Ratgeber für Menschen mit Demenz bei der Heimplatzsuche - Demenz-Servicezentrum ...
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Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, die ersten drei Auflagen dieses Ratgebers, der in den Jahren 2007 bis 2011 vom Arbeitskreis Gerontopsychiatrie erstellt worden waren, erfreuten sich einer enorm hohen Nachfrage und waren jeweils nach kurzer Zeit vergriffen. Eine Reihe neuer Regelungen, z. B. im Pflegestärkungsgesetz, führten nun zu einer vierten, überarbeiteten Auflage. Die vorliegende Ausgabe geht davon aus, dass die persönliche Begleitung und Pflege eines durch eine demenzielle Erkrankung veränderten alten Menschen im häuslichen Umfeld hohe Anforderungen an betreuende und pflegende (Familien-) Angehörige stellt. Viele Angehörige von Menschen mit Demenz leisten diese Arbeit unter großem Einsatz ihrer physischen und psychischen Kräfte über viele Monate oder sogar Jahre hinweg. Jeder Angehörige kann dabei in eine Situation geraten, trotz zusätzlicher ambulanter, professioneller Hilfen, an die Grenzen der individuellen Belastbarkeit zu kommen. Die dadurch begründete Entscheidung, den Wohnort vom eigenen Zuhause in ein Seniorenheim zu verlegen, markiert für den Betroffenen selber wie auch für seine Angehörigen einen einschneidenden und oftmals nicht einfach zu bewältigenden Schritt. Die Autoren dieser Broschüre möchten aus der Sichtweise ihrer Berufspraxis Angehörige von Menschen mit Demenz darüber informieren, welche Themen bei der Heimplatzsuche regelmäßig im Vordergrund stehen. Neben Fragen zu den Rahmenbedingungen einer geeigneten Pflege und Begleitung vom Menschen mit Demenz im Seniorenheim gewinnt die Klärung rechtlicher und finanzieller Voraussetzungen im Vorfeld einer Heimaufnahme vorrangige Bedeutung. Karsten Mankowsky Gesundheitsdezernent des Rhein-Kreises Neuss
Inhalt 1 Zum Krankheitsbegriff “Demenz“................................................................... 6 1.1 Demenzielle Erkrankungen und die Auswirkungen auf das Wohnumfeld ........... 6 1.2 Emotionale Situation für Betroffene und Angehörige....................................... 6 1.3 Kriterien für einen Wechsel des Wohnumfeldes .............................................. 8 2 Pflege, Tagesstrukturierung und begleitende (therapieorientierte) Angebote, Gestaltung der Wohnumgebung in einer vollstationären Betreuungseinrichtung................................................................................... 9 2.1 Biographiegestützte Arbeit ........................................................................... 9 2.2 Validation ................................................................................................. 10 2.3 Basale Stimulation ..................................................................................... 10 2.4 Begleitung Einzelner oder in Gruppen.......................................................... 11 2.5 Einzelne Angebote..................................................................................... 11 2.5.1 Zehn-Minuten-Aktivierung ............................................................... 11 2.5.2 Kreative Angebote und Gedächtnistraining ........................................ 12 2.5.3 Bewegungsübungen........................................................................ 12 2.5.4 Musikalische Angebote .................................................................... 12 2.5.5 Snouzeln........................................................................................ 13 2.5.6 Aromatherapie................................................................................ 13 2.6 Tagesstrukturierende Maßnahmen und integrierte psychosoziale Betreuung ... 13 2.6.1 Frühstücks- und Mittagsgruppe ........................................................ 13 2.6.2 Koch- und Backgruppe .................................................................... 14 2.6.3 Umgang mit Tieren ......................................................................... 14 2.6.4 Außenaktivitäten............................................................................. 14 2.6.5 Angehörigenarbeit .......................................................................... 14 2.6.6 Ehrenamtliche Helfer....................................................................... 14 2.7 Rahmenbedingungen der ärztlich-medizinischen Betreuung .......................... 14 2.8 Personelle Rahmenbedingungen ................................................................. 15 2.9 Bauliche Gegebenheiten des Seniorenheimes............................................... 15 2.9.1 Einrichtungen mit beschützendem bzw. geschlossenem Charakter ...... 16 2.9.2 Innenausstattung ........................................................................... 16 2.9.3 Äußeres Umfeld.............................................................................. 17 3 Rechtliche Vertretung .................................................................................. 19 3.1 Vollmachten und Patientenverfügung .......................................................... 19 3.1.1 Generalvollmacht ............................................................................ 19 3.1.2 Vorsorgevollmacht .......................................................................... 19
3.1.3 Betreuungsverfügung ......................................................................19 3.1.4 Patientenverfügung .........................................................................20 3.2 Die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung ...............................................21 3.3 Die verschiedenen Aufgaben einer gesetzlichen Betreuung ............................22 3.3.1 Gesundheitsfürsorge........................................................................22 3.3.2 Aufenthaltsbestimmung ...................................................................22 3.3.3 Vermögensrechtliche Angelegenheiten ..............................................22 3.3.4 Weitere Aufgaben ...........................................................................23 3.4 Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen ...............................23 3.4.1 Form der geschlossenen Unterbringung ............................................24 3.4.2 Unterbringungsähnliche Maßnahmen ................................................24 3.4.3 Resumee ........................................................................................24 4 Kosten und Leistungsansprüche bei der Unterbringung in einem Seniorenheim (=Betreuungseinrichtung)...................................................... 26 4.1 Das Entgelt ...............................................................................................26 4.1.1 Pflegebedingte Aufwendungen .........................................................26 4.1.2 Entgelt für Unterkunft und Verpflegung.............................................26 4.1.3 Entgelt für Investitionen ..................................................................26 4.2 Zur Höhe des Entgelts: monatliche Gesamtkosten.........................................26 4.3 Finanzierungsquellen der monatlichen Gesamtkosten für das Seniorenheim ....27 4.3.1 Leistungen der Pflegeversicherung ...................................................29 Pflegestufe I ...................................................................................29 Pflegestufe II..................................................................................27 Pflegestufe III.................................................................................28 Besonderheiten, wenn keine Pflegestufe vorliegt................................28 4.3.2 Einsatz des eigenen Einkommens .....................................................29 4.3.3 Einsatz des Vermögens....................................................................29 4.3.4 Pflegewohngeld ..............................................................................29 4.3.5 Heranziehung Unterhaltspflichtiger ...................................................30 4.3.6 Sozialhilfeleistungen ........................................................................31 4.4 Spezielle Leistungsansprüche für Menschen mit Demenz ...............................32 4.5 Die Anerkennung des individuellen Pflegebedarfs in der Pflegeversicherung..323 5 Hinweise zum Anmeldeverfahren ................................................................. 33 5.1 Qualitätsaspekte: Wie gut sind Seniorenheime?............................................34 5.2 Rechtzeitig informieren und anmelden .........................................................34 5.3 Verwaltungstechnische Voraussetzungen .....................................................34 5.4 Rechtliche Voraussetzungen .......................................................................35
5.5 Finanzierung klären ................................................................................... 35 6 Seniorenheime im Rhein-Kreis Neuss........................................................... 36 7 Betreuungsstellen im Rhein-Kreis Neuss...................................................... 46 8 Fachstellen für Demenzerkrankungen.......................................................... 47 9 Glossar.......................................................................................................... 49
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz 1 Zum Krankheitsbegriff “Demenz“ Mit dem Sammelbegriff “Demenz“ werden umgangssprachlich die verschiedenen Erscheinungsformen und Symptome eines demenziellen Syndroms (Demenzsyndrom) umschrieben. Ein demenzielles Syndrom tritt zumeist im höheren Lebensalter auf. Seine möglichen Ursachen sind vielfältig und können sowohl im Gehirn selber als auch im übrigen Organismus liegen. Ein demenzielles Syndrom wird diagnostisch z. B. als kortikale und subkortikale Demenz, als Demenz vom Alzheimer Typ oder als cerebro-vaskuläre Demenz unterschieden. Um ein demenzielles Syndrom zu diagnostizieren, werden verschiedene Untersu- chungsmethoden angewandt: Im Sinne der apparativen Medizin wird eine Computertomographie des Gehirns durchgeführt, nur im Einzelfall wird eine MRT-Untersuchung (Magnet-Resonanz-Tomographie) zur noch differenzierteren Diagnostik herangezogen. Ergänzend liefern Laboruntersuchungen zusätzliche Hinweise über das Stadium der demenziellen Entwicklung. Regelmäßig werden daneben der so genannte Mini-Mental-Test, der Uhrentest sowie der DemTect-Test als klinisch-psychologische Testverfahren eingesetzt, um die geistigen Einschränkungen, die durch die Demenz hervorgerufen werden bzw. worden sind, zu messen. Auf detailliertere medizinische Ausführungen zur Definition, zur Diagnose und zu den Behandlungsmöglichkeiten eines demenziellen Syndroms soll an dieser Stelle verzichtet werden. Denn für eine Pflegeheimunterbringung sind das Stadium, der Schweregrad der Erkrankung, die bereits bestehenden Verhaltensauffälligkeiten und der prognostisch zu erwartende Verlauf die entscheidenden Kriterien. Festzustellen ist, dass eine demenzielle Erkrankung immer mit einer Minderung der geistigen Funktionen wie Denken, Erinnern, Orientierung (Zeit, Ort, Situation und Person) und dem Verknüpfen von Denkinhalten einhergeht. Das Verhalten eines Menschen mit Demenz ändert sich, und es können sich weitere (psychische) Auffälligkeiten anhand folgender Symptome ergeben: Depressive Verstimmungen; Antriebsarmut; (motorische) Unruhezustände und Angst; Umkehrung des Tag-Nacht-Rhythmus; Phasenweise Wahnerleben; Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme; Nicht-Akzeptieren-Können notwendiger Hilfe bei der Pflege und Versorgung. Eine reduzierte Auffassungs-, Kritik- und Urteilsfähigkeit, die Einschränkung logischen Denkens und vor allem das Nachlassen der Merkfähigkeit und des Kurzzeitgedächtnisses führen mehr und mehr dazu, dass eine eigenständige Alltagsbewältigung immer weniger möglich wird. 6
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz Der Krankheitsverlauf eines demenziellen Syndroms schreitet stetig voran (progredient) und ist weitgehend irreversibel, d. h. nicht rückbildungsfähig. Es gibt keine medizinischen, pharmakologischen und/oder sonstigen therapeutischen Behandlungsmethoden, die ursächlich eine demenzielle Erkrankung beseitigen können und eine Heilung ermöglichen. Sie zielen nach derzeitigem Wissensstand auf eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs. Medizinische, therapeutische, pflegerische und betreuerische Bemühungen konzentrieren sich daher auf eine Minderung und Milderung der Krankheitssymptome und deren Auswirkungen. 1.1 Demenzielle Erkrankungen und die Auswirkungen auf das Wohnumfeld Je ausgeprägter und häufiger die demenziellen Symptome vorkommen und sichtbar werden, desto mehr ist ein Mensch mit Demenz auf unmittelbare persönliche Hilfen angewiesen. In einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung kann es erforderlich werden, einen Menschen mit Demenz teilweise oder permanent rund um die Uhr in seinem eigenen Haushalt zu begleiten. Es gibt Situationen, in denen sich innerhalb der Krankheitsentwicklung Verhaltensweisen zeigen, die die sozialen Kompetenzen und alltagspraktischen Fähigkeiten eines Menschen mit Demenz so weit einschränken, dass eine eigenständige Lebens- und Haushaltsführung selbst bei einer Vielzahl häuslich-ambulanter Hilfen nicht mehr möglich ist. 1.2 Emotionale Situation für Betroffene und Angehörige Die Idee, den an Demenz erkrankten Menschen in ein Seniorenheim zu geben, kann bei den Angehörigen Angst und ein vermeintlich schlechtes Gewissen hervorrufen. Oft kursiert der Gedanke: „Ich schiebe meinen Angehörigen in ein Seniorenheim ab oder ich bin unfähig für meinen Angehörigen zu Hause zu sorgen“. Aber auch für den Betroffenen selbst, kann der Gedanke eines Heimeinzuges erst mal für Zukunftsangst und Unruhe sorgen – bis hin zu der Frage, ob man nicht einfach abgeschoben wird. Immer noch gibt es heute Vorbehalte gegen Seniorenheime, die schwer auszuräumen sind. Die Autoren dieses Ratgebers sind jedoch der Auffassung, dass es durchaus möglich ist, als demenziell veränderter Mensch in einem Seniorenheim einen individuell ausgestaltbaren Lebensabend mit guter Lebensqualität zu verbringen. Die Angehörigen sind dabei ein wichtiger Bestandteil dieses Lebensabschnittes und sollten situationsgerecht von Anfang an in die Betreuung und Begleitung des Erkrankten einbezogen sein. Gespräche über einen eventuellen Umzug in ein Pflegeheim zu einem früheren Zeitpunkt, birgt die Chance, dass man sich in Ruhe und ohne Angst über dieses Thema austauschen könnte und sogar die Möglichkeit hätte, sich im Vorfeld verschiedene Heime anzuschauen. 7
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz 1.3 Kriterien für einen Wechsel des Wohnumfeldes Daher kann es nachvollziehbare und gute Gründe geben, den Wechsel in ein Seniorenheim zu überdenken. Dies können z.B. sein: Krankheitsbedingte Gründe: fortgeschrittenes Stadium der demenziellen Erkrankung; erhebliche Desorientiertheit zur Zeit, zum Ort, zur Situation und zur Person; zunehmender Verlust insbesondere der Kurzzeitgedächtnisfunktionen; Unfähigkeit selbst zur teilweisen Krankheitseinsicht; motorische Unruhe und aggressive Verhaltensweisen, die trotz einer kontinuierlichen ärztlichen Behandlung und sorgfältigster medikamentöser Einstellung nur sehr schwer beeinflussbar sind; zielloses Umhergehen mit der Tendenz, die Wohnung / das Haus bzw. sonstige Räumlichkeiten zu verlassen, dorthin nicht zurück zu finden und sich insoweit selber zu gefährden. anhaltendes, situationsunangemessenes Verhalten mit der Konsequenz, sich selbst und / oder andere zu gefährden; sehr häufiges Einnässen und / oder Einkoten; erhebliche Probleme bei der Nahrungsaufnahme; erhebliche Schwierigkeiten bei der Verabreichung von Medikamenten. Soziale Gründe: das Fehlen einer Pflegeperson: hiervon sind häufig Alleinstehende ohne Verwandte oder ohne sonstige soziale Kontakte betroffen; zunehmende Überforderung der Pflegepersonen, z.B. Alter und Krankheit des pfle- genden Ehepartners und / oder weiterer pflegender Angehöriger; Grad der psychischen und körperlichen Belastung, vor allem nach relativ lange vorausgegangener Pflegezeit; familiäre Situation mit mehreren kleinen bzw. schulpflichtigen Kindern; Verhinderungsgründe durch Berufstätigkeit der Angehörigen; große Entfernung zwischen Wohnort der Angehörigen und dem Wohnort des zu Pflegenden; punktuelle, zusätzliche ambulante Hilfen und Dienste reichen nicht mehr aus; isolierte, anonyme Wohnlage bzw. ungünstige räumliche Gegebenheiten im häuslichen Bereich. 8
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz 2 Pflege, Tagesstrukturierung und begleitende (therapieorientierte) Angebote, Gestaltung der Wohnumgebung in einer vollstationären Betreuungseinrichtung Im Folgenden soll auf einige wichtige, grundsätzliche Herangehensweisen für eine geeignete Pflege und Begleitung von Menschen mit Demenz eingegangen werden. Insbesondere für einen professionellen Umgang von Menschen mit Demenz ist es wichtig zu sehen, dass es sich bei den von der Erkrankung Betroffenen in der Regel um (sehr) alte Menschen handelt. Hinzu kommt, dass durch die demenzielle Entwicklung selber die geistigen Fähigkeiten mehr und mehr abnehmen. Die so genannte “Lernfähigkeit“ wie auch die Konzentration, das Durchhaltevermögen und die Belastbarkeit des Demenzerkrankten sind generell und auch in Abhängigkeit von der jeweiligen “Tagesform“ des Betroffenen entsprechend eingeschränkt. Der Begriff “Therapie“ sollte deshalb nicht im engeren Sinne wie z. B. in Kliniken oder Rehabilitationseinrichtungen verstanden werden, sondern sollte sich vielmehr hinsichtlich “therapeutischer“ Angebote in ihrer Gesamtheit auf einen differenzierten, professionellen Umgang mit einem Menschen mit Demenz konzentrieren. Immer wieder kann es vorkommen, dass in einem frühen bis mittleren Stadium der Demenzerkrankung der Betroffene seine Einschränkungen und Defizite teilweise wahrnimmt und dadurch erschrocken und verunsichert, in seinen Schamgefühlen peinlich berührt, traurig gestimmt oder auch gereizt reagieren kann. Eine “Dosierung“ der therapieorientierten Angebote muss sich darauf ausrichten, Menschen mit Demenz nicht in Unter-, Überforderungssituationen zu bringen. Somit ist nicht alleine entscheidend, wie viele begleitende Angebote für Menschen mit Demenz in einem spezialisierten Seniorenheim bzw. Wohnbereich vorgehalten werden, sondern in welcher Weise der Betroffene in diese individuell (indikationsgerecht) eingebunden wird. Ressourcenorientierte, aktivierende und anleitende Pflegemethoden stehen im Vordergrund, damit die Selbständigkeit bei der Köperpflege und den Aktivitäten des täglichen Lebens so lange wie möglich erhalten bleiben und bzw. gefördert werden. Folgende, häufig angewandte methodische Ansätze helfen dabei, Menschen mit Demenz besser zu verstehen und auf sie entsprechend differenzierter eingehen zu können. 2.1 Biographiegestützte Arbeit Eine Rückschau auf das gelebte Leben halten zu können, gehört zum normalen Al- tersprozess. Biographiegestützte Arbeit ist in der Pflege und in der Begleitung von Menschen mit Demenz daher wichtige Ausgangsbasis. Durch die in der Anamnese erfragten biographischen Daten kann die Erinnerung an bestimmte Ereignisse aus der Vergangenheit von einem Menschen mit Demenz gezielt 9
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz aufgearbeitet werden, so dass diesem eine Neuordnung und Bewertung in Teilaspekten möglich wird. Durch ermutigende Ansprache, “ Erinnerungsstützen“ z.B. durch Fotos, Bilder, Gegenstände wird das Langzeitgedächtnis aktiviert und somit erinnerungsfähig gehalten Gelingt es, die subjektiv als angenehm empfundenen Erinnerungen eines Menschen mit Demenz auf diese Weise zu entdecken, ist es möglich, seine Stimmungslage und Befindlichkeit zu verstehen und positiven Einfluss darauf zu nehmen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, auch Abneigungen und Aversionen, die sich aus dem Lebenslauf eines Menschen mit Demenz manifestiert haben, zu registrieren und in geeigneter Weise in den Umgang mit dem Einzelnen, diesen schonend, einzubeziehen. 2.2 Validation Validation ist eine Methode, um mit Menschen mit Demenz zu kommunizieren. Diese Technik hilft, den durch die Krankheitsfolgen (z. B. der Erkrankte bemerkt seine Defizite und schämt sich derer) erlittenen Verlust von Würde und Lebensqualität wiederzuerlangen. Validation basiert auf einem empathischen Ansatz, den ganzen Menschen zu erfassen, indem man so zusagen “in die Schuhe“ eines von einer Demenzerkrankung betroffenen Menschen schlüpft und quasi mit “seinen Augen sieht“. Durch die abnehmenden Gedächtnisfunktionen nimmt auch die Intensität von Ge- fühlsinhalten ab. Durch die validative Anleitung und Technik gelingt es Menschen mit Demenz zumindest partiell, oft jahrelang (unbewusst) unterdrückte Gefühlsinhalte verbal oder nonverbal auszudrücken. Die von Menschen mit Demenz geäußerten Gedanken und Gefühlsinhalte sollten wertneutral betrachtet werden. Subjektiv vom Betroffenen als angenehm empfundene Inhalte sollten positiv verstärkt werden, negativ bzw. unangenehm vom Betroffenen bewertete Inhalte sollten nicht korrigiert, sondern einfach akzeptiert und so zu sagen “stehengelassen“ werden und die Aufmerksamkeit auf ein anderen Inhalt/anderes (angenehmeres) Thema gelenkt werden. Die Kommunikations- und Erinnerungsfähigkeit bleibt länger erhalten und die fortschreitende Krankheitsentwicklung wird verlangsamt sowie die Krankheitsverarbeitung dem Betroffenen erleichtert. 2.3 Basale Stimulation Hierunter versteht man das Konzept, Menschen mit Wahrnehmungsverlusten dazu anzuregen, dass sie wieder mit ihrer Umwelt in Kontakt treten. Dies geschieht durch bewusste, aufmerksame Zuwendung zu diesen Menschen und durch das ausgewählte Angebot unterschiedlicher Kommunikationsformen, die nicht an Sprache gebunden sind, sondern vor allem über eine Kontaktaufnahme (taktile Reize) über die Haut, Klänge, optische Eindrücke, Düfte, etc. vermittelt werden. Auch jemanden “im Arm (zu) wiegen“ kann unter diesem Aspekt betrachtet werden. 10
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz Die Aufnahme von Bewegungen setzt einen gezielten Reiz zur Selbstwahrnehmung. 2.4 Begleitung Einzelner oder in Gruppen Die individuelle Belastbarkeit, die typischen Verhaltensweisen des Einzelnen und die Eignung der (therapeutischen) Angebote sind der Indikator dafür, inwieweit ein Mensch mit Demenz in eine Gruppe eingebunden werden kann oder eine nur auf ihn ausgerichtete Einzelbetreuung zeitweise sinnvoller ist. Menschen mit Demenz mit psychomotorischer Unruhe und/oder ausgeprägtem Bewegungsdrang oder auch Bewohner mit Angstsymptomatiken sind oft nur sehr eingeschränkt in der Lage, an Gruppenaktivitäten teilzunehmen. Das Abschirmen von äußeren Einflüssen und Schaffen einer vorübergehend reizarmen Umgebung kann für den Menschen mit Demenz in solchen Situationen die notwendige Beruhigung bewirken. Umgekehrt können die Anregungen zur Teilnahme an einer Gruppenaktivität bei zum Rückzug neigenden Menschen mit Demenz einer Vereinsamung und Isolation vorbeugen. Diese Feststellungen können auch auf die Frage, ob eine Unterbringung eines Menschen mit Demenz in einem Einzel- oder Doppelzimmer zu bevorzugen ist, übertragen werden, ebenso wie biographische Aspekte zu den Lebensgewohnheiten eines Menschen mit Demenz und seinem Bedürfnissen nach sozialen Kontakten und Geselligkeit. Bei der Belegung eines Zweibettzimmers sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass beide Bewohner möglichst “zusammenpassen“. Die Orientierungslage, die Ruhebedürfnisse und auch die “Eigenheiten“ des Einzelnen dürfen bei einem Zusammenleben auf engsten Raum nicht zu einer Störung des Wohlbefindens für die Betroffenen führen. Dadurch können Veränderungen in der Zimmerbelegung nicht immer vermieden werden. Leider besteht nicht immer zum Zeitpunkt der Aufnahme ins Seniorenheim aufgrund mangelnder Kapazitäten die Möglichkeit des unmittelbaren Einzugs in ein Einzelzimmer. 2.5 Einzelne Angebote Sinnvoll sind immer Angebote/Therapieeinheiten, die sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Biographie auf alle Aktivitäten des täglichen Lebens beziehen. Eine genaue Beobachtung der noch vorhandenen Fähigkeiten und der individuellen Vorlieben, aber auch Defizite und Abneigungen, ist essentiell, damit Menschen mit Demenz zur Teilnahme motiviert werden und durch eine Bestätigung der eigenen Fähigkeiten wieder Erfolgserlebnisse haben und Freude empfinden kann. 2.5.1 Zehn-Minuten-Aktivierung Die 10-Minuten-Aktivierung ist eine besondere Methode des Erinnerns. Die 10-Minuten- Aktivierung kann dazu beitragen, einen Menschen mit Demenz bei Antriebslosigkeit aus seiner Passivität herauszuholen. Wichtiges Ziel ist es, eine Situation zu schaffen, in der es für 11
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz die betreffenden Personen möglich wird, in Selbsterlebtes einzutauchen, sich in der Vergangenheit zurechtzufinden und dadurch simuliert zu werden. Einfache, aus dem Alltag bekannte Gegenstände, wie Taschentücher, Wäscheklammern, Knöpfe, Wolle, Garne, Stoffe, Haushaltsgeräte, Werkzeuge dienen dazu als “Medien“. 2.5.2 Kreative Angebote und Gedächtnistraining Diese Angebote können “in spielerischer Form“ bei Menschen mit Demenz eingesetzt werden. Arbeiten mit Farben, Textilien (Wolle) oder anderen geeigneten Materialien, das Vorlesen aus Zeitschriften, einfache Tischspiele (Mensch-ärgere-dich-nicht, Tischkegeln) oder einfache Übungen, wie z. B. “Vertellekes“ (d. h. auf ein Stichwort hin erzählt der Einzelne in der Gruppe über Erfahrungen und Erlebnisse zu einem bestimmten Thema) sind geeignet, kognitive Fähigkeiten, Ausdauer und Feinmotorik wie auch lebenspraktische Grundfähigkeiten “per Training“ zu erhalten. Diese Übungen tragen zu einem besseren Erhalt der Orientierung zum Raum, zurzeit, Situation und zur Person bei. 2.5.3 Bewegungsübungen Ob in der Arbeit mit Einzelnen oder in der Gruppe angewandt, zielen diese immer auf einen Erhalt und eine Förderung bzw. Verbesserung der Motorik, Kraft und Ausdauer. Insbesondere sind sie geeignet zur Verhinderung von Koordinationsstörungen und als Sturzprophylaxe. Somit werden die Mobilität insgesamt, die Motivation zur Bewegung und die Körperwahrnehmung über Eigen- oder Fremdreize gestärkt. 2.5.4 Musikalische Angebote Mit Hilfe musikalischer Angebote wird ein Mensch mit Demenz insbesondere emotional erreicht und stimuliert. Er wird zum “Mits(chw)ingen“ angeregt, Gefühlen kann auf diese Weise Ausdruck verliehen werden, die Stimmung kann per Wiederentdecken vertrauter Atmosphären positiv beeinflusst werden. 2.5.5 Snoezeln Snoezelen (sprich Snuseln) ist ein Kunstwort aus dem Niederländischen, abgeleitet von snuffelen (riechen, schnüffeln) und doezelen (ruhen, dösen). Die Methode wurde in den 70er Jahren für den Einsatz in der Sonder- und Heilpädagogik entwickelt. Dabei werden unterschiedliche Medien und Hilfsmittel wie Lichteffekte an der Wand oder an der Zimmerdecke, Geräusche wie z.B. Meeresrauschen, Musik, Düfte und Farben, sowie fühlbare Materialien gezielt eingesetzt, um ständig bettlägerigen Bewohnern, die in einer eher reizarmen Umgebung leben, eine visuelle und akustische Abwechslung und anregende Möglichkeiten zur Sinneswahrnehmung zu bieten. 2.5.6 Aromatherapie Unter Aromatherapie bezeichnet man die Anwendung ätherische Öle als Medikament, zur Steigerung des Wohlbefindens und zur Behandlung von Befindlichkeitsstörungen. Bei Menschen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten kann es z.B. über den Geruchssinn zu 12
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz einer Sinneswahrnehmung mit all den damit verbundenen Nebeneffekten (Gefühlseindruck, Erinnerung, reflektorische Beeinflussung verschiedener Körperfunktionen) kommen. Auch Waschungen, Wickel und Einreibungen mit bestimmten Ölen haben Einfluss auf den gesamten Organismus. Eine fundierte Biografiearbeit und die Berücksichtigung der individuellen Wünsche sind neben gut weitergebildeten Mitarbeitern die wichtigsten Grundlagen für eine wohltuende Aromatherapie 2.6 Tagesstrukturierende Maßnahmen und integrierte psychosoziale Betreuung Eine regelmäßige Tages- und Wochenstruktur mit immer wiederkehrenden Abläufen hat für Menschen mit Demenz eine besondere Bedeutung. Hierbei ist eine enge Zusammenarbeit des gesamten multiprofessionellen Teams Voraussetzung. Essens- und Ruhezeiten, Beschäftigungs- und Therapieangebote müssen in die Strukturierung des Tagesablaufes einbezogen werden. An einem solchen regelmäßigen Rhythmus können sich die Erkrankten orientieren. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Menschen mit Demenz starken Tagesformschwankungen unterliegen und die Bereitschaft zur Teilnahme am Tagesgeschehen nicht immer gegeben sein kann. Hierbei ist unbedingt darauf zu achten, dass die Individualität und die Befindlichkeiten des Einzelnen berücksichtigt werden. Qualifizierte Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Ergotherapeuten, Altenpfleger, Altentherapeuten und Betreuungsassistenten stehen in der Regel für eine professionelle integrierte psychosoziale Betreuung der Bewohner zur Verfügung. Sie erarbeiten für einen Menschen mit Demenz die an seinen individuellen Bedürfnissen orientierten begleitenden Angebote, über den Tag bzw. die Woche verteilt. Im Sinne der integrierten Versorgung sollte nicht nur das fachlich geschulte Personal in die Begleitung von Menschen mit Demenz eingebunden sein, sondern prinzipiell alle Mitarbeiter, die regelmäßigen Kontakt mit dem Betroffenen haben. Spirituelle, religiöse und soziale Bedürfnisse sind oftmals in der Person und in der Lebensgeschichte eines Menschen mit Demenz “verankert“. Daher sollte in jeder Einrichtung eine seelsorgerische Betreuung (Gottesdienste, aber auch Gespräche) angeboten werden. Auch die räumlichen Voraussetzungen sollten gegeben sein, idealerweise eine Kapelle, zumindest aber ein Multifunktionsraum, der in geeigneter Weise auch als Andachtsraum bzw. Raum der Stille genutzt werden kann. 2.6.1 Frühstücks- und Mittagsgruppe In diesen Gruppen können in der Gemeinschaft die Mahlzeit eingenommen werden. Die Mahlzeiten bieten eine gute Gelegenheit, um die Bewohner zu aktivieren. Die sozialen Kompetenzen, Interaktions-, Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit bleiben erhalten, Isolationstendenzen durch Rückzug auf das eigene Zimmer können so vorgebeugt werden. 13
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz 2.6.2 Koch- und Backgruppe Unter Anleitung bereiten die Teilnehmer ihre Mahlzeit selbst zu und essen gemeinsam. Da das Kochen und Backen oftmals bei Frauen in deren Biographie zeitlich und thematisch einen sehr hohen Stellenwert hatte, werden somit vertraute Inhalte des Langzeitgedächtnisses aktiviert und bekannte Handlungsplanungen- und abfolgen aufrecht erhalten, womit auch feinmotorische Abläufe aktiv bleiben. Außerdem werden durch vertraute Haushaltsgegenstände, durch Gerüche der verwendeten Lebensmittel (vor allem Obst und Gemüse, Gewürze etc.) und das Gespräch darüber Kognitionen hervorrufen, die auf die ehemals vorhandenen Alltagskompetenzen zurückgreifen. 2.6.3 Umgang mit Tieren Die positiven Effekte der Begegnung zwischen alten Menschen allgemein und Tieren ist bereits mehrfach wissenschaftlich nachgewiesen worden. Menschen mit Demenz sollten hiervon nicht ausgeschlossen werden. 2.6.4 Außenaktivitäten Zur Orientierung, als generelle Kontaktmöglichkeit zur “Außenwelt“, zur Wahrnehmung des Wetters und der Jahreszeiten etc. sind Spaziergänge und kleinere Ausflüge in Begleitung unerlässlich. Menschen mit Demenz sollte es ermöglicht werden, in Begleitung kleinere Einkäufe für sich noch erledigen zu können und am öffentlichen und kulturellen Leben teilhaben zu können. 2.6.5 Angehörigenarbeit Die Zusammenarbeit mit Angehörigen verdient einen besonderen Stellenwert. Sie sind meist die wichtigsten Bezugspersonen für einen Menschen mit Demenz. Durch sie erhalten die Mitarbeiter biographische Informationen, die den individuellen, sowohl “natürlichen“ als auch professionellen Umgang mit einem Menschen mit Demenz erleichtern. Wünschenswert ist es immer, wenn Angehörige ihrer Zeit entsprechend in den Tagesablauf mit einbezogen werden können. Auch Angehörigen muss die Möglichkeit gegeben werden, über ihre Sorgen, Empfindungen und Gedanken sprechen zu können, in Form von Einzelgesprächen wie auch in Angehörigengruppen. 2.6.6 Ehrenamtliche Helfer Das Engagement ehrenamtlicher Helfer sollte grundsätzlich in jeder Senioren-einrichtung willkommen sein und die persönliche Begleitung eines Menschen mit Demenz ergänzen. Dabei sollte es selbstverständlich sein, dass ehrenamtliche Helfer durch professionelle Mitarbeiter insbesondere hinsichtlich des Umgangs mit Menschen mit Demenz angeleitet werden. 2.7 Rahmenbedingungen der ärztlich-medizinischen Betreuung In allen Seniorenheimen gilt das Recht auf freie Arztwahl. Es erfolgen Hausbesuche durch verschiedene (Fach-) Ärzte oder die Bewohner können in Begleitung die jeweilige Arztpraxis 14
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz aufsuchen. Der Personalschlüssel der meisten Seniorenheime lässt es jedoch nicht zu, über mehrere Stunden eine 1:1 Begleitung der Bewohner durchgängig zu gewährleisten. Menschen mit Demenz und in ihrer Orientierung eingeschränkte Personen bedürfen immer einer Begleitperson. Für den Betroffenen selber, aber auch für die organisatorischen Abläufe in Seniorenheimen ist es eine wertvolle Hilfe, wenn Familienangehörige, Freunde, ehemalige Nachbarn oder Ehrenamtliche sich bereit erklären, diese Aufgaben mit zu übernehmen. Es ist zu empfehlen, einen Menschen mit Demenz neben seinem Hausarzt von einem Facharzt (Neurologen / Psychiater / Geriater) oder durch eine gerontopsychiatrische Ambulanz eines Fachkrankenhauses medizinisch betreuen zu lassen. Zweckmäßig ist es, sich danach zu erkundigen, wie die Kooperation zwischen dem Facharzt und dem Seniorenheim konkret aussieht (Entfernung zur Arztpraxis, Überweisungsmodalitäten, Frequenz der Hausbesuche im Seniorenheim, Zusammenarbeit mit Angehörigen etc.). Die Differentialdiagnose, um welchen Typ von Demenz es sich handelt, welche Prognose wahrscheinlich ist, wie der Krankheitsverlauf sich darstellt und das Vorhandensein weiterer (Begleit-) Erkrankungen, sind die Faktoren, die die Verwendung und den Einsatz bestimmter Medikamente begründen. Eine differenzierte Grundhaltung hinsichtlich der Verordnung von Psychopharmaka ist angebracht. Angehörigen ist anzuraten, sich die ärztlichen Verordnungen genauestens erklären zu lassen, zu beobachten, wie die Medikamente auf einen Menschen mit Demenz wirken, ggf. das Pflegepersonal oder auch den Apotheker im Einzelfall zusätzlich zu befragen. Im Prinzip gilt für alle Medikamente: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. 2.8 Personelle Rahmenbedingungen Die personellen Rahmenbedingungen sind in dem für jedes Seniorenheim geltenden Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) und dessen Ausführungsbestimmungen festgeschrieben, weitere Regelungen ergeben sich aus dem SGB XI und den hierauf basierenden Vereinbarungen zwischen den Einrichtungsbetreibern und den Leistungsträgern. Eine höhere personelle Ausstattung, insbesondere hinsichtlich therapeutisch geschulten Personals, ist hinsichtlich der Weiterentwicklung des Pflegeversicherungsgesetzes und des Wohn- und Teilhabegesetzes (WTG) etc. eine berechtigte politische Forderung. Es werden vermehrt in der Pflege, inzwischen aber auch für andere Berufsgruppen (Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Ergotherapeuten), Fort- und Weiterbildungsangebote zum Erwerb gerontopsychiatrischer Zusatzqualifikationen angeboten. Es ist sinnvoll, sich bei der Anmeldung im Seniorenheim danach zu erkundigen, inwieweit die für die Pflege und Begleitung zuständigen Mitarbeiter diesbezüglich qualifiziert sind. 2.9 Bauliche Gegebenheiten des Seniorenheimes Für die Entscheidung, ob und inwieweit ein Mensch mit Demenz seinen Wohnort in ein für ihn geeignetes Seniorenheim verlegen sollte, finden die in Kapitel 1.2 dieser Broschüre genannten Kriterien Anwendung. 15
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz Vorausgesetzt, dass ein Wechsel des Wohnumfeldes in ein Seniorenheim angestrebt wird, sollte sorgfältig geprüft werden, welche Form der Unterbringung angemessen ist. Die Angemessenheit orientiert sich vor allem daran, wie sicher die Umgebung des Seniorenheims zum Schutze von Menschen mit Demenz ausgestattet sein muss. Die überwiegende Anzahl der im Rhein-Kreis Neuss vorhandenen Seniorenheime sind baulich “offen geführt“, d. h. es werden keine besonderen baulichen Schutzmaßnahmen für Menschen mit Demenz vorgehalten. In diesen “offen geführten“ Seniorenheimen werden gleichwohl Menschen mit Demenz hinsichtlich Pflege, Beschäftigung, Tagesgestaltung und medizinischer Versorgung adäquat betreut. Nur die in den Kapiteln 2.9.1, 3.3 und 3.3.1 dargestellten Voraussetzungen erfor- dern eine Unterbringung mit beschützendem bzw. geschlossenem Charakter. 2.9.1 Einrichtungen mit beschützendem bzw. geschlossenem Charakter Menschen mit Demenz sind oft in ihrer Orientierung (insbesondere zu Ort, Zeit und Situation) in unterschiedlichem Maße beeinträchtigt, wobei die Mobilität zunächst weitgehend nicht eingeschränkt ist. Im Gegenteil, häufig ist ein vermehrter Bewegungsdrang zu beobachten. Durch diese Symptome und Verhaltensweisen gefährden sich Menschen mit Demenz vor allem selbst, aber auch andere. Das gezielte Verlassen und Wiederaufsuchen, z.B. seiner Wohnung, würde einem Menschen mit Demenz allein aufgrund seiner Desorientiertheit nicht gelingen. In seinen Wohnräumen unbeaufsichtigt, könnte der Umgang mit Wasser, Feuer und elektrischen Geräten nicht nur zur Gefahr für ihn selbst, sondern auch für andere werden. Seniorenheime mit beschützendem Charakter möchten mit Hilfe beschützender Maßnahmen Menschen mit Demenz ein sicheres Zuhause, d.h. eine den besonderen Bedürfnissen und Verhaltensweisen angepasste Pflege- und Wohnumgebung, bereitstellen. Dabei ist es ein Ziel, die Mobilität und Bewegungsfreudigkeit längstmöglich zu erhalten. Im Rhein-Kreis Neuss gibt es einige Seniorenheime, die diesen speziellen Anforderungen entsprechen (siehe Kapitel 6 - Seniorenheime im Rhein-Kreis Neuss). Wichtig ist, dass die Eingangs- und Ausgangstüren und auch Aufzüge entweder geschlossen oder z.B. mit akustischen Signalen ausgestattet sind. Es muss gewährleistet sein, dass Menschen mit Demenz nicht vom Personal unbemerkt die Einrichtung und das Gelände verlassen können. Hinweis: Gegebenenfalls ist ein Unterbringungsbeschluss (siehe Kapitel 3.3 und 3.3.1) erforderlich. 2.9.2 Innenausstattung Ein spezieller Wohnbereich für Menschen mit Demenz sollte nicht nur sicher sein, sondern auch auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sein. Idealerweise befindet sich ein solcher Wohnbereich im Erdgeschoss, um den Zugang zu den Außenanlagen zu erleichtern. Dabei können folgende Gestaltungsmerkmale eine Hilfe sein: 16
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz Orientierungshilfen, wie z. B. Handläufe, Lichtführung, Bodenbelag, aber auch große, gut lesbare Kalender und jahreszeitliche Dekorationen; räumlich differenzierte, helle Flure (wenn möglich Rundläufe), keine dunklen “Sackgassen“; beschützende Bauteile, wie Nischen, Alkoven, Pavillons; wenn möglich Barrierefreiheit ohne Treppen und “Stolperfallen“; keine verwirrenden Muster oder Spiegeleffekte bzw. krassen Farbunterschiede (Wand und Boden); mit geeigneten Symbolen und klar gegliederten, großen Schriftzügen gekennzeichnete Zimmer und sonstige Funktionsräume; ausreichende Aufenthaltsräume (z. B. Wohn- und Beschäftigungsküche); Ausstattung mit Gegenständen, die alle Sinne ansprechen; Das Mobiliar und Inventar im Wohnbereich und auch im Zimmer sollte so zu- sammengestellt werden, dass die alten Menschen an ihre Kindheit oder an ihr Zuhause erinnert werden. Dazu zählen auch kleine eigene Möbel und Erinne- rungsstücke im eigenen Zimmer. Eine allumfassende Sicherheit, die den Bewohner vor jeder möglichen Gefahr und Verletzung schützt, kann es bei der Ausstattung mit Einrichtungs- und sonstigen Gegenständen nicht geben. Der Kompromiss zwischen individueller Wohnlichkeit und Behaglichkeit und ausreichender Sicherheit sollte hierbei im Vordergrund stehen. 2.9.3 Äußeres Umfeld Um den Menschen mit Demenz nicht unnötig in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken, bedarf es geeigneter “Schon-, Schutz- und Freiräume“. Daher ist es günstig, wenn der Wohnbereich zu ebener Erde und unmittelbar an einer geschützten Außenanlage liegt. Die Garten- oder Außenanlage sollte durch Bepflanzung oder durch eine geeignete, möglichst dezente Umzäunung abgeschlossen sein. Es versteht sich von selbst, dass auf stachelige, dornige oder giftige Pflanzen und auf einen ungesicherten Gartenteich zu verzichten ist. Barrierefreiheit sollte ebenso selbstverständlich sein. Je nach Größe der Außenanlage haben sich so genannte “Endlosgänge“ bewährt. Sitzplätze und Ruhezonen sollten vorhanden sein. Inwieweit Tierhaltung (z. B. Katze, Hund, Kaninchen, Meerschweinchen…) erlaubt sind, sollte im Einzelfall abgeklärt werden. Von Vorteil sind auch gestalterische Elemente, die die Sinne ansprechen, wie duftende Pflanzen, Kräuter, Klangkörper oder Tastelemente. 17
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz 3 Rechtliche Vertretung Im Verlauf einer demenziellen Erkrankung kommt es zu einer zunehmenden Einschränkung der geistigen Fähigkeiten. Daraus resultierend kann auch die Geschäftsfähigkeit sowie die Einwilligungsfähigkeit ganz oder teilweise eingeschränkt sein (vgl. § 104 ff BGB), so dass ein Mensch mit Demenz gesetzlich / rechtlich vertreten werden muss. Hierzu gibt es verschiedene rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, die Wichtigsten werden in den nachfolgenden Ausführungen in kompakter Weise ausgeführt. Der Rechtsbereich gesetzliche Betreuung/rechtliche Vertretung ist jedoch so umfassend, dass es sich empfiehlt, gegebenenfalls speziellere einschlägige Literatur oder andere, weitergehende rechtliche Beratungsmöglichkeiten (bei Pflegeberatungsbüros, beim Amtsgericht, bei Rechtsanwälten etc.) im Einzelfall unbedingt zu nutzen. 3.1 Vollmachten und Patientenverfügung Sinn und Zweck von Vollmachten und Verfügungen ist es, rechtlich vorzusorgen für den Fall, dass ein Mensch mit Demenz ab einem bestimmten Zeitpunkt seinen rechtlichen Angelegenheiten nicht mehr selbst nachgehen kann. Mit der Erteilung privater Vollmachten bleibt dem Vollmachtgeber ein hohes Maß an (rechtlicher) Selbstbestimmung erhalten. Im Rahmen der Vollmacht kann er eine oder mehrere Personen seines Vertrauens auswählen und bevollmächtigen, die ihn im Bedarfsfall weitgehend ohne eine Einmischung von außen persönlich rechtlich vertreten. Es gibt verschiedene Arten von Vollmachten und Verfügungen, deren wesentlichen Merkmale sich folgendermaßen unterscheiden: 3.1.1 Generalvollmacht Eine Generalvollmacht ist eine private Vollmacht, die sich auf alle Lebensbereiche bezieht. Wer sich in Besitz des Originals einer Generalvollmacht befindet, ist generell jederzeit rechtlich handlungsfähig. Eine unspezifizierte Generalvollmacht, die die Übernahme der gewünschten Aufgaben und Vertretungsbereiche nicht genau bezeichnet, setzt nahezu uneingeschränktes Vertrauen in den Bevollmächtigten voraus, dem rechtliche Handlungsspielräume zugestanden werden, die im Idealfall zum Wohle des Vollmachtgebers, im ungünstigen Fall jedoch auch zum Nachteil des Vollmachtgebers ausgefüllt werden können. 3.1.2 Vorsorgevollmacht In einer Vorsorgevollmacht kann festgelegt werden, unter welchen genau bezeichneten Voraussetzungen diese rechtlich wirksam werden soll. Wie bei einer gesetzlichen Betreuung kann im Rahmen einer Vorsorgevollmacht bestimmt werden, in welchen persönlichen Angelegenheiten der Vollmachtgeber vom Bevollmächtigten vertreten werden soll. Beispiele: 18
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz Gesundheitsangelegenheiten, insbesondere bezogen auf eine ärztliche Untersuchung, eine Heilbehandlung, einen ärztlichen Eingriff (und zwar auch dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Vollmachtgeber aufgrund der Maßnahme sterben oder einen schweren, oder länger andauernden gesundheitlichen Schaden erleiden könnte unter Berücksichtigung des § 1904 BGB), sowie Befreiung von der ärztlichen Verschwiegenheitsverpflichtung; für die Entscheidung, ob eine Aufnahme in ein Krankenhaus bzw. Senioren-heim erfolgen soll, wobei der Bevollmächtigte zu beachten hat, dass die Pflege so lange wie möglich und insbesondere unter Einschaltung qualifizierter Pflegedienste in der häuslichen Umgebung erfolgen soll; Veranlassung einer mit einem Freiheitsentzug verbundenen Unterbringung in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen vergleichbaren Einrichtung (Gerichtsbeschluss jedoch erforderlich, vgl. auch Kapitel 3.3.1); eine vorübergehender, für einen längeren Zeitraum oder regelmäßiger Freiheitsentzug aufgrund von mechanischen Vorrichtungen, Medikamenten oder in sonstiger Weise (unter Berücksichtigung des § 1906 BGB); zur Wohnungsauflösung; in Vermögensangelegenheiten. Weiterhin wichtig zu beachten: Der Text der Vorsorgevollmacht muss inhaltlich eindeutig und verständlich sein. Im Bedarfsfall muss die Originalausfertigung vorgelegt werden können. Zum Zeitpunkt des Abfassens der Vorsorgevollmacht muss die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers uneingeschränkt vorliegen, d. h. er muss die Tragweite seiner Entscheidungen zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht erkennen können. Emp- fehlenswert ist es, sich in einem kurzen ärztlichen Attest bestätigen zu lassen, dass zu diesem Zeitpunkt keine krankhafte Störung der Geistestätigkeiten, eine Geistesschwäche oder eine Störung des Bewusstseins vorliegt, welche die freie Willensbestimmung beeinträchtigen könnten. Änderungen der Vorsorgevollmacht sind solange möglich, wie die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers nicht eingeschränkt ist. Daher ist es ratsam, den weiteren Fortbestand nach Ablauf von zwei bis drei Jahren zu überprüfen und zu bestätigen. Eine Beglaubigung der Unterschrift bei der Betreuungsbehörde ist sinnvoll. Im Einzelfall (z.B. bei erheblichen Vermögenswerten, Immobilien und Grundbesitz) ist eine notarielle Beurkundung notwendig. 3.1.3 Betreuungsverfügung Eine Betreuungsverfügung unterscheidet sich von einer Vorsorgevollmacht dadurch, dass es sich bei der Rechtsvertretung in persönlichen Angelegenheiten um eine gerichtlich kontrollierte Regelung handelt. Eine Betreuungsverfügung ist immer dann sinnvoll, wenn keine Vertrauensperson benannt werden kann, der eine Vollmacht erteilt werden kann oder soll. Im Rahmen der Betreuungsverfügung wird festgelegt, welche Person im Falle einer 19
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz Betreuungsbedürftigkeit vom Amts-/ Vormundschaftsgericht zum gesetzlichen Betreuer bestellt werden soll, aber auch, welche Person(en) ausdrücklich nicht zum gesetzlichen Betreuer bestellt werden soll(en). Dem zu bestellenden gesetzlichen Betreuer werden in der Betreuungsverfügung alle Wünsche und Vorstellungen in schriftlicher Form mitgeteilt, die er später bei der Ausübung seines Amtes und der Wahrnehmung der betreuerischen Aufgaben beachten soll. Im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht ist eine Betreuungsverfügung nicht unbedingt an die Geschäftsfähigkeit des Verfügenden gebunden. Der Inhalt der Betreuungsverfügung muss allerdings sinnvoll sein und darf dem Wohl des Verfügenden nicht entgegenstehen. Die Betreuungsverfügung sollte bei der Person, die später die gesetzliche Betreuung übernehmen soll, hinterlegt werden. Eine Betreuungsverfügung wird dann rechtlich wirksam und kommt zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen zur Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung gemäß § 1896 I BGB vorliegen. 3.1.4 Patientenverfügung Mit einer Patientenverfügung wird im Voraus festgelegt, an welchen Maßstäben sich die zu treffenden medizinischen, pflegerischen und in der Konsequenz auch rechtlichen Entscheidungen durch Dritte in bestimmten Situationen ausrichten sollen. Eine Patientenverfügung tritt in Kraft, wenn eine Entscheidungsunfähigkeit aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Erkrankung und Behinderung, insbesondere bei einer Bewusstlosigkeit, beim Verfügungsgeber vorliegt. Es ist statistisch nicht unwahrscheinlich, dass ein solcher Zeitpunkt im Rahmen einer demenziellen Entwicklung und der damit verbundenen Desorientiertheit und Verwirrtheit relativ schnell erreicht werden kann. Auch für das Abfassen dieser Verfügung gilt, nach Möglichkeit ausführlich und detailliert Zustimmungen und Ablehnungen zu bestimmten Maßnahmen darzulegen. Aussagen zum Verhältnis von Lebensqualität und Lebensquantität in Bezug auf le- bensverlängernde bzw. lebenserhaltende Maßnahmen sollten im Verhältnis zu im Endstadium tödlich verlaufenden Erkrankungen inhaltlich beschrieben sein, damit z. B. behandelnde Ärzte ihre (intensiv)medizinischen Maßnahmen an der Willenserklärung des Betroffenen ausrichten können. Ethisch-religiöse Wertvorstellungen zum eigenen Leben und Sterben können durch genaue Formulierungen in der Patientenverfügung auf die zur Entscheidung anstehenden Maßnahmen hin konkret ausgelegt werden. Wichtig ist, dass eine Patientenverfügung zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens den Entscheidungsträgern vorliegt und bekannt ist. Sie richtet sich also nicht nur an behandelnde Ärzte, sondern sollte einem Bevollmächtigten oder einem sonstigen gesetzlichen Vertreter (Betreuer) vorliegen, damit dieser dafür sorgen kann, dass die getroffenen Verfügungen konkret berücksichtigt und eingehalten werden. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass sich die behandelnden Ärzte an die Verwirklichung und Umsetzung der in der Patientenverfügung aufgeführten Maßnahmen halten werden, wenngleich die schlussendliche Entscheidung über die Einleitung oder den Abbruch einzelner medizinischer Maßnahmen in der Verantwortung des Arztes liegt. 20
Ratgeber für die Heimplatzsuche für Menschen mit Demenz In Krankenhäusern und Seniorenheimen ist es inzwischen vermehrt üblich, so genannte Ethikkommitees zur Entscheidungsfindung zu konsultieren, möglichst multiprofessionell, unter Einbeziehung von Pflegekräften, im Einzelfall Sozialarbeitern und Geistlichen wie auch vor allem den Angehörigen/gesetzlichen Betreuern/ Bevollmächtigten. 3.2 Die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung In § 1896 I BGB sind die Voraussetzungen für die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung geregelt: „Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. Den Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen. Soweit der Volljährige auf Grund einer körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten nicht besorgen kann, darf der Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann.“ Liegen die oben genannten Voraussetzungen zur Einrichtung einer rechtlichen Betreuung vor, wird ein gesetzlicher Betreuer vom Gericht mit der Wahrnehmung verschiedener rechtlicher Angelegenheiten beauftragt (§ 1901 BGB, s. auch Kapitel 3.3). Nahe liegend ist es, dass ein Familienangehöriger (z. B. Ehepartner, erwachsenes Kind) ehrenamtlich als so genannte natürliche Person zum gesetzlichen Betreuer bestellt wird. Nur wenn schwerwiegende Gründe dagegen sprechen (z. B. schwere Erkrankung, unüberbrückbare Streitigkeiten der Familienangehörigen untereinander) oder wenn es keine Angehörigen gibt, wird das Amtsgericht in der Regel einen “neutralen“ Betreuer mit der Wahrnehmung der rechtlichen Angelegenheiten beauftragen (vgl. § 1897 BGB). Dies können sein (vgl. § 1900 BGB): die Betreuungsstellen der Städte, Kreise und Gemeinden: der Behördenbetreuer; der Vereinsbetreuer (im institutionellen Rahmen von Betreuungsvereinen, z. B. bei den Wohlfahrtsverbänden, wie Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt angesiedelt); der Berufsbetreuer (z.B. selbständige Sozialarbeiter / Sozialpädagogen oder Vertreter artverwandter Berufe, Rechtsanwälte und Notare). 21
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