Sexuelle Gesundheit und Migration in Essen - Maßnahmen zum Innovationshaushalt im Rahmen der "Strategie Interkulturelle Orientierung" - Aidshilfe ...

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Sexuelle Gesundheit und Migration in Essen - Maßnahmen zum Innovationshaushalt im Rahmen der "Strategie Interkulturelle Orientierung" - Aidshilfe ...
Sexuelle Gesundheit und
   Migration in Essen
Maßnahmen zum Innovationshaushalt im
               Rahmen der
 „Strategie Interkulturelle Orientierung“

   Projekterfahrungen und Perspektiven

                Januar 2018
Sexuelle Gesundheit und Migration in Essen - Maßnahmen zum Innovationshaushalt im Rahmen der "Strategie Interkulturelle Orientierung" - Aidshilfe ...
Eine Kooperation von:

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Sexuelle Gesundheit und Migration in Essen - Maßnahmen zum Innovationshaushalt im Rahmen der "Strategie Interkulturelle Orientierung" - Aidshilfe ...
Inhaltsverzeichnis

1.   Arbeitskreis sexuelle Gesundheit und Migration   Seite   5
1.1 Arbeitskreis-Mitglieder                           Seite   5
2.   Ausgangssituation                                Seite   6
2.1 Schwerpunkte                                      Seite   6
3.   Förderung über den Innovationshaushalt           Seite   7
3.1 Maßnahmen 2014 – 2017                             Seite   7
4.   Weitere Entwicklung und Ausblick                 Seite   8
4.1 Maßnahmen 2017 – 2019                             Seite   8
5.   Anhang: Projektberichte                          Seite   9
5.1 Sozial- und Gesundheitsberatung für               Seite   9
    afrikanische Migrantinnen und Migranten aus der
    Subsahara, Caritas Aidsberatung
5.2 Psychosoziale Beratung und Vernetzung             Seite   11
    für Migrantinnen und Migranten in der
    Berufsfindungsphase, Aidshilfe Essen
5.3 Entstigmatisierung von Männer, die Sex mit        Seite   13
    Männern haben (MSM) in der breiten
    muslimischen Öffentlichkeit, Aidshilfe Essen
5.4 Liebes-Welten Interkultureller Parcours zur       Seite   15
    sexuellen Gesundheit, AWO Lore-Agnes-Haus
5.5 Integrations- und Ausstiegshilfen für             Seite   17
    Sexarbeiterinnen mit Zuwanderungsgeschichte,
    Fach- und Beratungsstelle Nachtfalter

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Sexuelle Gesundheit und Migration in Essen - Maßnahmen zum Innovationshaushalt im Rahmen der "Strategie Interkulturelle Orientierung" - Aidshilfe ...
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Sexuelle Gesundheit und Migration in Essen - Maßnahmen zum Innovationshaushalt im Rahmen der "Strategie Interkulturelle Orientierung" - Aidshilfe ...
1. Arbeitskreis sexuelle Gesundheit und Migration
Der Arbeitskreis “sexuelle Gesundheit und Migration“ wurde 2012 vom
Gesundheitsamt gegründet und arbeitet seitdem unter dessen Feder-
führung zum Themenfeld „sexuelle Gesundheit und Migration“.
Dazu gehören die Themen:

  • Liebe, Partnerschaft, Sexualität
    Familienplanung, Sexualpädagogik, Verhütung, Schwangerschaft,
    Vergabe von Mitteln der Bundesstiftung Mutter und Kind in Not,
    ungewollte Schwangerschaft und Schwangerschaftskonflikt,
    Schwangerschaft und HIV

  • HIV/AIDS und sexuell übertragbare Infektionen (STI)
    Übertragung, Schutz, Beratung, Test/Untersuchung,
    Behandlungsmöglichkeiten, HIV/STI und Migration,
    positive Familienmitglieder, Entstigmatisierung

  • Sexuelle Vielfalt – sexuelle Lebensstile
    sexuelle Orientierung, Homosexualität, Bisexualität, Transsexualität,
    Intersexualität, Coming-out, HIV und Homosexualität, Antidiskriminierung

  • Sexuelle Gewalt und sexueller Missbrauch
  •
  • Prostitution/Sexarbeit (männlich und weiblich) auch in Verbindung
    mit Menschenhandel

  1.1 Arbeitskreis-Mitglieder
   Arbeiterwohlfahrt Beratungszentrum Lore-Agnes-Haus
   Aidshilfe Essen e.V.
   Caritasverband für die Stadt Essen e.V., Aidsberatung und Nachtfalter
   Ev. Beratungsstelle für Schwangerschaft, Familie und Sexualität
   Gesundheitsamt Essen, Beratungsstelle zu HIV/AIDS und anderen se-
    xuell übertragbaren Infektionen, Geschäftsführung
   Kommunales Integrationszentrum Essen

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2. Ausgangssituation
    Der Arbeitskreis organisierte am 15. Juli 2013 einen Fachtag zur Umsetzung
    des Strategiekonzeptes interkulturelle Orientierung mit dem Ziel, sowohl
    die interkulturelle Öffnung bestehender Angebote weiter zu entwickeln, sie
    dem gesellschaftlichen Wandel anzupassen, als auch neue bedarfsorientierte
    Angebote für Migrantinnen und Migranten zu schaffen.
    Eine Bestands- und Bedarfsanalyse wurde durchgeführt, um unter Berück-
    sichtigung der Bevölkerungszusammensetzung in Essen relevante Arbeits-
    felder und gefährdete Gruppen herauszuarbeiten um ihnen den Zugang zu
    Informationen, Beratung und Versorgung zu ermöglichen.
    Die Einrichtungen legten in gemeinsamer Abstimmung fest, welche Träger
    sich welchen Aufgaben bzw. Schwerpunkten in den folgenden Jahren wid-
    men würden.
    Die Ergebnisse, die Ausrichtung u. Schwerpunktsetzung der Arbeit wurden
    im Rahmenkonzept „Sexuelle Gesundheit und Migration in Essen“ festge-
    halten.

    2.1 Schwerpunkte
      • Communities stärken/Angebote für Menschen aus Subsahara-Afrika
      •
      • Männergesundheit und –sexualität sowie sexuelle Identität und LSBTI
      • (Lesbisch, Schwul, Bi-Trans-Intersexuell), insbesondere mit Blick auf
        muslimische Männer)
      •
      • Lebensweltbezogene Information und Prävention für Migrantinnen
        und Migranten zur sexuellen Gesundheit
      •
      • Stadtteil- und lebensweltbezogene Information, Beratung und Untersu-
        chung zum Themenfeld HIV und sexuell übertragbare Infektionen (STI)
      •
      • Aufsuchende lebensortnahe Angebote zum Themenfeld HIV, sexuell
        übertragbare Infektionen, sexuelle Gesundheit in Verbindung mit so-
        zialen Hilfen für Frauen in der Armutsprostitution

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3. Förderung über den Innovationshaushalt
Auf der Grundlage des Rahmenkonzeptes und der erarbeiteten Bedarfslage
wurden fünf Maßnahmen in enger Abstimmung und mit Unterstützung des
Kommunalen Integrationszentrums zur Förderung mit Finanzmitteln aus
dem Innovationshaushalt der Stadt Essen angemeldet.
Die Maßnahmen wurden bewilligt und es wurden Fördermittel in unter-
schiedlicher Höhe über einen Zeitraum von 3 Jahren bereitgestellt. Alle Ein-
richtungen beteiligten sich im Rahmen der Kooperation an der Gestaltung
und Durchführung innovativer Angebote.

3.1 Maßnahmen 2014 - 2017
    Aidshilfe Essen: Psychosoziale Beratung und Vernetzung für und
     von Migrantinnen und Migranten in der Berufsfindungsphase
     (01.04.2014-31.12.2016)
   
    Caritas-Aidsberatung: Sozial- und Gesundheitsberatung für Migrantin-
     nen und Migranten aus der Subsahara-Afrika (01.01.2014-31.12.2016)
   
     Diesen Maßnahmen liegt ein gemeinsames Konzept der beiden Ein-
     richtungen zur Weiterentwicklung der Angebote für Menschen aus
     der Subsahara-Afrika zugrunde.
      Aidshilfe Essen: Entstigmatisierung von MSM (Männer, die Sex
      mit Männern haben) in der breiten muslimischen Öffentlichkeit
      (01.04.2014-31.12.2016)

    AWO Beratungszentrum Lore-Agnes-Haus: Interkultureller Wander-
     parcours „Liebes-Welten“ zur sexuellen Gesundheit für Migrantin-
     nen und Migranten (01.05.2014-31.12.2016)
   
    Fach- und Beratungsstelle Nachtfalter des Caritasverbandes für die
     Stadt Essen e.V. : Integrations- und Ausstiegshilfen für Sexarbeite-
     rinnen mit Zuwanderungsgeschichte (01.10.2014-30.06.2017)
   Die beteiligten Akteure arbeiteten in den Projekten eng vernetzt unterei-
   nander, mit dem Gesundheitsamt und dem kommunalen Integrationszen-
   trum. Zahlreiche fruchtbare Kooperationen entstanden. Schulungen und
   Veranstaltungen wurden gemeinsam organisiert und durchgeführt. Die
   Arbeitskreis-Mitglieder nahmen z. B. auch gemeinsam an der Interkultu-
   rellen Woche (Arche Noah) teil, wo sie über sexuelle Gesundheit und die
   Angebotsstruktur in Essen informierten und sich für die Entstigmatisie-
   rung von Menschen mit HIV einsetzten.

                                                                               7
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4. Weitere Entwicklung und Ausblick
    Bei einem 2. Fachtag am 11. Februar 2015 wurden die Erfahrungen aus den
    Arbeitsfeldern zusammengetragen und evaluiert. Eine neue Bedarfslage an-
    gesichts der veränderten Situation (Flüchtlingsbewegung) wurde festgestellt.

    Anhand der Ergebnisse und der Erfahrungen aus den Projekten wurde im
    September 2016 das Rahmenkonzept überarbeitet und dem aktuellen
    Stand angepasst. Die neue Ausrichtung der Arbeit (insbesondere der Sozial-
    raumbezug der Angebote) und Schwerpunktsetzung zum Themenfeld „se-
    xuelle Gesundheit“ wurden festgehalten.

    Die Evaluation der Projekte (s. Berichte im Anhang) ergab, dass die Maßnah-
    men das Ziel erreicht haben, einen Zugang zu schwer erreichbaren Commu-
    nities und vulnerablen Gruppen zu finden sowie neue und besser vernetzte
    Angebote in Antwort auf die Bedarfslage zu etablieren und weiter zu entwi-
    ckeln.

    Auf dieser Grundlage der Erkenntnisse wurden vier weitere neue Maßnah-
    men zur Förderung beim Kommunalen Intergrationszentrum für den Inno-
    vationshaushalt angemeldet.

    4.1 Maßnahmen 2017 - 2019

        Aidshilfe Essen: Netzwerkarbeit, Teilhabe, Prävention und Beglei-
         tung von Menschen aus Subsahara-Afrika als Gesundheitsbotschaf-
         terinnen und -botschafter zur sexuellen Gesundheit in den Essener
         Communities (bewilligt)
       
        Caritas Aidsberatung: HIV/STI-Prävention in afrikanischen Glaubens-
         gemeinschaften „Glaube und Gesundheit“ (bewilligt)
       
        Aidshilfe Essen: Entstigmatisierung von Männer, die Sex mit Männern
         haben (MSM) in Essener Bevölkerungsgruppen mit Migrationshin-
         tergrund (bewilligt für ein Jahr/Überführungsstrategie erforderlich)
       
        AWO Lore-Agnes-Haus: Liebes-Welten erobern Lebenswelten (bewil-
         ligt für ein Jahr/Überführungsstrategie erforderlich)

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5. Anhang: Projektberichte
5.1 Sozial- und Gesundheitsberatung für afrikanische Migrantinnen

                                                                              Projektberichte
    und Migranten aus der Subsahara, Caritas Aidsberatung
Die in der Gesellschaft üblichen Präventionsbotschaften erreichen afrikani-
sche Migrantinnen und Migranten nicht. Aus diesem Grunde benötigt diese
Zielgruppe spezielle und aufsuchende Angebote. Für viele Afrikanerinnen
und Afrikaner stellt Gesundheitsprävention oder auch das Handeln im Vor-
feld einer Erkrankung eine befremdliche Handlungsweise dar.

Die Maßnahme zielte darauf, den Zugang zu dieser sehr schwer erreichba-
ren Zielgruppe in der HIV/Aids- und STI-Prävention zu verbessern. Das Ziel,
über die psychosoziale Stabilisierung der Lebenssituation dieser Migrantin-
nen und Migranten und über die Vernetzung der in der Kirchengemeinde
St. Gertrud stattfindenden verschiedenen Angebote die Voraussetzungen
zu schaffen, um Botschaften zu Gesundheits- und HIV-Prävention besser
platzieren zu können, konnte durch diese Maßnahme erfolgreich umgesetzt
werden.

Der Einsatz einer in der afrikanischen Community verankerten Fachkraft
mit vielfältigen Fremdsprachenkenntnissen erleichterte hier den Zugang.

Das Angebot der Sozial- und Gesundheitsberatung in der Kirchengemeinde
St. Gertrud und Umgebung für afrikanische Migrantinnen und Migranten
wurde im Essener Stadtgebiet sehr gut etabliert. Die 839 afrikanischen Kli-
entinnen und Klienten fanden den Zugang zur Beratung. Es fand darüber
hinaus eine niederschwellige Vermittlung von Präventionsbotschaften statt.

                                                                                                9
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Mit Hilfe der von dem Mitarbeiter erworbenen Kompetenzen und seiner
Projektberichte

                  Vertrauensstellung in der Community sowie der Teilnahme an der Studie1
                  zur Präventionsbereitschaft für Migrantinnen und Migranten aus der Sub-
                  sahara-Afrika 2015 - 2016 konnte die Zahl der ratsuchenden Migrantinnen
                  und Migranten im Jahr 2016 nahezu verdoppelt werden. Angesicht der
                  knappen Ressourcen (ca. 11 Stunden wöchentlich) und der zunehmenden
                  Beratungsanfragen im Jahr 2016 konnten intensive Begleitungen und fach-
                  spezifische Beratungen nur noch in begrenztem Umfang erfolgen.

                  Durch weitreichende Vernetzungsarbeit bestand eine regelmäßige Zusam-
                  menarbeit mit den Kooperationspartnerinnen und -partnern, insbesondere
                  mit der Aidshilfe Essen, die zum Erfolg der Maßnahme maßgeblich beige-
                  tragen hat.

                  Über die Sozial- und Gesundheitsberatung wurden Themen wie HIV/ STI in
                  der afrikanischen Community zwar platziert und tabuisierte Themen zur se-
                  xuellen Gesundheit angesprochen, jedoch war die praktische Umsetzung von
                  Präventionsbotschaften und Schutzmaßnahmen aufgrund der bestehenden
                  religiösen und kulturellen Barrieren, insbesondere in afrikanischen Kirchen-
                  gemeinden in Essen, sehr schwierig. Hierzu ist es erforderlich, über die Ak-
                  teure in den Kirchengemeinden einen Zugang zu erlangen sowie Akzeptanz
                  und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen weiter zu entwickeln.

                  Das Projekt der „Sozial- und Gesundheitsberatung für afrikanische Migran-
                  tinnen und Migranten aus der Subsahara“ wurde aufgrund fehlender Weiter-
                  finanzierung nach Auslaufen der Maßnahme eingestellt. Es konnte jedoch in
                  einem geringfügigen Umfang durch ehrenamtliche Tätigkeit die Anlaufstelle
                  in der Kirchengemeinde St. Gertrud aufrechterhalten werden.

                  1   Studie des Robert-Koch-Institutes zu sexueller Gesundheit mit Migrantinnen und
                      Migranten aus Subsahara-Afrika (MISSA) im Rhein-Ruhr Gebiet

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5.2 Psychosoziale Beratung und Vernetzung für und von Migrant-

                                                                             Projektberichte
    innen und Migranten in der Berufsfindungsphase, Aidshilfe

Das Projekt der Aidshilfe Essen e.V. (AHE) konnte mit
4 Stunden wöchentlich von 2014 - 2016 erfolgreich
abgeschlossen werden.
Ziel des Projekts war die Beratung und Aufklärung
zu den Themen HIV/Aids und sexuell übertragba-
re Infektionen (STI) sowie Mann-Mann-Kontakte in
der so vielschichtigen Gruppe der heranwachsenden
Migrantinnen und Migranten aus Subsahara-Afrika zwischen Schule und Be-
                       ruf.
                        Durch die junge Generation sollte in den gesamten
                        Communities aus Subsahara-Afrika in Essen eine
                        Entstigmatisierung der o.g. Themen gelingen, um
                        die Zielgruppe dadurch nachhaltig in die Regelver-
                        sorgung einzubinden. Dieses Projekt arbeitete eng-
                        maschig mit dem Projekt der Aidsberatung der Ca-
                        ritas zusammen. Synergien und Arbeitsaufteilungen
                        waren klar definiert.

                       Es hat sich gezeigt, dass die Berufsanfängerinnen
                       und -anfänger sehr offen gegenüber dem Thema HIV
und Aids waren. Vor allem die methodische Herangehensweise, die Ziel-
gruppe zur Mitarbeit und Partizipation zur bewegen, war ausschlaggebend
für die erfolgreiche Umsetzung.

Die Kooperationen wurden im Projektzeitraum mit folgenden Schulen und
Treffpunkten der Community nach dem Community-Mapping1 (in 2015)
verstetigt:
   1. - Gesamtschule Bockmühle
   2. - Unesco-Schule
   3. - Afro Treffpunkt Altendorf
   4. - Hugo-Kükelhaus-Berufskolleg: Internationale Förderklasse
   5. - Altenpflegeschule MaxQ
   6. - Frida Levy Schule
   7. - Berufskolleg Essen-Mitte: Schwanenkampstraße
   8. - Pflegeschule der Kliniken Essen-Mitte

1   Karte für Begegnungsorte

                                                                                               11
Projektberichte

                  Insgesamt wurden ca. 20 Infoveranstaltungen, ca. 50 psychosoziale Beratungen,
                  also engmaschige Hilfestellung in Alltagsfragen und etwa 120 Beratungskon-
                  takte zu Migrantinnen und Migranten,
                  insbesondere aus Subsahara-Afrika,
                  durchgeführt.
                  Auffallend bei der Zwischenanaly-
                  se des Projektes war das große In-
                  teresse an Informationen zu sexu-
                  ell übertragbaren Infektionen, hier
                  allen voran das Interesse an den
                  Hepatiden. Auch durch die Durch-
                  führung der Robert-Koch-Institut-Studie zur Präventionsbereischaft von
                  Menschen aus Subsahara-Afrika (2015) konnte ein offener Umgang zu STI
                  erreicht werden, der eine Auseinandersetzung mit HIV massiv vereinfach-
                  te. Ebenfalls förderlich für die Strategieentwicklung war das große Engage-
                  ment einzelner junger Afrikanerinnen und Afrikaner, die in unterschiedlichen
                  Communities die Diskussion zu HIV und STI mit einem ganz persönlichen In-
                  teresse verknüpften und vorantrieben. Hierüber erreichte die Aidshilfe Essen
                  das Ansehen eines professionellen und zuverlässigen Ansprechpartners und
                  „Arbeitgebers“, bei dem die ehrenamtliche Mitarbeit gewertschätzt wird.
                  Eine Überleitung in die Beratungsstrukturen gestaltete sich in Mitte 2016 noch
                  schwierig. Durch den partizipativen Ansatz der ehrenamtlichen Mitarbeit, die
                  Einbindung der Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler aus Subsahara-Afrika bei
                  übergreifenden Veranstaltungen der Aidshilfe Essen, die Beteiligung der Aids-
                  hilfe Essen am FIM-Projekt (Arbeitsprojekt für Flüchtlinge) und die Einbezie-
                  hung der Zielgruppe MiSSA bei Infoveranstaltungen und Beratungsgesprächen
                  ließ sich eine Überleitung zu regelfinanzierten Beratungs- und Testangeboten
                  dennoch ansatzweise und in Einzelfällen umsetzen. Die jungen Afrikanerinnen
                  und Afrikaner dienten direkt oder indirekt als Türöffner und Multiplikatorinnen
                  und Multiplikatoren.
                  Hier kann also von einer erfolgreichen interkulturellen Öffnung der MiSSA-Com-
                  munities in Essen und einer anfänglich erfolgreichen Überführung in niedrig-
                  schwellige kultursensible Beratungsangebote gesprochen werden. Die Integration
                  von MiSSA in das Strategiepapier der BRD zur Eindämmung sexuell übertragbarer
                  Infektionen ist ebenfalls als großer transkultureller Erfolg zu werten.
                  Aus diesen Ergebnissen entwickelte sich das neue Projekt der Gesundheitsbot-
                  schafterinnen und -botschafter der Aidshilfe Essen e.V., welches als Maßnahme
                  angemeldet wurde und zur Zeit umgesetzt wird.

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Projektberichte
5.3 Entstigmatisierung von MSM in der breiten muslimischen
    Öffentlichkeit, Aidshilfe Essen

Mit diesem Projekt sollte die Enttabuisierung von
sexueller Vielfalt (Homo-, Bi- & Trans-Sexualität) und
die Entstigmatisierung von HIV/Aids und anderer se-
xuell übertragbarer Infektionen (STI) bei muslimi-
schen Migrantengruppen in Essen mit 10 Stunden
wöchentlich vorangetrieben werden.

Innerhalb des dreijährigen Projektzeitraumes ist es
mittels vielfältiger Angebote und aufsuchender Arbeit gelungen, Zugänge zu
Migranten-Communities und Migrantenselbstorganisationen (MSO) zu schaf-
fen. Durch die Partizipation an Großveranstaltungen, die überwiegend von
Menschen mit Migrationshintergund frequentiert werden, wie beispielsweise
das „Internationale Fest auf der Zeche CARL“ oder die „Interkulturelle Wo-
che“ in der Essener Innenstadt, wurden viele Menschen mit muslimischem
Migrationshintergrund auf das Thema Homosexualität und MSM aufmerksam
gemacht. Das bewährte Instrument des „Akzeptanzführerscheins“, bei dem
verschiedene Aussagen zum Thema Homosexualität getroffen und je nach
Punktezahl der Akzeptanzführerschein bestanden werden kann, kam hierbei
besonders bei Großveranstaltun-
gen zum Einsatz.

Neben den öffentlichen Veranstal-
tungen wurde die Arbeit zur Ent-
stigmatisierung auch in Essener
Schulen, die einen hohen Migrati-
onsanteil aufweisen (z.B. Gesamt-
schule Bockmühle, Berufskolleg
Essen-Mitte), durchgeführt. Im Rahmen dieser Veranstaltungen wurde den
Schülerinnen und Schülern die rechtliche Situation von Homosexuellen im in-
ternationalen Vergleich vermittelt und subjektive Bewertungsschemata zur Ein-
ordnung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen in einem didaktisch aufbereite-
ten Setting kritisch hinterfragt.

Die Nutzung von Angeboten zur sexuellen Gesundheit durch muslimische Mit-
bürgerinnen und Mitbürger findet im Kontext der Arbeit der Beratungsstelle
„Mashallah!“ und der Testangebote in Kooperation mit dem Gesundheitsamt
der Stadt Essen statt.

                                                                                            13
Im diesem Projektzeit-
Projektberichte

                                                                     raum (2014 - 2016) war
                                                                     das Projekt auf insge-
                                                                     samt 22 öffentlichen Ver-
                                                                     anstaltungen vertreten,
                                                                     die entweder verstärkt
                                                                     von Migrantinnen und
                                                                     Migranten aufgesucht
                                                                     wurden oder besonders
                                                                     mit dem Thema gleich-
                                                                     geschlechtliche Lebens-
                                                                     weisen (wie z.B. Ruhr CSD,
                  „Queer Refugee“ Podiumsdiskussion) zusammenhingen. Es fanden 15 Koope-
                  rationstreffen statt und etwa 1150 Menschen der Zielgruppe wurden erreicht.

                  Weiterhin zeigt sich, dass sich das Rahmenkonzept „Sexuelle Gesundheit &
                  Migration“ als solide Basis für ein vielschichtiges, sozialpädagogisches Han-
                  deln erweist, jedoch aufgrund der hohen Barriere die Platzierung des The-
                  mas Homosexualität in Migrantenselbstorganisationen fortgeführt werden
                  muss. Hierzu ist der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren als
                  langfristige und zielführende Ergänzung zu nennen. Infolge des Zuzugs von
                  Geflüchteten, aber auch an Einstellungen, beispielsweise osteuropäischer
                  Migrantinnen und Migranten, wird deutlich, dass eine Fortsetzung der Ent-
                  stigmatisierungsarbeit in Bezug auf Einstellungen und Wissen zu den The-
                  men sexuelle Gesundheit und Vielfalt ausgebaut und fortgesetzt werden
                  muss.

14
5.4 Liebes-Welten

                                                                                Projektberichte
   Interkultureller Parcours
    zur sexuellen Gesundheit
   AWO Lore-Agnes-Haus
Das Projekt Liebes-Welten
richtet sich an Menschen
mit Migrationserfahrung
und Fluchtgeschichte in Es-
sen. Seit 2015 wurden mit
dem Parcours 64 Gruppen
mit rund 1000 Personen
und 100 hauptamtliche Fachkräfte erreicht. Die Teilnehmenden setzten sich aus
Frauengruppen, Vereinen (Elternvereine, Moscheevereine, deutsch-syrische
Gemeinde usw.), unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, Berufsvorberei-
tungsklassen und Deutschkursen zusammen.

Der Parcours ermöglicht, dass Besucherinnen und Besucher sich mit Fragen
der sexuellen Gesundheit beschäftigen, die in der Familie oder im Freundes-
kreis häufig nicht besprochen werden können. Die Teilnehmenden können
darüber hinaus die Präventionsangebote der Essener Facheinrichtungen auf-
grund von sprachlichen und sozialen Barrieren oft nicht ausreichend in An-
spruch nehmen.
Der Parcours Liebes-Welten beschäftigt sich beispielsweise mit: Liebe, Part-
nerschaft, Lebensplanung, Verhütung, Familienplanung, Sexualität, Schwan-
gerschaft, sexuell übertragbaren Infektionen und auch mit unterschiedlichen
Wertvorstellungen in der Gesellschaft (sexuelle Orientierung, voreheliche Se-
xualität usw.).
Der Mitmach-Parcours bietet einen Spannungsbogen von Lernen und Spaß,
Kommunikation und Aktion
und regt die Teilnehmen-
den dazu an, sich auch mit
tabuisierten Themen spie-
lerisch zu beschäftigen.

                                                                                         15
Das AWO Lore-Agnes-Haus lädt somit die Menschen ein, sich in familiärer At-
Projektberichte

                  mosphäre über diese Themen auszutauschen und Wissen zu vertiefen. Dafür
                  wurde der Parcours Liebes-Welten mit 4 Stationen entwickelt. Bei Liebes-Wel-
                  ten ist jede Station so flexibel ausgestattet, dass auch Menschen mit weni-
                  gen Deutschkenntnissen oder Körperwissen ohne Einschränkung profitieren
                  können. Liebes-Welten berücksichtigt immer die kulturellen und sprachlichen
                  Unterschiede in den Lebenswelten der Teilnehmenden.

                  Durch den Parcours wird jede Gruppe von Frauen und Männern begleitet,
                  die im Lore-Agnes-Haus für Liebes-Welten ausgebildet wurden. Diese 65 Tea-
                  merinnen und Teamer haben selbst eine Zuwanderungsgeschichte und verfü-
                                                gen über Kenntnisse in 40 Sprachen.
                                                Sie sind vertraut mit den Fragen, Herausforde-
                                                rungen und Sorgen von Menschen mit Zuwan-
                                                derungsgeschichte und schätzen die Vielfalt
                                                der Erfahrungen und Werte.

                  In ihrer Brückenfunktion sind sie:
                  - unterschiedlichen Alters, Geschlechts und
                    religiöser/sexueller Orientierung
                  - Rollenvorbilder in ihren Communitys
                  - sensibilisiert, um mit Tabuthemen umzuge-
                    hen und
                  - sie wählen die „richtige“ Sprache, um die
                    Inhalte zu vermitteln
                  - und engagieren sich gesellschaftlich
                  Die Erfahrungen der Teamerinnen und Teamer
                  sowie der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des
                  Parcours werden regelmäßig evaluiert. Diese
                  Evaluation wird zur Qualitätssicherung genutzt.
                  Das Projekt Liebes-Welten wurde in die Lan-
                  desinitiative „Gesundes Land Nordrhein-West-
                  falen“ aufgenommen.
                  Gerade durch den Zuzug von Geflüchteten und
                  unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten,
                  haben sich neue Zielgruppen ergeben, für die
                  der Parcours adäquat eingesetzt werden kann.

16
5.5 Integrations- und Ausstiegshilfen für Sexarbeiterinnen mit

                                                                             Projektberichte
   Zuwanderungsgeschichte, Fach- und Beratungsstelle Nachtfalter

Das Projekt der Fach- und Beratungsstelle und Nachtfalter in enger Zusam-
menarbeit mit dem Gesundheitsamt bot mit Einsatz von Kultur- und Sprach-
mittlerinnen Beratung zu Themen der sexuellen Gesundheit sowie Unterstüt-
zung und Begleitung der Sexarbeiterinnen in unterschiedlichen Lebenslagen.

Die Lebenssituation der Frauen am Straßenstrich (Kirmesplatz) und teilwei-
se im Bordell (Stahlstraße)
ist in besonderer Weise
bestimmt von Armuts-
prostitution im Rahmen
spezieller familiärer und
kultureller Lebensbedin-
gungen und in keiner Wei-
se vergleichbar mit der
professionellen gewerb-
lichen Prostitution. Viele
Frauen sind überwiegend
bildungsfremd, verfügen
- wenn überhaupt - über
eine geringe Alphabetisie-
rung und über marginale Deutschkenntnisse. Sie und ihre Kinder stehen auf
der untersten gesellschaftlichen Stufe ohne jegliche Akzeptanz und finden
keinen Zugang zu den notwendigen Versorgungsstrukturen. Es liegen unzu-
reichende Kenntnisse der gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedin-
gungen vor und es gibt keinen Zugang zu Information und Beratung. Auch
die Kenntnisse zu STI und Verhütung sind völlig unzureichend mit der Folge
von hohen Infektionsraten (Gonorrhoe, Chlamydien, Trichomonaden, Syphi-
lis) und einer Vielzahl von Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrü-
chen aufgrund unzureichender/keiner Verhütung im Rahmen ihrer Sexarbeit.
Die mangelnden Sprachkenntnisse sowie die unzureichenden Informationen
zu Rechten, Pflichten und Zugängen zu Versorgungsangeboten bedingen
starke Abhängigkeiten von z. B. männlichen Familienangehörigen, Familien-
clans oder Wohnungsvermietern (Mietwucher) und verhindern die eigen-
ständige Veränderung/Gestaltung und Verbesserung ihrer Lebenssituation.

                                                                                           17
Ziele des Projektes waren daher:
Projektberichte

                     • Zugänge der Frauen zu den Regelangeboten der Stadt Essen
                     • und damit verbunden Versorgung der Kinder
                     •
                     • Verhinderung der Weiterverbreitung von STI in der
                       Allgemeinbevölkerung
                     •
                     • Vermeidung von ungewollten Schwangerschaften

                  Eine Kollegin war mit der bulgarischen Sprach- und Kulturmittlerin einmal
                  wöchentlich im Beratungscontainer am Straßenstrich und unterstütze alle
                  14 Tage die Ärztin des Gesundheitsamtes. Eine weitere Sprechstunde im
                  Nachtfalter ermöglichte den Frauen mit Unterstützung der Sprach-und Kul-
                  turmittlerinnen im geschützten Rahmen ihr Anliegen zu erörtern. Eine Kol-
                  legin besuchte alle 6 - 8 Wochen die Frauen an ihrem Arbeitsplatz in der
                  Stahlstraße und versorgte sie mit Kondomen und Informationen.

                  Insgesamt konnte festgehalten werden, dass die Arbeit der Sprach-und Kul-
                  turmittlerinnen wesentlich zum Erfolg des Projektes beigetragen hat. Die
                  Zusammenarbeit mit den Sprach - und Kulturmittlerinnen hat die Arbeitsan-
                  sätze und Erfahrungen vertieft, gefestigt und damit eine Vertrauensbasis ge-
                  schaffen. Ebenso wichtig war die personelle Kontinuität im Projektverlauf,
                  die eine Anbindung an die beiden Beratungsstellen und im späteren Verlauf
                  eine Verselbständigung der Frauen ermöglicht hat. Des Weiteren wurde da-
                  durch die Möglichkeit zu einem Ausstieg aus der Prostitution geschaffen.

                  In der gesamten Laufzeit des Projektes von Oktober 2014 - Juni 2017 wur-
                  den 570 Frauen erreicht. Das Projekt konnte nicht weitergeführt werden, da
                  die Weiterfinanzierung nicht möglich war.

18
Impressum:
Herausgeber: Arbeitskreis sexuelle Gesundheit und Migration
Redaktion, V.i.S.d.P:
Gesundheitsamt der Stadt Essen, Hindenburgstraße 29, 45127 Essen
Laura Boldorini (Gesundheitsamt)
Sabine Wentzky (Gesundheitsamt)
Druck & Layout: D. Dettmann
Auflage: 250 Stück
Info: 0201/ 88 53411 oder
0201/ 88 53410 (Gesundheitsamt)
Fax: 0201/ 88 53403
e-mail: laura.boldorini@gesundheitsamt.essen.de
sabine.wentzky@gesundheitsamt.essen.de

                                                                   19
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