ISO-REPORT NR. 6 - iso-Institut

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ISO-REPORT NR. 6 - iso-Institut
ISO-REPORT NR. 6
    BERICHTE AUS FORSCHUNG UND PRAXIS

          KULTURWANDEL IM UMGANG MIT MENSCHEN
          MIT DEMENZ
          Evaluationsergebnisse aus dem Porticus-Programm zur
          Verbesserung des Lebens von Menschen mit Demenz

          Dr. Sabine Kirchen-Peters
          Dr. Elisabeth Krupp
          unter Mitarbeit von Maximilian Becker

                Saarbrücken 2021 | ISSN 2199-5834

2
ISO-REPORT NR. 6 - iso-Institut
Reihe:
iso-Report. Berichte aus Forschung und Praxis
Nr. 6, März 2021,
ISSN 2199-5834

Der vorliegende iso-Report entstand im Rahmen einer Beauf-
tragung des iso-Instituts von Porticus für die Evaluation des
„Programme to Improve the Life of People with Dementia”.

Impressum
Herausgeber: Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft
(iso) e. V., Trillerweg 68, 66117 Saarbrücken

Vereinsregister: Das Institut für Sozialforschung und Sozial-
wirtschaft e. V. ist im Vereinsregister des Amtsgerichts Saar-
brücken unter der Registernummer 17 VR 3017 als gemeinnüt-
ziger Verein eingetragen. Vorsitzender des Vereins ist Dr. Vol-
ker Hielscher.

Vertreter: Das Institut für Sozialforschung und Sozialwirt-
schaft e. V. wird gesetzlich vertreten durch den Geschäftsfüh-
rer Dr. Volker Hielscher.

Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gemäß § 27a Umsatz-
steuergesetz: DE138118160

II
INHALT
1. EINLEITUNG .......................................................................................................................... 1

2. FRAGESTELLUNGEN UND METHODISCHES KONZEPT DER EVALUATION ............................. 3

3. PORTRAITS DER INVOLVIERTEN PROJEKTE ........................................................................... 4

3.1 Projektportrait – Würdetherapie .................................................................................................. 6
    3.1.1 Angaben zur Struktur ............................................................................................................... 6
    3.1.2 Ziele des Projekts ..................................................................................................................... 6
    3.1.3 Stand des Projekts ................................................................................................................... 6
    3.1.4 Bewertung des Projekts ........................................................................................................... 7
    3.1.5 Weiterführende Informationen ............................................................................................... 8

3.2 Projektportrait – Selbstsorge ........................................................................................................ 9
    3.2.1 Angaben zur Struktur ............................................................................................................... 9
    3.2.2 Ziele des Projekts ..................................................................................................................... 9
    3.2.3 Stand des Projekts ................................................................................................................... 9
    3.2.4 Bewertung des Projekts ......................................................................................................... 11
    3.2.5 Weiterführende Informationen ............................................................................................. 11

3.3 Projektportrait – PROMENZ ........................................................................................................ 13
    3.3.1 Angaben zur Struktur ............................................................................................................. 13
    3.3.2 Ziele des Projekts ................................................................................................................... 13
    3.3.3 Stand des Projekts ................................................................................................................. 13
    3.3.4 Bewertung des Projekts ......................................................................................................... 16
    3.3.5 Weiterführende Informationen ............................................................................................. 17

3.4 Projektportrait – Demenzfreundliche Gemeinschaften ............................................................... 18
    3.4.1 Angaben zur Struktur ............................................................................................................. 18
    3.4.2 Ziele des Projekts ................................................................................................................... 18
    3.4.3 Stand des Projekts ................................................................................................................. 18
    3.4.4 Bewertung des Projekts ......................................................................................................... 21
    3.4.5 Weiterführende Informationen ............................................................................................. 21

3.5 Projektportrait – Freizeitbuddies Caritas Wien............................................................................ 23
    3.5.1 Angaben zur Struktur ............................................................................................................. 23
    3.5.2 Ziele des Projekts ................................................................................................................... 23
    3.5.3 Stand des Projekts ................................................................................................................. 23
    3.5.4 Bewertung des Projekts ......................................................................................................... 26

                                                                                                                                                 III
3.5.5 Weiterführende Informationen ............................................................................................. 27

3.6 Projektportrait – Town Hall Projekt ............................................................................................ 28
    3.6.1 Angaben zur Struktur ............................................................................................................. 28
    3.6.2 Ziele des Projekts ................................................................................................................... 28
    3.6.3 Stand des Projekts ................................................................................................................. 28
    3.6.4 Bewertung des Projekts ......................................................................................................... 31
    3.6.5 Weiterführende Informationen ............................................................................................. 31

3.7 Projektportrait – Demenzberatung Diakoniewerk ....................................................................... 32
    3.7.1 Angaben zur Struktur ............................................................................................................. 32
    3.7.2 Ziele des Projekts ................................................................................................................... 32
    3.7.3 Stand des Projekts ................................................................................................................. 32
    3.7.4 Bewertung des Projekts ......................................................................................................... 36
    3.7.5 Weiterführende Informationen ............................................................................................. 37

4. WEITERE ZWISCHENERGEBNISSE DER EVALUATION .......................................................... 38

5. ZUKUNFTSVISIONEN - GEDANKENSPLITTER ....................................................................... 40

LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................................ 42

IV
1. Einleitung

1. EINLEITUNG
Aufgrund der demographischen Entwicklung nimmt die          In der Folge ist der Umgang mit Menschen mit Demenz
Zahl von Menschen mit Demenz weltweit zu. Aktuell le-       immer noch primär durch Verdrängung, Tabuisierung
ben ca. 1,6 Millionen Demenzkranke in Deutschland           und mangelndes Wissen geprägt. Denn es gibt individu-
(Deutsche Alzheimer Gesellschaft 2020), 130.000 in Ös-      ell nachvollziehbare Gründe, beginnende Symptome ei-
terreich (Höfler et al. 2015) und 147.000 in der Schweiz    ner Demenz zu negieren und der Außenwelt zu ver-
(BASS 2018). Weltweit ist bis 2050 ein Anstieg von 50       schweigen, leitet doch die Diagnose Demenz in aller Re-
Millionen Erkrankten auf 152 Millionen zu erwarten          gel einen Prozess der fortschreitenden Stigmatisierung
(WHO 2020). Für Westeuropa wird ein Zuwachs von 7,5         ein. So gehört es zum Alltag, dass Menschen mit kogni-
Millionen auf 14,3 Millionen vorhergesagt (Prince et al.    tiven Beeinträchtigungen stigmatisiert werden und in
2015). Schätzungen zufolge steigen demnach auch die         vielen Bereichen von der Teilhabe am gesellschaftlichen
Kosten der Demenzversorgung in Europa von ca. 177           Leben ausgeschlossen sind. Sie werden häufig als pas-
Milliarden Euro im Jahr 2008 auf rund 250 Milliarden        sive Pflegeobjekte ohne Möglichkeiten der Selbstbe-
Euro bis zum Jahr 2030 (Wimo et al. 2009). Hinter diesen    stimmung behandelt und ethische Aspekte der Krank-
nüchtern wirkenden Zahlen verbirgt sich ein dramati-        heit oder die Frage nach der Würde von Menschen mit
scher Handlungsbedarf. Demenz stellt ohne Zweifel           Demenz werden kaum thematisiert. Dabei wollen auch
eine der größten gesundheits- und sozialpolitischen         Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen einen Bei-
Herausforderungen für unsere Gesellschaften und de-         trag zur Gemeinschaft leisten und als Individuen mit
ren Gesundheitssysteme dar.                                 Stärken und Fähigkeiten wahrgenommen werden. Viele
                                                            Betroffene sind trotz nachlassender Merkfähigkeit und
Doch auch wenn das Thema Demenz aufgrund der ho-
                                                            Wortfindungsstörungen zu Beginn ihrer Erkrankung
hen Zahl an Betroffenen in der Bevölkerung und der
                                                            noch in der Lage, sich selbstständig zu versorgen und
mittlerweile gestiegenen medialen Präsenz stärker in
                                                            benötigen lediglich bei der Bewältigung anspruchsvoller
das öffentliche Bewusstsein rückt, bestehen nach wie
                                                            Aufgaben Unterstützung. Zudem bleiben die emotiona-
vor massive Probleme im Umgang mit Demenzkranken.
                                                            len Ressourcen selbst bei einer schweren Demenz noch
Die Beschäftigung mit der Erkrankung konfrontiert die
                                                            lange Zeit intakt. Eine ressourcenorientierte Sichtweise,
Menschen mit eigenen Ängsten und Unsicherheiten.
                                                            die den Fokus auf vorhandene Fähigkeiten legt, spielt je-
Insbesondere die Vorstellung, durch eine Demenz einen
                                                            doch nach wie vor eine eher untergeordnete Rolle, ob-
unaufhaltsamen Verlust des Verstandes zu erleiden – in
                                                            wohl heute immer mehr Menschen – als Angehörige,
Kombination mit einer zunehmenden Abhängigkeit von
                                                            Nachbarn oder Freunde – indirekt von Demenz betrof-
Dritten –, stellt in der Wahrnehmung der Menschen
                                                            fen sind.
eine massive gesundheitliche Bedrohung dar (Deut-
scher Ethikrat 2012). Und diese Ängste sind alles andere    Von der Tabuisierung der Erkrankung und der Stigmati-
als unbegründet: Menschen mit Demenz werden vor             sierung der Erkrankten ist auch das soziale Umfeld be-
dem Hintergrund eines rationalistisch geprägten Men-        troffen. Gemäß dem Grundsatz „ambulant vor statio-
schenbildes, das den Verstand in den Mittelpunkt rückt,     när“ und dem Wunsch der meisten Patient*innen ent-
häufig abgewertet. Der Abbau ihrer kognitiven Leis-         sprechend wird der größte Teil der Pflege und Betreu-
tungsfähigkeit wird mit einer Entpersonalisierung oder      ung von Familienangehörigen, Freiwilligen und Fach-
einer Entmenschlichung gleichgesetzt. Dabei gerät aus       kräften zu Hause geleistet. Die emotionale Verbindung
dem Blick, dass das Menschsein auch eine soziale und        des Demenzkranken mit seiner Pflegeperson und ein
emotionale Seite hat und dass Demenzkranke in diesen        Umfeld, das sich der Bedürfnisse, Ressourcen und Wün-
Dimensionen noch über erhebliche Ressourcen verfü-          sche des Betroffenen bewusst ist, liefern einen wichti-
gen.                                                        gen Beitrag zu einer bedarfsgerechten Versorgung. Die
                                                            im Verlauf der Erkrankung voranschreitende

                                                           Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz I 1
1. Einleitung

Pflegebedürftigkeit und der zunehmende Betreuungs-        zu einer gesundheitspolitischen Priorität der EU zu er-
bedarf stellen jedoch enorme körperliche, psychische,     klären. Mit verschiedenen Pflegereformen und der Ent-
und soziale Anforderungen an die Pflegenden. Nur we-      wicklung Nationaler Demenzstrategien haben einige
nigen Angehörigen gelingt aufgrund der beschriebenen      Mitgliedsländer erste Schritte für eine verbesserte Be-
Mechanismen ein offener und bewusster Umgang mit          treuung von Menschen mit Demenz unternommen.
der Demenz und demzufolge werden bestehende Hilfen        Dennoch existieren nach wie vor große länderspezifi-
zur Beratung und Unterstützung in vielen Fällen zu spät   sche Unterschiede im Umgang mit Demenz und die Um-
oder gar nicht in Anspruch genommen.                      setzung der Nationalen Demenzstrategien verläuft zum
                                                          Teil sehr schleppend, nicht zuletzt, weil den verschiede-
Um eine Überlastung zu vermeiden, könnten professio-
                                                          nen Zielen nur unzureichende Ressourcen zugewiesen
nelle Dienstleister wertvolle Unterstützung leisten.
                                                          werden. Dabei ist vor allem zu beklagen, dass die meis-
Doch auch vielen Pflegekräften und Ärzt*innen fehlt es
                                                          ten Mittel in die pflegerische und medizinische Versor-
an geeigneten professionellen Strategien für den Um-
                                                          gung fließen und eher wenig in das „soziale Gelingen“
gang mit Demenzkranken. Mangelndes Hintergrundwis-
                                                          der Demenz investiert wird.
sen und zunehmender Zeitdruck führen nicht nur zu ei-
nem inadäquaten Umgang in Pflege, Behandlung und          An diesem Punkt setzt ein Demenzprogramm von
Betreuung, sondern auch dazu, dass die Strukturen und     Porticus an. Unterstützt wurden Projekte in Deutsch-
Arbeitsprozesse nicht an den spezifischen Bedürfnissen    land, Österreich und der Schweiz, die mit unterschiedli-
der psychisch Kranken ausgerichtet werden. Auch auf       chen Ansätzen versuchen, die Haltung zu Menschen mit
der Ebene der „Professionellen“ ist die Frage der Hal-    Demenz positiv zu beeinflussen. Ihr gemeinsames Ziel
tung zu Menschen mit Demenz von entscheidender Be-        ist es, die besonders vulnerable Personengruppe der
deutung. Nur wenn Demenzkranke als Personen ernst         Demenzkranken wieder in die Mitte der Gesellschaft zu
genommen werden, ist es möglich, sie mit Würde in ih-     rücken, sie bei einer selbstständigen Lebensführung zu
rem Krankheitsprozess zu unterstützen und sie dabei in    unterstützen und ihnen gleichzeitig den benötigten
allen Stadien der Erkrankung in die Gestaltung von Ab-    Schutz zu bieten. Die Projekte beinhalten damit die
läufen und Entscheidungen einzubinden.                    Chance, einen Kulturwandel hin zu einer wertschätzen-
                                                          den Gesellschaft und eine Veränderung der Einstellun-
Angesichts dieser Herausforderungen ist es erforder-
                                                          gen gegenüber Menschen mit Demenz zu initiieren. Sie
lich, dass die Politik nachhaltige Lösungen für die be-
                                                          leisten einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit und zur
darfsgerechte Versorgung von Menschen mit Demenz
                                                          Etablierung von Gesundheitssystemen, die den Fokus
entwickelt und etabliert. Dementsprechend hat das eu-
                                                          auf den Wert und die Würde von Menschen unabhängig
ropäische Parlament in einer Entschließung am 19. Ja-
                                                          von ihren Handicaps legen.
nuar 2011 den Europäischen Rat aufgefordert, Demenz

2 | Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz
2. Fragestellungen und methodisches Konzept der Evaluation

2. FRAGESTELLUNGEN UND METHODISCHES KONZEPT DER EVALUATION
Wenn eine Demenzdiagnose gestellt wird, ist dies für          danach gefragt, ob die angestrebten Ziele erreicht wur-
die meisten Menschen eine erschütternde Nachricht.            den. Bei einer formativen Evaluation soll in erster Linie
Der Begriff Demenz übt einen besonderen Schrecken             nachvollzogen werden, wie die Modellvorhaben zu ih-
aus und wird im Gegensatz zu vielen anderen Erkran-           ren Zielen gelangt sind und welche hemmenden und
kungen als nicht kontrollierbar und handhabbar emp-           förderlichen Faktoren sich dabei herauskristallisiert ha-
funden. In der öffentlichen Wahrnehmung wird dabei            ben. Durch den Fokus der Evaluation auf die Art und
vielfach übersehen, dass viele Demenzkranke über eine         Weise der Zielerreichung ist gewährleistet, dass die in
lange Phase ein durchaus erfülltes und zufriedenes Le-        den Einzelprojekten erzielten Ergebnisse einen allge-
ben führen können. Ansatzpunkte, wie ein würdevolles          meinen Nutzen erwirken und für andere übertragbar
Leben mit Demenz gelingen kann, sollen durch eine Eva-        werden. Das Erkenntnisinteresse liegt auf der Auswer-
luation herausgearbeitet werden. Anknüpfend an die            tung von Erfahrungen mit Guter Praxis und mit Gelin-
geförderten Projekte besteht das übergeordnete Ziel           gensfaktoren für Einstellungsänderungen. Hierzu wer-
der Evaluation darin, zielgenaue Strategien für eine Stei-    den die Projekte tiefgreifend reflektiert und deren Vor-
gerung von Demenzsensibilität herauszuarbeiten. Für           gehensweisen und Erfahrungen gesammelt und analy-
die Analyse ist dabei die entscheidende Frage, unter          siert.
welchen Bedingungen und mit welchen Methoden die
                                                              Die Analyse umfasste im Jahr 2019 zunächst eine Kon-
subjektiven Einstellungen von Menschen zu der Erkran-
                                                              zeptevaluation, in der die Planungen und erste Umset-
kung beeinflusst werden können.
                                                              zungsschritte der Projekte ebenso wie relevante Litera-
Neben dieser übergreifenden Fragestellung werden im           tur zum Thema ausgewertet wurden. Zum Zeitpunkt der
Rahmen der Evaluation die Projekte gemessen an ihren          Berichtslegung befand sich die Evaluation in der Phase
eigenen Zielstellungen analysiert. Dabei stehen z.B. fol-     einer vertiefenden Analyse, in der bis 2021 Interviews,
gende Fragen im Fokus:                                        Reflexionsgespräche und Fokusgruppen durchgeführt
                                                              werden. Die nachfolgenden Projektportraits sind ein
•   Inwieweit können die Projekte die gesteckten Ziele
                                                              Zwischenprodukt der Evaluation auf der Basis des unter-
    erreichen?
                                                              schiedlichen Entwicklungsstandes an den einzelnen
•   Welche Rahmenbedingungen und Vorgehenswei-
                                                              Standorten. Sie spiegeln den jeweiligen Stand der Um-
    sen beeinflussen den Erfolg?
                                                              setzung in den begleiteten Projekten wider und zeigen
•   Welche Erfahrungen sammeln die Akteure mit der
                                                              die Erfahrungen der Projektbeteiligten in der Entwick-
    Akzeptanz ihrer Maßnahmen bei den unterschiedli-
                                                              lung und Umsetzung geeigneter Strategien zur Verbes-
    chen Zielgruppen?
                                                              serung der Situation von Menschen mit Demenz und ih-
Entsprechend der forschungsleitenden Fragestellungen          ren Angehörigen auf. Darüber hinaus werden hem-
handelt es sich um eine formative Evaluation: Im Gegen-       mende Faktoren für den Projekterfolg aufgezeigt, sowie
satz zu einer Wirkungsanalyse im klassischen Sinne wird       Ansätze zur Überwindung dieser Barrieren.

                                                             Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz I 3
3. Portraits der involvierten Projekte

3. PORTRAITS DER INVOLVIERTEN PROJEKTE
Die in die Evaluation eingeschlossenen Projekte des         Demenz zu erarbeiten. Dies erfolgt durch die qualitative
„Programms zur Verbesserung des Lebens von Men-             Auswertung von mitgeschnittenen Beratungsgesprä-
schen mit Demenz“ sind in folgender Tabelle aufgelistet.    chen und durch Fokusgruppen mit Angehörigen. An-
Es handelt sich um sieben Vorhaben, darunter vier in        sprechpartnerin für dieses Projekt ist die Geschäftsfüh-
Österreich und zwei in der Schweiz sowie eines in           rerin der Alzheimer Gesellschaft Sabine Jansen (sa-
Deutschland. Beteiligt sind sowohl Forschungs- und Bil-     bine.jansen@deutsche-alzheimer.de;
dungseinrichtungen als auch Vertreter von Wohlfahrts-       https://www.deutsche-alzheimer.de).
pflege und Selbsthilfe. Während zwei Projekte bereits
                                                            Älteren Menschen eine Stimme zu geben, ihre Themen
im Jahr 2017 begonnen haben, sind drei in 2018 und
                                                            zur Diskussion zu stellen – und zwar aus ihrer Perspek-
zwei in 2019 an den Start gegangen.
                                                            tive: das ist Aufgabe und Anspruch des YouTube-Teilha-
Es gibt darüber hinaus zwei weitere unterstützte De-        bekanals KuKuK-TV. Ältere Menschen mit und ohne kog-
menzprojekte in Deutschland, die allerdings nicht inten-    nitive oder andere Beeinträchtigungen gestalten daher
siver in die Evaluation eingebunden sind. Dabei handelt     das Programm mit und bringen sich aktiv ein. Getragen
es sich um ein Projekt der Deutschen Alzheimer Gesell-      wir die Arbeit von engagierten älteren und jüngeren
schaft („Evaluation des Alzheimertelefons“), das über       Menschen in den bisher vier Regionalgruppen in Stutt-
eine eigene Evaluation verfügt und um ein Projekt der       gart, Innsbruck, Hamburg und Wien. Die gemeinnützige
Demenz Support Stuttgart („KuKuK-TV“), bei dem sich         Demenz Support Stuttgart koordiniert die Arbeit, bietet
die Mittel auf die Produktion von Kurzfilmen beziehen.      filmische Unterstützung und qualifiziert Interessierte:
                                                            hier lernt man, wie man Filmbeiträge mit ganz einfachen
Das Projekt der Alzheimer Gesellschaft setzt an dem ho-
                                                            Mitteln erstellen kann, zum Beispiel mit dem Smart-
hen Beratungsbedarf der Angehörige von Menschen mit
                                                            phone oder dem Tablet. KuKuK-TV greift Themen wie
Demenz an. Um diesem zu begegnen, bietet die Alzhei-
                                                            Einsamkeit im Alter, Senioren-WGs auf dem Bauernhof,
mer Gesellschaft seit vielen Jahren eine telefonische Be-
                                                            Demenz in jungen Jahren oder den Alltag in Zeiten der
ratung an. Das „Alzheimer-Telefon“ der Deutschen Alz-
                                                            Coronapandemie auf und jede Person kann Vorschläge
heimer Gesellschaft berät etwa 6.000 Personen pro
                                                            für Programmbeiträge unterbreiten. Ansprechpartner
Jahr. In dem Projekt „Evaluation of a dementia helpline
                                                            ist Geschäftsführer Peter Wißmann (peter.wiss-
through participatory research“ wird dieses Angebot
                                                            mann@gmx.de;
durch die TU München evaluiert mit dem Ziel, Hinweise
                                                            https://www.youtube.com/kukuktv).
für die Verbesserung telefonischer Beratungsleistungen
für die Zielgruppe der Angehörigen von Menschen mit

4 | Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz
3. Portraits der involvierten Projekte

Tabelle 1: Projekte des Demenzprogramms
 Institution       Universität Zürich,   Universität Zürich,    PROMENZ-Initia-       Kardinal König      Caritas der           Universität Heidel-    Diakoniewerk
                   Lehrstuhl Spiritual   Institut für Sozial-   tive von und für      Haus                Erzdiözese Wien       berg, Institut für
                   Care                  anthropologie und      Menschen mit                                                    Gerontologie
                                         Empirische Kultur-     Vergesslichkeit und
                                         wissenschaft           leichterem Leben
                                         - Populäre Kulturen    mit Demenz

 Projekttitel      Würdetherapie für     Selbstsorge bei        Aufbau und            Einführung und      Freizeitbuddies für   Pflegenden             Multiregionale und
                   Patient*innen mit     Demenz im              Verbreitung von       Umsetzung des       Menschen mit          Angehörigen von        multimodale
                   Demenz im Früh-       Horizont von           Unterstützungs-       Konzepts der de-    Demenz                Menschen mit           Demenzberatung
                   stadium.              Spiritual Care und     und Lobbying-         menzfreundlichen                          Demenz eine
                   Empirische und        Empirischer Kultur-    Gruppen für           Gemeinschaften in                         Stimme geben –
                   narratologische       wissenschaft           Menschen mit          Österreich                                Das Town Hall
                   Studien im Rahmen                            Demenz                                                          Projekt
                   der Spirituellen
                   Pflege
 Ort               Zürich                Zürich                 Wien                  Wien                Wien und Region       Heidelberg             Graz, Klagenfurt
                                                                                                          südliches Nieder-                            und Salzburg
                                                                                                          österreich
 Projektbeginn     26.09.2017            01.02.2018             01.04.2018            01.04.2018          01.01.2019            01.03.2019             01.05.2019
 Ansprechpart-     Prof. Dr.             Prof. Dr.              Raphael Schön-        Petra Rösler        Norbert Partl         Dr. Stefanie Wiloth;   Nicole Bachinger-
 ner*in            Simon Peng-Keller     Harm-Peer              born;                                                           Dr. Birgit Kramer      Thaller
                                         Zimmermann             Reingard Lange
 Art der Ein-      Bildungs- und         Bildungs- und          Selbsthilfegruppe     Bildungszentrum     Wohlfahrtsverband     Bildungs- und          Wohlfahrtsverband
 richtung          Forschungs-           Forschungs-                                  der Jesuiten und                          Forschungs-
                   einrichtung           einrichtung                                  der Caritas                               einrichtung

                                                                                                                  Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz I 5
3.1 Projektportrait – Würdetherapie

3.1 Projektportrait – Würdetherapie
3.1.1 Angaben zur Struktur                                  Vorarbeiten zur Würdetherapie bei Sterbenden am
                                                            Universitätsspital Zürich. Der Patienteneinschluss er-
Projekttitel: „Würdetherapie für Patienten mit Demenz
                                                            folgt am Stadtspital Waid, in dem Menschen mit Kogni-
im Frühstadium. Empirische und narratologische Stu-
                                                            tionsstörungen ambulant getestet werden. Bei der
dien im Rahmen der Spirituellen Pflege“
                                                            Durchführung der Studie wird mit dem Institut für Sozi-
Projektträger: Universität Zürich, Lehrstuhl Spiritual      alanthropologie und Kulturwissenschaft an der Univer-
Care                                                        sität Zürich kooperiert, an dem das ebenfalls von Porti-
                                                            cus geförderte Projekt zur Selbstsorge angesiedelt ist.
Förderzeitraum: 26.09.2017 – 26.09.2020
                                                            Bisheriger Projektverlauf / Aktivitäten
3.1.2 Ziele des Projekts
Übergeordnetes Ziel                                         Die Würdetherapie kann als ein strukturierter und an-
                                                            geleiteter Prozess der Aufmerksamkeitslenkung auf po-
In dem Projekt geht es vorrangig darum, wissenschaft-       sitive Aspekte und Ressourcen der von Demenz be-
liche Grundlage für eine neue Form von Therapie zu          troffenen Familien betrachtet werden. Durch eine be-
entwickeln, die an den Ressourcen von Menschen mit          wusste Auseinandersetzung mit der Erkrankung und
Demenz ansetzt und nicht auf die Behebung von Defizi-       mit den Gefühlen, die damit verbunden sind, soll das
ten ausgerichtet ist. Dabei steht zusätzlich das Anliegen   Thema auf eine gute Weise offengelegt, das „Durchei-
im Hintergrund, das Feld von „Spiritual Care“ auf an-       nander in den Köpfen“ reduziert und die Situation ins-
dere Wirkungsbereiche auszudehnen und die interdis-         gesamt entspannt werden.
ziplinäre Zusammenarbeit in der Behandlung von Men-
schen mit Demenz zu fördern.                                Die Patient*innen werden über eine Akutgeriatrie re-
                                                            krutiert. Dort werden sie mit einem standarisierten Ver-
Teilziele                                                   fahren getestet und für das Projekt angefragt. Auch
•   Nutzen der Würdetherapie bei Menschen mit De-           eine Anfrage im Rahmen einer Nachkontrolle bei be-
    menz im frühen Stadium und bei nahen Familien-          reits diagnostizierter Demenz ist möglich. Damit wer-
    mitgliedern testen                                      den Menschen in schweren Stadien ausgeschlossen, für
                                                            die die Therapie nicht geeignet ist. Die Würdetherapie
•   Grundlagen zur Bewertung der Machbarkeit, Ak-
                                                            wird von einem Seelsorger und zwei Psycholog*innen
    zeptanz und Praktikabilität der Würdetherapie
                                                            durchgeführt. Es hat sich gezeigt, dass neben der Fach-
    schaffen
                                                            lichkeit vor allem kommunikative Kompetenzen wichtig
•   Lebensqualität, Würdegefühl und Beziehungen in
                                                            sind, um die Gespräche erfolgreich durchzuführen. Vor
    den Familien verbessern
                                                            allem die Fähigkeit, den Patient*innen mit Empathie
•   Interdisziplinäre Forschung fördern
                                                            und einer offenen Neugier zu begegnen und in dem In-
Zielgruppen                                                 terview sehr bewegende biografische Informationen
                                                            herauszuarbeiten, ist von Bedeutung. Um eine einheit-
•   Menschen mit Demenz in einem frühen Stadium
                                                            liche Vorgehensweise abzusichern, werden alle Inter-
•   Nahe Angehörige dieser Menschen
                                                            viewer*innen auf die Gespräche und auf mögliche
3.1.3 Stand des Projekts                                    Schwierigkeiten vorbereitet.

Organisatorischer Rahmen                                    Die Würdetherapie umfasst drei Sitzungen. In der ers-
                                                            ten Sitzung gibt es das Vorbereitungsgespräch, in dem
Das Projekt „Würdetherapie“ ging vom Lehrstuhl „Spi-
                                                            die Ziele und der Ablauf erklärt werden. Beim zweiten
ritual Care“ aus und wird in einem Verbund verschiede-
                                                            Treffen wird anhand eines strukturierten Leitfadens das
ner Institutionen umgesetzt. Grundlage der Studie sind
                                                            Interview durchgeführt. Die Fragen drehen sich

6 | Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz
3.1 Projektportrait – Würdetherapie

insbesondere um die Zeiten, die im Leben jeweils am           angeben können, wie die Therapie bewertet wird und
wichtigsten waren. Abgefragt werden zudem Wünsche,            ob sie diese weiterempfehlen würden.
wie die Betroffenen in Erinnerung gehalten werden
                                                              Akzeptanz der Maßnahmen
wollen und was sie ihrer Familie aus ihrer Lebenserfah-
rung heraus noch mitteilen möchten. Aus dem aufge-            Drei von vier angefragten Menschen mit Demenz nah-
nommenen und transkribierten Interview wird ein Erin-         men an der Studie teil. Damit ist die Akzeptanz der Wür-
nerungsdokument erstellt, in dem die Erlebnisse und           detherapie überraschend gut, wenn man bedenkt, dass
Aussagen so ausgedrückt werden, wie es die Menschen           in den betroffenen Familien gerade nach einer Diagno-
mit Demenz in der Regel selbst nicht mehr geschafft           sestellung eine sehr vulnerable Situation vorherrscht.
hätten. Die dritte Sitzung dient der Abstimmung des Ge-       Als Erfolg kann zudem bewertet werden, dass im Ver-
nerativitätsdokuments. Betroffene und Angehörige ha-          gleich zu anderen Studien wenige Patient*innen die
ben die Möglichkeit, die editierte Version anzupassen,        Therapie abbrechen („Dropout“).
damit das Dokument all ihren Wünschen und Erwartun-
                                                              Barrieren und Umsetzungsprobleme
gen entspricht. Sobald das Dokument genehmigt ist, er-
halten die Familien die Endfassung mit der Einladung,         Die Hauptprobleme stellten sich bislang bei der Rekru-
dieses mit anderen zu teilen.                                 tierung der Proband*innen ein. Rund ein Viertel der an-
                                                              gefragten Familien hat eine Teilnahme an dem Projekt
An allen drei Gesprächen sind Angehörige beteiligt, in
                                                              abgelehnt. Dabei handelte es sich vorwiegend um äl-
der Regel der oder die Partner*in; es kann aber auch
                                                              tere Menschen mit Demenz, die sich von dem Angebot
ein erwachsenes Kind oder ein/e Freund*in sein. Das
                                                              nicht angesprochen fühlten. Viele waren bei der An-
entspannt die Situation für die Betroffenen und es kön-
                                                              frage noch in der Verarbeitungsphase der Diagnose und
nen zusätzliche Informationen fließen, auch wenn der
                                                              mental nicht in der Lage, sich auf die Therapie einzulas-
Schwerpunkt des Interviews bei den Patient*innen
                                                              sen. Eine Teilnahme war zudem nicht möglich, wenn die
liegt. Bis das Erinnerungsdokument erstellt ist, sind eine
                                                              Menschen zu weit weg wohnten oder wenn bei Men-
ganze Reihe aufwendiger Arbeitsschritte zu erfüllen.
                                                              schen mit Migrationshintergrund die Sprachfähigkeiten
Die Interviews dauern meistens zwischen 30 und 60 Mi-
                                                              nicht gegeben waren. Ein weiteres Problem bestand bei
nuten, selten länger als eine Stunde, die Transkription
                                                              Menschen mit Demenz ohne Krankheitseinsicht, die
ungefähr weitere drei bis fünf Stunden. Für das Editie-
                                                              keine Notwendigkeit für die Therapie sahen. In der Re-
ren fällt ein Zeitaufwand von vier bis fünf Stunden an.
                                                              gel standen die Angehörigen der Therapie positiver ge-
Ausgehend von der Ersterhebung psychometrischer               genüber als die Betroffenen.
Werte vor der Würdetherapie findet nach drei Mona-
                                                              Evaluation der Zielerreichung
ten eine Follow-up-Erfassung zu folgenden Dimensio-
nen statt:                                                    Bei dem Projekt handelt es sich um eine Interventions-
                                                              studie, bei der der Nutzen für die Menschen mit De-
•   generelle Belastung
                                                              menz und ihre Angehörigen getestet wird.
•   Angst und Depression
•   Lebensqualität                                            3.1.4 Bewertung des Projekts
•   Würdegefühl                                               Quantitative Ergebnisse, die eine Bewertung des Nut-
•   Coping in der Partnerschaft                               zens erlauben, liegen erst zum Projektende 2021 vor.
Der Vorher-Nachher-Vergleich erlaubt eine Abschät-            Allerdings gibt es bereits erste Eindrücke aus den Inter-
zung der Wirkungen von Würdetherapie. Darüber hin-            views, die auf eine positive Resonanz schließen lassen.
aus erhalten die Betroffenen und ihre Angehörigen ei-         Die Würdetherapie hilft den Betroffenen und ihren An-
nen standarisierten Fragebogen, in dem sie z. B.              gehörigen, sich mit der Situation auseinanderzusetzen.
                                                              Sie erfahren es als wohltuend, sich mit der

                                                             Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz I 7
3.1 Projektportrait – Würdetherapie

gemeinsamen Vergangenheit positiv zu beschäftigen          therapie auch zur Empowerment-Strategie entwickeln.
und wichtige biografische und familiäre Meilensteine       Auf der Grundlage valider Ergebnisse besteht im Ideal-
schriftlich zu sichern. Damit erfolgt eine Abwendung       fall die Möglichkeit, eine Kassenzulassung zu erreichen
von der Krankheits- und Problemfixierung hin zu einer      und damit den Boden für einen breiten Transfer zu le-
Fokussierung auf die Ressourcen, z.B. auf lebensge-        gen.
schichtliche Erfahrungen, auf die man sich in dieser
                                                           Mit dem Konzept der Würdetherapie wird die Hoffnung
schwierigen Situation zurückbesinnen kann.
                                                           verbunden, die Tabuisierung der Demenz zu reduzie-
Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Generierung     ren, indem es „normaler“ wird, über Demenz zu spre-
neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Mit der Studie      chen und sich bewusst mit der Krankheit auseinander-
soll geprüft werden, ob die bereits für andere Pati-       zusetzen. Zudem könnte als Nebeneffekt gelingen, die
ent*innengruppen erprobte Würdetherapie auch bei           im Rahmen der Würdetherapie deutlich werdenden
Menschen mit Demenz wirksam ist. Dabei können Ent-         Ressourcen von Menschen mit Demenz systematisch
wicklungen auf sehr unterschiedlichen Dimensionen          aufzuzeigen.
wie Belastung, Depressivität, Lebensqualität, Würdege-
fühl und Coping in der Partnerschaft nachvollzogen
werden. Zudem ist es möglich, Effekte getrennt vonei-
nander für Menschen mit Demenz und für Angehörige
zu bewerten.

Falls sich die Würdetherapie als wirksam erweist, läge
jenseits von Medikamenten eine weitere Behand-
lungsoption für die Demenzerkrankung vor. Durch das
Unterstützungsangebot erhalten die Betroffenen die
Möglichkeit, selbst zu einem positiveren Verlauf der Er-
krankung beizutragen und sind der Situation nicht mehr
hilflos ausgeliefert. Somit könnte sich die Würde-

3.1.5 Weiterführende Informationen
Ansprechpartner*innen:                                     Internet:
                                                           www.theologie.uzh.ch/faecher/spiritual-care.html
Prof. Dr. Simon Peng-Keller
                                                           www.theologie.uzh.ch/de/faecher/spiritual-care/for-
Universität Zürich
                                                           schung/W%C3%BCrdezentrierte-Therapie-f%C3%BCr-
Professur für Spiritual Care
                                                           Menschen-mit-leichter-demenzieller-Erkrankung.html
Kirchgasse 9
CH-8001 Zürich                                             Veröffentlichungen:
Tel.: +41 44 634 54 00
                                                           Zimmermann, H. P.; Peng-Keller, S. 2021 (Hrsg.): Selbst-
E-Mail: simon.peng-keller@theol.uzh.ch
                                                           sorge bei Demenz. Alltag, Würde, Spiritualität. Frank-
                                                           furt a. M. / New York.

8 | Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz
3.2 Projektportrait – Selbstsorge

3.2 Projektportrait – Selbstsorge
3.2.1 Angaben zur Struktur                                  Zielgruppen
Projekttitel: „Selbstsorge bei Demenz im Horizont von       •   Menschen mit Demenz
Spiritual Care und Empirischer Kulturwissenschaft“          •   Expert*innen aus verschiedenen Demenzberei-
                                                                chen
Projektträger: Universität Zürich, Institut für Sozial-
anthropologie und Empirische Kulturwissenschaft –           3.2.3 Stand des Projekts
Populäre Kulturen                                           Organisatorischer Rahmen
Förderzeitraum: 01.02.2018 – 31.01.2021
                                                            Das Projekt „Selbstsorge“ wird federführend vom Insti-
3.2.2 Ziele des Projekts                                    tut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwis-
Übergeordnetes Ziel                                         senschaft – Populäre Kulturen in Kooperation mit der
                                                            Theologischen Fakultät der Universität Zürich durchge-
Die Studie zielt darauf ab, ein erweitertes Bild der Le-    führt. Es baut auf mehrjähriger Forschungserfahrung im
benssituation von Menschen mit Demenz wissenschaft-         Bereich der Palliativ- und Spiritual Care auf und wird
lich zu fundieren: Entgegen dem einseitigen Blick auf       durch kulturelle und anthropologische Expertise zu den
die Hilfebedürftigkeit sollen Demenzkranke als Akteure      Themen Altern und Demenz unterstützt. Neben den
beschrieben werden, die um sich selbst und um andere        beiden Lehrstuhlinhabern sind drei wissenschaftliche
Sorge tragen. Dabei wird von einem Verständnis der          Mitarbeiter*innen in dem Projekt beschäftigt.
Selbstsorge als Potenzial ausgegangen, welches neben
kognitiven auch leibliche und spirituelle Dimensionen       Bisheriger Projektverlauf / Aktivitäten
umfasst. Menschen können trotz einer Demenzerkran-          Der Begriff der Selbstsorge im Zusammenhang mit De-
kung unterschiedliche Formen der Selbstsorge in ihr All-    menz wurde erstmals von der Universität Zürich mit
tagsleben integrieren und sich um sich selbst und um        diesem Projekt ins öffentliche Bewusstsein gerückt.
andere sorgen. Der Diskurs über die Selbstsorge wird in     Selbstsorge bedeutet in diesem Verständnis das be-
der Untersuchung in philosophischer, ethischer und          wusste Einbringen eigener subjektiver Bedürfnisse
pflegewissenschaftlicher Sicht in den Blick genommen.       durch die Erkrankten selbst. Die Demenzkranken über-
Es soll vermehrt Wissen zur Selbstsorge von Menschen        nehmen für sich selbst mit Verantwortung und werden
mit Demenz in der Theorie, in der Forschung und in der      durch die Vertretung der eigenen Interessen und Be-
Praxis aufgebaut und verbreitet werden. Dabei wird die      lange subjektiv in ihrer Persönlichkeit gestärkt. Sie drü-
Perspektive auf die Ressourcen und Potenziale der De-       cken damit ihre eigenen Werthaltungen aus. Je nach Er-
menzkranken gelenkt und aufgezeigt, wie mit Selbst-         krankungsschwere können die Erkrankten ihren Alltag
sorge zu einem guten Leben beigetragen werden kann.         selbstbestimmt gestalten und zu eigenem (spirituellen)
Darüber hinaus werden hemmende und förderliche              Wohlbefinden und dem Wohlbefinden anderer beitra-
Faktoren für das Gelingen von Selbstsorge herausgear-       gen. Somit könnte sich der Selbstsorgeansatz zu einem
beitet. Im Ergebnis soll die Studie zu einer Abkehr von     bedeutenden Faktor entwickeln, wenn es um eine ge-
der Defizitorientierung und zur Etablierung humaner         sellschaftliche Anerkennung und Würdigung von Fähig-
Lebensformen für Menschen mit Demenz beitragen.             keiten und Interessen von Menschen mit Demenz geht.
Teilziele                                                   Derzeit ist jedoch im öffentlichen Diskurs vornehmlich
•   Theoretisches Konzept zur Selbstsorge erstellen         eine defizitorientierte Sichtweise vorzufinden, bei der
                                                            die Potenziale und Ressourcen der Erkrankten, die
•   Empirische Daten sammeln, um die Bedeutung der          durch die Selbstsorge aktiviert werden können, nicht im
    Selbsthilfe nachzuweisen                                Vordergrund stehen. Darüber hinaus fehlen

                                                           Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz I 9
3.2 Projektportrait – Selbstsorge

theoretische Konzepte zum Selbstsorgeansatz für Men-        der Betroffenen im Umgang mit der eigenen Selbst-
schen mit Demenz sowie eine systematische Daten-            sorge und mit der Sorge um andere erfasst und analy-
grundlage und praxisorientierte Selbsthilfeinitiativen in   siert. Die Datensammlung findet während der Beglei-
der gesamten Schweiz. Das hat den Ausschlag für dieses      tung von drei Selbsthilfegruppen in Wien und Zürich
Projekt gegeben und an dieser Lücke setzt das Projekt       statt. Aber auch im Rahmen von Gottesdiensten oder
an. Es trägt mithilfe der Kooperation zwischen der The-     Gesangskreisen von Kirchen wurde mit den Erkrankten
ologischen Fakultät und dem Institut für Sozialanthro-      das Gespräch gesucht.
pologie und Empirischen Kulturwissenschaft – Populäre
                                                            Akzeptanz der Maßnahmen
Kulturen zu einer vermehrten Auseinandersetzung und
zum Wissensaufbau zum Thema Selbstsorge von Men-            Das Interesse an der Studie ist in beiden Forschungs-
schen mit Demenz bei. Dabei werden drei Ebenen in           strängen groß. Die Menschen mit Demenz und die Ex-
den Blick genommen werden:                                  pert*innen aus Demenzhilfe und Wissenschaft haben
                                                            sich bereitwillig auf die Auseinandersetzung mit dem
•   die theoretisch-konzeptionelle Ebene
                                                            Konzept der Selbstsorge eingelassen. Insbesondere in
•   die empirisch-lebensweltbezogene Ebene
                                                            den Gesprächen mit den Demenzkranken in den Selbst-
•   die praktische Umsetzungsebene der Selbstsorge
                                                            hilfegruppen wurde ein großes Mitteilungsbedürfnis
Es werden zwei Forschungsstränge verfolgt:                  festgestellt.

Im Forschungsstrang A wird der aktuelle Stand im Wis-       Barrieren und Umsetzungsprobleme
senschaftsdiskurs mit der Methode der Diskursanalyse
                                                            Zu Beginn des Projekts war es schwierig, den neuen Be-
untersucht. Ausgewertet werden relevante Literatur-
                                                            griff der Selbstsorge zu etablieren und hierfür ein Ver-
quellen aus dem Zeitraum 1992 bis 2020. Darüber hin-
                                                            ständnis zu entwickeln. Es bedarf weiterhin einer theo-
aus werden Experteninterviews mit Personen aus der
                                                            retischen Klärung, Sensibilisierung und Weiterentwick-
Demenzhilfe durchgeführt. Darin geht es darum, wie
                                                            lung des Begriffs im offenen Diskurs mit allen Beteilig-
über Menschen mit Demenz in der Wissenschaft ge-
                                                            ten.
sprochen und inwiefern die Selbstsorge bei Demenz in
wissenschaftlichen Publikationen thematisiert wird. In      Eine Schwierigkeit ergab sich zunächst auch beim Zu-
den Experteninterviews werden jeweils vier Personen         gang zu den Selbsthilfegruppen. Es bestand auf Seiten
aus dem kommunalen, pflegerischen, zivilgesellschaft-       der Angehörigen ein ausgeprägtes Bedürfnis, die De-
lichen und kirchlichen Kontext befragt. Dabei werden        menzkranken zu schützen und es musste in einem län-
Veränderungen im Selbstbild der Demenzkranken, Ver-         geren Prozess zuerst Vertrauen aufgebaut werden. Da-
änderungen in deren Beziehungen und in der Gesell-          bei war eine situativ angepasste und intensive Kommu-
schaft berücksichtigt sowie gesellschaftliche Rahmen-       nikation erforderlich.
bedingungen zur alltagspraktischen Förderung einer
                                                            Bei der Diskursanalyse im Forschungsstrang A ergab
Selbstsorge von Menschen mit Demenz erörtert. Die Er-
                                                            sich ein klassisches Problem qualitativer Sozialfor-
gebnisse werden in Relation zu theologischen, philoso-
                                                            schung. Aufgrund der großen Anzahl an Literaturquel-
phischen, ethischen und sozialwissenschaftlichen The-
                                                            len und Daten war es hierbei wichtig, sich für die richti-
orien zur Selbsthilfe gesetzt, um daraus einen konzepti-
                                                            gen Strategien der Eingrenzung des Materials zu ent-
onellen Rahmen der Selbsthilfe zu entwickeln.
                                                            scheiden, um Komplexität zu reduzieren.
Im Forschungsstrang B wird auf der empirisch-lebens-
                                                            Evaluation der Zielerreichung
weltbezogenen Ebene versucht, im Rahmen einer kul-
turellen Feldstudie mit Menschen mit Demenz ins Ge-         Es handelt sich um ein Projekt mit wissenschaftlichem
spräch zu kommen (N=15). Durch teilnehmende Be-             Fokus. Neben den empirischen Arbeiten werden regel-
obachtungen und Interviews werden die Erfahrungen           mäßige interne Diskussionsgruppen zur Prüfung des

10 | Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz
3.2 Projektportrait – Selbstsorge

Projektstands durchgeführt und externes Feedback aus         können. Falls sich die Auseinandersetzung mit der
der Wissenschaft und aus der Praxis zur Projektsteue-        Selbstsorge auf der theoretisch-konzeptionellen und
rung eingesetzt. Die Reflexionen werden als hilfreich        empirisch-lebensweltbezogenen Ebene als erfolgreich
empfunden, weil sie die theoretische Diskussion über         erweist, wäre dies ein Ansatz, mit dem ein differenzier-
Begriffe und Paradigmen bereichern.                          teres Bild von Menschen mit Demenz in der Gesell-
                                                             schaft befördert werden könnte.
3.2.4 Bewertung des Projekts
                                                             Der Transfer von Ergebnissen wird durch Präsentatio-
Das Projekt kann als wichtiger Beitrag zur Selbstbestim-
                                                             nen auf Kongressen und Veranstaltungen seit 2018 in
mung von Menschen mit Demenz gesehen werden, in-
                                                             vielfältiger Weise erfolgreich angebahnt. Ergänzt wur-
dem für Selbstsorgepraktiken und deren Auswirkungen
                                                             den diese Bemühungen bereits im laufenden Projekt
auf der individuellen und der gesellschaftlichen Ebene
                                                             durch mehrere projektbezogene Veröffentlichungen.
sensibilisiert wird und diese in das Bewusstsein politi-
                                                             Weitere Publikationen sind nach Projektende geplant.
scher Entscheidungsträger transportiert werden

3.2.5 Weiterführende Informationen
Ansprechpartner*innen:                                       https://isek.uzh.ch/de/popul%C3%A4rekulturen/for-
                                                             schung/projekte/drittmittelpro-
Prof. Dr. Harm-Peer Zimmermann
                                                             jekte/selbstsorgedemenz.htmlhttps://www.theolo-
Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kultur-      gie.uzh.ch/de/faecher/spiritual-care/personen/simon-
wissenschaft - Populäre Kulturen-                            peng-keller.html
Affolternstrasse 56
                                                             www.theologie.uzh.ch/faecher/spiritual-care.html
CH-8050 Zürich
Tel.: +41 44 634 58 65                                       www.theologie.uzh.ch/de/faecher/spiritual-care/for-
Fax: +41 44 634 49 94                                        schung/W%C3%BCrdezentrierte-Therapie-f%C3%BCr-
E-Mail: hpz@ipk.uzh.ch                                       Menschen-mit-leichter-demenzieller-Erkrankung.html

Prof. Dr. Simon Peng-Keller                                  Veröffentlichungen

Universität Zürich                                           Grebe, H.; Keller, V. (2021): Menschen mit Demenz
Professur für Spiritual Care                                 als Selbstsorgende: Perspektivische Grundlagen und
Kirchgasse 9                                                 Praxisbeispiele. In: Kolland, F.; Gallistl, V.; Parisot, V.
CH-8001 Zürich/Schweiz                                       (Hrsg): Kulturgerontologie. Konstellationen, Relatio-
Tel. 0041 44 634 54 00                                       nen und Distinktionen. Wiesbaden [in Druck].
E-Mail: simon.peng-keller@theol.uzh.ch
                                                             Grebe, H. (2021): Selbstsorge von Menschen mit De-
Internet:
                                                             menz – ein Überblick. In: Zimmermann, H.-P.; Peng-
https://www.isek.uzh.ch/en/cultur-
                                                             Keller, S. (Hrsg.): Selbstsorge bei Demenz. Alltag
estudies/staff/staff/zimmermann.html
                                                             Würde, Spiritualität. Frankfurt/New York [in Druck].

www.theologie.uzh.ch/de/faecher/spiritual-care/for-          Grebe, H.; Keller, V.; Peng-Keller, S.; Pilgram-Frühauf,
schung/Selbstsorge-bei-Demenz-im-Horizont-von-Spir-          F.; Zimmermann, H.-P. (2021): Selbstsorge bei De-
itual-Care-und-Kulturwissenschaft.html                       menz: Wie ist sie möglich, warum ist sie wichtig? In:
                                                             Demenz. Das Magazin (48) [im Erscheinen].

                                                           Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz I 11
3.2 Projektportrait – Selbstsorge

Keller, V. (2021): Selbstsorge bei Demenz: Vom er-        Pilgram-Frühauf, F. (2021): „…irgendetwas, was be-
schütterten Selbstbild zur Suche nach Ganzheit. In:       heimatet?“ Selbstsorge und Spiritualität in narrati-
Zimmermann, H.-P.; Peng-Keller, S. (Hrsg.): Selbst-       ven Formen. In: Zimmermann, H.-P.; Peng-Keller, S.
sorge bei Demenz. Alltag Würde, Spiritualität. Frank-     (Hrsg): Selbstsorge bei Demenz. Alltag Würde, Spiri-
furt/New York [in Druck].                                 tualität. Frankfurt/New York [in Druck].

Pilgram-Frühauf, F. (2019): ‘Wer hofft, ist jung’. Spi-   Zimmermann, H.-P.; Peng-Keller, S. (Hrsg) (2021):
ritualität als Motivationsquelle im Alter. In: NOVA-      Selbstsorge bei Demenz. Alltag Würde, Spiritualität.
cura (6): 45-47.                                          Frankfurt/New York [in Druck].

Pilgram-Frühauf, F. (2020): Gespiegeltes Selbst. Re-      Zimmermann, H.-P.; Peng-Keller, S. (2021): Selbst-
flexionen zum Verhältnis von Selbst- und Seelsorge.       sorge bei Demenz. Annäherungen an einen neuen
In: Wege zum Menschen. (1): 70–83.                        Leitbegriff. In: Harm-Peer Zimmermann, Simon Peng-
                                                          Keller (Hrsg.): Selbstsorge bei Demenz. Alltag Würde,
Pilgram-Frühauf, F. (2020): Leiden spirituelle Men-
                                                          Spiritualität, Campus: Frankfurt/New York [in Druck].
schen weniger? [Interview]. In: auguste. Das Magazin
von Alzheimer Schweiz. https://www.alzheimer-             Zimmermann, H.-P. (2020) (Hrsg.): Ideen für die Zu-
schweiz.ch/de/auguste/schwerpunkt/beitrag/lei-            kunft der Pflege: personzentriert und kultursensibel.
den-spirituelle-menschen-weniger/                         (= Werkstücke 11) Zürich.
(Zugriff: 16.02.2021)
                                                          Zimmermann, H. -P. (2020): Anders Altern – Kultur-
Pilgram-Frühauf, F. (2020): Sinn suchen – nach Hause      wissenschaftliche Perspektiven in der Kritischen Ge-
finden. Zur Symbolsprache bei Demenz. In: Leidfa-         rontologie. In: Schroeter, K. R.; Vogel, C.; Künemund,
den. Fachmagazin für Krisen, Leid, Trauer (4): 16-19.     H. (Hrsg.): Handbuch Soziologie des Alter(n)s. Wies-
                                                          baden.
Pilgram-Frühauf, F. (2020): Demenz – und darüber
hinaus. In: frauen forum. Evangelische Zeitschrift (9):
9-11.

12 | Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz
3.3 Projektportrait – PROMENZ

3.3 Projektportrait – PROMENZ
3.3.1 Angaben zur Struktur                                     3.3.3 Stand des Projekts
Projekttitel: „Aufbau und Verbreitung von Unterstüt-           Organisatorischer Rahmen
zungs- und Lobbying-Gruppen für Menschen mit De-
                                                               Beginnend mit einer Forschungsarbeit und ehrenamtli-
menz“
                                                               chem Engagement hat sich PROMENZ als gemeinnützi-
Projektträger: PROMENZ – Initiative von und für Men-           ger Verein etabliert. PROMENZ versteht sich als Be-
schen mit Vergesslichkeit und leichterem Leben mit De-         troffeneninitiative. Angehörige sowie Menschen mit
menz                                                           Demenz sind als Mitglieder im Vorstand vertreten. Da-
                                                               bei wird von den Verantwortlichen darauf geachtet, die
Förderzeitraum: 01.04.2018 – 31.12.2020
                                                               Menschen mit Demenz nicht mit ihrer Aufgabe zu über-
3.3.2 Ziele des Projekts                                       fordern und Schaden (z.B. finanzieller Art) von ihnen
                                                               abzuhalten. Vorstandssitzungen werden so gestaltet,
Übergeordnetes Ziel
                                                               dass den Betroffenen die Informationen gut zugänglich
Das Projekt zielt darauf, das soziale Gelingen eines Le-       sind und sie auf dieser Grundlage mitentscheiden kön-
bens mit Demenz zu befördern. Dazu wird zum einen an           nen. Das ist eine besondere Herausforderung. Geför-
den betroffenen Menschen und ihren Angehörigen an-             dert werden die Geschäftsführung des Vereins sowie
gesetzt. Diesen Zielgruppen werden ein geschützter             eine zusätzliche Assistenz.
Raum und Unterstützung angeboten, um voneinander
                                                               Bisheriger Projektverlauf / Aktivitäten
zu lernen und sich gegenseitig zu ermutigen. Das Pro-
jekt zielt darüber hinaus darauf ab, dass das Bild der De-     Ein zentrales Element der Aktivitäten von PROMENZ
menz in der Gesellschaft einer differenzierteren Be-           sind unterstützte Selbsthilfegruppen. Diese sind so or-
trachtung unterzogen wird und ermöglicht den Be-               ganisiert, dass es auf der einen Seite die so genannten
troffenen, diesen Bewusstseinswandel in Selbstvertre-          Nutzerinnen und Nutzer gibt und auf der anderen Seite
tung mit zu gestalten.                                         die Unterstützerinnen und Unterstützer, die diese
                                                               Gruppen ermöglichen. Derzeit sind vier Selbsthilfegrup-
Teilziele
                                                               pen etabliert:
•   Unterstützte Selbsthilfegruppen von Menschen mit
                                                               •   Zwei Selbsthilfegruppen in Wien im 13. Bezirk (Kar-
    Demenz aufbauen
                                                                   dinal König Haus). Diese Gruppen treffen sich alle
•   Selbstrepräsentation von Menschen mit Demenz
                                                                   zwei Wochen und es nehmen regelmäßig rund
    und aktive Öffentlichkeitsarbeit vorantreiben
                                                                   zehn Personen teil. Die ursprüngliche Gruppe
•   PROMENZ-Gruppen und Vernetzung weiterentwi-
                                                                   wurde aufgrund der wachsenden Teilnehmerzah-
    ckeln
                                                                   len geteilt.
•   Partizipative Forschung betreiben und Publikatio-
                                                               •   Eine Selbsthilfegruppe im 17. Bezirk (seit Mai
    nen verfassen
                                                                   2019). Diese befindet sich noch im Aufbau und es
Zielgruppen                                                        gibt eine stärkere Fluktuation. Dort sind zwischen
                                                                   zwei und fünf Personen präsent.
•   Menschen mit Demenz
                                                               •   Eine Selbsthilfegruppe in Klosterneuburg in Koope-
•   Angehörige der PROMENZ-Gruppenmitglieder
                                                                   ration mit der Caritas Wien, die von fünf bis sechs
•   Forschungseinrichtungen, Sozial- oder Gesund-
                                                                   Personen besucht wird.
    heitsorganisationen, öffentliche Dienste oder Wirt-
    schaftsdienste                                             PROMENZ stellt zudem anderen Trägern die eigene Ex-
•   Interessierte Bürger*innen                                 pertise über unterstützte Selbsthilfegruppen zur Verfü-
                                                               gung. So konnte der Verein dazu beitragen, dass eine

                                                             Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz I 13
3.3 Projektportrait – PROMENZ

Selbsthilfegruppe in Innsbruck unter Trägerschaft der       anderer Träger das Café Auszeit ins Leben gerufen, in
Caritas entstanden ist.                                     dem sich Angehörige austauschen können.

Für die vier Gruppen gibt es zehn ehrenamtliche Unter-      Insgesamt ist durch den Auf- und Ausbau der neuen
stützerinnen und Unterstützer, deren Einsatz von den        Formate der Zusammenhalt der „PROMENZ-Familie“
hauptamtlichen Kräften koordiniert wird. Zusätzlich         weiter gewachsen und durch die häufigeren Kontakte
sind auch die hauptamtlichen Kräfte bei Bedarf als Un-      wurde das Vertrauensverhältnis gestärkt. Darüber hin-
terstützer tätig. Insgesamt nutzen ca. 40 Menschen mit      aus konnte nun auch für die Unterstützerinnen und Un-
Demenz das Angebot von PROMENZ. Neben den Grup-             terstützer im Anschluss an die Telefongruppen eine re-
pen finden auch noch persönliche Kontakte zu Betroffe-      gelmäßige wöchentliche Reflexion von 45 Minuten in-
nen und Angehörigen sowie Telefonate statt.                 stalliert werden.

In Folge des Lockdowns, in dessen Verlauf keine per-        Nach den Erfahrungen von PROMENZ bestehen große
sönlichen Treffen stattfinden durften, haben die Ver-       Hemmschwellen bei den Betroffenen, sich zu öffnen
antwortlichen ihre Arbeitsweise verändert, um zu ver-       und mit anderen über ihre Erkrankung in einen Aus-
meiden, dass der Kontakt zu den Nutzer*innen ab-            tausch zu treten. Die Betroffenen lernen in der Gruppe,
bricht. Dadurch sind drei neue Formate entstanden, die      mehr Akzeptanz für die eigenen Beeinträchtigungen zu
auch nach dem Lockdown weitergeführt werden:                erlangen. Zudem schöpfen sie Mut und erhalten wich-
                                                            tige Anregungen, wie man den Alltag mit Demenz meis-
•   Kontaktanrufe
                                                            tern kann. Wichtig ist für die Menschen auch die psy-
Jede/r Nutzer*in wird einmal in der Woche an die            chische Entlastung: Sie können über Ängste, die sie mit
Selbsthilfetreffen erinnert. Meist geschieht das als Kon-   der Zukunft verbinden, sprechen und die Erfahrung
taktanruf, auf Wunsch der Nutzer*innen aber auch als        sammeln, dass sie mit diesen Problemen nicht alleine
SMS oder Mail. Im Rahmen der Kontaktanrufe werden           sind.
die Personen auch an die anderen Formate erinnert, die
                                                            Das zweite wichtige Standbein der Aktivitäten von PRO-
zusätzlich zur Verfügung stehen.
                                                            MENZ ist die Unterstützung der Selbstvertretung der
•   Telefon- bzw. Videogruppen                              Betroffenen. In diesem Zusammenhang werden Auf-
                                                            tritte von Menschen mit Demenz bei Veranstaltungen
Jeden Dienstagnachmittag finden Selbsthilfetreffen
                                                            als sogenannte „Einsätze“ organisiert. Die Nachfrage
statt, in Telefongruppen mit maximal fünf Personen
                                                            nach den Einsätzen ist derzeit hoch, weil es sich um ein
oder als Videotelefonie. Im Videosetting können mehr
                                                            noch unbekanntes Format handelt, das auf großes Inte-
Personen teilnehmen, sie bedeuten aber auch mehr
                                                            resse stößt. Meist reist man mit mehreren Betroffenen
Supportleistung von den Unterstützenden. Da die Teil-
                                                            an. Die Einsätze erfolgen auf Anfrage der Veranstalter.
nehmenden von zuhause agieren, sind manchmal auch
                                                            Entweder werden die Betroffenen als ein Programm-
die Angehörigen eingebunden. Es laufen oft fünf Tele-
                                                            punkt im Rahmen größerer Veranstaltungen gebucht
fon- bzw. Videogruppen parallel.
                                                            oder die ganze Veranstaltung dreht sich um diesen Be-
•   Online-Café PROMENZ                                     such. Im Zentrum der Auftritte steht, dass die Betroffe-
                                                            nen schildern, wie sie mit ihren Beeinträchtigungen zu-
Moderiert von einer ehemaligen Unterstützerin mit           rechtkommen, wie das Leben mit Demenz gelingen
journalistischer Vorerfahrung findet montags, mitt-         kann und an welchen Punkten Unterstützung benötigt
wochs und donnerstags ein offenes Forum statt, in dem       wird. Damit hat sich ein bedeutsamer Wandel vollzo-
sich Betroffene, Angehörige und Expert*innen eine           gen: Es wird nicht mehr nur über Demenzkranke ge-
Stunde lang austauschen können. Dabei geht es nicht         sprochen, sondern die Betroffenen sprechen selbst und
nur um Fachthemen, sondern um Alltägliches und Kul-         man kann sich mit ihnen auf Augenhöhe austauschen.
turelles. Mit dem Vorbild des Cafés PROMENZ hat ein         Diese Kontakte lösen nach den Erfahrungen von

14 | Kulturwandel im Umgang mit Menschen mit Demenz
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