Unfallgeschehen beim Ski- und Snow-boardfahren in der Schweiz
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bfu-Grundlagen Unfallgeschehen beim Ski- und Snow- boardfahren in der Schweiz Autoren: Bern 2015 Giannina Bianchi, Othmar Brügger bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung
35 bfu-Grundlagen Unfallgeschehen beim Ski- und Snow- boardfahren in der Schweiz Unfallausmass, Risikoabschätzung und Entwicklung Autoren: Bern 2015 Giannina Bianchi, Othmar Brügger bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung
Impressum Herausgeberin bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung Postfach 8236 CH-3001 Bern Tel. +41 31 390 22 22 Fax +41 31 390 22 30 info@bfu.ch www.bfu.ch Bezug als PDF auf www.bfu.ch/bestellen, Art.-Nr. 2.253 Autoren Giannina Bianchi, MSc ETH, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Forschung, bfu Othmar Brügger, MSc ETH, Teamleiter Forschung Sport und Haus/Freizeit, bfu Redaktion Othmar Brügger, MSc ETH, Teamleiter Forschung Sport und Haus/Freizeit, bfu Projektteam Steffen Niemann, M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu © bfu 2015 Alle Rechte vorbehalten; Reproduktion (z. B. Fotokopie), Speicherung, Verarbeitung und Ver- breitung sind mit Quellenangabe (s. Zitationsvorschlag) gestattet. Zitationsvorschlag Bianchi G, Brügger O, Unfallgeschehen beim Ski- und Snowboardfahren in der Schweiz: Unfallausmass, Risikoabschätzung und Entwicklung. Bern: bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2015. bfu-Grundlagen. ISBN 978-3-906173-67-2 (PDF) Aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir darauf, konsequent die männliche und weibliche Formulierung zu verwenden. Aufgrund von Rundungen sind im Total der Tabellen leichte Differenzen möglich. Wir bitten die Lesenden um Verständnis.
Inhalt I. Zusammenfassung / Summary / Résumé 5 1. Unfallgeschehen beim Ski- und Snowboardfahren in der Schweiz: Unfallausmass, Risikoabschätzung und Entwicklung 5 2. Injuries in skiing and snowboarding in Switzerland: accident situation, risk estimation and development 6 3. Accidentalité lors de la pratique du ski et du snowboard en Suisse: ampleur, estimation du risque et évolution 7 II. Einleitung 8 III. Sportausübung 10 1. Schneesport der Schweizer Wohnbevölkerung 10 2. Schneesport auf Schweizer Pisten 11 2.1 Skier-Day (Skifahrertag) und Transportkapazität 11 2.2 Schweizer Schneesportler in der Schweiz 12 2.3 Ausländische Schneesportler in der Schweiz 12 IV. Unfallgeschehen 13 1. Ausmass 13 1.1 Datengrundlagen 13 1.2 Verletzungen 14 1.2.1 Schneesportverletzungen der Schweizer Wohnbevölkerung 14 1.2.2 Schneesportverletzungen der ausländischen Gäste 15 1.2.1 Total der Unfälle auf Schweizer Pisten 16 1.2.2 Entwicklung der Unfallzahlen 16 1.3 Tödliche Unfälle 19 1.3.1 Unfallhergang 20 1.3.2 Alter und Herkunft 21 2. Unfallrisiko 22 2.1 Verletzungsrisiko 22 2.2 Risiko eines tödlichen Unfalls 25 3. Personen-Kollisionen 26 4. Verletzungsschwere 28 5. Verletzungslokalisation 29 5.1 Skifahren 31 bfu-Grundlagen Inhalt 3
5.2 Snowboardfahren 31 5.3 Verletzungsrisiko nach Körperteil 32 5.4 Entwicklung der Verletzungslokalisation 32 5.4.1 Skifahren 33 5.4.2 Snowboardfahren 34 5.4.3 Einfluss der persönlichen Schutzausrüstung PSA 35 6. Unfallkosten 37 V. Diskussion und Schlussfolgerungen 39 VI. Anhang 41 1. Glossar 43 Quellen 45 4 Inhalt bfu-Grundlagen
I. Zusammenfassung / Summary / Résumé 1. Unfallgeschehen beim Ski- und in Anzahl Verletzungen angegeben, die sich wäh- Snowboardfahren in der Schweiz: rend einer Dauer von 100 000 Stunden Exposition Unfallausmass, Risikoabschätzung ergeben. Die Schweizer Bevölkerung erleidet rund und Entwicklung 46 Verletzungen pro 100 000 Stunden Skifahren und 68 Verletzungen während der gleichen Zeit auf Ski- und Snowboardfahren gehören zu den belieb- dem Snowboard. Zudem betrug das Sterberisiko in testen Sportarten in der Schweiz. Jedes Jahr sind ca. Folge eines Unfalles beim Ski- oder Snowboardfah- 2,520 Millionen Einwohner der Schweiz zumindest ren 0,74 pro 1 Million Skier-Days. gelegentlich mit Skiern auf den Pisten unterwegs, 367 000 mit dem Snowboard. Die Anzahl aktiver Unfälle führen nicht nur zu grossem Leid, sondern Schneesportler aus der Schweizer Wohnbevölke- auch zu hohen Kosten. Im Jahr 2011 generierten die rung hat zwischen 2007 und 2013 zugenommen. Skiunfälle der Schweizer Wohnbevölkerung materi- Trotzdem registrieren die Schweizer Skistationen elle Kosten in der Höhe von 441,4 Mio. CHF, Snow- seit Jahren eine leicht rückläufige Anzahl der Skier- boardunfälle von 71,2 Mio. CHF. Days (gebräuchliche Grösse für die Anzahl Schnee- sporttage aller Schneesportler gemeinsam). Der Schneesport entwickelt sich stets weiter. Neue Schneesportgeräte kamen über die Jahre auf und Aktuell verletzen sich jedes Jahr durchschnittlich die Ausrüstung, die Förderanlagen sowie auch die 87 000 Schneesportler auf Schweizer Pisten so Pistenpräparierung wurden laufend modernisiert. Es schwer, dass sie ärztlich behandelt werden müssen. ist jedoch nicht immer klar, wie sich diese Verände- In den letzten 15 Jahren ist die Anzahl Verletzte in rungen auf das Risiko und die Schwere verschiede- der Schweiz relativ stabil geblieben. Auch die Anzahl ner Verletzungen ausgewirkt haben. der Getöteten hat in diesem Zeitraum weder zu- noch abgenommen. Basierend auf Studien aus dem Das Verletzungsrisiko im Schneesport ist im Kanon Ausland kann aber davon ausgegangen werden, aller Sportarten im Mittelfeld zu situieren. Zwar ist dass das Verletzungsrisiko in den 70er-Jahren noch das expositionsbezogen Verletzungsrisiko im Ver- deutlich höher war. gleich zu anderen Sportarten relativ gering. Trotz- dem ereignen sich wegen der grossen Beliebtheit Das Verletzungsrisiko lag im 5-Jahresschnitt 2007– des Schneesports in der Schweiz nach wie vor viele 2011 auf Schweizer Pisten bei 3,2 Verletzten pro Verletzungen. Um das Unfallgeschehen möglichst 1000 Skier-Days oder in der international gebräuch- gering zu halten oder gar zu vermindern, sind wei- lichen Einheit für Schneesportunfälle bei 314 MDBI tere Präventionsanstrengungen im Bereich des Ver- (Mean Day Between Injury, also durchschnittliche haltens (z. B. Tragverhalten persönliche Schutzaus- Anzahl Tage zwischen zwei Verletzungsereignissen). rüstung) und der Verhältnisse (z. B. sicherer Bau von Allgemein wird im Sport das Verletzungsrisiko aber Snowparks) erforderlich. bfu-Grundlagen Zusammenfassung / Summary / Résumé 5
2nd Injuries in skiing and snowboarding Accidents not only cause great suffering but also in Switzerland: accident situation, high costs. In 2011, skiing accidents among Swiss risk estimation and development residents incurred material costs of 441.4 million Swiss francs, snowboard accidents 71.2 million Skiing and snowboarding are two of the most pop- Swiss francs. ular sports in Switzerland. Each year, some 2.520 million Swiss residents take to the slopes at least oc- Snow sports are constantly evolving. Over the years, casionally on skis, 367,000 on snowboards. The new equipment has been introduced and transport number of active snow sports enthusiasts in the facilities and slope preparation and maintenance Swiss population has risen between 2007 and 2013. continuously modernised. It is however not always Nevertheless, the number of skier days (the custom- clear what effect this has had on the risk and sever- ary unit used to measure the accumulated number ity of various injuries. of skiing/snowboarding days of all practitioners) has seen a slight decline in Swiss ski resorts in recent Across all types of sport, the injury risk in snow years. sports ranks in midfield. Although the exposure-re- lated injury risk is quite low in comparison to other On Swiss slopes today, an average of 87,000 snow types of sport, snow sports’ popularity in Switzer- sports practitioners annually sustain injuries serious land means that injury occurrence remains high. Fur- enough to require medical attention. Injury numbers ther prevention efforts targeting behaviour (e.g. the have remained relatively stable in the last 15 years, wearing of personal protective equipment) and con- and the number of fatalities has neither increased ditions (e.g. the safer construction of snow parks) nor decreased during this period. Based on studies are needed in order to minimise or even reduce ac- from abroad, it can be assumed that the injury risk cident occurrence. was significantly higher in the 1970s. In a five-year average for 2007–2011, the risk of in- jury on Swiss slopes amounted to 3.2 injuries per 1000 skier days or, in the internationally used unit of measurement for snow sports accidents, 314 MDBI (mean days between injury, i.e. the average number of days between two injury events). In sports activities in general however, injury risk is ex- pressed in the number of injuries recorded during an exposure period of 100,000 hours. The Swiss popu- lation suffers some 46 injuries per 100,000 hours of skiing activity and 68 snowboard injuries during the same period. The fatality rate is 0.74 deaths per 1 million skier days (0,69 for skiers and 0.95 for snow- boarders). 6 Zusammenfassung / Summary / Résumé bfu-Grundlagen
3e Accidentalité lors de la pratique du 46 blessures pour 100 000 heures de ski et 68 pour ski et du snowboard en Suisse: le même temps passé sur un snowboard. Par ail- ampleur, estimation du risque et leurs, le risque de décès à la suite d’un accident est évolution de 0,74 par million de journées-skieurs (0,69 pour le ski, 0,95 pour le snowboard). Le ski et le snowboard comptent parmi les sports les plus populaires en Suisse. Chaque année, quelque Les accidents engendrent de grandes souffrances et 2,520 millions de résidents suisses pratiquent au des coûts considérables. En 2011, les accidents de moins occasionnellement le ski sur les pistes, et ski de la population résidante suisse ont occasionné 367 000 le snowboard. Si le nombre d’adeptes actifs des coûts matériels de l’ordre de CHF 441,4 millions des sports de neige parmi la population résidante et les accidents de snowboard, CHF 71,2 millions. suisse a progressé entre 2007 et 2013, les stations de ski suisses enregistrent depuis des années un lé- De nouveaux progrès voient cesse le jour dans le do- ger recul du nombre de journées-skieurs (cette gran- maine des sports de neige: apparition de nouveau deur communément utilisée quantifie les jours de matériel, modernisation de l’équipement, des re- sports de neige cumulés par l’ensemble des adeptes montées mécaniques ou encore de la préparation de ces sports). des pistes. Mais l’impact de ces changements sur le risque et la gravité des blessures n’est pas toujours Actuellement, en moyenne 87 000 pratiquants des clair. sports de neige se blessent chaque année si griève- ment sur les pistes suisses qu’ils doivent se sou- Le risque de blessures lors de la pratique des sports mettre à un traitement médical. Ces 15 dernières de neige est de niveau intermédiaire comparé à celui années, le nombre de blessés est resté relativement des autres sports. Rapporté à l’exposition, il est stable en Suisse, tout comme celui des tués. Des même relativement faible par rapport à celui études étrangères permettent néanmoins de suppo- d’autres sports. Pourtant, les blessures restent nom- ser que le risque de blessures était sensiblement plus breuses en raison de la popularité des sports de élevé dans les années 1970. neige en Suisse. Pour limiter autant que possible l’accidentalité, il est indispensable de poursuivre les En moyenne quinquennale pour la période 2007– efforts de prévention comportementale (p. ex. com- 2011, il était de 3,2 blessés pour 1000 journées- portement en matière de port des équipements de skieurs sur les pistes suisses, soit 314 MDBI (Mean protection individuelle) et situationnelle (p. ex. cons- Days Between Injury ou nombre moyen de jours truction de snowparks sûrs). entre deux accidents ayant occasionné des bles- sures; unité internationale usuelle pour les accidents de sports de neige). D’une manière générale, le risque de blessures dans le sport est toutefois ex- primé au moyen du nombre de blessures subies pen- dant une durée d’exposition de 100 000 heures. Pour la population suisse, on obtient environ bfu-Grundlagen Zusammenfassung / Summary / Résumé 7
II. Einleitung Die Schweizer Bevölkerung treibt vor allem Sport, bahnunternehmen und weiteren 285 «Skiliftunter- um draussen in der Natur zu sein, die Gesundheit zu nehmen» mit ausschliesslich kantonal bewilligten fördern und Spass zu haben [1]. Ski- und Snow- Anlagen betrieben [4]. boardfahren decken diese Bedürfnisse ab und gehö- ren bei uns zu den beliebtesten Sportarten. Zudem In den letzten gut 30 Jahren haben sich auch immer lockt der Schneesport auch viele ausländische Gäste wieder neue Schneesportgeräte etabliert. Das be- auf die Schweizer Pisten. kannteste Beispiel ist das Snowboard, das in Ame- rika und Europa ab Mitte der 80er-Jahre einen enor- Der Schneesport hat sich über die Jahre verändert. men Aufschwung erlebte [5]. Mit der Entwicklung Neue Schneesportgeräte kamen auf und die Ausrüs- von Stahlkanten, Belägen und Highback-Schalen- tung, die Förderanlagen sowie die Pistenpräparie- bindungssystemen wurden die Snowboards besser rung wurden laufend modernisiert bzw. weiterent- fahrbar und Snowboardfahren zum Trendsport für wickelt. junge Schneesportler. Bereits 1930 erlebte der Wintersport einen Boom, Zu Beginn der 90er-Jahre kamen dann die «Big Foot worauf die ersten Seilbahnen ausschliesslich zur Be- Ski» auf den Markt. Ab Mitte der 90er-Jahre etab- förderung von Skifahrern gebaut wurden [2]. 1934 lierte sich unter den Bezeichnungen «Skiboard» o- wurde in Davos der erste Bügellift weltweit eröffnet, der «Snowblade» eine Form von Kurzski, die das 1944 der erste Sessellift auf dem Jochpass in Engel- Konzept des «Big Foot» kopierten [6]. Diese Kurzski berg. Die ersten Pistenpräparationsmaschinen wur- haben eine Länge von unter 1 m, eine vergleichs- den bereits in den späten 60er- und frühen 70er- weise stark ausgeprägte Taillierung und bis heute Jahren eingesetzt. keine Auslösebindung, sondern ein starres Bin- dungssystem. Nach wie vor kommen die Bahnbetreiber dem Wunsch der Wintersportgäste nach mehr Förder- Ebenfalls in den 90er-Jahren wurde schliesslich der kapazität und Komfort nach. Schlepplifte werden Carvingski mit seiner neuen Geometrie (kürzer und vermehrt durch leistungsstarke und komfortable stärker tailliert als herkömmliche Skier) entwickelt Sessel- oder Gondelbahnen ersetzt. Heute werden [2]. Innerhalb von weniger als 10 Jahren verdrängte in der Schweiz total 2470 eidgenössisch oder kan- er den herkömmlichen Ski völlig aus dem Markt [6]. tonal bewilligte Anlagen betrieben: 834 Schlepp- Zurzeit geht der Trend eher in Richtung breitere und lifte, 229 Förderbänder, 531 Kleinskilifte, 53 etwas längere Ski. So sind besondere Zuwachsraten Standseilbahnen, 120 Pendelbahnen, 345 Sessel- derzeit im Bereich der «All-Mountain-Ski» zu ver- und 123 Kabinenumlaufbahnen sowie 235 Klein- zeichnen, die sich zum Fahren auf und neben der seilbahnen [3]. Diese werden von rund 220 Seil- Piste eignen. 8 Einleitung bfu-Grundlagen
Ebenso verändert hat sich die Verwendung persön- licher Schutzausrüstung. Der Anteil Helmträger un- ter den Schneesportlern auf Schweizer Pisten ist seit dem Winter 2002/03 von 16 % auf heute 89 % (Winter 2013/14) angestiegen [7]. Auch der Rücken- schutz wird immer häufiger getragen. Von den Snowboardern schützen heute 42 %, von den Ski- fahrern 14 % ihren Rücken mit einem Protektor. An- ders verhält es sich bei der Verwendung des Hand- gelenkschutzes für Snowboarder. Die Tragquote hat bis in den Winter 2006/07 auf 42 % zugenommen, dann aber wieder abgenommen und lag im vergan- genen Winter (2013/14) bei 28 % [7]. Durch die neuen Schneesportgeräte und den damit veränderten Fahrstil entstanden auch neue Bedürf- nisse. So übertrugen die Snowboarder das Konzept der Halfpipe der Skateboarder auf den Schnee und es entwickelten sich Snowparks [2]. Auch der Fahr- stil mit den Carvingski stellte neue Anforderungen an die Pisten: Diese sollten eingeebnet und griffig sein. Einen starken Einfluss auf den Schneesport hat auch der Einsatz von Beschneiungsanlagen. Nach den schneearmen Wintern der 70er-Jahre trat ein ver- stärktes Bedürfnis nach technischer Beschneiung auf [2]. Im Jahr 2000 waren knapp 5 % der gesamt- haft präparierten Pistenfläche technisch beschneit, im Winter 2012/13 bereits 41 % (92 km2) [3]. Alle diese Veränderungen hatten einen Einfluss auf die Entwicklung des Unfallgeschehens im Schnee- sport. In diesem Bericht werden die Ski- und Snow- boardunfälle in der Schweiz seit Mitte der 80er- Jahre detailliert dargestellt. Auch wird die Entwick- lung des Verletzungsrisikos im Schneesport in den vergangenen drei Jahrzehnten analysiert. bfu-Grundlagen Einleitung 9
III. Sportausübung Um das Unfallgeschehen besser verstehen zu kön- bzw. 11,9 %, die zumindest ab und zu auf den Ski- nen, ist es wichtig, sowohl das Schneesportverhal- ern bzw. dem Snowboard anzutreffen sind (Stand ten der Schweizer Bevölkerung, als auch jenes der 2007) [8]. Ski fahren die Kinder und Jugendlichen ausländischen Gäste zu kennen. Das Ausmass und an durchschnittlich 12 Tagen pro Jahr, Snowboard die Entwicklung der Unfälle müssen in Relation zur an 14 Tagen. Anzahl Ski- und Snowboardfahrer und deren Expo- sitionszeit auf den Pisten analysiert werden. Auch Hochgerechnet auf die ständige Wohnbevölkerung für einen Vergleich des Verletzungsrisikos mit jenem der Schweiz [9] fahren somit 2 190 000 Erwachsene anderer Sportarten wird die Expositionszeit als Be- (15–74 Jahre) sowie 166 000 Kinder und Jugendli- zugsgrösse verwendet. che (10–14 Jahre) Ski, 316 000 Erwachsene sowie 48 000 Kinder und Jugendliche Snowboard. Allgemein werden die in diesem Bericht verwende- ten Fachbegriffe und Abkürzungen im Glossar nä- Um den Anteil der Kinder unter 10 Jahren und der her erläutert. Senioren über 74 Jahren abschätzen zu können, werden die Auswertungen einer jährlich wiederkeh- 1. Schneesport der Schweizer Wohn- renden Erhebung von Ski- und Snowboardfahrern in bevölkerung 20 repräsentativen Schneesportgebieten der Schweiz hinzugezogen [10]. Im Durchschnitt der Gemäss einer nationalen repräsentativen Umfrage Jahre 2009–2014 betrug in einer zufälligen Stich- des Observatoriums «Sport und Bewegung Schweiz» probe (n = 26 631) der Anteil der Kinder unter fahren 35,4 % der Schweizer Wohnbevölkerung Tabelle 1 Berechnung der Anzahl Schneesportler auf Schweizer Pisten mit zwischen 15 und 74 Jahren zumindest ab und zu Wohnsitz in der Schweiz Ski, 5,1 % Snowboard (Stand 2013) [1] (Tabelle 1). Skifahren Snowboarden Gegenüber den letzten beiden Erhebungen in den Jah- Kinder, 10–14 Jahre* Anteil 41,0 % 11,9 % ren 1999 sowie 2007 ist der Anteil der Skifahrer an der Anzahl 166 498 48 325 Schweizer Bevölkerung angestiegen (1999–2007: Jugendliche und Anteil 35,4 % 5,1 % Erwachsene, 15–74 Jahre* Anzahl 2 189 971 315 504 +3,8 Prozentpunkte, 2007–2013: +8,8 Prozent- Total, 10–74-Jährige Anzahl 2 356 469 363 829 punkte), während das Snowboardfahren nur zwi- Kinder unter 10 Jahre** Anteil 5,9 % 0,8 % schen 1999 und 2007 an Beliebtheit (+0,8 Prozent- Anzahl 148 697 2937 Senioren über 74 Jahre** Anteil 0,6 % 0,1 % punkte) gewonnen hat (2007–2013:– 0,1 Prozent- Anzahl 15 122 367 punkt). Sowohl die Ski- als auch die Snowboardfah- Total 2 520 288 367 133 rer geben an, durchschnittlich 10 Tage pro Jahr ih- * Sport Schweiz 2014 und 2008 ** Abschätzung aus Datenbank PSA Ski/SB ren Sport auszuüben. Bei den Kindern und Jugend- Ständige Wohnbevölkerung Schweiz 2012: lichen im Alter von 10 bis 14 Jahren sind es 41,0 % 10–14 Jahre: 406 092 Personen 15–74 Jahre: 6 186 360 Personen 10 Sportausübung bfu-Grundlagen
10 Jahren mit Wohnsitz in der Schweiz 5,9 % wird im Idealfall beim ersten Einlass durch die (CI 5,0–6,8 %) bei den Skifahrern bzw. 0,8 % Schleuse in der Talstation gezählt [11]. Die Skier- (CI 0,4–1,3 %) bei den Snowboardern. Senioren Days sind ein guter Messwert für die Frequentierung über 74 Jahre machten bei den Skifahrern einen An- der Schneesportgebiete. teil von 0,6 % (CI 0,4–0,8 %) aus. Über 74-jährige Snowboardfahrer sind auf Schweizer Pisten kaum Die Entwicklung der Skier-Days der letzten 20 Jahre zu beobachten (0,1 %, CI 0,0–0,1 %). Dadurch er- [11] zeigt eine leicht rückläufige Tendenz (Abbil- höht sich die Anzahl der Ski- und Snowboardfahrer dung 1). Im Winter 2013/14 registrierten die mit Wohnsitz in der Schweiz um rund 164 000 Ski- Schweizer Skistationen 23,9 Millionen Skier-Days, fahrer und 3000 Snowboardfahrer. was dem tiefsten Wert seit Beginn der 90er-Jahre entspricht. Somit sind jedes Jahr ca. 2,520 Millionen Einwohner der Schweiz mit Skiern bzw. 367 000 mit dem Die Angabe des Totals der Skier-Days lässt keine nä- Snowboard zumindest gelegentlich auf den Pisten here Beschreibung der Schneesportler auf den Pis- unterwegs. ten nach Sportart oder Herkunftsland zu. Die ge- samte Transportkapazität in allen Skigebieten der 2. Schneesport auf Schweizer Pisten Schweiz, d. h. die potenzielle Förderleistung der Bahnen, hat seit den 90er-Jahren zugenommen 2.1 Skier-Day (Skifahrertag) und Trans- (Abbildung 2) [3]. Bei den Sessel- und Gondelbah- portkapazität nen hat diese stetig zugenommen, dafür sinkt seit Jahren die Transportkapazität der Schlepplifte, da Im Schneesport ist der «Skier-Day» die gebräuchli- diese durch bequemere Transportanlagen ersetzt che Angabe für die Expositionszeit. Skier-Day («Ski- werden oder kleine Gebiete den Betrieb einstellen. fahrertag») bezeichnet den Tagesbesuch eines Schneesportlers in einem Schneesportgebiet und Abbildung 1 Abbildung 2 Entwicklung der Skier-Days, 1989/90–2013/14 Transportkapazität der Seilbahnen pro Stunde nach Anlagetyp, 1990–2013 40 000 000 900000 270 35 000 000 800000 240 30 000 000 700000 210 600000 180 25 000 000 500000 150 20 000 000 400000 120 300000 90 15 000 000 200000 60 10 000 000 100000 30 0 0 5 000 000 1990 1995 2000 2005 2010 0 Transportkapazität Luft-, Stand- und Kleinseilbahnen (pro Stunde) 03/04 89/90 91/92 93/94 95/96 97/98 99/00 01/02 05/06 07/08 09/10 11/12 13/14 Transportkapazität Schlepplifte (pro Stunde) Anzahl Skier-Days Beförderte Personen in Mio. (Geschäftsjahr), nur Luft- und Standseilbahnen (rechte Skala) Quelle: Vanat L., 2014 [11] Quelle: Seilbahnen Schweiz, 2014 [3] bfu-Grundlagen Sportausübung 11
2.2 Schweizer Schneesportler in der Eine Studie zum Tourismus im Bereich Schneesport Schweiz geht davon aus, dass die Hälfte der Gäste in Schwei- zer Skistationen aus dem Ausland sind [14]. Dabei Schweizer Schneesportler üben ihre Sportart zum sind aber wahrscheinlich alle Aufenthaltstouristen in Teil auch in Skigebieten im Ausland aus. Gemäss den Skigebieten gemeint, also auch diejenigen aus- Herleitung in Kapitel IV.1.2.1, S. 14 wird geschätzt, ländischen Gäste, die zwar im Skigebiet als Aufent- dass nur 83,8 % der Exposition beim Skifahren und haltstouristen zählen, aber nicht selber Ski oder 90,7 % derjenigen beim Snowboardfahren auf Pis- Snowboard fahren. ten in der Schweiz realisiert werden. 2.3 Ausländische Schneesportler in der Schweiz Eine zufällige Auswahl von Schneesportlern in 20 re- präsentativen Schneesportgebieten der Schweiz (n= 26 631) zeigt, dass rund 1/4 der Schneesportler auf den Schweizer Pisten Gäste aus dem Ausland sind [12]. Den grössten Anteil machen die Gäste aus Deutschland aus. Von den Skifahrern auf den Schweizer Pisten kamen im Durchschnitt der Winter 2009–2014 26,6 % aus dem Ausland (CI 21,1– 32,0 %). Bei den Snowboardern war der Anteil aus- ländischer Gäste etwas geringer als bei den Skifah- rern und betrug 20,3 % (CI 16,2–24,5 %). Im An- hang wird dargestellt, wie sich dieser Anteil über die Jahre entwickelt hat. Ausländische Gäste weisen eine ähnliche Verweil- dauer auf den Pisten auf (in Anzahl effektiver Stun- den pro Tag ab Eintritt ins Skigebiet bis zum Austritt) wie die Schweizer Bevölkerung [13]. Die Anzahl Schneesporttage pro Saison unterscheidet sich je- doch. So ist insbesondere der Anteil der Skifahrer aus dem Ausland, welche nur eine Woche pro Jahr auf den Pisten sind, deutlich höher als bei der Schweizer Wohnbevölkerung (41 vs. 19 %). Bei den Snowboardern sind die Unterschiede sehr gering. 12 Sportausübung bfu-Grundlagen
IV. Unfallgeschehen Die in diesem Bericht verwendete Definition eines auf Schweizer Pisten beachtet werden. Dafür wer- «Unfalls» respektive einer «Verletzung» basiert auf den verschiedene Datenquellen herangezogen. dem Unfallversicherungsgesetz UVG. Eine Verlet- zung ist als eine Schädigung des menschlichen Kör- Die UVG-Statistik der Sammelstelle für die Statistik pers durch einen äusseren Faktor definiert. Dabei ist der Unfallversicherung SSUV ist eine Hochrechnung der Unfall das nicht beabsichtigte Ereignis, welches einer 5 %-Stichprobe aller registrierten Nichtberufs- die schädigende Einwirkung auf die menschliche unfälle der obligatorisch nach dem Unfallversiche- Gesundheit hat. Im Schneesport, anders als im Stras- rungsgesetz UVG versicherten ca. 16- bis 65-jähri- senverkehr, wird nur von einem Unfall gesprochen, gen angestellt erwerbstätigen Personen. Die Anzahl wenn sich dabei mindestens eine Person verletzt. der Versicherten steigt jährlich und umfasste 2011 Zudem werden nur Verletzungen berücksichtigt, die rund 3,9 Millionen Vollbeschäftigte (Entwicklung im eine medizinische Behandlung (Arzt oder Spital) res- Anhang [16]). Die Skiunfälle können in der UVG-Sta- pektive Versicherungsleistungen erfordern. Überlas- tistik bis ins Jahr 1984, die Snowboardunfälle bis tungsschäden oder Krankheiten werden also nicht 1995 zurückverfolgt werden. Vor 1995 wurde das berücksichtigt. Snowboardfahren noch nicht als eigene Sportart er- fasst und zu der Kategorie «Übriger Wintersport» Als tödliche Unfälle werden Unfälle bezeichnet, bei gezählt. Über die Entwicklung der Schneesportun- denen die Opfer vor Ort oder innerhalb von 30 Tagen fälle der Kinder und Nicht-Erwerbstätigen im glei- an den erlittenen Verletzungen sterben. Todesfälle, chen Zeitraum kann anhand dieser Statistik keine die auf ein Herz-Kreislaufversagen zurückzuführen Aussage gemacht werden. sind, werden nicht als Unfälle bezeichnet und werden in die folgenden Analysen nicht einbezogen. Aus an- Die bfu-Studie zum Gesamtunfallgeschehen (GUG) deren Statistiken geht hervor, dass zu den Getöteten liefert eine vollumfängliche Übersicht über das Un- aufgrund von Unfällen auf den Pisten nochmals etwa fallgeschehen [17]. Sie erlaubt damit auch eine ge- die gleiche Anzahl an Opfer aufgrund von Herz-Kreis- nauere Beurteilung des Unfallgeschehens von Kin- laufversagen hinzukommt [15]. dern und Senioren. 1. Ausmass Hinweise für eine Hochrechnung der Unfallzahlen von Kindern, Senioren und auch ausländischen Gäs- 1.1 Datengrundlagen ten liefert die Statistik der Verletztentransporte im Schneesport [18]. In Zusammenarbeit mit den Seil- Um das gesamte Ausmass des Unfallgeschehens im bahnen Schweiz SBS erhebt die bfu seit 1987 Anga- Nichtberufs-Unfallbereich (NBU) abschätzen zu kön- ben zu Schneesportunfällen der Rettungsdienste nen, müssen alle Schneesportunfälle der Schweizer von aktuell 136 der 271 SBS-Mitglieder. Wohnbevölkerung sowie der ausländischen Gäste bfu-Grundlagen Unfallgeschehen 13
Die bfu-Hochrechnung ist schliesslich eine Schät- Um das Unfallausmass auf Schweizer Pisten ab- zung der Anzahl Verletzter der Schweizer Wohn- schätzen zu können, müssen die Unfälle der Schwei- bevölkerung aufgrund der verschiedenen Daten- zer Wohnbevölkerung, die sich beim Skitourenge- quellen [19]. hen oder auf Pisten im Ausland ereignen, abgezo- gen werden. Eine Abschätzung der jeweiligen An- Die tödlichen Unfälle auf Schweizer Pisten werden in teile wird mit Hilfe der UVG-Statistik (ø 2007–2011) der bfu-Statistik der tödlichen Sportunfälle erfasst vorgenommen [22]. Gemäss UVG-Statistik ereigne- [20]. Die Datenbank umfasst alle tödlichen Unfälle, ten sich im Durchschnitt 1,9 % der Skiverletzungen die sich seit 2000 während der Ausübung einer sport- beim Tourengehen. Diese werden in der folgenden lichen Aktivität ereignet haben. Im Schneesport wer- Berechnung abgezogen (Entwicklung im Anhang, den die erhobenen Fälle mit den Unfallstatistiken der Tabelle 8, S. 41). Ebenso subtrahiert werden die Un- SSUV, des Schweizer Alpen-Clubs SAC sowie des fälle der Schweizer Wohnbevölkerung, die sich beim WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF Ski- und Snowboardfahren auf Pisten ausserhalb der abgeglichen. Auch die Angaben aus der Todesursa- Schweiz ereignet haben: 16,2 % beim Ski- bzw. chenstatistik des Bundesamts für Statistik BFS werden 9,3 % beim Snowboardfahren (Entwicklung im An- einbezogen [21]. Die BFS-Statistik ist eine vollständige hang, Tabelle 9, S. 41). Zudem sind 4,4 % bzw. Erhebung der verstorbenen Personen der ständigen 2,0 % der verletzten Ski- bzw. Snowboardfahrer Schweizer Wohnbevölkerung. Sie enthält bei tödli- zwar in der Schweiz erwerbstätig und damit UVG- chen Unfällen nur rudimentäre Angaben zum Unfall- versichert, aber nicht in der Schweiz wohnhaft (v. a. hergang. Grenzgänger) (Entwicklung im Anhang, Tabelle 10, S. 41). Auch diese Unfälle werden zur Einschätzung Je nach Schnee- und Wettersituation ergeben sich des Unfallausmasses der Schweizer Wohnbevölke- grosse Schwankungen in der Häufigkeit der Un- rung abgezogen. fälle. Daher ist es sinnvoll, zur Berechnung des ge- samten Ausmasses von einem Mehrjahresschnitt Tabelle 2 Berechnung des Ausmasses der verletzten Ski- und Snowboard- auszugehen. fahrer auf Schweizer Pisten, Ø 2007–2011 Ski- Snowboard- 1.2 Verletzungen fahren fahren Schweizer Wohnbevölkerung Anzahl Verletzte* Anzahl 50 520 14 808 1.2.1 Schneesportverletzungen der Schwei- Verletzte beim Tou- Anteil 1.9% rengehen** Anzahl -960 zer Wohnbevölkerung Verletzte auf Pisten Anteil 16.2% 9.3% im Ausland** Anzahl -8 184 -1 377 Im Durchschnitt (ø 2007–2011) verletzten sich pro Verletzte mit Wohn- Anteil 4.4% 2.0% sitz im Ausland** Anzahl -2 223 -296 Jahr rund 50 520 Ski- und 14 808 Snowboardfahrer Total 39153 13135 der Schweizer Wohnbevölkerung so schwer, dass sie Ausländische Gäste Ausländische Anteil 42.8% 27.2% ärztlich behandelt werden mussten (Tabelle 2) [19]. Gäste*** Anzahl 29 296 4 907 Total 68 449 18 042 * bfu-Hochrechnung ** UVG-Statistik *** Verletztentransporte im Schneesport 14 Unfallgeschehen bfu-Grundlagen
Einige der in der UVG-Statistik erfassten Unfälle im Der Anteil der Snowboarder bei den Touristen aus Schneesport haben sich ausserhalb offizieller dem Ausland beträgt einen Fünftel (20,3 %), der Schneesportgebiete, z. B. auf einem Übungshang Anteil der Skifahrer hingegen gut einen Viertel ohne Liftanlage, ereignet. Dieser Anteil kann nicht (26,6 %). Auch demographisch unterscheiden sich quantifiziert werden, ist aber vermutlich klein und die ausländischen Gäste von den Schneesportlern wird darum in der folgenden Berechnung vernach- aus der Schweiz. Skifahrer aus dem Ausland sind lässigt. durchschnittlich älter. Zudem wird davon ausgegan- gen, dass ausländische Schneesportler im Vergleich Auf den Pisten in der Schweiz verletzten sich zu den Schweizer Schneesportlern eher über weni- demzufolge im Durchschnitt der Jahre 2007 bis ger gute fahrtechnische Fertigkeiten verfügen. Aus 2011 rund 39 000 Ski- sowie 13 000 Snowboard- der Literatur ist bekannt, dass ältere Schneesportler fahrer der Schweizer Wohnbevölkerung. ein tieferes Verletzungsrisiko haben als jüngere, An- fänger und Ungeübte dafür eine höheres Verlet- 1.2.2 Schneesportverletzungen der ausländi- zungsrisiko als Fortgeschrittene und Könner. schen Gäste Der Anteil der ausländischen Gäste könnte ausge- Auch die Unfälle der ausländischen Gäste auf hend von dieser Statistik jedoch überschätzt wer- Schweizer Pisten müssen zum Beschreiben des Ge- den: ausländische Gäste suchen im Falle einer Ver- samtunfallausmasses berücksichtigt werden. Ge- letzung vermutlich etwas häufiger den Pistenret- mäss der der Statistik der Verletztentransporte im tungsdienst auf, als Ski- und Snowboardfahrer mit Schneesport lag der Anteil der verletzten Skifahrer Wohnsitz in der Schweiz. Gäste aus dem Ausland aus dem Ausland im Durchschnitt der Winter haben in der Schweiz keinen Hausarzt und kennen 2007/08–2010/2011 bei 42,8 %, bei den Snow- meist keinen anderen direkten Zugang zu medizini- boardern bei 27,2 % [23] (Entwicklung im Anhang, scher Versorgung. Tabelle 12, S. 42). Dies ist die einzige verfügbare Ba- sis, um das Ausmass der verletzten Schneesportler Ein quantitativer Vergleich des Verletzungsrisikos aus dem Ausland abzuschätzen. In einer Erhebung der ausländischen Schneesportler auf Schweizer Pis- aus dem 2003 unterschieden sich verletzte auslän- ten zum Verletzungsrisiko der Schweizer Schnee- dische Gäste, die den Pistenrettungsdienst in An- sportler lässt sich nicht anstellen. Für die folgende spruch nahmen, in Bezug auf ihre Verletzungs- Berechnung wird darum der Anteil der ausländi- schwere nicht von den Verletzten aus der Schweizer schen Gäste in der Statistik der Verletztentransporte Wohnbevölkerung. Denn die beiden Gruppen un- als Bezugsgrösse eingesetzt. terschieden sich im Anteil der Verletzten, die nach der Betreuung durch den Rettungsdienst noch in ei- Ausgehend von 39 000 verletzten Skifahrern der ner Arztpraxis behandelt oder ins Spital gebracht Schweizer Wohnbevölkerung und einem Anteil wurden, nur um rund einen Prozentpunkt. Dieser von 42,8 % ausländischen Gästen bei den Ver- Prozentpunkt wird in der folgenden Berechnung letztentransporten wird hochgerechnet, dass sich vernachlässigt. rund 30 000 Skifahrer aus dem Ausland auf bfu-Grundlagen Unfallgeschehen 15
Schweizer Pisten verletzen. Verletzte Snow- Seilbahnen Schweiz. Dies gilt vor allem für viele boardern aus dem Ausland machen knapp Kleinunternehmen. Vermutlich werden aber auch 5000 aus (Tabelle 2). von einzelne Unternehmungen zwar Daten online erfassen, aber nicht vollständig alle von ihren Ret- 1.2.1 Total der Unfälle auf Schweizer Pisten tungsdiensten betreuten Fälle. Grob geschätzt de- cken die Schneesportgebiete, die ihre Daten über Insgesamt verletzten sich auf Schweizer Pisten im den gemeinsamen Online-Zugang erfassen 80 % Durchschnitt der Jahre 2007–2011 rund 87 000 der Verletztentransporte der Pistenrettungsdienste Schneesportler aus dem In- und Ausland, davon in der Schweiz ab. 69 000 Skifahrer und 18 000 Snowboarder. 1.2.2 Entwicklung der Unfallzahlen In der Statistik der Verletztentransporte im Schnee- sport wurden im vergangenen Winter (2013/14) die Die UVG-Statistik ermöglicht aufzuzeigen, wie sich Unfälle von rund 7500 Skifahrern und 1800 Snow- die Anzahl der verletzten, angestellt erwerbstätigen boardfahrern, also total 9300 Verletzte über ein ge- Jugendlichen und Erwachsenen beim Ski- und meinsames online-Portal erfasst [18]. Damit beläuft Snowboardfahren verändert hat (Abbildung 3). sich das gesamte Unfallgeschehen der bfu-Hoch- rechnungen auf das 9-Fache. Der gewichtigste Fak- Die Anzahl der Skiunfälle hat zwischen Mitte der tor dafür, dass in der Statistik der Verletztentrans- 80er- und 90er-Jahre immer wieder zu- und abge- porte nur einen Bruchteil der Fälle abgedeckt, liegen nommen (Abbildung 3). Diese starken Schwankun- darin, dass Schneesportler mit Schweizer Wohnsitz, gen sind kaum mit dem Einfluss von Risikofaktoren insbesondere bei leichteren Verletzungen direkt zu auf der Piste erklärbar. Seit Mitte der 90er-Jahre ist einen Arzt oder ins Spital gehen, ohne den Pisten- die Anzahl der Skiunfälle relativ stabil geblieben und rettungsdienst in Anspruch zu nehmen. Ausserdem die Schwankungen im Kurvenverlauf sind primär auf erfassten bisher noch nicht alle Schneesportgebiete die Exposition der Schneesportler zurückzuführen. der Schweiz ihre Unfälle über den Onlinezugang von Die Exposition ihrerseits hängt von den jeweiligen Abbildung 3 Abbildung 4 Entwicklung der Verletztenzahlen beim Ski- und Snowboardfah- Entwicklung der Verletztenzahlen beim Ski- und Snowboardfah- ren, UVG-Segment, 1984–2012 ren im 5-Jahresschnitt, UVG-Segment, 1984–2012 45 000 40 000 40 000 35 000 35 000 30 000 30 000 25 000 25 000 20 000 20 000 15 000 15 000 10 000 10 000 5 000 5 000 0 0 02–06 84–88 86–90 88–92 90–94 92–96 94–98 96–00 98–02 00–04 04–08 06–10 08–12 2006 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2008 2010 2012 Skifahren Snowboardfahren Total Skifahren Snowboardfahren Total 16 Unfallgeschehen bfu-Grundlagen
meteorologischen Bedingungen (Schnee- und Wet- welcher Anteil der Versicherten Schneesport be- terverhältnisse) und damit auch von der Anzahl Be- treibt. Die Erhebungen des Observatoriums Bewe- triebstage der Schneesportgebiete in einer Saison gung und Sport geben Grund zur Annahme, dass ab. Die Anzahl der Snowboardunfälle zeigt seit Be- der Anteil der Ski- und Snowboardfahrer der ginn der Erhebungen Mitte der 90er-Jahre eine ähn- Schweizer Bevölkerung zwischen 2000 und 2014 e- liche Entwicklung (Abbildung 3); wobei in den letz- her zugenommen hat (Kap. III.1, S. 10). Zudem ist ten Jahren ein leicht abnehmender Trend erkennbar über die Jahre auch die ständige Schweizer Wohn- ist. Um die jährlichen wetterbedingten Schwankun- bevölkerung stetig gewachsen [9]. Die Seilbahnen gen etwas zu dämpfen, werden in Abbildung 4 die verzeichnen jedoch im gleichen Zeitraum einen 5-Jahresschnitte der Unfallzahlen dargestellt. So Rückgang der Anzahl Skier-Days (Kap. III.2, S. 11). wird deutlicher, dass die Snowboardunfälle in den Die Expositionszeit ist nicht nur von den Tagesein- letzten Jahren tendenziell ab-, die Skiunfälle hinge- tritten, sondern auch von der Anzahl Stunden ab- gen zugenommen haben. Beim Gesamtausmass der hängig, welche die Skifahrer pro Tag effektiv auf Unfälle in beiden Sportarten lässt sich kein Trend er- den Pisten und nicht auf der Beförderungsanlage kennen. verbringen. Heute sind die Schneesportler in Bezug auf die Aufenthaltsdauer im Schneesportgebiet ver- Das Kollektiv der Versicherten, deren Unfälle in der mutlich länger effektiv am Fahren als früher, da in UVG-Statistik erfasst werden, hat über die Jahre ste- den Skigebieten die Transportkapazität der Bahnen tig zugenommen (Entwicklung im Anhang, Abbil- (Kap. III.2, S. 11) und die Beförderungsgeschwindig- dung 39, S. 42). Dies dürfte einen Einfluss auf das in keit zugenommen haben. der UVG-Statistik registrierte Ausmass der Unfälle im Schneesport gehabt haben. Dieser Einfluss kann Es kann davon ausgegangen werden, dass diese ver- jedoch nicht quantifiziert werden, da nicht klar ist, schiedenen Faktoren zwar einen Einfluss auf das Abbildung 5 Abbildung 6 Entwicklung des Anteils der Verletzten im Wintersport, UVG- Entwicklung der Anzahl der verletzten Ski- und Snowboardfah- Statistik, 1984–2012 rer nach Geschlecht, UVG-Segment, 1984–2012 100% 25 000 90% 80% 20 000 70% 15 000 60% 50% 10 000 40% 30% 5 000 20% 10% 0 2002 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2004 2006 2008 2010 2012 0% 1992 2006 1984 1986 1988 1990 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2008 2010 2012 Ski: Männer Ski: Frauen Skifahren Snowboardfahren Anderer Wintersport Snowboard: Männer Snowbaord: Frauen bfu-Grundlagen Unfallgeschehen 17
Unfallgeschehen haben, deren Quantifizierung ist je- Verletztentransporte ersichtlich (Abbildung 7). Die doch nicht möglich, da relevante Bezugsgrössen fehlen. Statistiken dokumentieren die Entwicklung der Beliebtheit der beiden Sportarten und zeigen einer- Während die absolute Anzahl der «Wintersport»-Un- seits das Aufkommen des Snowboards in den 90er- fälle in der UVG-Statistik über die Jahre relativ kon- Jahren auf, andererseits den allmählichen Rückgang stant geblieben ist, hat der relative Anteil der Skiun- von dessen Beliebtheit in den letzten Jahren in der fälle am Total abgenommen (Abbildung 5). Die Ab- Schweiz. Eine genauere Betrachtung des Kurvenver- nahme lässt sich durch die Zunahme des Anteils der laufs der Verletzten zeigt, dass sich die Unfälle der Snowboardunfälle erklären. Diese Veränderung ist Frauen sowie der Männer über die Jahre in etwa seit Beginn der 90er-Jahre auch in der Statistik der gleich entwickelt haben (Abbildung 6). Abbildung 7 Abbildung 9 Entwicklung des Anteils der Verletzten beim Ski- und Snow- Entwicklung der Anzahl der verletzten Ski- und Snowboardfah- boardfahren, Statistik der Verletztentransporte, Wintersaison rer der Schweizer Wohnbevölkerung, 2005–2011 1989/90–2013/14 70 000 100% 60 000 90% 80% 50 000 70% 60% 40 000 50% 30 000 40% 30% 20 000 20% 10 000 10% 0% 0 99/00 11/12 89/90 91/92 93/94 95/96 97/98 01/02 03/04 05/06 07/08 09/10 13/14 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Skifahren Snowboardfahren Skifahren Snwoboardfahren Total Abbildung 8 Abbildung 10 Entwicklung der Anzahl der Verunfallten beim Skifahren nach Entwicklung der Anzahl der Verunfallten beim Snowboardfah- Alter im 5-Jahresschnitt, UVG-Segment, 1984–2012 ren nach Alter im 5-Jahresschnitt, UVG-Segment, 1995–2012 10 000 6 000 8 000 5 000 4 000 6 000 3 000 4 000 2 000 2 000 1 000 0 0 02-06 03-07 84-88 86-90 88-92 90-94 92-96 94-98 96-00 98-02 00-04 04-08 06-10 08-12 95-99 96-00 97-01 98-02 99-03 00-04 01-05 02-06 04-08 05-09 06-10 07-11 08-12 15–19 20–29 30–39 15–19 20–29 30–39 40–49 50–59 60+ 40–49 50+ 18 Unfallgeschehen bfu-Grundlagen
Eine detailliertere Analyse der UVG-Statistik nach Al- 1.3 Tödliche Unfälle ter weist darauf hin, dass die Unfälle der unter 30- jährigen Skifahrer seit den 80er-Jahren abgenom- Beim Ski- und Snowboardfahren ereigneten sich im men und diejenige der über 40-Jährigen deutlich zu- 5-Jahresschnitt 35 tödliche Unfälle (Ø 2009–2013). genommen haben (Abbildung 8). Insbesondere fällt Beinahe 85 % der Getöteten fuhren zum Zeitpunkt auf, dass in den 90er-Jahren eine starke Abnahme des Unfalls abseits der markierten und vor alpinen der Anzahl Unfälle der unter 30-Jährigen stattfand. Gefahren (Lawinen, Absturz) gesicherten Pisten. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass di- Rund 2/3 der Getöteten abseits der Pisten waren zu- verse Skifahrer in dieser Altersklasse auf das Snow- dem Tourenski- oder Tourensnowboardfahrer (Abbil- board umgestiegen sind. Aber auch die Verände- dung 11). In diesem Dokument wird den Unfällen der rung der Altersstruktur des UVG-Versichertenkollek- Tourenfahrer (19 Getötete) keine weitere Beachtung tiv über die Jahre hinweg könnte einen Einfluss ha- geschenkt. In die Analyse einbezogen werden jedoch ben, was aber hier nicht berücksichtigt wurde. Unfälle von Variantenski- und Variantensnowboard- fahrern («Freerider»), da sich diese auch in den Bei den Snowboardfahrern haben die Unfälle der un- Schneesportgebieten bewegen. Sie benutzen für den ter 30-Jährigen seit Mitte der 90er-Jahre zumindest Aufstieg die Bergbahnen und fahren jedoch abseits leicht abgenommen, während die Unfallanzahlen der der markierten und gesicherten Pisten. höheren Altersklassen stagniert haben (Abbildung 10). In den Schneesportgebieten der Schweiz starben in In den letzten gut 15 Jahren sind die Unfallzahlen in den 5 Jahren 2009–2013 durchschnittlich 6 Perso- der UVG-Statistik ziemlich stabil geblieben (Abbil- nen beim Ski- oder Snowboardfahren auf den dung 4, S. 16). Dasselbe zeigt sich auch bei der Pisten sowie weitere 10 Variantenski- oder Vari- Hochrechnungen der Schneesportunfälle auf die antensnowboardfahrer abseits der markierten und ganze Wohnbevölkerung der Schweiz seit 2005 gesicherten Pisten. 12 der tödlichen Verunglückten (Abbildung 9). waren mit Skiern, 4 mit dem Snowboard unterwegs. Abbildung 11 Abbildung 12 Anteil der Getöteten nach Sportart, Ø 2009–2013 Entwicklung der Anzahl Getöteter nach Unfallort, 2000–2013 2% 1% 30 8% 25 14% 14 20 19 23 15 18 15 17 54% 9 8 12 17 7 10 10 8 21% 8 14 5 10 10 9 8 8 8 7 7 6 5 5 4 4 0 Touren-Skifahren Varianten-Skifahren 2005 2013 2000 2001 2002 2003 2004 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Skifahren alpin Varianten-Snowboardfahren Snowboardfahren Touren-Snowboardfahren Auf der Piste Abseits der Piste bfu-Grundlagen Unfallgeschehen 19
Je nach Saison ist die Anzahl der Getöteten auf der vermutlich im Zusammenhang mit den meteorologi- Piste gleich hoch oder sogar höher als die Anzahl der schen Bedingungen (Wetter-, Schneeverhältnisse) im Getöteten abseits der Piste (Abbildung 12). jeweiligen Winter. Über andere Einflüsse (z. B. Helm- tragen, Lawinenairbag) kann keine Aussage gemacht Von 2000 bis 2013 schwankt die Anzahl der Getöte- werden. ten stark und es ist kein Trend zur Zu- oder Abnahme der tödlichen Unfälle in einer Sportartengruppe zu er- 1.3.1 Unfallhergang kennen (Abbildung 13). Die Schwankungen stehen Abbildung 13 Die Hergänge der tödlichen Unfälle abseits (Abbil- Entwicklung der Anzahl Getöteter nach Sportart, 2000–2013 dung 14) und auf den markierten Pisten (Abbildung 16 15) unterscheiden sich stark. Die Variantenfahrer 14 sind den alpinen Gefahren ausgesetzt: Rund die 12 Hälfte der Getöteten starb bei einem Lawinenunfall, 10 1/4 bei einem Absturz (Abbildung 14). Hinzu kom- 8 men noch Spaltenstürze und Wechtenabbrüche. 6 4 2 Bei den Getöteten beim Ski- und Snowboardfahren 0 auf der Piste ist der häufigste Unfallhergang ein 2010 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2011 2012 2013 Sturz (Abbildung 15). Beinahe die Hälfte der Unfälle Skifahren alpin Snowboardfahren ist auf diesen Unfallhergang zurückzuführen. Der Varianten-Skifahren Varianten-Snowboardfahren zweithäufigste Grund für einen tödlichen Unfall auf der Piste ist eine Kollision mit einem Objekt. Beim Abbildung 14 Abbildung 15 Anteil der Getöteten beim Ski- und Snowboardfahren abseits Anteil der Getöteten beim Ski- und Snowboardfahren auf der der Piste nach Unfallhergang, n = 124, ∑ 2004–2013 Piste nach Unfallhergang, n = 73, ∑ 2004–2013 59.0% 49.2% Lawine/Schneebrett 39.0% Sturz 30.0% 52.0% 46.6% 19.0% 14.3% Absturz 34.0% Kollision mit Objekt 20.0% 24.0% 15.1% 7.5% 12.7% Spaltensturz 13.6% Kollision mit Person 9.7% 11.0% 6.3% 9.5% Sturz 4.5% Absturz 20.0% 5.6% 11.0% 2.5% 6.3% Wechtenabbruch Sturz nach einem Sprung 30.0% 1.6% 9.6% 2.5% 3.2% Kollision mit Objekt Lawine/Schneebrett 1.6% 2.7% 3.2% Anderer bezeichneter Unfallhergang 4.0% Unbekannt 2.0% 2.7% 3.8% 1.6% Unbekannt 4.5% Anderer bezeichneter Unfallhergang 4.0% 1.4% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% Varianten-Skifahren Varianten-Snowboardfahren Total Skifahren Snowboardfahren Total 20 Unfallgeschehen bfu-Grundlagen
Snowboardfahren führen zudem Abstürze (inkl. dem Ausland, beinahe 3/4 der Getöteten waren in Sturz vom Sessellift) sowie Stürze nach einem der Schweiz wohnhaft (Abbildung 18). Bei den töd- Sprung vermehrt zu Unfällen mit Todesfolge. lichen Unfällen abseits der markierten Pisten war fast die Hälfte der Verunglückten im Ausland wohn- 1.3.2 Alter und Herkunft haft. Mehr als die Hälfte der tödlich verunglückten Vari- antenski- und Variantensnowboardfahrer ist zwi- schen 20 und 40 Jahren alt (Abbildung 16). Bei den Variantensnowboardfahrern macht dieses Alters- segment sogar einen Anteil von 3/4 aus. Getötete Abbildung 17 Getötete beim Ski- und Snowboardfahren auf den Pisten nach im Alter von unter 10 und ab 60 Jahren sind bei den Alter, n = 73, ∑ 2004–2013 Variantenfahrern – insbesondere bei den Snow- 50% boardfahrern – selten. 40% 40% Auf den Pisten sind die tödlich verunfallten Schnee- 30% 30% sportler eher etwas älter als die Opfer, die abseits 19% 20% 18% 18% der Piste verunglücken (Abbildung 17). Bei den töd- 13% 11% 10% 10% 10% lichen Pistenunfällen ist der Anteil der tödlich Ver- 10% 6% 6% 8% 2% unfallten aus den drei Altersdekaden zwischen 40 0% 70+ < 10 11–19 20–29 30–39 40–49 50–59 60–69 Unbekannt und 69 am höchsten. Im Durchschnitt der Jahre 2004–2013 waren etwas Skifahren Snowboardfahren mehr als 1/4 der tödlich verunglückten Ski- und Snowboardfahrer auf Schweizer Pisten Gäste aus Abbildung 16 Abbildung 18 Getötete beim Ski- und Snowboardfahren abseits der Piste Getötete beim Ski- und Snowboardfahren auf und abseits der nach Alter, n = 124, ∑ 2004–2013 Piste nach Herkunft, n = 197, ∑ 2004–2013 76% 50% 46% 80% 72% 50% 50% 57% 52% 60% 50% 48% 40% 50% 43% 30% 40% 29% 28% 30% 24% 20% 19% 20% 14% 16% 14% 0% 13% Skifahren Varianten-Snowboardfahren Snowboardfahren Total Ski- und Snwoboardfahren Varianten-Skifahren Total Variantenfahren 10% 6% 5% 3%2% 2% 1%2% 0% 60+ < 10 Unbekannt 11–19 20–29 30–39 40–49 50–59 Varianten-Skifahren Varianten-Snowboardfahren Schweiz Ausland bfu-Grundlagen Unfallgeschehen 21
2. Unfallrisiko (Kap. IV.1.2.1, S. 14). In derselben Zeitspanne (Sai- sons 2006/07 bis 2010/11) verzeichneten Schweizer Die absolute Anzahl der Unfälle im Schneesport pro Schneesportgebiete durchschnittlich 27,2 Millionen Saison ist von der Gesamtexposition der Schnee- Skier-Days pro Saison (Kapitel III.2.1). In einer reprä- schneesportler in einem Gebiet abhängig. Diese ist sentativen Erhebung auf Schweizer Schneesportpis- vor allem von den Wetter- und Schneeverhältnissen ten [10] betrug der Anteil Skifahrer 79,9 % im und damit auch von der Anzahl Betriebstage der Durchschnitt der Jahre 2007–2011, 20,1 % der Schneesportgebiete abhängig. Um effektive Verän- Schneesportler waren Snowboardfahrer. Sportler derungen im Unfallgeschehen zu erkennen, müssen mit anderen Sportgeräten auf den Pisten werden in die Unfallzahlen in Relation zur Expositionszeit ge- dieser Berechung vernachlässigt. Angenommen, stellt werden. Reine Unfallhäufigkeiten sind keine dass diese Verteilung auf die Skier-Days übertragen Grundlage, um etwas über die Entwicklung des Un- werden kann, generierten die Skifahrer 21,7 Millio- fallrisikos auszusagen, da die Exposition von Saison nen, die Snowboardfahrer 5,5 Millionen Skier-Days. zu Saison stark schwanken kann. Daraus ergibt sich für die Gesamtheit der Ski- und Snowboardfahrer ein Verletzungsrisiko von 3,2 Ver- Eine oft verwendete Angabe der Exposition im letzten pro 1000 Skier-Days oder 314 MDBI. Skifah- Schneesport sind die «Skier-Days» (auch «Winter- rer erlitten rund 3,2, Snowboardfahrer 3,3 Verlet- Ersteintritte» oder «Skifahrertage» genannt), d. h. zungen auf 1000 Skier-Days, was 316 bzw. die Anzahl Tagesbesuche (auch mit dem Snowboard 306 MDBI entspricht. Das Risiko, sich als Ski- oder oder anderen Schneesportgeräten) in einem Snowboardfahrer auf Schweizer Pisten zu verletzen, Schneesportgebiet (Kap. III.2.1, S. 11). Oftmals wird ist seit dem Jahr 2005 etwa gleich geblieben (Abbil- das Verletzungsrisiko auch als MDBI «Mean Days dung 19). Between Injury» angegeben. Die MDBI ergeben sich aus dem Verhältnis der Anzahl Skier-Days zur An- Über die Höhe des Verletzungsrisikos in den 80er- zahl der Verletzungen. Je höher der MDBI ist, desto und 90er-Jahren in der Schweiz kann mittels der tiefer ist das Verletzungsrisiko. Eine gebräuchliche Angabe des Verletzungsrisiko im Sport erfolgt zu- Abbildung 19 dem mittels Bezug auf die Anzahl der Ausübungs- Entwicklung der Anzahl Verletzter beim Ski- und Snowboard- fahren pro 1000 Skier-Days, 2005–2011 stunden («Expositionsbezogene Inzidenz»). Für die Berechnung stehen für die Schweizer Wohnbevöl- 4.0 kerung gute Datengrundlagen aus 2007 zur Verfü- 3.5 gung (Kap. III.1, S. 10). 3.0 2.5 2.1 Verletzungsrisiko 2.0 1.5 Im Durchschnitt der Jahre 2007–2011 verletzten 1.0 sich rund 87 000 Ski- und Snowboardfahrer aus der 0.5 Schweiz und dem Ausland auf Schweizer Pisten 0.0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 22 Unfallgeschehen bfu-Grundlagen
vorliegenden Daten keine Aussage gemacht wer- bei der Berechnung des Unfallrisikos in der Schweiz den, da Angaben zur Gesamtexposition beim Ski- berücksichtigt. und Snowboardfahren für diesen Zeitraum fehlen. In Bezug auf die Entwicklung zeigen einige Studien, Ein etwas tieferes Verletzungsrisiko von 2,64 Verlet- wie beispielsweise jene aus den USA [25], Österreich zungen/1000 Skier-Days (Skifahrer: 2,52 Verletzte [27] und Deutschland [29] einen langfristigen leich- pro 1000 Skierdays; Snowboarder: 2,85 Verletzte ten Trend zur Abnahme des Verletzungsrisikos beim pro 1000 Skier-Days) wurde in der Wintersaison Skifahren. In Norwegen hingegen hat sich das Ri- 2012/13 in Frankreich ermittelt [24]. Gemäss einer siko, beim Ski- oder Snowboardfahren eine Verlet- amerikanischen Untersuchung verletzten sich im zung zu erleiden, zwischen 1996 und 2006 kaum Winter 2005/06 1,9 Skifahrer pro 1000 Skier-Days, verändert; es zeigt sogar eine leicht zunehmende was 525 MDBI entspricht [25], wobei die Snowboar- Tendenz [30]. In Frankreich schien das Verletzungs- der in diese Berechnung nicht eingeschlossen wur- risiko von 1992–2007 angestiegen zu sein und hat den. Auch dieses Verletzungsrisiko ist tiefer als das- erst seit 2007 abgenommen [31]. Die allgemeine Zu- jenige, welches für die Skifahrer auf Schweizer Pis- nahme in Frankreich sei vor allem auf das Verlet- ten berechnet wurde. Eine Auswertung der Daten zungsrisiko der Snowboardfahrer zurückzuführen. aus den USA zeigt auf, dass das Verletzungsrisiko Neuere Zahlen aus Frankreich zeigen, dass das Ver- der Snowboardfahrer für die Saisons 2001/02 bis letzungsrisiko beim Snowboardfahren zwischen 2005/06 im Schnitt zum Teil deutlich unter 300 2010 und 2013 wieder zugenommen hat, während MDBI lag [26] was einem Wert von 3,3 Verletzten es beim Skifahren konstant zu bleiben scheint [24]. auf 1000 Skier-Days entspricht und damit ähnlich Eine Zunahme des Verletzungsrisikos der Snow- hoch liegt, wie das Risiko fürs Snowboardfahren auf boardfahrer konnte zwischen 2001 und 2006 auch Schweizer Pisten [26]. Studien aus Österreich (Win- in Studien aus den USA beobachtet werden [26,32]. ter 2012/13) [27] und Norwegen (Winter 2008/09– 2009/10) [28] hingegen haben ein bedeutend tiefe- Koehle et al. kommen in einem Review-Artikel aus res Verletzungsrisiko berechnet (0,6 bzw. 1,29 Ver- dem Jahre 2002 zum Schluss, dass das Verletzungs- letzungen pro 1000 Skier-Days). risiko in den 70er-Jahren von zuvor 5–8 Verletzun- gen auf 3–6 Verletzungen/1000 Skier-Days gesun- Der Grund für die unerschiedlichen Risikoanalgen ken war [33]. Gemäss den Autoren erreichte das liegt vermutlich an den diversen Studiendesigns. Die Verletzungsrisiko in den 90er-Jahren schliesslich ei- Franzosen basieren ihre Unfalldaten auf die Anga- nen Level von 2–3 Verletzungen/1000 Skier-Days ben von 47 Ärzten in 32 französischen Schneesport- und zeigte kaum mehr Veränderungen auf. gebieten. Während in der norwegischen Untersu- chung nur die Angaben zu den Verletzten vom Pis- Das Verletzungsrisiko auf Schweizer Pisten bewegte tenrettungsdienst erhoben wurden, beinhalten die sich von 2005–2011 im Bereich von 2,7–3,6 Ver- österreichischen und amerikanischen Berechnungen letzte/1000 Skier-Days. Unklar ist, ob das Risiko in zusätzlich Informationen von niedergelassenen Ärz- den 70er-Jahren in der Schweiz ebenso wie in ande- ten in den Schneesportgebieten. Informationen zu ren Ländern bedeutend höher war und dann nach ei- Arztbesuchen ausserhalb der Skigebiete wurden nur ner starken Abnahme in den 90er-Jahren stagniert bfu-Grundlagen Unfallgeschehen 23
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