SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

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SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ
SELBSTSTÄNDIG LEBEN
                     MIT PROMENZ
Foto: PROMENZ/Klee
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

        Impressum:
        Herausgeberin und Verlegerin:
        Volkshilfe Österreich
        Auerspergstraße 4 • 1010 Wien
        E-Mail: office@volkshilfe.at

        in Zusammenarbeit mit PROMENZ
        Bergmillergasse 8/1/17 • 1140 Wien

        Gesamtverantwortung:
        Dir. Mag. (FH) Erich Fenninger, DSA
        Redaktion:
        Raphael Schönborn, MA
        Katharina Klee
        Mag. Teresa. Millner-Kurzbauer

        Grafik und Layout: David Gruber
        Bilder: PROMENZ/Klee (Cover),
        PROMENZ/Schönborn (Seite 10, Seite 13)
        shutterstock.com (Seite 23)

        Erscheinungsjahr: 2019

        www.promenz.at

             2   PROMENZ | Volkshilfe Österreich
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ
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INHALT

1   Vorwort                                                                                               4

2   Wir vergessen. Verluste, Ängste, Vorurteile                                                           5

    2.1 Was ist Demenz?                                                                                   5

    2.2 Wozu braucht es eine Diagnose?                                                                    7

    2.3 Wie und wo wird eine Diagnose gestellt?                                                           7

    2.4 Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?                                                          8

    2.5 Wie können An- und Zugehörige unterstützt werden?                                                 9

3   Wir erinnern. Ressourcen, Wohlbefinden, Unterstützung                                                11

    3.1 Wie erleben Menschen Vergesslichkeit?                                                            11

    3.2 Zwischen Akzeptanz und Verdrängung                                                               12

    3.3 Wie bewältigen Menschen mit Vergesslichkeit ihre Beeinträchtigungen?                             13

    3.4 Wie sprechen Menschen mit Vergesslichkeit über ihre Beeinträchtigungen?                          14

    3.5 Wie können Menschen mit Vergesslichkeit unterstützt werden?                                      14

4   Wir helfen. PROMENZ Selbsthilfe und Selbstvertretung                                                 15

    4.1 Was ist unterstützte Selbsthilfe?                                                                15

    4.2 Was ist unterstützte Selbstvertretung?                                                           17

    4.3 Wer sind die NutzerInnen?                                                                        18

    4.4 Was ist uns wichtig in der Unterstützung von Menschen mit Vergesslichkeit?                       19

5   Was macht PROMENZ?                                                                                   20

6   Wofür setzt sich PROMENZ ein?                                                                        20

7   Was sind BotschafterInnen?                                                                           20

    7.1 Was sind leitende bzw. begleitende UnterstützerInnen?                                            21

    7.2 Wie können die NutzerInnen erreicht werden?                                                      21

8   Wissenswertes, Unterstützungsangebote, Kontakte                                                      25

                                                                   PROMENZ | Volkshilfe Österreich   3
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         1         VORWORT
         Zuerst ist es nur ein verpasster Termin, ein vergessener Vorname der Freundin. Später verschwinden
         schleichend ganze Lebensphasen aus der Erinnerung. Die Diagnose Demenz belastet und verunsichert.

         Der Name PROMENZ bedeutet so viel wie „für den Geist“. Entwickelt haben diesen Namen
         die Mitglieder der gleichnamigen Selbsthilfegruppe von Menschen mit Vergesslichkeit (MmV).
         Er soll einen bewussten Gegenpol zum Begriff Demenz – „ohne Geist“ bilden.

         In dieser Broschüre erfahren Sie, was Gedächtnisschwäche für Betroffene bedeutet und dass
         Demenz mehr als nur eine Erkrankung ist. Wir geben Einblick in die PROMENZ-Gruppen, wie diese
         aufgebaut sind und wie sie funktionieren. Und wir verraten Ihnen, wie Sie unterstützen können und
         welches „Handwerkszeug“ Sie als UnterstützerIn benötigen.

         Auf Wunsch der NutzerInnen von PROMENZ versuchen wir den Begriff „Demenz“ so weit wie möglich
         zu vermeiden. Ganz ohne ihn kommen wir (noch) nicht aus. Um ein möglichst breites Verständnis zu
         erzielen, haben wir versucht, diese Broschüre in einfach lesbarer Sprache zu
         verfassen, um gemeinsam neue Wege mit Menschen mit Vergesslichkeit zu gehen.

         Dir. Mag. (FH) Erich Fenninger, DSA				                  Mag.a Reingard Lange, MAS
         Bundesgeschäftsführer Volkshilfe Österreich 			          Gründerin und Obfrau der PROMENZ Initiative

             4   PROMENZ | Volkshilfe Österreich
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2      WIR VERGESSEN - VERLUSTE, ÄNGSTE, VORURTEILE

„Bin ich schon ganz dement?“ fragt die Freundin       Krankheit? Ist das die „Pest unserer Zeit!“, wie
zwischen Scherz und Beunruhigung,                     die bunten Zeitungen titeln? Oder ist es einfach
wenn sie schon wieder etwas vergessen hat.            „Honig im Kopf“ wie im Film? Weder das eine
Der „reinste Alzi“ sei der andere Freund, der         noch das andere verheißen Gutes. Vielleicht ist
immer wieder Termine verschwitzt. Man hört sie        es auch „das 4. Lebensalter“ oder einfach nur
fast täglich, diese Sätze. Was ist das für eine       „anders“.

2.1 Was ist Demenz?
„Dieses Wort Demenz. Gotteswillen. Das ist            neben der „Alzheimer Krankheit“ die „Lewy-
 ja Verlust des Verstandes. Geisteskrankheit.“        Körperchen“- und die „Frontotemporale
(Herr Panonikus, Betroffener)                         Demenz“. Das sind so genannte primäre
                                                      Demenzformen.
Das Wort Demenz kommt aus dem lateinischen.           Die empfindlichen Nervenzellen können aber
„De-mens“. Das bedeutet „vom Geist, ohne Ver-         auch – bei den sekundären Demenzformen
stand“. Kein Wunder, dass Betroffene sich damit       – aus anderen Gründen wie beispielsweise
nicht gerne identifizieren. Dieses Wort steht nicht   „Morbus Parkinson“ oder „Multiple Sklerose“
für eine einzige Krankheit. Es ist ein Oberbegriff    geschädigt werden. Auch Arzneistoffe, Gifte und
für verschiedene Krankheiten, bei denen sich die      Alkohol können zum Absterben der Nervenzellen
Leistungsfähigkeit des Gehirns verringert und         führen. Die gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz
sich die Persönlichkeit verändern kann. Demenz        ist die zweithäufigste Form nach Alzheimer. Sie
kann unterschiedliche Ursachen haben. Die             wird durch Durchblutungsstörungen im Gehirn
„Alzheimer-Krankheit“ ist die häufigste Form.         verursacht. Wenn Blutgefäße, die das Gehirn
Mehr als die Hälfte der Erkrankten leiden an ihr.     versorgen, verengt oder gar verschlossen sind,
Die Symptome einer Demenz hängen vor allem            leiden die Gehirnzellen an Sauerstoffmangel
davon ab, welche Bereiche des Gehirns                 und sterben in der Folge ab. Im Falle von
betroffen sind. Je nach Ursache des Verlusts          Schlaganfällen kann sich eine Multi-Infarkt-
unterscheidet die Medizin verschiedene                Demenz entwickeln.
Demenzformen. Zu den häufigsten gehören

                                         Demenzformen
    Unterschieden werden primäre (Alzheimer Krankheit, Lewy-Körperchen und Frontotemporale
    Demenz) und sekundäre (Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, gefäßbedingte und toxische)
    Demenzformen. Die Alzheimer Krankheit ist die weitaus häufigste Form.

Das Hauptmerkmal der Demenz ist, dass sich            Für Betroffene wird es immer schwieriger, sich
geistige (kognitive) Fähigkeiten im Vergleich zu      neue Informationen zu merken, sie können sich
früher verschlechtern. Immer davon abhängig,          schlecht auf Gedanken und Dinge konzentrieren,
welche Bereiche des Gehirns geschädigt sind.          sie haben Probleme, die „richtigen“ Worte zu
Da das Gedächtnis viele Regionen des Gehirns          finden oder andere zu verstehen. Sie verlieren
beansprucht, ist Vergesslichkeit eines der ersten     den Überblick in Situationen, können Zusammen-
auftretenden Symptome. Neben dem Gedächt-             hänge nicht mehr erkennen. Es fällt ihnen immer
nis können die Aufmerksamkeit, die Sprache,           schwerer, zu organisieren, zu planen, sich örtlich
die Auffassungsgabe und der Orientierungssinn         und zeitlich zurecht zu finden. Die Schädigung
beeinträchtigt sein.                                  mancher Hirnregionen kann auch zu Persönlich-
                                                      keitsveränderungen führen.

                                                                      PROMENZ | Volkshilfe Österreich   5
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        Schließlich können Alltagstätigkeiten nicht mehr   gehen manchmal verloren. Manche vergessen,
        wie gewohnt erledigt werden. Die Krankheit         dass sie rauchen, andere verlieren ihre Flug-
        kann viele Jahre lang unbemerkt bleiben, weil      angst. Friedliche Menschen reagieren jähzornig.
        noch keine Symptome auftauchen. Die meisten        Das Gefühl für den eigenen Körper kann sich
        Betroffenen sind über eine Zeit nur leichtgradig   verändern. Bei einigen Menschen dreht sich eine
        beeinträchtigt. Dazu kommen verschiedene           Zeit lang, das Gefühl für Tag oder Nacht um. Zu
        Faktoren wie die Lebensführung, die Prognosen      den häufig als „herausfordernden Situationen“
        über den Verlauf der Krankheit erschweren.         definierten Symptomen zählen Teilnahmslosig-
                                                           keit, Orientierungsschwierigkeiten, Essstörung,
        Im Krankheitsverlauf kann es zu einer Verände-     Gereiztheit, Empfindsamkeit, körperliche oder
        rung des Verhaltens und der psychischen Ver-       verbale Aggression, Schlafstörungen, vermin-
        fassung kommen. Diese Veränderungen können         derte Hemmschwellen und Euphorie. Als psych-
        sich im Bereich der Gefühlskontrolle, in verän-    iatrische Symptome gelten Depression, Angst,
        dertem Erleben, Befinden und (Sozial-)Verhalten    wahnhafte und halluzinatorische Zustände.
        äußern. Soziale Konventionen und Gewohnheiten

                                                  Hauptmerkmale
          Anzeichen einer demenziellen Entwicklung lassen sich an Veränderungen kognitiver Fähigkeiten
          im Vergleich zu früher (mindestens ein halbes Jahr) erkennen. Hauptmerkmale können sein:
          Vergesslichkeit, verminderte Aufmerksamkeit, Beeinträchtigung der Sprache, der Auffassung und
          der Orientierung.

        Demenz ist also nur ein Überbegriff für unter-     Demenz ist bisher nicht heilbar, nicht umkehrbar,
        schiedliche Formen degenerativer Erkrankungen      der Verlauf kann bei frühzeitiger Erkennung und
        des Gehirns. Degeneration steht in diesem Fall     Behandlung verzögert werden.
        für Abbau, auch Abnutzung (der Nervenzellen).

             Das Wort Demenz kommt aus dem lateinischen und bedeutet
             „vom Geist, ohne Verstand“

             Die Symptome einer Demenz hängen vor allem davon ab,
             welche Gehirnbereiche betroffen sind.

             Die Krankheit kann über viele Jahre unbemerkt bleiben.

            6   PROMENZ | Volkshilfe Österreich
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2.2 Wozu braucht es eine Diagnose?

Wie hieß der Film bloß, der mich neulich so         oder schon wieder die Hälfte vom aufgetrage-
beeindruckt hat? Wo ist mein Schlüssel?             nen Einkauf fehlt, belastet das die Beziehung
Vergesslichkeit verunsichert – auch weil man in     und das Familienleben. Deswegen wird Demenz
den Medien viel über die Volkskrankheit liest.      gerne als „Wir-Erkrankung“ bezeichnet. Die
Das macht Angst. So was betrifft doch immer         Krankheit wirkt auf das ganze System.
eher die anderen, hoffentlich nie einen selbst.
Und wir alle kennen Bilder von meist alten          Auch deshalb ist eine frühzeitige Diagnose
Menschen, in denen wir uns nicht wiederfinden       für Erkrankte und An- und Zugehörige oft eine
möchten. Wir wollen, wenn möglich bis zum           Erleichterung nach dem ersten Schock. Wenn
Tod, die bleiben, die wir sind – mit unseren        man Gewissheit hat, kann man sich eher mit
Erinnerungen, Erfahrungen, dem Leben, das           der Situation auseinandersetzen. Man kann sich
wir uns aufgebaut haben. Wir haben unsere           informieren. Die oft alarmierenden Symptome
Selbständigkeit, unsere Hobbies, unsere             haben einen Namen.
Interessen. All das zu verlieren, erscheint uns
wie eine Katastrophe. Wir wollen nicht pflege-      Die Betroffenen können sich so auf den
bedürftig werden und jemandem zur Last fallen.      möglichen Krankheitsverlauf einstellen.
                                                    Medikamentöse und therapeutische Maß-
Und so kommt es, dass die ersten Anzeichen          nahmen können begonnen werden. Dadurch
der sich einschleichenden Krankheit oft von         können Symptome gemildert und der Krank-
den Betroffenen ignoriert oder auch überspielt      heitsverlauf verzögert werden.
werden. Viele finden kreative Lösungen, um das
gewohnte Leben möglichst aufrecht zu erhalten.      Eine frühe Diagnose ermöglicht den Menschen
Auch die An- und Zugehörigen bemerken               mit Vergesslichkeit länger selbstbestimmt,
manchmal lange nichts. Auch sie wollen oft,         selbstständig leben zu können. Sie können
dass das Leben so weiter geht wie gewohnt.          Vorsorgemaßnahmen treffen. Sie können
Selbst wenn sie einen Verdacht haben.               Finanzielles und Rechtliches regeln und sich
                                                    an der Planung der familiären Zukunft und der
Wenn sich aber der Partner, die Partnerin nicht     Pflege und Betreuung beteiligen.
daran erinnern, was man gestern gesagt hat,
wenn der Geburtstag der Kinder vergessen wird

2.3 Wie und wo wird eine Diagnose gestellt?

Vergesslichkeit ist nur eines der Warnzeichen       Auch wenn Dinge plötzlich nicht mehr klappen,
für eine beginnende Demenz. Sie kann sich auf       obwohl sie früher ganz einfach waren, wie eine
verschiedene Weise zeigen. Da gibt es die           Mahlzeit kochen oder Bankgeschäfte erledigen,
Schwierigkeit sich an vor kurzem stattgefundene     sollte man sich Gedanken machen. Dazu kom-
Gespräche oder Ereignisse zu erinnern. Man          men andere auffällige Verhaltensänderungen,
findet abgelegte Gegenstände nicht mehr oder        die auch mit dem Wahrnehmen der eigenen Ver-
wird auf oftmaliges Wiederholen hingewiesen.        luste zu tun haben können, wie unbegründetes
Manchmal zeigt sich die Störung der Nerven-         Misstrauen, Verlangsamung, Rückzug, Aggres-
zellen auch durch Probleme in der Kommuni-          sivität etc.
kation. Da ist es schwierig, die richtigen Worte
zu finden oder einem Gespräch zu folgen. Auch       Zu Bedenken ist aber bei allen Symptomen,
für die räumliche und zeitliche Orientierung sind   dass ein Unterschied zu früher bestehen sollte.
mehrere Gehirnregionen zuständig. Kommt es          Wer sich nie Namen merken konnte, wird das
hier zu Ausfällen, kann es schon sein, dass man     auch nicht mit zunehmendem Alter können.
Mühe hat, sich in vertrauter Umgebung zurecht       Auch sollten die Symptome eine gewisse Zeit –
zu finden oder Dinge zeitgerecht zu erledigen.      mindestens sechs Monate – bestehen.

                                                                    PROMENZ | Volkshilfe Österreich   7
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        Die Diagnose beginnt mit einem Gespräch mit        Schritt sind neuropsychologische Tests zu Ge-
        der Hausärztin, dem Hausarzt. Darin werden         dächtnisleistung sowie räumlicher und zeitlicher
        körperliche, seelische und soziale Aspekte         Orientierung. Zu den bekanntesten gehören der
        abgeklärt. Zusätzlich wird eine Bezugsperson       Mini-Mental-Test (MMSE) und der Uhren-Test.
        befragt. Betroffene empfinden die Symptome
        anders und stellen sie daher anders dar. Es wird   Computertomographie oder Magnetresonanz-
        auch abgeklärt, wann die ersten Auffälligkeiten    tomographie können bei Demenzverdacht den
        aufgetaucht sind.                                  Zustand des Gehirns darstellen.

        Im Rahmen des ärztlichen Gesprächs wird auch       Untersuchungen zur Feststellung der Krankheit
        eine körperliche Untersuchung gemacht. Blut-       dürfen nur mit dem Einverständnis der Betroffenen
        druck, Herzgeräusche, Herzrhythmusstörungen        vorgenommen werden. Sie haben ein Recht auf
        und Atemprobleme sowie frühere Erkrankungen        Aufklärung. Sie haben auch ein Recht darauf,
        werden abgeklärt. Dem folgen Laboruntersuch-       die Diagnose nicht zu erfahren, wenn das ihr
        ungen und EKG.                                     Wunsch ist.

        Dann werden FachärztInnen der Neurologie
        und/oder Psychiatrie beigezogen. Der nächste

         Zur Diagnosestellung können AllgemeinmedizinerInnen, FachärztInnen für
         Psychiatrie und/oder Neurologie oder PsychologInnen angefragt werden.
         Es müssen verschiedene Tests durchgeführt werden, um konkret die Diagnose
         Demenz stellen zu können.

         Eine Anlaufstelle ist das GerontoPsychiatrische Zentrum
         Modecenterstraße 14/C/1.OG • 1030 Wien
         Telefon (01) 4000/5309

        2.4 Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

        Verschiedene Demenzerkrankungen haben              zugelassen, z. B. die Alzheimer Krankheit. Je
        verschiedene Ursachen. Das und auch die            nach zugrunde liegender Ursache werden
        individuelle Verfassung der Betroffenen machen     verschiedene Wirkstoffgruppen eingesetzt.
        einen auf die Person abgestimmten Gesamt-          Die Substanzen wirken individuell sehr unter-
        behandlungsplan sinnvoll. Wichtig sind ärztliche   schiedlich. Da eine Demenz laufend fortschreitet,
        Beratungsgespräche zum Zeitpunkt der Dia-           ist es bereits ein Behandlungserfolg, wenn sie
        gnose, aber auch im weiteren Verlauf. Dabei        sich nicht verschlechtert. Medikamente können
        müssen – je nach Fortschreiten der Krankheit       Symptome lindern und geistige Fähigkeiten
        – verschiedene Berufsgruppen ein Team bilden:      vorübergehend stabilisieren.
        Medizin, Pflege, Ergo-/Physiotherapie, Psycho-
        logie, Psychotherapie, Heimhilfen, Besuchs-        Eine ausgewogene Ernährung, Bewegung,
        dienste, um die wichtigsten zu nennen.             Frischluft und gute soziale Kontakte unter-
                                                           stützen den Menschen bei jeder Krankheitsform.
        Die meisten Medikamente und Antidementiva
        sind nur für bestimmte Demenzformen

         Es gibt medikamentöse oder nicht medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten.
         Diese können mit dem/der VertrauensärztIn besprochen werden.

             8   PROMENZ | Volkshilfe Österreich
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2.5 Wie können An- und Zugehörige unterstützt werden?

80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in         veränderungen, die mit der Krankheit einhergehen,
Österreich leben zuhause und werden dort von         erschweren das Zusammenleben. Dazu kommt
ihren An- und Zugehörigen unterstützt. Es sind       die schwierige Balance zwischen Verantwortung
meist Frauen – drei Viertel – die diese wertvolle    und der Notwendigkeit den Betroffenen auch
gesellschaftliche Arbeit leisten. Ohne ihren         Freiräume zu lassen.
Beitrag würde unsere Gesellschaft nicht funktio-
nieren. Doch ihre notwendige Arbeit der Pflege       Weniger als ein Viertel der An- und Zugehörigen
und Betreuung findet oft im für die Öffentlichkeit   nimmt professionelle Dienste in Anspruch. Oft
unsichtbaren privaten Raum statt. So erhalten        werden die hohen Kosten und die mangelnde
sie kaum Anerkennung und Wertschätzung.              Flexibilität und Kontinuität der Dienste kritisiert.
Im Fall der Demenz kommen noch die                   Dabei könnte professionelle Entlastung die oft
Stigmatisierung durch die Krankheit und              schwerwiegenden Folgen von seelischer und
vielfältige eigene Ängste dazu.                      körperlicher Überlastung vermeiden. Haupt-
                                                     ziel ist, ihnen zu helfen, eine Balance zwischen
Angehörige von Menschen mit Vergesslichkeit          Wünschen und Bedürfnissen der pflegebedürfti-
sorgen sich nicht nur pflegerisch. Sie unter-        gen Personen und den eigenen Bedürfnissen zu
stützen bei der Gestaltung des Alltags. Sie          finden. An- und Zugehörige können in Österreich
helfen bei der Informationsbeschaffung (soziale/     ein kostenloses Beratungsgespräch als prä-
rechtliche Fragen, Unterstützungsmaßnahmen,          ventive und qualitätssichernde Maßnahme in
Therapiemöglichkeiten etc.). Sie leisten seeli-      Anspruch nehmen, gefördert vom Sozial-
sche Betreuung. Sie begleiten bei und zu der         ministerium. Dadurch können Entlastungsmög-
medizinischen Therapie. Und sie unterstützen         lichkeiten ausfindig gemacht und eingeleitet
bei administrativen Tätigkeiten, bei Koordination    werden und die Gesundheitsförderung kann er
der Behandlung und Betreuung. Kurz gesagt sie        halten bzw. verbessert werden. Die BeraterInnen
kompensieren all das, was die Betroffenen nicht      sind hauptsächlich PsychologInnen und kommen
mehr eigenständig bewältigen können.                 auf Wunsch auch ins eigene Zuhause.

Es ist für viele sehr belastend, den Betroffenen
in seiner veränderten Position, Rolle im System
zu erleben. Persönlichkeits- und Verhaltens-

 Das Angehörigengespräch sowie das Angebot des Hausbesuches kann
 auf Wunsch unter der Telefonnummer 01/79706-2705 bzw.
 qualitaetsicherung@svb.at / angehoerigengespraech@svb.at beantragt werden.
 Entlastende Angebote und hilfreiche Informationen finden Sie in der VOLKS-
 HILFE-Broschüre „Demenz – Rat und Hilfe für pflegende Angehörige“.

                                                                      PROMENZ | Volkshilfe Österreich   9
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

                                                  Foto: PROMENZ/Schönborn

           10   PROMENZ | Volkshilfe Österreich
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

3      WIR ERINNERN – RESSOURCEN, WOHLBEFINDEN, UNTERSTÜTZUNG

In den unterstützten Selbsthilfegruppen von         schildern auch ihre Lösungen für die Mühen des
PROMENZ und diversen Demenzangeboten                Alltags. Wir alle können viel von Menschen mit
der Volkshilfe teilen Betroffene ihre Erfahrungen   Vergesslichkeit (MmV) lernen.
mit uns. Sie berichten aus ihrem Leben, von
Schwierigkeiten, die sich ihnen stellen und

3.1 Wie erleben Menschen Vergesslichkeit?

„Es ist eine Schwächung, so wie die Kondition       Unser Gehirn verarbeitet Milliarden von Informa-
schwächer wird, werden halt gewisse andere          tionen. In Nanosekunden werden unsere Sinnes-
Dinge auch etwas schwächer.“                        eindrücke ein- und zugeordnet. Ein rotweißes
(Frau Gordon, Betroffene)                           Schild signalisiert uns „Einfahrt verboten“ – ohne
                                                    dass wir gesondert darüber nachdenken müssen.
Es beginnt schleichend. Fähigkeiten lassen          Wir haben es unbewusst und bewusst gelernt
nach, da oder dort vergisst man etwas. Es fällt     und abgespeichert. Ein Lied erinnert an die erste
schwerer, sich zu konzentrieren. So manches,        Liebe. Der Duft von Zimt löst Weihnachtserin-
was einem früher leicht von der Hand ging, er-      nerungen aus. Manchmal fühlt sich die Sonne
fordert mehr und mehr Aufmerksamkeit. Aber          plötzlich wie damals am Meer an. Eine be-
ist das nicht normal? Das Risiko einer demen-       stimmte Berührung lässt uns erschauern. Diese
tiellen Veränderung steigt mit dem Alter. Mit 60    Erinnerungen sind gut verankert, unser Gehirn
Jahren ist eine/r von 100 betroffen, bei den über   hat sie uns oft bestätigt. Sie bleiben auch bei
90jährigen jede/r Dritte. Im Grunde fühlen wir      Menschen mit demenziellen Beeinträchtigungen
uns meistens jünger, als wir tatsächlich sind.      sehr lange erhalten.
Trotzdem merken wir mit zunehmenden Jahren,
wie die körperliche Leistungsfähigkeit abnimmt.     Schwieriger ist es mit den Dingen, die wir im
Da und dort gibt es Abnutzungserscheinungen         Kurzzeitgedächtnis speichern. Sie sind zwar
an Muskeln und Gelenken. Die Augen werden           auch in mehreren zusammenarbeitenden Regio-
schwächer, das Gehör lässt nach. Und auch           nen des Gehirns abgelegt, aber nicht verankert.
der Kopf funktioniert nicht mehr so schnell wie     Dazu müssten wir sie bewusst „lernen“.
in jüngeren Jahren. Wir sind langsamer beim
Lernen neuer Dinge.                                 Kennen Sie das? Sie betreten einen Raum und
                                                    wissen plötzlich nicht mehr, was Sie gewollt
Die meisten Menschen mit Vergesslichkeit            haben. Meistens hilft es den Weg wieder retour
(MmV) bemerken Gedächtnisprobleme, Schwie-          zu gehen – vielleicht auch nur im Kopf, um
rigkeiten beim Ausdruck eigener Gedanken in         wieder drauf zu kommen. Dieser „kurze Weg
Gesprächen und Orientierungs- und Konzent-          retour“ wird für MmV immer schwieriger.
rationsschwierigkeiten. Meistens sogar längere      Gehirnzellen, die diese Arbeit erledigen sollten,
Zeit bevor ihr Umfeld sie bemerkt. Die Symp-        sind blockiert. Reize werden fehlgeleitet, können
tome zeigen sich aber nicht stetig, sie werden      nicht am richtigen Ort andocken. Unser Gehirn
auch nicht immer wahrgenommen.                      ist darauf ausgerichtet Lösungen zu finden –
                                                    intern wie extern. Es leistet Schwerarbeit.
Unmittelbar wahrgenommene Beeinträchtigun-          Es wird schwieriger sich in Raum und Zeit zu
gen werden von den Betroffenen häufig wieder        orientieren. „Einen Filmriss im Gedankenstrom“
vergessen. Manche geben an, überhaupt keine         nennt der Züricher Gerontopsychiater Christoph
Beeinträchtigungen zu haben. MmV bestehen           Held die Veränderungen der Selbstwahrneh-
daher häufig darauf, überhaupt keine Probleme       mung bei Demenz.
zu haben. Ist ja auch verständlich. Wer will
schon ständig seine eigenen Schwächen vor
Augen haben, noch dazu, wenn man diese nicht
ändern kann?

                                                                    PROMENZ | Volkshilfe Österreich   11
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

        3.2 Zwischen Akzeptanz und Verdrängung

        „Das bin doch nicht ich“, ist ein logischer Ge-      Auch damit ist zu erklären, dass manche
        danke. „Die Geldtasche muss mir wer gestohlen        Betroffene sich erst nach einer Zeit Informatio-
        haben.“ „Das hast du mir nicht gesagt.“              nen über Verlauf, Ursache und Behandlungs-
        Misstrauen taucht auf. Wem soll man trauen,          möglichkeiten beschaffen. Die Aufklärung
        wenn man sich selbst nicht mehr traut?               muss einfühlsam erfolgen – ein hohes Maß an
                                                             Flexibilität und Diskretion ist notwendig. Daher
        Wir Menschen haben einen starken Selbst-             sollte die Diagnoseeröffnung kein einmaliges
        erhaltungstrieb. Wir vermeiden Schmerz und           Ereignis sein. Die MmV brauchen Zeit, um die
        körperliche Schäden. Würden wir uns ständig          Diagnose zu verarbeiten. Und sie brauchen
        mit unseren Ängsten konfrontieren, wären wir         Unterstützung, BegleiterInnen bei ihren Sorgen,
        handlungsunfähig. Angst lähmt. Um weiter im          Ängsten und Bedürfnissen. Nahestehende
        Leben zu bleiben, richten wir unseren Blick auf      Menschen spielen – neben professioneller Hilfe
        das, was wir können. MmV lenken also ihre            – hierbei eine besonders wichtige Rolle.
        Aufmerksamkeit darauf, dass ihr Leben mög-
        lichst so weitergeht, wie es ist. Ihre Beeinträch-   Häufig richten sich Aufklärungsgespräche,
        tigungen sind ihnen immer wieder bewusst, sie        -broschüren und Beratungsangebote eher an
        sehen sie aber nicht als zentrales Problem. Sie      An- und Zugehörige. Dabei geht es sehr stark
        wollen, dass alles normal bleibt. Oft begründen      um die Defizite und Verluste durch die „Krank-
        sie ihre Schwächen mit einem „normalen               heit Demenz“. Und um den möglichen Verlauf.
        Alterungsprozess“.                                   Selbst praktische Hinweise wie Pflegestufen,
                                                             Vorsorgeerklärung oder Testament können be-
        Die Anstrengung, das gewohnte Leben, die an-         drohlich wirken, wenn es um die eigene Zukunft
        gestammte, verdiente Rolle zu erhalten, macht        geht. Und mit den meisten Bildern möchte man
        die Sache nicht besser. Es kommt häufig zu           sich nicht identifizieren.
        Missverständnissen. Das versetzt Betroffene
        und ihre Umwelt in Stress. Auch deshalb              Oft weiß auch das soziale Umfeld nicht ganz,
        empfiehlt sich eine rechtzeitige Diagnose. Oft       wie es nun mit der Diagnose umgehen soll.
        können Betroffene erst später positive Seiten        Demenz kann nur im gemeinsamen Team von
        der „anderen Lebensphase“ sehen: „Ich traue          Betroffenen, An-/Zugehörigen und Professionellen
        mich jetzt viel mehr.“                               bewältigt werden. Eine Selbsthilfegruppe wie
                                                             PROMENZ, der Austausch mit Menschen, die
        Es ist trotzdem ein mutiger Schritt, es wissen       von ihrem Lebensalter unabhängig ähnliche
        zu wollen. Manchmal geht dem auch ein                Erfahrungen haben, unterstützt dabei. Unsere
        Drängen der Nahestehenden voraus, manchmal           NutzerInnen berichten von guten Erfahrungen
        ist es auch ganz allein die eigene Ahnung.           trotz/mit der Krankheit: „Ich habe meine Flug-
        Die Diagnosestellung wird von den meisten            angst vergessen.“ „Ich kann loslassen.“ „Ich
        Betroffenen als unangenehm empfunden.                erlebe jeden Tag als neu.“

        Es ist völlig normal, wenn man so eine Bot-
        schaft fürs Erste nicht wahrhaben will. Immer
        wieder erscheinen wissenschaftliche Studien zur
        Krankheitseinsicht bei Menschen mit Demenz.
        Manche Untersuchungen stellen das Leugnen
        der Krankheit sogar in die Nähe der Symptome
        für neurokognitive Erkrankungen. Wenn Menschen
        die Diagnose vor allem am Anfang leugnen,
        heißt das auch, dass sie nicht mitten in der Be-
        drohung sämtlicher ihrer Lebensbereiche und
        ihrer Rollen in der Gesellschaft, auf die Rolle
        „Demenzkranke/r“ reduziert werden wollen.
        „Wem sage ich es? Was werden die denken?
        Was mach ich jetzt: Tanzen für Demente?“

            12   Volkshilfe Österreich | PROMENZ
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

                          3.3 Wie bewältigen Menschen mit Vergesslichkeit
                              ihre Beeinträchtigungen?
                          Jeder Mensch hat eigene Strategien, um mit           unserer NutzerInnen haben fast täglich Termine
                          den Klippen des Lebens umzugehen. Es hängt           und nutzen viele Angebote zu einem guten
                          von verschiedenen Faktoren ab, ob wir im Falle       Leben. Sie machen regelmäßig Bewegung vom
                          einer Bedrohung erstarren, fliehen oder kämpfen.     Laufen bis hin zu ausgedehnten Spaziergängen.
                                                                               Das vermindert die Unruhe, die zu den Sympto-
                          Die PROMENZ-NutzerInnen tauschen sich in             men gehört. Es stärkt aber auch den Allgemein-
                          der Gruppe häufig über ihre Bewältigungsstrate-      zustand, die Orientierung, das Körpergefühl und
                          gien aus. Die Achtsamkeit, die sie in ihrem Alltag   die Gedächtnisleistung.
                          an den Tag legen, erstaunt die UnterstützerInnen
                          oft. Sie bereiten sich sehr aufmerksam auf           Manche stehen das erste Mal vor der Frage:
                          kommende Situationen vor, sind sich möglicher        „Was tut mir gut?“ Und schon das darüber
                          Gefahren bewusst. Sie achten auf ihre Sicher-        Nachdenken, gibt ein gutes Gefühl. Sie nützen
                          heit. Eine PROMENZ-Botschafterin: „Früher bin        vielleicht Angebote aus der Musik- und Kunst-
                          ich oft bei Rot über die Straße gegangen. Heute      therapie. Ob Gesangsunterricht oder Malen,
                          weiß ich, mein Gesichtsfeld ist eingeschränkt.“      Vielen tut es gut, da endlich über ihren Schatten
                          Und was macht man, wenn man einen Topf am            zu springen. Wieder andere heben die Schätze
                          Herd vergisst? Eieruhr mitnehmen, Herd mit           ihrer Erinnerungen oder trainieren allein und in
                          Zeitschaltautomatik, die Kindersicherung der         Gruppen gerne auch spielerisch ihr Gehirn. Wir
                          Tochter wieder auspacken. Die vielen „Merk-          Menschen sind soziale Wesen, darum ist auch
                          würdigkeiten des Alltags“ schreiben manche           das Wichtigste in unserem Leben der Kontakt
                          in Bücher und/oder nutzen aufgehängte Notiz-         zu anderen Menschen – mit und ohne irgend-
                          zettel. Stehkalender sind beliebt zum Vermer-        welchen Diagnosen. Dazu gibt es die unter-
                          ken von Terminen. Einige nutzen auch digitale        schiedlichsten Angebote, je nach Interessens-
                          Medien und ihre vielen Funktionen.                   lage (nähere Informationen finden Sie unter
                                                                               www.demenz-hilfe.at oder www.volkshilfe.at)
                          Es empfiehlt sich für Betroffene, den Alltag
                          klar zu strukturieren. Ein Tages- und Woch-          Vieles ist lange möglich, manches wird neu
                          enablauf mit verschiedenen Aktivitäten hilft lange   entdeckt.
                          die Selbstbestimmung zu behalten. Manche
Foto: PROMENZ/Schönborn

                                                                                               PROMENZ | Volkshilfe Österreich   13
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

        3.4 Wie sprechen Menschen mit Vergesslichkeit über
            ihre Beeinträchtigungen?
        Keine/r von uns spricht gerne über seine             ArbeitskollegInnen. Andere wiederum sprechen
        Schwächen. Seien wir ehrlich, die meisten von        in ihrem Umfeld lieber mit Umschreibungen über
        uns haben ein leicht idealisiertes Bild von sich     ihre Symptome: „Ich bin vergesslich.“ „Ich bin
        selbst vor dem inneren Auge. Dem versuchen           verwirrt.“ „Mir ist gerade eine Masche herunter-
        wir nach außen zu entsprechen. Wir freuen            gefallen.“ „Ach, das ist ja auch das Alter.“
        uns, wenn wir darin erkannt werden. Und wir          Unsere PROMENZ-NutzerInnen beweisen uns
        leiden, wenn wir vermeintlich verkannt werden.       auch immer wieder, dass Humor eine sehr
        Menschen möchten nicht auf ihre Krankheiten,         wichtige Quelle von Lebensenergie ist. „Demenz
        Behinderungen, ihr Aussehen, ihre Religion           wird jetzt modern.“ Viele Betroffene sind aber
        reduziert werden.                                    durchaus bereit über ihr Leben mit Vergesslich-
                                                             keit Auskunft zu geben. Sie möchten so ihre
        Manche MmV haben auch erfahren, dass in im-          Lebenswelt und auch die anderer Betroffener
        mer mehr ihrer Alltagssituationen Unterstützung      mitgestalten. Sie sind ExpertInnen ihres eigenen
        notwendig ist. Sie gehen daher offen auf ihr         Lebens. Sie wissen, was sie mögen, was sie
        Umfeld – Freunde, Familie, Nachbarschaft – zu        ablehnen, was ihr Leben im öffentlichen Raum
        und informieren diese über ihre Krankheit.           erschwert. „Redet mit uns nicht über uns“, wenn
        Sie holen sich auch in Alltagssituationen Hilfe      dieses Prinzip berücksichtigt wird, sprechen
        und sprechen dabei offen über ihre Beeinträch-       Menschen mit Vergesslichkeit auch über ihre
        tigungen. Andere wollen lieber anonym bleiben.       Beeinträchtigungen.
        Sie fürchten das Getuschel von Nachbarn oder

        3.5 Wie können Menschen mit Vergesslichkeit unterstützt werden?

        Haben Sie das Gefühl, jemand bräuchte Hilfe,           – auch wenn es schwer fällt. Es darf schwer
        zögern Sie nicht, ihn anzusprechen. „Kann ich          sein und muss – ja sollte sogar – nicht schön-
        etwas für Sie tun?“ In jedem Fall ist die Privat-      geredet werden.
        sphäre des Menschen zu akzeptieren.                  • S steht für Struktur. Menschen in Krisen
        Das Hilfsangebot kann auch abgewiesen werden.          brauchen Halt. Sie sehen sich meist nicht
        Das gilt in den wenigsten Fällen Ihnen persönlich.     in der Lage, nächste Schritte zu planen
        Es kann sein, dass die/der Betroffene erst später      oder sich durch den Dschungel von Hilfs-
        in der Lage ist, über die Probleme zu reden und        angeboten zu kämpfen. Sie können helfen,
        dann auf Ihr Angebot zurückkommt.                      indem Sie klare Sätze formulieren.
                                                             • I steht für Information. Besprechen Sie mit
        Jede Krankheit ist eine Krise für den einzelnen        der Betroffenen/dem Betroffenen die
        Menschen und sein System. Das BASIS-Modell,            nächsten Schritte, und thematisieren
        das aus der Notfallpsychologie stammt, kann            Sie etwaige damit verbundene Ängste und
        auch für eine Krise wie die Diagnose und das           Sorgen. Es ist möglich, dass es in schweren
        Fortschreiten der demenzieller Erkrankungen            Belastungssituationen zu Reaktionen
        Orientierung bieten.                                   kommt, die Betroffene für ungewöhnlich
                                                               und besorgniserregend halten.
        Das BASIS-Modell:                                    • S steht für Soziales. Die Umgebung soll
        • B steht für Beziehung aufbauen. Durch eine           einbezogen werden. Wer kann helfen,
          wertschätzende Haltung und ein echtes                wer unterstützt? Am besten ist eine Unter-
          Interesse an der Person kann eine                    stützung durch vertraute Personen, sofern
          vertrauensvolle Atmosphäre entstehen.                diese in der Lage dazu sind. Menschen
        • A steht für Anerkennen. Das bedeutet eine            in Ausnahmesituationen brauchen
          Akzeptanz des Ereignisses, der „Realität ins         Geborgenheit.
          Auge blicken“ und das Gegebene annehmen

            14   PROMENZ | Volkshilfe Österreich
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

Bewertungen und simple Tipps sollten ver-           hilfe Österreich und Demenz Support Stuttgart
mieden werden. Für Nahestehende ist es oft          setzen sich für mehr Möglichkeiten zur Selbst-
nicht einfach, entsprechend zu helfen. Durch        bestimmung und gegen Stigmatisierung ein.
die Nähe beschäftigen sie oft eigene Gefühle,       Betroffene, wie unsere PROMENZ-Botschafte-
Gedanken und Ängste sehr. Professionelle            rInnen, melden sich zu Wort. Sie zeichnen nicht
und andere UnterstützerInnen bringen die oft        nur ein anderes Bild demenzieller Beeinträchti-
notwendige Distanz sowie Aus- und Weiter-           gungen, sie verlangen auch anders wahrgenom-
bildung mit, um bei manchen Herausforderun-         men zu werden. PROMENZ versteht sich auch
gen weiterzuhelfen.                                 als Ansprechpartner für alle, die dazu beitragen
                                                    können, bestehende Barrieren zur sozialen Teil-
Menschen mit Vergesslichkeit sind vor allem         habe und Selbstbestimmung zu beseitigen. Dies
Menschen. Sie haben viel erlebt, sind Söhne,        können soziale oder auch kulturelle Barrieren
Töchter, Brüder, Schwestern, Geliebte, Väter,       sein, wie zum Beispiel eine negative Sicht des
Mütter, Mann, Frau. Sie sind Angestellte oder       Alterns und ein Menschenbild, das Menschen
Vorgesetzte, MeisterInnen, LehrerInnen, Künst-      nach ihrem „Funktionieren“ beurteilt. Sprache
lerInnen, sie haben studiert, hart gearbeitet.      und Bilder verändern unser Denken, unseren
Sie sind Genussmenschen und Asketen, homo-          Umgang mit den Problemen dieser Welt.
oder heterosexuell, und was auch immer noch         PROMENZ will dazu beitragen, dass Demenz
uns unterscheidet. Wir sollten sie – im optimalen   ausgewogen dargestellt wird und sich Menschen
Fall uns alle – als solche wertschätzend wahr-      mit Vergesslichkeit in privaten und öffentlichen
nehmen. Immer mehr nationale und interna-           Umgebungen sicher und verstanden fühlen
tionale Organisationen, wie die Plattform der       können.
Österreichischen Demenzstrategie, die Volks-

4     WIR HELFEN. PROMENZ SELBSTHILFE UND SELBSTVERTRETUNG
Ausgehend von den Erfahrungen der Pionier-          Unterstützte Selbsthilfegruppen von Menschen
gruppe PROMENZ in Wien in den ersten fünf           mit Vergesslichkeit in Österreich etabliert werden.
Jahren sollen bis Ende 2020 mindestens fünf

4.1 Was ist unterstützte Selbsthilfe?

Selbsthilfegruppen unterstützen NutzerInnen         zum Thema Demenz interviewte sie so genannte
dabei, ihren Alltag mit ihren Beeinträchtigungen    Frühbetroffene. Immer wieder betonten diese,
zu bewältigen. Oft hat das Umfeld Schwierig-        dass sie ernst genommen werden wollen und
keiten mit dem „veränderten“ Menschen umzu-         unter dem Umgang der Gesellschaft mit diesem
gehen. Manche Betroffenen ziehen sich darauf-       Thema leiden
hin zurück. In der Selbsthilfegruppe erleben sie
Kontakt auf Augenhöhe. Sie finden ein Forum         Aus dieser Erfahrung heraus entwickelte sie ein
für ihre persönlichen Themen. Sie werden nicht      Konzept für unterstützte Selbsthilfe, das
auf das reduziert, was sie nicht mehr können.       sie 2012 veröffentlichte.
Sie werden als die Menschen gesehen, die eine       Kaplaneck beschreibt acht Basiselemente
Menge schaffen und fähig sind, Situationen und      der unterstützten Selbsthilfe:
Dinge auch anders zu betrachten.
                                                    1. Menschen mit Demenz verfügen über
Die PROMENZ-Gruppen arbeiten auf der Basis             ein Selbsthilfepotenzial.
des unterstützten Selbsthilfe-Konzeptes von            Sie verfügen über viele Ressourcen. Sie
Michaela Kaplaneck. Sie hat nach zehn Jahren           entwickeln Lösungen für die Probleme,
Tätigkeit als Krankenpflegerin in Kiel „Soziale        die sich ihnen durch ihre Krankheit stellen.
Arbeit“ studiert. Im Zuge ihrer Forschungsarbeit       Sie wollen im öffentlichen Raum da sein.

                                                                     PROMENZ | Volkshilfe Österreich   15
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

        2. Selbsthilfe ist keine Fremdhilfe.              überschaubaren Rahmen stattfinden kann. Für
           Die NutzerInnen tauschen sich mit              Menschen mit Vergesslichkeit ist es oft schwierig
           Menschen aus, die ähnliche Erfahrungen         sich zu konzentrieren, wenn zu viele Menschen
           wie sie haben. Jeder hat andere Fähig-         um sie herum sprechen. Manche hören aufgrund
           keiten und Bewältigungsformen. Kluge           ihres Alters nicht mehr so gut. In zu großen
           Ratschläge von Nicht-Betroffenen sind          Gruppen bleibt oft zu wenig Zeit und Raum
           unangebracht.                                  für die oder den Einzelnen.
        3. Die Gruppe ist ein geschützter Raum.
           Das wird bei PROMENZ-Treffen durch             Die Themen und Anliegen der NutzerInnen
           gemeinsam erarbeitete Regeln gesichert.        stehen im Mittelpunkt. Die UnterstützerInnen
           Eine sehr wichtige Regel ist: „Alles, was in   sehen sich als Dienstleistende und Assistenz:
           der Gruppe besprochen wird, bleibt in der      Sie erinnern auf Wunsch an die Termine und
           Gruppe.“                                       unterstützen bei der An- und Abreise. Sie geben
        4. Die Betroffenen sind die BestimmerInnen        kein Programm vor. Sie ermutigen, dokumentieren
           (Selbstbestimmung). Die Themen der             und sichern den Gesprächs- und Arbeitsprozess
           PROMENZ-Treffen bestimmen die Nutzer-          der NutzerInnen.
           Innen. Ihre Bedürfnisse stehen im Vorder-
           grund.                                         Vor der Aufnahme in die PROMENZ-Selbsthilfe-
        5. Es geht um Selbsthilfe – mit Unterstützung.    gruppe findet ein Abklärungsgespräch statt.
           Eine Selbsthilfegruppe erfordert viel          Was erwartet sich die oder der Betroffene von
           Organisation: Termine planen, einladen,        der Selbsthilfegruppe? Will sie oder er freiwillig
           das Treffen selbst gestalten. Gerade diese     kommen? Falls dem so ist, gelten drei Treffen
           Dinge sind für Menschen mit demenziellen       mit der Gruppe als so genannte „Check-In-
           Beeinträchtigungen besonders schwierig.        Phase“, eine Art Eingewöhnungs- und Test-
        6. Nicht-Betroffene sind „DienstleisterInnen“     phase.
           und Assistenz. Es geht um die NutzerInnen.
           Sie sind die ExpertInnen für ihre Lebens-      Verschiedene Umstände – auch der Krank-
           welt. Die UnterstützerInnen erledigen die      heitsverlauf – können zu einem Verlassen der
           Organisation und Moderation.                   Gruppe führen. In einer so genannten „Check-
           Die Ressourcen und Bedürfnisse der             Out-Phase“ wird dieser Schritt mit offenen
           Betroffenen sind entscheidend.                 Gesprächen mit den Betroffenen und An- und
        7. In der Gruppe sind nur Betroffene.             Zugehörigen begleitet.
           Betroffene sind Menschen mit Vergesslich-
           keit, die den Verdacht auf Demenz haben        Die Selbsthilfetreffen bieten den NutzerInnen
           oder bereits mit einer Demenzdiagnose          einen geschützten Ort. Hier erleben sie Ver-
           leben. An- und Zugehörige werden außer-        ständnis und Akzeptanz. Sie können frei über
           halb der Selbsthilfegruppe beraten. Sie        ihre Gedanken und Gefühle sprechen. Und es
           werden über Angehörigen-Gruppen und            wird auch viel gelacht. Sie können Ideen für ein
           -Beratung informiert.                          gutes Leben mit Vergesslichkeit entwickeln.
        8. Die Teilnahme ist immer freiwillig. Selbst-    Ganz nach dem Motto:
           hilfe kann nicht erzwungen werden und
           setzt das Bedürfnis nach Auseinanderset-       „Wir nehmen unsere Schwäche an und
           zung und Austausch in der Gruppe voraus.       bringen unsere Stärken ein. Wir lernen,
                                                          achtsam und tolerant zu sein, zu uns
        Die PROMENZ-Selbsthilfetreffen finden alle zwei   selbst und anderen. Zur Teilhabe brauchen
        Wochen statt. Sie dauern etwa zwei Stunden.       wir Verständnis und Unterstützung.“
        Die Teilnahme ist kostenlos. An jedem Treffen
        nehmen höchstens 12 Personen sowie nach
        Möglichkeit zwei UnterstützerInnen teil. Wenn
        ausreichend UnterstützerInnen anwesend sind
        und es die Räumlichkeiten zulassen, empfiehlt
        es sich unter Umständen, die Gruppe zu
        teilen, damit das Gespräch in einem vertrauten,

            16   PROMENZ | Volkshilfe Österreich
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

4.2 Was ist unterstützte Selbstvertretung?

Wenn es in der Öffentlichkeit um das Thema          PROMENZ-BotschafterInnen
Demenz geht, kommen sehr oft ExpertInnen            • treffen z. B. VertreterInnen von demenz-
und An- und Zugehörige zu Wort. Die direkt            freundlichen Bezirken und Gemeinden,
Betroffenen, die Menschen mit Vergesslichkeit,      • nehmen an Arbeitsgruppen teil,
werden selten aktiv angesprochen. Noch seltener     • geben Interviews in verschiedenen Medien,
melden sie sich zu Wort. Das soll und muss          • treten bei Podiumsdiskussionen und
sich ändern. Und der Prozess ist im Laufen.           Pressekonferenzen auf,
In Deutschland, Österreich und der Schweiz          • wirken bei Schulungen, Workshops
sprechen immer öfter Betroffene über ihr Leben.       und Vorträgen mit,
Diese Frauen und Männer verändern das Bild          • beteiligen sich an Kunstprojekten,
der Krankheit, nehmen ihr auch ein wenig von        • sind auch auf internationalen Veranstaltungen
ihrem Schrecken. Sie stärken damit Betroffene,        wie der „Demenz Meet“ in Zürich.
An- und Zugehörige und letztendlich unsere
Gesellschaft. PROMENZ beteiligt sich aktiv an       All das ist für die wenigsten Menschen einfach.
diesem Prozess und will Teilhabebarrieren           Umso schwieriger ist es für Menschen mit einer
abbauen.                                            von Vorurteilen belasteten Krankheit wie Demenz.
                                                    Es gehört viel Mut dazu mit Namen und Gesicht
PROMENZ setzt sich ein                              für die eigenen Interessen einzutreten. Dazu
• für ein ausgewogenes Bild des Alterns und         kommt die große Anstrengung, die durch
  des Lebens mit Vergesslichkeit bzw. Demenz        kognitive Beeinträchtigungen verstärkt wird.
• für demenzfreundliche Gemeinschaften
  und öffentliche Räume sowie nicht stig-           PROMENZ-BotschafterInnen sprechen
  matisierende Darstellungen und wert-              für sich – nicht für alle Menschen mit
  schätzende Sprache in den Medien und              Vergesslichkeit.
  in der Fachwelt                                   UnterstützerInnen begleiten BotschafterInnen
• für Selbstbestimmung und Lebensqualität           zu den Veranstaltungen. Dazu wird im Vorfeld
  von Betroffenen und von betreuenden               vereinbart, welche Art von Begleitung für den/
  An- und Zugehörigen, besonders für                die BotschafterIn passend ist. Der oder die
  bedarfsgerechte und leistbare Unter-              UnterstützerIn bewertet die Aussagen der
  stützungsangebote                                 BotschafterInnen nicht, und bringt eigene
• für Selbsthilfe und Vernetzung von                Meinungen nur ein, wenn ausdrücklich
  Menschen mit Vergesslichkeit.                     gefragt oder mit dem/der BotschafterIn
                                                    vereinbart. UnterstützerInnen kümmern sich
Über die Website www.promenz.at und                 um mögliche Risiken, helfen, wo sinnvoll
unserem Facebook-Auftritt wollen wir mehr           und begleiten.
Menschen mit Vergesslichkeit – aber auch
UnterstützerInnen – ansprechen. So können           Auch um die Nachbereitung kümmern sich die
wir Mitglieder und Interessierte regelmäßig         UnterstützerInnen. Sie halten Kontakt zum Ver-
informieren. Mehrmals jährlich nimmt PROMENZ        anstalter und organisieren für die BotschafterIn
an öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen teil.   Dokumentationen, Unterlagen und Ergebnisse
Die PROMENZ-BotschafterInnen treten öffen-          in vorher vereinbarter Form. UnterstützerInnen
tlich für ihre Anliegen ein. Sie sind positive      und BotschafterInnen treffen sich, um aus der
Modelle und wirken am glaubwürdigsten gegen         Erfahrung zu lernen und die „Sternstunden“ zu
das Stigma und die Angst in der Bevölkerung         feiern. Meist wird auch kurz in der Gruppe von
vor der Demenz.                                     der Erfahrung berichtet.

                                                                    PROMENZ | Volkshilfe Österreich   17
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

        Unterstützte Selbstvertretung bedeutet:

        • Individuelle Unterstützung und der Aufbau       • PROMENZ bietet kompetente Ansprech-
          von Kapazitäten – angepasst an den                partnerInnen für Akteure im öffentlichen
          jeweiligen Anlass.                                Raum (Medien, Politik, Fachöffentlichkeit,
        • Gemeinsamer Selbstermächtigungsprozess            Sozialwirtschaft u. a.)
          in der Selbsthilfegruppe, Erarbeiten von
          Positionen und Schwerpunkten für die
          Öffentlichkeit.

        4.3 Wer sind die NutzerInnen?

        PROMENZ richtet sich an Personen, die sich        Ohne Unterstützung ist Selbsthilfe und
        durch kognitive Beeinträchtigungen wie            Selbstvertretung für Menschen mit Ver-
        Vergesslichkeit oder Orientierungsschwierig-      gesslichkeit kaum machbar. Es sind gerade
        keiten in der Alltagsbewältigung eingeschränkt    die kognitiven Beeinträchtigungen, die durch das
        erleben. Sie können den Verdacht auf Demenz       Krankheitsbild entstehen, die Organisatorisches
        haben oder bereits mit einer Demenzdiagnose       für Betroffene sehr schwierig machen. Daher
        leben. Das Lebensalter spielt dabei eine unter-   benötigen sie unser Mitwirken.
        geordnete Rolle.
                                                          Selbsthilfe und Selbstvertretung stärken die
        Viele unserer NutzerInnen kommen durch Ver-       Selbstbestimmung und sozialen Teilhabemög-
        mittlung ihrer An- und Zugehörigen zu PROMENZ.    lichkeiten auf vielen Ebenen. Sie fördern die
        Wenn von den NutzerInnen gewünscht, unter-        Gesundheitskompetenz der NutzerInnen. Sie
        stützt PROMENZ auch die An- und Zugehörigen       tauschen sich über Sport, Ernährung, Krank-
        und berät sie.                                    heitsverläufe und neue Informationen über die
                                                          verschiedenen Krankheitsbilder aus.
        Weshalb braucht es unterstützte Selbst-
        hilfe und Selbstvertretung?                       ExpertInnen z. B. zu medizinischen Fragen oder
                                                          Vorsorgevollmacht können eingeladen werden.
        PROMENZ bezweckt die Förderung von                Betroffene ohne Diagnose können sich mit den
        Menschen mit Vergesslichkeit und ihren An-        Vorteilen einer frühzeitigen diagnostischen Ab-
        und Zugehörigen und zwar im Hinblick auf:         klärung auseinandersetzen. Dadurch kann der
        a. die Verbesserung der Lebensqualität            Verlauf demenzieller Beeinträchtigungen positiv
           und der Hilfen für Inklusion, Selbsthilfe      beeinflusst werden. Behandelbare Formen
           und Selbstvertretung                           können identifiziert werden.
        b. Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft:
           Anerkennung dieser Form des Alterns,
           ressourcenorientierte Sichtweise und
           Entstigmatisierung von Demenz
        c. Verbesserung der Sozial- und Gesund-
           heitsversorgung sowie der öffentlichen
           Infrastruktur, um Teilhabebarrieren für
           Menschen mit Vergesslichkeit und ihre
           An- und Zugehörigen zu beseitigen
        d. Forschung zur Verbesserung der Lebens-
           qualität.

            18   PROMENZ | Volkshilfe Österreich
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

4.4 Was ist uns wichtig in der Unterstützung von Menschen
    mit Vergesslichkeit?
PROMENZ orientiert sich an einem ganzheitlichen     Medien. In einer Gesellschaft die auf „Funktio-
Menschenbild in der Tradition der humanistischen    nieren“ setzt, wo eher weggeworfen als repariert
Psychologie, der Logotherapie bzw. Existenz-        wird, sieht man oft vor allem die Nachteile des
analyse, der themenzentrierten Interaktion, der     Alters. Und das obwohl wir in einer alternden
Familientherapie und des personzentrierten          Gesellschaft leben.
Ansatz.
                                                    Soziale, kulturelle und rechtliche Aspekte sind
Bei diesen Denkansätzen wird der Mensch als         in diesem Verständnis höchst bedeutsam für
Einheit von Körper, Geist und Seele in einem        das Wohlbefinden und die Lebenschancen der
lebendigen System mit seiner Umwelt verbun-         Person. Wir verstehen Demenz daher auch als
den gesehen. Menschen können und wollen ihr         „WIR-Erkrankung“, die uns als Mitmenschen
Leben selbst bestimmen, ihm Sinn und Ziele          und als Gesellschaft herausfordert. Dabei orien-
geben. Wir wollen dabei eher auf die schöpferi-     tieren wir uns an der UN-Behindertenrechts-
schen Fähigkeiten des Menschen schauen, als         konvention und ihrer Definition für Menschen
ihn über Störungen zu definieren.                   mit Behinderungen: „Menschen, die lang-
                                                    fristige körperliche, seelische, geistige oder
Wir alle sind in erster Linie Menschen, Persön-     Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie
lichkeiten mit individueller Lebensgeschichte und   in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrie-
Lebensumfeld. Jede/r von uns kann irgendwann        ren an der vollen, wirksamen und gleich-
betroffen sein. Demenzielle Beeinträchtigungen      berechtigten Teilhabe an der Gesellschaft
sind eine Lebenskrise, wie andere schwere           hindern können.“
Erkrankungen, Unfälle, Tragödien. Demenzielle
Beeinträchtigungen fordern von den Betroffenen,     Diese Barrieren können strukturelle oder auch
sich stetig dem fortlaufenden Abbau ihrer kog-      kulturelle Barrieren sein, wie zum Beispiel eine
nitiven Fähigkeiten zu stellen. Die Verluste und    defizitorientierte Sicht des Alterns und der Ver-
Veränderungen belasten nicht nur den                gesslichkeit und ein Menschenbild, mit dem wir
Menschen in seiner Person, sie belasten auch        Menschen ihren Wert aufgrund ihres „Funktio-
das Beziehungsgeschehen.                            nierens“ zu- oder absprechen.

Unser Leben im dritten Jahrtausend fordert
uns einiges ab. Alles ist schneller geworden.
Allen voran die Kommunikation mittels digitaler

                                                                    PROMENZ | Volkshilfe Österreich   19
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

        5    WAS MACHT PROMENZ?

         • Unterstützte Selbsthilfe(gruppen) sichern, fördern und weiterentwickeln

         • Unterstützte Selbstvertretung und Öffentlichkeitsarbeit (Demenzstrategie,
           demenzfreundliche Kommunen, Veranstaltungen, partizipative Forschung,
           Medien, Tagungen etc.)

         • Vernetzung

         • Qualifizieren von UnterstützerInnen

        6    WOFÜR SETZT SICH PROMENZ EIN?

         • Für ein leichteres Leben mit Vergesslichkeit

         • Für einen ressourcenorientierten Zugang

         • Für Selbstfürsorge, Selbstbestimmung, Selbstvertretung und soziale Teilhabe

         • Für Anerkennung und Unterstützung der Perspektiven von Menschen
           mit Vergesslichkeit

         • Für Interessensvertretung von und für Menschen mit Vergesslichkeit

        7    WAS SIND BOTSCHAFTERINNEN?

         Einige NutzerInnen treten als BotschafterInnen in der Öffentlichkeit für ihre
         Anliegen ein. Sie sind positive Modelle und wirken am glaubwürdigsten gegen
         das Stigma und die Angst in der Bevölkerung vor der Demenz.

         Somit setzt sich PROMENZ auch das Ziel, Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying
         anwaltschaftlich für Menschen mit Vergesslichkeit sowie deren An- und Zu-
         gehörige zu leisten. Solche Auftritte sind in der Regel mit besonderem Stress
         verbunden. PROMENZ-BotschafterInnen können dabei auf unsere Unter-
         stützung zählen: Wir beschaffen nützliche Information zur Entscheidungs-
         findung und begleiten sie von der Vorbereitung bis zur Reflexion danach.

            20   PROMENZ | Volkshilfe Österreich
SELBSTSTÄNDIG LEBEN MIT PROMENZ

7.1 Was sind leitende bzw. begleitende UnterstützerInnen?

Die leitende Unterstützung ist verantwortlich für    Daher sind sie bereit, mit anderen, besonderes
den Rahmen eines Selbsthilfetreffens – nicht         der begleitenden Unterstützung, das eigene
für die Inhalte. Sie sorgt für ein sicheres Umfeld   Verhalten und seine Wirkung zu reflektieren.
und fördert einen ressourcenorientierten, wert-
schätzenden Umgang. Sie trägt eine besondere         Leitende UnterstützerInnen werden auf ihre
Verantwortung für die Sicherheit der Personen        Rolle und Funktion schrittweise vorbereitet und
im Hinblick auf Missbrauch und Gewalt.               qualifiziert. Sie erhalten das Qualitätshandbuch
                                                     und arbeiten sich in die Inhalte und Abläufe der
UnterstützerInnen sind aufmerksam und                PROMENZ-Initiative ein. Sie werden von einer/
orientieren sich am Wohl der Teilnehmenden.          einem Verantwortlichen auf dieser Grundlage
Sie sind sich dieser Verantwortung bewusst.          eingeführt.

7.2 Wie können die NutzerInnen erreicht werden?

NutzerInnen werden häufig über deren An- und         meinem Lebensalter überhaupt geeignet?“
Zugehörige bzw. Freunde und Bekannte auf uns         „Wie können An- und Zugehörige Unterstützung
aufmerksam gemacht. Diese leisten im Vorfeld         in Anspruch nehmen?“ In diesem Fall nimmt
häufig Motivierungsarbeit oder unterstützen bei      unsere erfahrene fachliche Leitung gerne mit
der An-/Abreise. Nahestehende sollten deshalb        den AnruferInnen Kontakt auf. Diese begleitet
auch bei der Bewerbung und Kommunikation             auch unsere UnterstützerInnen und Angebote
angesprochen werden.                                 fachlich.

Was sollte bei Anfragen und beim                     Wie wird eine Gruppe vorbereitet?
Erstkontakt beachtet werden?
                                                     Die Termine für die 14-tägigen Gruppentreffen
Für eingehende Anfragen benötigt es eine             werden etwa sechs Monate im Voraus verein-
geschulte Erstkontaktstelle. In Wien wird dies       bart. Sie können so auch auf einer Aktivierungs-
durch das PROMENZ Office gewährleistet.              karte zur Erinnerung vermerkt werden.
AnruferInnen können ihre Anliegen und                Der/ die leitende UnterstützerIn erhält vor jedem
Fragen einbringen, schildern ihre Situation.         Treffen folgende Dinge von der Office Leitung:
Die Büroleitung macht auf Gruppen in der Nähe        • Eine NutzerInnenliste (ohne Gewähr
und die kommenden Termine aufmerksam.                   auf Vollständigkeit!)
Sie bereitet auf die Selbsthilfegruppentreffen       • Informationen, ob NutzerInnen Unterstüt-
vor, indem sie den Anreiseweg erklärt und               zung bei An- und Abreise wünschen
abklärt, ob Unterstützung für den Hin- und           • Aufträge zur Weitergabe und Beschaffung
Rückweg benötigt wird, die wir nach Möglich-            von Informationen, zur Einholung von Ein-
keit gewährleisten.                                     verständniserklärungen, Unterschriften etc.

Angehörige bzw. Zugehörige werden informiert,        Die Office-Leitung erinnert die NutzerInnen
wie sie Menschen mit Vergesslichkeit auf die         auf Wunsch per Telefon oder SMS am Vortag
Gruppe vorbereiten können. Das Wort Demenz           an die Treffen. Zudem setzen wir Erinnerungs-
muss dafür nicht verwendet werden.                   karten für anstehende Aktivitäten ein.
Helfen kann darauf hinzuweisen, dass es eine         Diese geben wir bei den Gruppentreffen
Gruppe von Menschen ist, die sich für das geis-      an interessierte NutzerInnen aus.
tige Wohl einsetzen und sich dabei gegenseitig
unterstützen und bestärken.
Manchmal tauchen Fragen auf wie: „Ist das
Angebot für mich mit meinem Krankheitsbild, in

                                                                     PROMENZ | Volkshilfe Österreich   21
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