Schweizer Warenexporte im Zeichen der Frankenstärke
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Monatsthema Schweizer Warenexporte im Zeichen der Frankenstärke Bereits der weltweite Konjunktur einbruch von 2008/09 hatte die Exportwirtschaft stark betroffen. Mit der Frankenstärke nur zwei Jahre später folgte binnen kurzer Zeit ein weiterer Rückschlag. Erschwerend kommt hinzu, dass die Frankenstärke gegenwärtig mit einem erneuten Abflauen der Weltkonjunktur zusammenfällt. Bis Ende 2011 ist ein dramati scher Einbruch der Exporte noch ausgeblieben. Ist die Gefahr ge bannt, oder müssen wir in den kommenden Monaten mit einer drastischen Verschlechterung der Situation rechnen? Im folgenden Artikel wird ein nach Wirtschafts zweigen differenziertes Bild ge Während einige Unternehmen durch die Entwicklung am Devisenmarkt in ihrer Existenz bedroht sind, scheint das Frankenhoch an anderen Exporteuren spurlos vorbeizugehen, so z. B. an der Uhrenindustrie. Foto: Keystone zeichnet und aufgeizeigt, welche Faktoren die Exportentwicklung 2007 praktisch wieder erreicht hatten. Seit der einzelnen Branchen wie stark Ein rauer Wind für die Exporteure her geriet das Wachstum deutlich ins Stocken beeinflussen. Der früher so erfolgsverwöhnten Export (siehe Grafik 1). industrie bläst seit einigen Jahren ein rauer Wind entgegen. Die wachstumsträchtigen Steht das Schlimmste erst noch bevor? Jahre nach der Jahrtausendwende wurden 2008/09 von einem der grössten Nachfrage Ein dramatischer Einbruch, welcher ange einbrüche der Nachkriegszeit unterbrochen. sichts der Aufwertung von bis zu 30% gegen Kaum war diese Krise einigermassen über über den wichtigsten Währungen zu be wunden, stellte die Eurokrise und die damit fürchten war, ist bis Ende 2011 nicht erfolgt. verbundene Frankenhausse die Exportindus Wechselkursänderungen entfalten aber ihre trie neuerlich vor eine grosse Herausforde volle Wirkung auf die Exporte erst mit einiger rung. Mit der Einführung der Untergrenze Verzögerung, da Verträge oft längerfristig aus für den Franken-Euro-Kurs durch die Schwei gelegt sind. Es stellt sich daher die Frage, ob zerische Nationalbank (SNB) hat sich die ein starker Einbruch der Exporte aufgrund des Ronald Indergand Situation immerhin leicht entspannt. Die Frankenhochs noch immer befürchtet werden Ressort Konjunktur, Schweizer Unternehmen konnten sich seit muss, und wenn ja, welche Branchen am meis Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Bern September 2011 darauf verlassen, dass sich ten betroffen wären. Während einige Unter der Franken nicht noch weiter aufwerten nehmen durch die Entwicklung am Devisen würde. Dies schützt die Unternehmen vor ei markt in ihrer Existenz bedroht sind (z.B. in ner weiteren Margenerosion und erhöht die der MEM-Industrie), scheint das Frankenhoch Planungssicherheit. Mit durchschnittlich ca. an anderen Exporteuren spurlos vorbeizuge 1,23 Franken/Euro (September-Dezember) hen (z.B. Uhrenindustrie). Es ist somit auf bewegt sich der Wechselkurs seither aber schlussreich, die verschiedenen Exportbran Dr. Kornel Mahlstein noch immer auf einem sehr hohen Niveau. chen bzw. Kategorien der Güterexporte separat Ressort Konjunktur, Es mag erstaunen, dass die Gesamtexpor zu analysieren. Dies wurde mit den Daten der Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Bern te trotz dieser ungünstigen Entwicklungen Oberzolldirektion (durch das Seco preis- und bereits Mitte 2011 ihren Höchststand von saisonbereinigt) durchgeführt. 8 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2012
Monatsthema Grafik 1 weltweite Güternachfrage, wovon auch die Entwicklung der schweizerischen Warrenexporte, 1989–2011 Schweizer Exporte profitieren. Umgekehrt (real, verkettet, Referenzjahr 2000, in Mio. CHF) brachen die Schweizer Exporte z.B. im Kri senjahr 2008/09 durch einen drastischen Fall Chemikalien und verwandte Erzeugnisse Präzisionsinstrumente/Uhren/Bijouterie der Weltnachfrage ein. Metalle, Maschinen/ Apparate/Elektronik Übrige Rubriken Zum anderen wird die Nachfrage durch deren Preise relativ zur ausländischen Kon- 60000 kurrenz beeinflusst. Sind die Schweizer Ex porteure im Vergleich mit den ausländischen Anbietern teuer, so leiden die Exporte ten 50000 denziell. Hierbei kommt auch der Wechsel kurs ins Spiel, was an einem Beispiel veran 40000 schaulicht werden soll: Fragt eine deutsche Firma eine Maschine eines Schweizer Her stellers nach, so ist letztlich nicht der Preis in 30000 Franken, sondern der Preis in Euro massge bend, denn die Konkurrenzprodukte werden 20000 in der Regel in Euro angeboten. Wertet sich der Franken gegenüber dem Euro auf, so ver teuert sich die Schweizer Maschine in Euro 10000 gerechnet, ohne dass sich an den Kosten oder der Marge des Schweizer Herstellers etwas 0 geändert hätte. Um eine solche Verschlechte rung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 auszugleichen, kann der Schweizer Hersteller Anmerkung: Da reale, verkettete Reihen nicht additiv Quelle: OZD, SECO / Die Volkswirtschaft sind, entspricht in der vorliegenden Grafik das Total der entweder versuchen, die Herstellungskosten Rubriken nicht ganz dem tatsächlichen Total der realen zu senken, oder er kann auf einen Teil seiner Warenexporte. Die Fehler sind jedoch vernachlässigbar Marge verzichten. In der kurzen Frist bleibt klein und ändern nichts an den Interpretationen. Determinanten der Exportentwicklung oftmals nur letztere Möglichkeit. So mussten Die Entwicklung der Exporte wird übli in den letzten beiden Jahren viele Schweizer cherweise mithilfe zweier Faktoren model Unternehmen ihre Marge senken, um eine liert: Zum einen hängen die Exporte vom noch grössere Erosion ihrer preislichen Wett Gang der Weltwirtschaft ab. Befindet sich die bewerbsfähigkeit zu verhindern. se in einer Hochkonjunktur, so steigt die Mittels ökonometrischer Methoden kann der Einfluss der Weltnachfrage vom Einfluss Kasten 1 der preislichen Wettbewerbsfähigkeit ge trennt und quantifiziert werden. Es lässt sich Erklärungen zu den verwendeten Variablen also schätzen, wie stark die Exportindustrie Die Weltnachfrage Wechselkurses auch von der Preispolitik der von der Nachfrage getrieben wird und wie Die wichtigste Determinante der Nachfrage Schweizer Unternehmen sowie deren Konkurren- stark sie unter der gegenwärtigen Erosion ih nach Schweizer Exporten ist die Einkommensent- ten abhängt, was eine Vielzahl von Informationen rer preislichen Wettbewerbsfähigkeit leidet, wicklung in der übrigen Welt. Diese lässt sich mit voraussetzt. Generell gilt, dass eine nominale der BIP-Entwicklung relativ zuverlässig messen. Aufwertung der Landeswährung sowie eine im wobei letzteres durch Änderungen der Ex Der Indikator für die Weltnachfrage ist daher ein Vergleich zum Ausland höhere Preis- und Kosten- portpreise in Franken (Herstellungskosten, Mittelwert der BIP-Wachstumsraten der wichtigs- dynamik im Inland der Wettbewerbsfähigkeit der Marge), der Preise von Konkurrenten und ten Handelspartner der Schweiz, jeweils anhand Schweizer Exportindustrie schadet. des Wechselkurses hervorgerufen werden der Exportanteile gewichtet. Die Gewichte ändern Oftmals wird daher als Preisvariable der reale sich dabei über die Zeit, je nach Anteil an den Aussenwert des Schweizer Frankens (nomineller kann. Die vorliegende Analyse konzentriert Schweizer Exporten der einzelnen Länder. Wechselkurs, deflationiert mit dem Inflationsdif- sich somit auf die Effekte von exogenen Än Berücksichtigt wurden: Deutschland (19,3%), ferential der Konsumentenpreise) gegenüber den derungen der beiden genannten Variablen. USA (10%), Italien (9%), Frankreich (7,8%), wichtigsten Handelspartnern der Schweiz ver- Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäu Ver. Königreich (4,9%), Spanien (3,5%), China wendet. Dieser Berechnungsmethode unterliegt (3,4%), Österreich (3,3%), Japan (3,0%), Hong- die Annahme, dass sich die Kosten der Exportgü- schen, dass zumindest in der langen Frist kong (2,5%), Indien (1,4%), Singapur (1,3%), ter ungefähr im Gleichschritt mit der generellen weitere Faktoren die Schweizer Exporte be Kanada (1,3%), Brasilien (1,3%), Australien Teuerung entwickeln. Ist diese Art Deflationie- einflussen. So sind beispielsweise eine gute (1,1%), Russland (1%) und Schweden (0,9%). Die rung für die Gesamtexporte noch relativ gut, so Qualität der Produkte (Innovationskraft) berücksichtigten Länder repräsentieren insge- ergeben sich aber Schwierigkeiten bei einer Sek- samt rund 75% der schweizerischen Exporte. Die toranalyse. Denn in einigen Branchen dürfte sich oder bessere Rahmenbedingungen durch den Angaben in Klammern beziehen sich jeweils auf die Preisentwicklung von der generellen Preisent- Staat notwendige Voraussetzungen für eine das Jahr 2010. wicklung (Konsumenten- und Produzentenpreise) florierende Exportwirtschaft. deutlich unterscheiden. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Aus diesem Grund wurden in der vorliegenden Als zweite wesentliche Grösse beeinflusst die Analyse die Preisvariablen branchenspezifisch Gesamte Warenexporte: Weltnachfrage preisliche Wettbewerbsfähigkeit den Export. Im berechnet. Verwendet wurden dabei Export- Gegensatz zur Weltnachfrage ist die Messung der sowie Produzentenpreise. Diese wurden ähnlich wirkt rasch, Preise zeitverzögert preislichen Wettbewerbsfähigkeit schwieriger, wie im Falle der Weltnachfrage mittels den Expor- da diese neben der Entwicklung des nominellen tanteilen einzelner Länder gewichtet. Betrachtet man die Exporte auf aggregier ter Ebene, hängen diese grösstenteils von der 9 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2012
Monatsthema Grafik 2 einem hohen Niveau und ist der Spielraum Preiselastizität der Schweizer Warenexporte, 2000–2011 zur Senkung der Margen ausgeschöpft, so verlieren Schweizer Firmen zunehmend Total Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie Papier/Papierwaren/Grafische Erzeugnisse Kunden an die Konkurrenz im Ausland. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass auch län 0.9 gerfristig die Weltnachfrage dominiert, ob wohl die Preiseffekte stärker werden. 0.8 Zusätzliche Analysen deuten darauf hin, dass die Preiselastizität über die letzten Jahre 0.7 tendenziell gesunken ist (siehe Grafik 2).3 0.6 Dieser Befund deckt sich mit der Tatsache, dass weniger preissensitive Branchen wie die 0.5 Pharma- oder Luxusuhrenexporte in den letzten Jahrzehnten massiv an Gewicht in 0.4 den Gesamtexporten gewonnen haben (siehe 0.3 Grafik 1). Für die gesamten Warenexporte wurde eine ähnliche Analyse in dieser Zeit 0.2 schrift bereits präsentiert.4 Zusätzlich wur den nun die verschiedenen Kategorien der 0.1 Warenexporte derselben Analyse unterzo 0.0 gen.5 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Anmerkung: Berechnung mittels Time Varying Coefficient Model. Quelle: Mahlstein, Indergand / Die Volkswirtschaft Beträchtliche Branchenunterschiede6 In Hinblick auf die Nachfrage- und Prei selastizitäten zeigen sich erwartungsgemäss Weltwirtschaftsentwicklung ab. Steigt die Unterschiede zwischen den einzelnen Sekto Weltnachfrage um 1%, so hat dies eine mehr ren. Pauschalaussagen zur gesamten Export als doppelt so starke, positive Wirkung auf industrie müssen aufgrund dieser Differen die Schweizer Exporte.1 Die preisliche Wett zen mit einiger Vorsicht formuliert werden, bewerbsfähigkeit der Schweizer Unterneh wenn es darum geht, Auswirkungen von men – und damit der Wechselkurs – spielt Wechselkurs- oder Konjunkturschwankun kurzfristig eine klar untergeordnete Rolle. gen abzuschätzen. Längerfristig2 ist der Effekt hingegen deutlich Die Unterschiede zwischen den einzelnen höher. Eine Verschlechterung der preislichen Rubriken sind insbesondere im Falle der Wettbewerbsfähigkeit um 1% bewirkt nach Auslandnachfrage relativ ausgeprägt. Einige einigen Quartalen eine Senkung der Exporte Exportrubriken – wie z.B. die Chemieexpor von gegen 0,5%. Preisliche Effekte brauchen te – scheinen deutlich stärker von einer stei zu ihrer vollen Entfaltung also Zeit. Dies ist genden ausländischen Nachfrage zu profitie unter anderem damit zu erklären, dass Fir ren als beispielsweise die Exporte von men zum Teil an Lieferverträge gebunden Textilien oder Papierprodukten. Im Falle der sind und nicht von einem Tag auf den an Preissensitivität sind die Exportrubriken ho dern den Lieferanten wechseln können. Ver mogener; aber auch hier sind Unterschiede harrt aber der Wechselkurs längerfristig auf erkennbar. So weisen beispielsweise die Che mieerzeugnisse in den letzten Jahren eine Tabelle 1 deutlich geringere Preiselastizität auf als die Anteile der einzelnen Rubriken an den gesamten Warenexporten (nominal), 2010 Papierexporte. Zudem ergeben sich Unter schiede bezüglich kurz- und langfristiger Ef Chemikalien und verwandte Erzeugnisse 37.2% fekte, wie zum Beispiel in der MEM-Indust Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie 18.1% rie. Deren Exporte reagieren in der kurzen Maschinen, Apparate, Elektronik 17.8% Frist nicht sehr preissensibel. Langfristig hin Metalle 6.2% gegen weisen diese Rubriken eher eine über Edelmetalle, Edel-/Schmucksteine, Kunst, Antiquitäten 4.9% durchschnittlich hohe Preissensitivität auf. Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 4.2% Zusammenfassend können die verschie Energieträger inkl. elektrischem Strom 2.8% denen Exportrubriken in drei Gruppen ein Leder, Kautschuk, Kunststoffe 2.2% geteilt werden. Fahrzeuge 2.0% Textilien, Bekleidung, Schuhe 1.7% Gruppe 1: Dominierende Nachfrageeffekte Papier, Papierwaren und Grafische Erzeugnisse 1.4% Die Rubriken Chemie, Leder/Kautschuk/ Wohnungseinrichtungen, Spielzeuge usw. 0.7% Kunststoffe, Fahrzeuge, Energieträger (inkl. Steine und Erden 0.4% Strom) und Uhren/Präzisionsinstrumente/ Quelle: OZD, SECO / Die Volkswirtschaft Bijouterie reagieren besonders stark auf Än 10 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2012
Monatsthema Grafik 3 sche Nachfrage, stark regulierte Gesundheits Ausgewählte Exportrubriken, 2007–2011 systeme) als die übrigen Chemieexporte. (real, verkettet, Referenzjahr 2000, Index 2007 = 100) Im Falle der Uhren/Präzisionsinstrumen te/Bijouterie lässt sich der Rückgang der Leder, Kautschuk, Kunststoffe Metalle Präzisionsinstrumente, Preissensitivität mit der jüngsten Expansion Uhren und Bijouterie Chemikalien und verwandte Erzeugnisse Maschinen, Apparate, Elektronik der Luxusgüterexporte insbesondere im asia tischen Raum begründen (siehe Grafik 3). So 120 reagieren beispielsweise die Verkäufe von Lu xusuhren deutlich weniger preissensitiv als jene von gewöhnlichen Gütern. Grund für 110 die trotzdem eher hohe Preiselastizität dürfte der hohe Anteil an Präzisionsinstrumenten 100 von über 40% in dieser Rubrik sein. Diese dienen oft als Investitionsgüter und sind langfristig relativ preiselastisch. 90 Gruppe 2: Unsichere Nachfrageeffekte, langfristig hohe Preissensibilität 80 Auch die Exportrubriken Metalle und Maschinen/Apparate/Elektronik konnten in 70 den letzten beiden Jahren stark vom Anstieg der ausländischen Nachfrage profitieren (sie 60 he Grafik 3). Allerdings zeigt die längerfristi 2007 2008 2009 2010 2011 ge Betrachtung, dass der Nachfrageeffekt Quelle: Mahlstein, Indergand / Die Volkswirtschaft nach einigen Quartalen geringer wird. Grund dafür könnte sein, dass beide Rubriken zu ei nem grossen Teil von den Investitionen im Ausland abhängen, welche in der Regel deut derungen in der Weltnachfrage. Mit Ausnah lich volatiler als die BIP-Entwicklung sind. me der letztgenannten Rubrik ist auch die Erholt sich die Weltwirtschaft, so ergibt sich Preissensibilität relativ stark ausgeprägt; sie bei vielen Firmen ein grosser Investitionsbe wird aber von den Nachfrageeffekten deut darf. In dieser Phase des Konjunkturzyklus lich überlagert. Diese Branchen waren es spielt der Preis einer Maschine eine etwas denn auch, welche sich trotz der ungünstigen weniger wichtige Rolle. Was zählt, ist der Entwicklung des Wechselkurses nach 2009 Nachfrage gerecht zu werden. Lässt das Wirt sehr gut behaupten konnten (siehe Grafik 3). schaftswachstum nach, so sind viele Kapazi Dank dem weltweiten Wiederaufschwung täten unterausgelastet, und der Bedarf an In seit 2009 haben deren Exporte ihren Höchst vestitionsgütern sinkt rapide. Aufgrund stand von 2007 beinahe wieder erreicht dieses zyklischen Verhaltens wachsen die Ex (Leder/Kautschuk/Kunststoffe) oder bereits portrubriken Metalle und Maschinen/Appa überschritten (Chemie, Präzisionsinstru rate/Elektronik kurzfristig rund viermal mente/Uhren/Bijouterie, Energie). Im Falle schneller als die Weltnachfrage. Langfristig der Fahrzeuge ist die Interpretation etwas entwickeln sich diese hingegen ungefähr im 1 In den letzten Jahrzehnten sind die weltweiten Exporte schwieriger, da diese Rubrik eine ausgespro Gleichschritt mit der Weltwirtschaft. rund doppelt so stark gestiegen wie das Welt-BIP. Daher überrascht auch die starke Abhängigkeit der Schweizer chen hohe Volatilität aufweist. Preissensitiv sind diese beiden Rubriken Exporte von der Weltnachfrage kaum. Es ist jedoch mög- Die positive Entwicklung darf aber nicht aber in der langen Frist (Preiselastizität nahe lich, dass sich dieser langfristige Zusammenhang in Zu- kunft ändern kann. darüber hinwegtäuschen, dass die Exporte bei 1), was auf längerfristig ausgerichtete 2 Im Rahmen eines Fehlerkorrekturmodells lässt sich zwi- einiger der genannten Branchen durchaus Verträge hindeutet (Preisbindungen). Ange schen kurzfristiger Dynamik und langfristigen Effekten (Kointegrationsbeziehung) unterscheiden, sofern die preissensitiv reagieren. Bei den beiden gröss sichts dieser Ergebnisse verwundert es nicht, Variablen bestimmte Bedingungen erfüllen (u.a. ten Rubriken dieser Gruppe – Chemische dass sich viele Exportunternehmen dieser Integration, Kointegration). 3 Ein Aufteilen des Datensatzes in zwei Zeitperioden und Produkte sowie Uhren/Präzision/Bijouterie Branchen vermehrt schwierigen Bedingun separate Schätzung erlaubt Rückschlüsse für unter- – scheint die Preissensitivität in den letzten gen ausgesetzt sehen. schiedliche Nachfrage- und Preissensitivitäten. Elabo- riertere Methoden schätzen die Koeffizienten dynamisch Jahren allerdings deutlich abgenommen zu (Time Varying Coefficient Model). Letztere Methodik haben. Neben der positiven Entwicklung der Gruppe 3: Relativ geringe Nachfrage- und relativ deutet auf eine seit einigen Jahren leicht sinkende Preis Weltnachfrage nach 2009 dürften diese Ex hohe Preissensibilität elastizität der Gesamtexporte hin. 4 Vgl. Doytchinov S., Schmidbauer F.: Schweizer Warenex- portrubriken also zusätzlich stark von einer Schliesslich lassen sich drei Exportrubri porte im Hoch – eine Ursachenanalyse, in: Die Volkswirt- schaft, 7/8-2007, S. 38 ff.; siehe auch Konjunkturten- geringen Preis- und Wechselkurssensibilität ken identifizieren welche sich derzeit in einer denzen Frühjahr 2010. profitiert haben. Dies könnte in der erstge besonders unkomfortablen Lage befinden: 5 Die Rubriken Landwirtschaft, Edelmetalle sowie Steine/ Erden wurden aufgrund zu starker staatlicher Regulie- nannten Rubrik auf das starke Wachstum der Papier/Papierwaren/grafische Erzeugnisse, rung oder mangelhafter Datenbasis nicht analysiert. Pharmabranche zurückzuführen sein, welche Textilien/Bekleidung/Schuhe sowie Woh 6 Eine ausführliche Erläuterung der Schätzmethode sowie der Resultate erscheint in der Frühjahrsausgabe der vermutlich einem geringeren Preiswettbe nungseinrichtungen/Spielzeuge. Diese Sek Konjunkturtendenzen. werb unterliegt (Patentschutz, preisinelasti toren sind einem relativ starken, internatio 11 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2012
Monatsthema Grafik 4 samten Warenexporte der Schweiz der Effekt Ausgewählte Exportrubriken, 2007–2011 der Auslandnachfrage klar dominiert. Unter (real, verkettet, Referenzjahr 2000, Index 2007 = 100) geordnet sind aber auch auf aggregierter Ebe ne von der Preisvariable bzw. dem starken Textilien, Bekleidung, Papier, Papierwaren und Wohnungseinrichtungen, Franken spürbare Effekte zu erwarten. Wie Schuhe grafische Erzeugnisse Spielzeuge usw. stark diese im Aggregat sind, hängt jeweils 110 davon ab, inwiefern ungünstige Wechsel 105 kurseffekte durch Preissenkungen kompen siert werden können. 100 95 Fazit 90 Sowohl für die Entwicklung der Gesamt exporte wie für den Grossteil der Einzelrub 85 riken spielt die Weltnachfrage die entschei 80 dende Rolle. Jedoch können für fast alle Branchen signifikante Effekte der preislichen 75 Wettbewerbsfähigkeit – und damit des Wech 70 selkurses – nachgewiesen werden. Die Unter schiede zwischen den einzelnen Branchen 65 sind teilweise beträchtlich, was die unter 60 schiedliche Entwicklung der Exportrubriken 2007 2008 2009 2010 2011 der letzten Jahre zu einem grossen Teil er Quelle: Mahlstein, Indergand / Die Volkswirtschaft klärt. Dass es aufgrund der sehr ungünstigen Entwicklung des Wechselkurses bisher nicht zu einem deutlichen Einbruch der gesamten nalen Preiswettbewerb ausgesetzt und haben Warenexporte gekommen ist, lässt sich auf es scheinbar schwer, gegen die ausländischen drei Tatsachen zurückführen: Konkurrenten zu bestehen. Von der Welt − Erstens wurden in einigen Branchen die nachfrage konnten diese Sektoren in den negativen Effekte des Wechselkurses durch letzten beiden Jahren am wenigsten profitie die starke Entwicklung der Auslandnach ren. Die jüngste Aufwertung des Schweizer frage mehr als wettgemacht. Frankens sowie allfällige Preissenkungen im − Zweitens ist die Preiselastizität in einigen Ausland dürften sich hier vergleichsweise für die Schweiz wichtigen Branchen stark ausgewirkt haben. Entsprechend konn (Pharma, Uhren) relativ gering oder weist ten sich diese Exportrubriken vom Einbruch einen Abwärtstrend auf. 2008/09 bis heute kaum erholen oder liegen − Drittens haben die meisten Unternehmen – wie im Fall der Rubrik Papier/Papierwaren/ einen gewissen Preissetzungsspielraum, grafische Erzeugnisse – sogar deutlich unter mit dem sie einem starken Wechselkurs dem Niveau von 2009 (siehe Grafik 4). entgegenwirken können. So hat sich die relative Wettbewerbsfähigkeit beispiels Vorteilhafter Produktemix der Gesamtexporte weise in den Sektoren Metalle oder Leder/ Die Exportkategorien der ersten Gruppe Kautschuk/Kunststoffe in den letzten Jah (Chemie, Leder/Kautschuk/Kunststoffe, Fahr ren vergleichsweise wenig verschlechtert. zeuge, Energieträger und Uhren/Präzisions instrumente/Bijouterie) sind im Aggregat mit Einschränkend bleibt zu erwähnen, dass Abstand am bedeutendsten. Angesichts dieser die vorliegende Analyse eine vergangenheits Tatsache überrascht es nicht, dass für die ge bezogene Betrachtung ist. Somit ist nicht auszuschliessen, dass sich die Zusammen Tabelle 2 hänge – und damit die geschätzten Elastizitä Weltnachfrage und Preiselastizität – Exportbranchen in der Übersicht ten – mittel- bis langfristig wieder ändern Preiselastizitäta werden. Für die kommenden Quartale sind Weltnachfragea Tief [0.25] Mittel [0.25–0.5] Hoch [0.5] allerdings bei einigen Exportrubriken weiter Hoch Chemikalien Leder, Kautschuk, Kunststoffe Präzisionsinstrumente, Uhren hin belastende Effekte der harten Währung [2] und verwandte und Bijouterie Erzeugnisse Fahrzeuge zu erwarten. Eine viel wichtigere Rolle spielt Mittel Energieträger inkl. elektrischem Maschinen, Apparate, Elektronik jedoch die wirtschaftliche Entwicklung in [1–2] Strom Metalle den Exportdestinationen. Bleiben die Kon Tief Textilien, Bekleidung, Schuhe Papier, Papierwaren junkturaussichten – insbesondere in Europa [1] Wohnungseinrichtungen, und Grafische Erzeugnisse – eher düster, dürfte auch bei den meisten Spielzeuge usw. Exportrubriken mit nur mässigem Wachs a Langfristige Elastizitäten der Fehlerkorrekturmodelle. Quelle: Indergand, Mahlstein / Die Volkswirtschaft Die Elastizitäten sind teilweise sensibel bezüglich der tum zu rechnen sein. m Wahl der Zeitperiode. 12 Die Volkswirtschaft Das Magazin für Wirtschaftspolitik 1/2-2012
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