. - “Vielleicht hat auch er in
    der Aufbereitung des Materials dieselben Vergleiche gemacht,
   wie Du sie für die Auswahl des Leders machen würdest, indem
       er gleichzeitig die Einzelteile dem Ganzen gegenüberstellte,
     bis das für die Herstellung ausgewählte Leder nicht Punkt für
     Punkt dem entsprach, was er sich vorstellte”, sagte Sokrates
  - “Genauso hat es der Andere gemacht.” - Und Sokrates: “Und
      wenn dieser nie die Verarbeitungsweise des Leders gesehen
  hätte, wo zu Teufel hätte dieser dieses ideale Modell von Leder
                      von erstklassiger Qualität hernehmen sollen.”

                                                             XCR_001                                                                IMG_001
                                            Leon Battista Alberti 1450                                                      Aldo Rossi 1978,
                                                               Momus                            Untersuchung der Altstadtstruktur von Zürich,
-6-                                                                      -7-
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TECHNISCHE METHODE

                                                                          Durch einen kybernetischen Prozess führt die technische
                                                                          Methode zum Top-Down-Ansatz. Der Techniker und der
                                                                          Ingenieur suchen nach Wahrheiten und wollen diese bestä-
                                                                          tigt haben, indem sie vom Gesamten auf das Einzelne und
                                                                          damit vom Allgemeinen auf das Besondere schliessen.

  “Was die Rangordnung auf einem Wahlfänger betrifft, so möch-
    te ich an dieser Stelle erwähnen, dass die Harpuniere als eine
      besondere Kaste zu den Offizieren zählen. Das ist ein eigen-
   tümlicher Zustand, den es auf anderen Schiffen natürlich nicht
        gibt. Wie wichtig das Geschäft der Harpuniere von jeher ge-
    nommen wurde, ersieht man daraus, dass von zwei und mehr
     Jahrhunderten auf den alten holländischen Wahlfängern nicht
        der Schiffer, der Kapitän, wie wir heute sagen, allein die Be-
  fehlsgewalt inne hatte, sondern sie mit dem sogenannten Flen-
      ser teilen musste. Im Laufe der Zeit wurde es Sitte, über den
  engeren Sinn des Wortes hinaus den obersten Harpunier so zu
     bezeichnen. In jenen Zeiten hatte der Kapitän nur die Naviga-
      tion und die allgemeine Schiffsverwaltung unter sich; in allem
 was mit dem Wahlfang zusammenhing, herrschte unumschränkt
 der Flenser, der „Specksynder”, wie die Holländer sagen. Dieser
           alte holländische Titel ist dann auch den britischen Grön-
     land-Wahlfängern in der korrumpierten Form „Specksioneer“
 beibehalten worden, während die Würde des Amtes bedauerlich
       gelitten hat. Der „Specksioneer“ ist heutzutage nichts weiter
   als der älteste Harpunier und hat an Bord eine bescheidenere
     Stellung. Da der Erfolg der Reise jedoch zum grossen Teil von
    der guten Führung der Harpuniere abhängt und in der ameri-
   kanischen Grossfischerei ihr Rangältester nicht nur im Walboot
   eine wichtige Persönlichkeit ist, sondern unter Umständen (bei
  Nachtwachen auf den Walfischgrund) auch einmal an Deck des
  Schiffes den Befehl übernimmt, so erfordert die Politik auf See,
 dass er nicht vor der Mannschaft zusammen vor dem Mast hau-
 se, sondern der Form nach, als ihr Vorgesetzter in Erscheinung
    trete, wenn sie ihn unter sich auch jeder Zeit als ihresgleichen
                                                         betrachten.”
                                                             XCR_002                                                                           IMG_002
                                                 Hermann Melville 1851                      Marcello Nasso Architekten, Burkart AG Trilegno AG 2018
                                                            Moby Dick    Aufstockung MFH in Zürich Altstetten, Industrielle Vorfabrikation und Montage,
-8-                                                                      -9-
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KRITISCHE METHODE
                                                                                 Durch einen rationalen Prozess führt die kritische Metho-
                                                                                 de zum offenen Ansatz an das zu lösende Problem. Der
                                                                                 Intellektuelle und der Künstler suchen nach Konzepten
                                                                                 und Theorien, nach Denkaufgaben und Ratespiele und
                                                                                 riskieren zu scheitern. Vor einer Anzahl von Tatsachen, die
                                                                                 anscheinend nichts miteinander zu tun haben, versuchen
                                                                                 der Intellektuelle und der Künstler sich diese Ereignisse
                                                                                 als Einzelfälle eines allgemeinen Gesetzes vorzustellen. Ein
                                                                                 Gesetz, dass vielleicht noch nie so formuliert wurde.

          “Zu den vielen Fähigkeiten von Chuang-Tzu gehörte seine
       Gewandtheit im Zeichnen. Der Kaiser bat ihn einen Krebs zu
      zeichnen. Chuang-Tzu sagte, er brauche dafür fünf Jahre Zeit
        und eine Villa mit zwölf Bediensteten. Nach fünf Jahren war
    die Zeichnung noch nicht begonnen. “Ich brauche weitere fünf
     Jahre”, sagte Chuang-Tzu. Der Kaiser gewährte sie Ihm. Nach
          Ablauf der zehn Jahre nahm Chuang-Tzu die Feder, und in
   einem Augenblick, mit einer einzigen Handbewegung, zeichnete
      er einen Krebs, den perfektesten Krebs, den man je gesehen
                                                             hatte.”
                                                                  XCR_003                                                                 IMG_003
                                                        Italo Calvino 1985                                      Michele Lanza, Marcello Nasso 1992
                Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend: Schnelligkeit                                          Phi Sphäre - Der Code der Welt
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WIE LANGE IST DIE KÜSTE
                                                                                              DES MITTELMEERES
                                                                                 Der Erste welcher die empirischen Resultate von Lewis Fry
                                                                                 Richardson mit den theoretischen Ergebnissen von Felix
                                                                                 Hausdorff in Verbindung gebracht hat, war Benoit Mandel-
                                                                                 brot im Jahre 1967 mit einem Artikel welcher den Titel
                                                                                 trug: Wie lange ist die Küste von England?

                                                                                 Betrachten wir den Grundplan des Mittelmeeres, wird die
                                                                                 These Mandelbrots sehr klar: Der Perimeter dieses Grund-
                                                                                 planes des Mittelmeeres ist Kongruent mit den Grenzen
                                                                                 seines Territoriums und zeigt, dass je mehr wir uns den
                                                                                 Küsten nähern, desto länger die Abwicklung deren immer
                                                                                 konkaver und konvexer werdenden Struktur wird. In die-
                                                                                 sem Sinn ist die Auseinandersetzung mit der Abwicklung
                                                                                 einer Küste mit seinen Spitzen und Buchten die Auseinan-
                                                                                 dersetzung mit einer unendlich langen Struktur und damit
                                                                                 die Auseinandersetzung mit einer fraktalen Struktur.

        “Fast alle normalen Muster der Natur sind rau. Sie besitzen
    äusserst irreguläre und fragmentierte Merkmale nicht nur weit
    komplizierter als die wunderbare antike Geometrie Euklids; sie
     sind zumeist von einer ungeheuer viel grösseren Komplexität.
     Während Jahrhunderte war die blosse Vorstellung, Rauheit zu
    messen, ein müssiger Traum. Dies ist einer der Träume, denen
       ich mein ganzes Leben als Wissenschaftler gewidmet habe.”

                                                                  XCR_004                                                               IMG_004
                                                 Benoit Mandelbrot 2010                                          Marcello Nasso Architekten 2015
                            The Fractalist: Memoir of a Scientific Maverick                                                 Grundplan Mittelmeer
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Theorieheft Methode - Struktur - Modell - Kontext 2015 - 2025 - Marcello Nasso Architekten
VON DER INDIVIDUELLEN INTELLIGENZ ZU
                                                                                          DEN FRAKTALEN STRUKTUREN
                                                                                    In einer Bottom-Up-Annäherung findet der Entwicklungs-
                                                                                    prozess über die Aktivitäten von verschiedenen einzelnen
                                                                                    Akteuren statt und somit durch eine Summe an individuel-
                                                                                    len Intelligenzen, welche ihren Beitrag an die Schaffung ei-
                                                                                    nes grossen Ganzen leisten. Ein grosses Ganzes, welches
                                                                                    am Anfang des Prozesses unvorhersehbar gewesen wäre.
                                                                                    In der abendländischen Architektur entsprechen diese
                                                                                    grossen Ganzen zum Beispiel den europäischen Städten
                                                                                    aus dem Mittelalter. Tatsache ist, dass der Bau dieser Alt-
                                                                                    städte und damit die Schaffung von Orten solcher Schön-
                                                                                    heit, das Engagement von dutzenden Generationen und
                                                                                    hunderten von Jahren voraussetzt.

        “Der Architekt untersucht mit seiner Arbeit die strukturellen
       Ähnlichkeiten, welche zwischen den Archetypen des mensch-
     lichen Verhaltens und den Formen der materiellen Welt entste-
                                                       hen können.”

                                                                    XCR_005                                                                 IMG_005.0
                                                     Carlos Martì Arìs 1990,                                          Marcello Nasso Architekten 2016
                        Die Variazionen der Indentität, der Typ in Architektur                                        Energycities in Sierpnski-Teppich
- 14 -                                                                           - 15 -
Theorieheft Methode - Struktur - Modell - Kontext 2015 - 2025 - Marcello Nasso Architekten
Ist es möglich anhand dieser Daten an diesen oder
                                                                  anderen Städte weiterzubauen oder neue Städte in einem
                                                                  überschaubaren Zeitraum zu generieren?

                                                                  Die Informatikwissenschaften haben sich in der Ausein-
                                                                  andersetzung mit fraktalen Strukturen die Methoden und
                                                                  die Annäherungsweisen des Architekturtheoretikers des
                                                                  Strukturalismus Christopher Alexander - mit seinem Buch
                                                                  “Eine Mustersprache” aus dem Jahre 1979 - angeeignet
                                                                  um anhand von Muster die Leseart von komplexen Syste-
                                                                  men zu vereinfachen.

                                                                  Dazu drei Fragen:
                                                                  Ist es möglich dieses Wissen aus den Informatikwissen-
                                                                  schaften auf die Untersuchung von bestehenden Städten
                                                                  anzuwenden?

                                                                  Ist es möglich durch die Vision des Ganzen als fraktale
                                                                  Struktur ein Territorium und eine Stadt gleichzeitig Top-
                                                                  Down und Bottom-Up zu denken?

                                                                  Ist es möglich anhand dieser Daten an diesen oder
                                                                  anderen Städte weiterzubauen oder neue Städte in einem
                                                                  überschaubaren Zeitraum zu generieren?

                                                IMG_005.1                                                                   IMG_005.2
                          Marcello Nasso Architekten 2016                                             Marcello Nasso Architekten 2016
         Vergrösserung 2, Energycities in Sierpnski-Teppich,                         Vergrösserung 2, Energycities in Sierpnski-Teppich,
- 16 -                                                         - 17 -
Theorieheft Methode - Struktur - Modell - Kontext 2015 - 2025 - Marcello Nasso Architekten
STRUKTUR
ORGANISATION
                                                                                Organisation und antizipatorisches Denken sind die grund-
                                                                                legenden Fähigkeiten für eine systematische Annäherung
                                                                                an den architektonischen Entwurf. Richard Sennet schreibt
                                                                                in seinem Buch “Handwerk”, dass Motivation wichtiger ist
                                                                                als die Begabung und dass der Hang zum Perfektionismus
                                                                                nur eine extreme Form von Ambition ist. Sennet selbst war,
                                                                                bevor er Soziologe wurde, Musiker und sagt, dass in der
                                                                                Musik die Handlung um einen Ton zu erzeugen stattfindet,
                                                                                bevor der Ton erklingt. Dies bedeutet, dass ein falscher
                                                                                Ton im Rahmen eines Stückes irreversibel ist. Aus diesem
                                                                                Grund muss geübt werden, bis man das Stück beherrscht.
                                                                                Das kontinuierliche Scheitern ist Teil des Lernprozesses.
                                                                                Bei der späteren Aufführung muss man immer einen
                                                                                Schritt voraus sein. Antizipatorisches Denken ist eine
                                                                                der wichtigsten Fähigkeiten um ein Projekt realisieren zu
                                                                                können.

   “Immer wenn dir eine Theorie als die einzig mögliche erscheint,
    nimm das als Zeichen, dass du weder die Theorie noch das zu
                             lösende Problem verstanden hast.”

                                                                 XCR_006                                                                IMG_006
                                                        Karl Popper 1972                                              Charles Joseph Minard 1869
                           Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf                            Map of Napoleon’s Russian campaign of 1812
- 20 -                                                                       - 21 -
EIN ENTWICKLUNGSPROZESS
                                                                                             IN FÜNF MODELLEN
                                                                                In der Biosystematik ist der Mensch in seiner Art ein Homo
                                                                                Sapiens. Seine Gattung ist der Homo, welcher der Familie
                                                                                der Menschenaffen (Homidae) angehört. Die Menschen-
                                                                                affen sind in der Ordnung der Primate einzufügen. Die
                                                                                Primate gehören in die Klasse der Säugetiere (Mammalia).

                                                                                Die Säugetiere gehören ins Reich der Tiere. In diesem Sinn
                                                                                wurden fünf Kategorien in hierarchischer Abfolge definiert,
                                                                                um die Art (die Spezies) eines Lebewesens eindeutig zu
                                                                                bestimmen: Reich, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung.

                                                                               Wird diese Kategorisierung aus der Biologie auf die Archi-
                                                                               tektur übertragen, kann von FÜNF MODELLEN gesprochen
                                                                               werden, welche in diesem ENTWICKLUNGSPROZESS von
                                                                               Bedeutung sind: das KONTEXT-MODELL, das GRENZ-
                                                                               FLÄCHEN-MODELL, das TYPEN-MODELL, das ER-
                                                                               SCHLIESSUNGS-MODELL und das NUTZER-MODELL.

      “Für die alten Ägypter wurde Genauigkeit durch eine Feder
  symbolisiert, die als Gewicht auf der Seelenwaage diente. Diese
      leichte Feder trug den Namen Maat und war die Göttin der
  Waage. Die Hieroglyphe für Maat bezeichnete auch das Längen-
   mass, die dreiundreissig Zentimeter des Einheitsziegels, sowie
                                         den Grundton der Flöte.”

                                                                  XCR_007                                                                IMG_007
                                                       Italo Calvino 1985,                                  Dmitri Mendelejew, Lothar Meyer 1869,
                Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend, Genauigkeit                                                          Periodensystem
- 22 -                                                                       - 23 -
FÜNF ZOOMBEREICHE
                                                                                  Mit jedem neuen MODELL erhöht sich die Schärfe und
                                                                                  damit die Quantität an Informationen durch einen sich ver-
                                                                                  ringernden ZOOMBEREICH.

                                                                                  An diese sich verringernden ZOOMBEREICH nähern wir
                                                                                  uns wie im von Charles und Ray Eames für die IBM im
                                                                                  Jahre 1977 realisierten Kurzfilm “Powers of Ten” an.

                                                                                  “Powers of Ten” nimmt direkt Bezug auf das im Jahre
                                                                                  1957 von Kees Boeke publizierte Buch “Cosmic View, The
                                                                                  Universe in 40 Jumps” und entspricht heute der aktuellen
                                                                                  Software “Google Earth”.

          “Mies van der Rohe glaubte, dass Architektur GUTE GRÜNDE
         und WAHRE GRÜNDE haben muss. GUTE GRÜNDE sind prakti-
         scher Art, während WAHRE GRÜNDE philosophischer Art sind.
          Die architektonischen Entscheidungen trifft man anhand von
           WAHREN GRÜNDEN, während man mit GUTEN GRÜNDEN die
                                                     Projekte erklärt.”

                                                                  XCR_008                                                               IMG_008
                                                       Werner Blaser 1973,                                        Charles Eames, Ray Eames 1977,
                                    Mies van der Rohe, The Art of Structure.                                                       Powers of Ten.
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FÜNF MODELLE AUF FÜNF EBENEN

                                                                                Dieser ENTWICKLUNGSPROZESS besteht aus fünf Model-
                                                                                len: das KONTEXT-MODELL, das GRENZFLÄCHEN-MO-
                                                                                DELL, das TYPEN-MODELL, das ERSCHLIESSUNGS-
                                                                                MODELL und das NUTZER-MODELL.

                                                                                Jedes MODELL wird über fünf Ebenen beschrieben:
                                                                                EIGENSCHAFTEN, UNTERSUCHUNGEN, FAZIT, KENNDATEN,
                                                                                ENTWURF.

     “… Eines Tages rief ein König all seine Kartographen zu sich
    zum Palast und befahl ihnen eine geografische Karte des gan-
       zen Reiches zu zeichnen. Die Kartographen machten sich an
     die Arbeit und kamen nach einiger Zeit mit einer kleinen Karte
    zurück. Der König schaute sich die Karte genau an und sagte,
     indem er den Kopf schüttelte, dass viel zu viele Sachen fehlen
     würden; nicht dargestellt seien zum Beispiel seine Gärten und
   auch das Seechen und auch der Brunnen, in dem er sich gerne
    spiegelte, würden ausbleiben. Die Kartographen machten sich
          erneut an die Arbeit und kamen mit einer Kartenrolle zum
      König zurück, die so gross war, dass es hunderte von Wagen
      brauchte, um diese zu transportieren. Der Herrscher, endlich
      zufrieden, liess die Karte aufrollen, welche das ganze Territo-
                                          rium des Reiches abdeckte.

       … In jenem Reich erlangte die Kunst der Kartographie eine
      solche Vollkommenheit, dass die Karte einer einzigen Provinz
      den Raum einer Stadt einnahm und die Karte des Reichs den
    einer Provinz. Mit der Zeit befriedigten diese masslosen Karten
      nicht länger, und die Kollegs der Kartographen erstellen eine
     Karte des Reiches, die die Grösse des Reichs besass und sich
      mit ihm in jedem Punkt deckte. Die nachfolgenden Geschlech-
       ter, die dem Studium der Kartografie nicht mehr so ergeben
    waren, waren der Ansicht, diese ausgedehnte Karte sei unnütz
    und überliessen sie, nicht ohne Verstoss gegen die Pietät, den
    Unbilden der Sonne und der Winter. In den Wüsten des Westens
    überdauern zerstückelte Ruinen der Karte, behaust von Tieren
    und von Bettlern; im ganzen Land gibt es keine anderen Über-
                        reste der geografischen Lehrwissenschaft.”

                                                            Zitiert durch:
                                                 Jose Luis Borges 1935,
                                    Universalgeschichte der Niedertracht

                                                               XCR_009                                                         I IMG_009
                                                  Suárez Miranda 1658,                                                   Autor unbekannt
                                            Viajes de varones prudentes                                          Wachstumm des Menschen
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BEZUGSSYSTEM

                                                                                 Dieser ENTWICKLUNGSPROZESS benötigt ein BEZUGSSYS-
                                                                                 TEM, um angewandt werden zu können.

                                                                                 Da wir vorwiegend in der Stadt ZÜRICH tätig sind und wir
                                                                                 aufgrund dessen auch am meisten Daten und Informa-
                                                                                 tionen zu dieser Stadt haben, nehmen wir diese als Fall-
                                                                                 beispiel.

                                                                                 In diesem Sinn kann dieser ENTWICKLUNGSPROZESS in
                                                                                 derselben Art und Weise auf jede andere Stadt, jedes
                                                                                 andere Quartier, jede anderen Ansiedlungsstruktur an-
                                                                                 gewandt werden.

    “Recht sonderbar ist es, dass oft förmlich toll gewordene unre-
    gelmässige Plätze alter Städte nicht einmal schlecht aussehen,
    während unregelmässige Winkel moderner Anlagen immer sehr
       schlecht wirken. Das kommt daher, dass die Unregelmässig-
     keiten alter Anlagen fast immer von der Art sind, die man erst
        am Plane wahrnimmt, in Natur aber übersieht, und hiervon
    wieder ist der Grund der, dass die alten Anlagen eben nicht am
       Reissbrett konzipiert wurden, sondern allmählich ‘in natura’
       entstanden sind, wobei man ganz von selbst alles dasjenige
      berücksichtigte, was dem Auge ‘in natura’ auffällt, aber alles
         andere der Gleichgültigkeit behandelte, was nur am Papier
                                                      sichtbar wird.”

                                                                  XCR_010                                                                 IMG_010
                                                         Camillo Sitte 1889                                      Schweizerische Volkszählung 2018
                     Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen                                  Bevölkerungsentwicklung der Stadt Zürich
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KONTEXT-MODELL
EIGENSCHAFTEN

            Im Jahre 1978 haben Colin Rowe und Fred Koetter mit
            dem Buch “Collage City” ihre Vision der Stadt vermittelt.

            Der Aspekte, welcher in “Collage City” hier am meisten
            interessiert, ist die Gegenüberstellung von ganzen Stadt-
            ausschnitten durch die Darstellung im Figur-Grund-Plan,
            oder “figure-ground-diagram”, wie dieser von den Autoren
            genannt wurde.

            Während der Figurplan, welcher im herkömmlichen Ge-
            brauch auch Schwarzplan genannt wird, die überbauten
            Flächen im städtebaulichen Kontext in den Vordergrund
            stellt, veranschaulicht der Grundplan durch die chroma-
            tische Inversion des Figurplanes die leeren Flächen im
            Stadtausschnitt.

            Wird diese Darstellungsweisen des Figur-Grund-Planes in
            die dritte Dimension übertragen, entsteht das KONTEXT-
            MODELL des Stadtausschnittes, welches die Basis für die
            folgenden zwei Themen - UNTERSUCHUNG und ENTWURF
            - bildet.

                                                                     IMG_011
                                              Marcello Nasso Architekten 2019
                                          Stadtmodell von Zürich im M. 1:1000,
- 32 -   - 33 -
UNTERSUCHUNGEN
                                             Für diese ersten UNTERSUCHUNGEN wird das KONTEXT-
                                             MODELL des in Frage kommenden Stadtausschnittes als
                                             Arbeitsgrundlagen konstruiert.

                                             Über die qualitativen Überlegungen hinaus, welche von
                                             der Beobachtung der bestehenden Stadt hervorgebracht
                                             werden, bildet dieses KONTEXT-MODELL die Basis, um
                                             eine Vielzahl an quantitativen Informationen zu generieren.

                                             In dieser ersten Annäherung wird der Detaillierungsgrad
                                             auf den ZOOMEBEREICH von 0.0001 bis 0.0005 limitiert,
                                             welcher einem Massstabsbereich von 1:10’000 bis 1:2000
                                             entspricht.

                                             Mit den vorliegenden Informationen kann nun die Über-
                                             bauungsziffer GGF / GSF ermittelt werden.

                   Bauepoche: Moderne
         (2. Stadterweiterung, ab 1934)

                             Wohnzone

                          Dichtefaktor:
                            0.2 bis 1.5
                                                                                                        IMG_012
                                                                            Neue Bau- und Zonenordnung 2017
                                                                       Agglomerationsquartier in der Stadt Zürich
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Wird dem Figur-Grund-Plan der Faktor Gebäudehöhen
            H hinzugefügt und werden parallel dazu alle Elemente
            beigefügt, welche im Schwarzplan nicht sichtbar gemacht
            wurden (Erker, Loggien, Balkone, Dächer etc.), erhält man
            das KOTEXT-MODELL.

            Mit dem KONTEXT-MODELL können nun die Gebäude-
            volumen GV ermittelt werden.

            Stehen die Gebäudevolumen GV erst mal fest, kann die
            Anzahl Geschosse AG geschätzt werden.

            Anhand dieser Informationen können die Geschoss-
            flächen GF berechnet werden, welche als Grundlage zur
            Ermittlung der Dichteziffer GGF / GF dienen.

            Das KONTEXT-MODELL kann zusammen mit der be-
            stehenden Stadt mit anderen Quartieren in der gleichen
            Stadt und mit Quartieren anderer Städte in Europa und
            der ganzen Welt verglichen werden.

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FAZIT
                                                Beobachtet man die verschiedenen Stadtbestände in
                                                Europa, wird sehr schnell erkennbar, dass diese von drei
                                                sehr unterschiedlichen Quartiertypen geprägt sind, welche
                                                sich in deren Dichtewerten klar voneinander unterschei-
                                                den:

                                                1.
                                                Von seit dem Mittelalter in der Zeit gewachsenen Altstadt
                                                mit Dichtewerten zwischen 3.50 und 6.00.

                                                2.
                                                Von Quartieren, welche seit dem Industriezeitalter von
                                                Blockrandbauten geprägt sind und Dichtewerte von 1.50
                                                bis 3.50 erreichen.

                                                3.
                                                Von aus verschiedenen freistehenden Bauten aus der Mo-
                                                derne in den Agglomerationsquartieren mit Dichtewerten
                                                zwischen 0.20 bis 1.50.

         Bauepoche: 19. / 20. Jahrhundert,
           (1. Stadterweiterung, ab 1893),

                   Quartiererhaltungszone

                             Dichtefaktor:
                               1.5 bis 3.5
                                                                                                            IMG_013
                                                                                Neue Bau- und Zonenordnung 2017
                                                                        Quartiers aus dem Industriezeitalter in Zürich
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KENNDATEN

                                     GGF / GSF
                                     Gebäudegrundflächen / Grundstücksflächen

                                     GF / GSF
                                     Geschossflächenoberirdisch / Grundstücksflächen

                                     GV / GSF
                                     Gebäudevolumenoberirdisch / Grundstücksflächen

                                     GV / GF
                                     Gebäudevolumenoberirdisch / Geschossflächenoberirdisch

                                     GGF / GF
                                     Gebäudegrundflächen / Geschossflächenoberirdisch

                                     UGF*/ GF
                                     Umgebungsflächen / Geschossflächenoberirdisch

                                     UGF* = GSF - GSF

         Bauepoche: Mittelalter

                     Kernzone

                  Dichtefaktor:
                    3.5 bis 6.0
                                                                                            IMG_014
                                                                        Neue Bau- und Zonenordnung
                                                                                  Altstadt von Zürich
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ENTWURF

            Die qualitativen Reflexionen über die Beobachtung und die
            quantitativen Informationen über die KENNDATEN, die aus
            den UNTERSUCHUNGEN des entsprechenden Stadtaus-
            schnittes resultieren, aber auch der Vergleich mit anderen
            Quartieren und anderen Städten, bilden die Basis, um
            Veränderungs- und Verdichtungs-Ideen im vorliegenden
            KONTEXT-MODELL zu entwickeln.

            Auf dieser Ebene ENTWURF ist das Ziel somit diese
            Verdichtungs- und Veränderungs-Ideen des KONTEXT-MO-
            DELLES zu entwickeln, unabhängig davon, ob diese Ideen
            sich ins bestehende Stadtgefüge integrieren oder den
            genetischen Code des Stadtteils komplett verändern.

            Diese Ideen werden dann auf qualitativer Ebene über rein
            architektonische Argumente beschrieben und auf quantita-
            tiver Ebene über genaue KENNDATEN ausgewertet.

            Mit der Definition dieser Verdichtungs- und Veränderungs-
            Ideen schafft das KONTEXT-MODELL die Basis für den
            ganzen ENTWICKLUNGSPROZESS in allen FÜNF MODEL-
            LEN.

                                                               IMG_015
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                     Z Ü RIC
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