SCHÄTZUNG DER EFFEKTIVEN REPRODUKTIONSZAHL DER SARS-COV-2 DELTA-VARIANTE, ÖSTERREICH - AGES

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SCHÄTZUNG DER EFFEKTIVEN REPRODUKTIONSZAHL DER SARS-COV-2 DELTA-VARIANTE, ÖSTERREICH - AGES
Schätzung der effektiven Reproduktionszahl
 der SARS-CoV-2 Delta-Variante, Österreich

L. RICHTER 1, 2 , D. SCHMID 1 , E. STADLOBER 2

1 Abteilung Infektionsepidemiologie & Surveillance, AGES
2 Institut für Statistik, Technische Universität Graz
SCHÄTZUNG DER EFFEKTIVEN REPRODUKTIONSZAHL DER SARS-COV-2 DELTA-VARIANTE, ÖSTERREICH - AGES
Rationale

Die Anzahl der SARS-CoV-2-Fälle, die für die Virusvarianten-Bestimmung der
Sequenzierung unterzogen werden, ist gering. Hingegen werden in Österreich bei
den meisten SARS-CoV-2 Fällen spezifische PCR-Verfahren durchgeführt. Basierend
auf den Nachweisen der Varianten-spezifischen Mutationen beziehungsweise Wildtyp-
Genausprägungen kann die Virus-Variante mit einer vernachlässigbaren Unsicherheit
bestimmt werden. Zur Schätzung der effektiven Reproduktionszahl, Reff, für die
vorherrschenden Varianten müssen fehlende Informationen zur Virus-Variante
imputiert werden. Üblicherweise wird in den österreichischen Laboratorien initial auf
die Existenz der N501Y-Mutation getestet. Somit ist die Information über das
Vorliegen des N501-Virustyps oder des N501Y-Virustyps auch am frühesten
verfügbar. Die derzeit in Österreich vorherrschende Variante of Concern (VoC) ist
gemäß Pangolin Nomenklatur B.1.617.2, die Delta-Variante, eine N501-VoC. Der
Nachweis von N501 ist bereits ein früher, wenn auch unspezifischer, Hinweis auf das
wahrscheinliche Vorliegen einer Delta-Variante.

Der Algorithmus zur Imputation von fehlenden Daten wird im Folgenden erklärt. Die
Reff wird dann unter Verwendung der vervollständigten Daten geschätzt.

Methodenbeschreibung

Imputation

Basierend auf der PCR- oder Sequenzierungs-basierten Spezifizierung der Varianten
definieren wir folgende Merkmale je Fall:

  n501 ∈ {0,1} – hat der Fall die Mutation N501Y, dann ist n501 = 0, ist an der
 Stelle 501 des Genoms keine Mutation, dann ist n501 = 1. Das Merkmal kann
 auch unbekannt sein.
  delta ∈ {0,1} – ist der Fall als Delta-Variante klassifiziert (dann ist delta = 1)
 oder nicht (delta = 0). Das Merkmal kann auch unbekannt sein.

Die PCR-basierte Spezifizierung der Delta-Variante basiert auf folgender Logik

 1, wenn N501 & P681R & !L452 & E484 & !del69/70p
 delta = { 0, wenn N501Y | P681 | L452 | E484K | E484Q | del69/70p
 , sonst.

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Die NICHT­Bedingungen sind „schwache“ Bedingungen und beinhalten auch immer
den Fall, dass keine Information zur Varianten spezifischen Mutation vorliegt. Zum
Beispiel bedeutet !L452 „nicht L452“­Mutation oder fehlende Information, del69/70p
bedeutet das Vorliegen einer Deletion, das ist der Verlust von Nukleotiden, an der
ausgewiesenen Position.

Zusätzlich verwenden wir noch die Merkmale Kalenderwoche der Diagnose und
Bundesland des Wohnorts, welche für alle gemeldeten Fälle bekannt sind. Dann
können wir die SARS-CoV-2 Surveillancedaten in 4 Kategorien bezüglich Daten-
vollständigkeit der Mutationen/Varianten einteilen:

 1. Fälle mit n501 unbekannt (⇒ delta ist unbekannt)
 2. Fälle mit n501 = 0 ⇒ delta = 0
 3. Fälle mit n501 = 1 mit delta unbekannt
 4. Fälle mit n501 = 1 mit delta bekannt

Das Merkmal n501 ist eine binäre Variable und Bernoulli verteilt mit Parameter ,
n501 ∼ Bernoulli( ). Wir schreiben dann auch (n501 = 1) = und (n501=0) =
1 − . Wir wollen für eine Abhängigkeit von der Kalenderwoche und des
Bundeslandes annehmen und formulieren folgendes standardisiertes Binomialmodell:

 ( ) = 0 + 1 + 2 . (1)

Unter Verwendung der Daten mit bekanntem n501 und Modell (1) schätzen wir die
Parameter ̂ , ∈ {0,1,2}. Wie oben beschrieben ist das Merkmal delta abhängig von
n501. Für Fälle bei denen n501 = 0 gilt, ist auch delta = 0. Wenn n501 = 1 gilt, ist
delta Bernoulli verteilt mit Parameter . Zusammenfassend gelten folgende bedingte
Wahrscheinlichkeiten:

 (delta = 1|n501 = 1) = ,

 (delta = 0|n501 = 1) = 1 − ,

 (delta = 0|n501 = 0) = 1 und

 (delta = 1|n501 = 0) = 0.

Für formulieren wir wieder ein standardisiertes Binomialmodell in Abhängigkeit von
der Kalenderwoche und vom Bundesland

 ( ) = 0 + 1 + 2 (2)

und schätzen ̂ , ∈ {0,1,2} unter Verwendung der Daten mit bekanntem delta.

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Für Fälle mit n501 = 1 und unbekanntem delta imputieren wir eine binäre Zufallszahl
mit (delta = 1) = und (delta = 0) = 1 − . Für Fälle mit unbekanntem n501 und
unbekanntem delta imputieren wir Zufallszahlen mit den Wahrscheinlichkeiten

 ̂ = 0, n501
 (delta ̂ = 0) = (delta
 ̂ = 0|n501
 ̂ = 0) (n501
 ̂ = 0) = 1 − ̂ ,

 ̂ = 0, n501
 (delta ̂ = 1) = (delta
 ̂ = 0|n501
 ̂ = 1) (n501
 ̂ = 1) = (1 − ̂) ̂ ,

 ̂ = 1, n501
 (delta ̂ = 1) = (delta
 ̂ = 1|n501
 ̂ = 1) (n501
 ̂ = 1) = ̂ ̂ .

Schätzung der effektiven Reproduktionszahl

Wir schätzen die effektive Reproduktionszahl für Fälle mit bekannter und imputierter
Information zur Delta-Variante und für Fälle mit anderer Variante als die Delta-
Variante, wie in RICHTER et al. (2020) beschrieben. Aufgrund der zu kleinen Anzahl
von Fällen mit anderen Varianten als die Delta-Variante, subsummieren wir jene Fälle
unter Fälle mit „andere Variante“. Diese Gruppe besteht allerdings zum
überwiegenden Teil aus Fällen der Alpha-Variante (B.1.1.7). Das zur Schätzung der
Reff verwendete serielle Intervall basiert auf einer Gammaverteilung mit Mittelwert
3.37 und Standardabweichung 1.83 (RICHTER et al. (2021)).

Resultate

Die Auswertung wurde mit Daten zum Stand 21.07.2021 durchgeführt.

Die modellierte und beobachtete N501 Prävalenz, die Prävalenz der Delta-Variante
bei den N501 Fällen und die Prävalenz der Delta-Variante unter allen Fällen sind in
den Abbildungen 1-3 in Abhängigkeit von Bundesland und Kalenderwoche
dargestellt.

Die effektive Reproduktionszahl für den Zeitraum 09.05.2021 bis 19.07.2021 ist in
Abbildung 4 dargestellt. In diesem Zeitraum schwankt Reff der Delta-Variante
zwischen 1,0 und 1,5 und für den 19.07.2021 liegt sie bei 1,34 (95% Konfidenz-
intervall: 1,29–1,39).

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Abbildung 1: Modellierte (blau) und beobachtete (schwarz) N501 Prävalenz
(basierend auf PCR und Sequenzierung) nach Bundesland und Kalenderwoche,
Österreich, 26.04.2021 bis 19.07.2021.

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Abbildung 2: Modellierte (blau) und beobachtete (schwarz) Delta-Varianten-Prävalenz
bei Fällen mit N501 (basierend auf PCR und Sequenzierung) nach Bundesland und
Kalenderwoche, Österreich, 26.04.2021 bis 19.07.2021.

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Abbildung 3: Modellierte (blau) und beobachtete (schwarz) Delta-Varianten-Prävalenz
(basierend auf PCR und Sequenzierung) nach Bundesland und Kalenderwoche,
Österreich, 26.04.2021 bis 19.07.2021.

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Abbildung 4: Effektive Reproduktionszahl der Delta-Variante und aller anderen
Varianten (basierend auf PCR und Sequenzierungsergebnissen). Fehlende Fall-
basierte Daten bezüglich der Varianten wurden imputiert. Die grauen Bereiche stellen
jeweils 95%-Konfidenzintervalle für Reff dar. Österreich, 09.05.2021 bis 19.07.2021.

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Referenzen

RICHTER, L., SCHMID, D., STADLOBER, E. (2020): Methodenbeschreibung für die
Schätzung von epidemiologischen Parametern des COVID19 Ausbruchs, Österreich.
https://www.ages.at/download/0/0/e03842347d92e5922e76993df9ac8e9b28635caa/
fileadmin/AGES2015/Wissen-
Aktuell/COVID19/Methoden_zur_Sch%C3%A4tzung_der_epi_Parameter.pdf; letzter
Zugriff: 22.07.2021

RICHTER, L., TRAUNER, F., SCHMID, D., STADLOBER, E. (2021): Aktuelle Schätzung
des seriellen Intervalles von COVID19, 2021, Österreich.
https://www.ages.at/download/0/0/840fb2b85eb49b8f744d8d971614125ae197ab10/
fileadmin/AGES2015/Wissen-Aktuell/COVID19/serial_interval_update2021_2021-06-
14.pdf; letzter Zugriff: 22.07.2021

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